OGH 3Ob25/09m

OGH3Ob25/09m25.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Kasseroler & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die verpflichtete Partei Walter W*****, nunmehr Dr. Bernd Schmidhammer, Rechtsanwalt, Innsbruck, Leopoldstraße 31a, als Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen der verpflichteten Partei (AZ 25 S 34/08h des Bezirksgerichts Innsbruck), wegen Übergabe an den Ersteher (§ 156 EO), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Erstehers Hannes B*****, vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher und Dr. Renate Erlacher-Philadelphy, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 27. Mai 2008, GZ 3 R 106/08x-173, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 29. Februar 2008, GZ 20 E 215/04p-169, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die verpflichtete Partei hat der betreibenden Partei die mit 229,91 EUR (darin enthalten 37,15 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Auf der versteigerten und dem Ersteher am 24. Jänner 2007 (ON 128) um ein Meistbot von 390.000 EUR zugeschlagenen Liegenschaft EZ 2081, Grundstück 2260/1 befindet sich ein Gärtnereibetrieb, zu dem vier Gewächshäuser gehören. Zwei dieser Gewächshäuser (in der Folge als Gewächshaus 3 und 4 bezeichnet) befinden sich auf fremdem Nachbargrund.

Im Schätzgutachten über den Wert der Gärtnerei (ON 33) wurden alle vier Gewächshäuser samt den dazugehörigen Gerätschaften bewertet. Das Gutachten enthält einen Verweis darauf, dass sich die Gewächshäuser 3 und 4 auf Pachtgrund befinden. Im Gutachten über den Verkehrswert der Liegenschaft (ON 35) wurden ebenfalls sämtliche Gewächshäuser unter Zugrundelegung des im Schätzgutachten über die Gärtnerei ermittelten Zeitwerts bewertet. Das Verkehrswertgutachten verweist darauf, dass sich zwei der Gewächshäuser auf einer - nicht dem Verpflichteten gehörigen - Teilfläche einer Nachbarliegenschaft (Grundstück 2261) befinden. Dem Verkehrswertgutachten ist ein am 30. November 2001 auf unbestimmte Zeit geschlossener Pachtvertrag zwischen dem Verpflichteten und dem Grundeigentümer sowie dem Pächter des Nachbargrundstücks über eine Teilfläche von 670 m² des Grundstücks 2261 und ein weder unterfertigter noch verbücherter Baurechtsvertrag angeschlossen. Nach dem Inhalt des Pachtvertrags ist der Verpflichtete berechtigt, auf dem Pachtgrundstück ua Glashäuser zu errichten, wobei der Pachtvertrag die Vereinbarung enthält (III Abs 3), dass die auf dem Pachtobjekt errichteten Baulichkeiten nach Auslaufen der Pachtdauer ohne Anspruch auf Entschädigung dem Verpächter zufallen, sofern von den Verpächtern keine Räumung begehrt wird.

Im Versteigerungsedikt wurde die Liegenschaft ausdrücklich als „Gärtnereibetrieb, bestehend aus Massivgebäude mit Betriebsinhaberwohnung und vier Gewächshäusern" beschrieben und auf das sich aus dem Gutachten über den Wert der Gärtnerei ergebende Zubehör verwiesen.

Nachdem das Erstgericht einen Antrag des Erstehers auf Übergabe der Liegenschaft (ON 142) bewilligte und die zwangsweise Räumung und Übergabe der Liegenschaft an den Ersteher angeordnet (ON 144) und aufgrund dieses Beschlusses die zwangsweise Räumung bewilligt hatte (ON 160), wurde am 20. Juni 2007 (ON 164) das Grundstück Nr 2260/1 an den Ersteher übergeben, nicht aber die Gewächshäuser 3 und 4, weil sich diese laut dem Bericht des Vollstreckers auf dem Pachtgrund der Nachbarn befinden.

Über Antrag des Erstehers (ON 168) bewilligte das Erstgericht auch die Übergabe der zur Gärtnerei gehörigen und als Zubehör mitbewerteten Gewächshäuser 3 und 4 mit der Begründung, dass der Ersteher die Versteigerungsbedingungen erfüllt habe. Nach dem Inhalt des Edikts könne nicht zweifelhaft sein, dass der Ersteher auch die Gewächshäuser 3 und 4 erworben habe.

In dem dagegen erhobenen Rekurs (ON 170) wies der Verpflichtete darauf hin, dass sich die Gewächshäuser 3 und 4 auf fremdem Grund befänden; eine Übergabe würde daher in die Eigentums- und Besitzrechte Dritter eingreifen, nämlich jene der Nachbareigentümer und des nunmehrigen Pächters der Grundfläche.

Das Rekursgericht gab diesem Rekurs Folge, wies den Antrag des Erstehers auf Übergabe auch der Gewächshäuser 3 und 4 ab, sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei und bewertete mit Ergänzungsbeschluss vom 27. November 2008 (ON 180) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 7. Jänner 2009 (ON 186) den Wert des Entscheidungsgegenstands mit über 20.000 EUR.

Das Rekursgericht vertrat zusammengefasst die Auffassung, dass die Gewächshäuser 3 und 4 kein Zubehör zur versteigerten Liegenschaft darstellten. Der Exekutionsantrag auf Zwangsversteigerung der Liegenschaft habe keinen Antrag auf Zwangsversteigerung dieser Gewächshäuser, die Superädifikate darstellten, umfasst. Der Ersteher habe kein Eigentum an diesen Superädifikaten erwerben können. Überdies fehle ihm die Gutgläubigkeit, weil sich aus dem Gutachten die rechtlichen Verhältnisse eindeutig ergäben.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Erstehers ist zulässig, weil Rechtsprechung dazu fehlt, ob der Ersteher einen Anspruch auf Übergabe iSd § 156 Abs 2 EO in Ansehung von Gebäuden hat, die zwar im Versteigerungsedikt erwähnt sind, sich aber zur Gänze auf fremdem Grund befinden.

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Der Ersteher vertritt in seinem Revisionsrekurs die Auffassung, dass er durch die Aufnahme der im Schätzgutachten bewerteten Gewächshäuser in das Versteigerungsedikt Eigentum durch Zuschlag erworben habe.

I. Die in Lehre und Rechtsprechung vertretenen Grundsätze zum Eigentumserwerb durch Zuschlag lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Durch den rechtsbegründenden gerichtlichen Akt des Zuschlags wird im Zwangsversteigerungsverfahren das Eigentum der in Exekution gezogenen Liegenschaft an den Ersteher übertragen. Als ursprüngliche Erwerbsart überträgt der Zuschlag Eigentum selbst dann, wenn der Verpflichtete nicht Eigentümer war, sofern der Ersteher nur gutgläubig war (RIS-Justiz RS0002863; 3 Ob 14/08t).

2. Maßgebend für den Eigentumserwerb des Erstehers ist in erster Linie der Inhalt der Ausfertigung des Beschlusses über die Erteilung des Zuschlags (Angst in Angst, EO² § 156 Rz 5), der gemäß § 183 Abs 2 erster Satz EO ua die versteigerte Liegenschaft und das auf den Ersteher übergehende Zubehör zu bezeichnen hat, wobei (§ 183 Abs 2 zweiter Satz EO) die Angabe des Zubehörs durch Bezugnahme auf das Schätzgutachten geschehen kann. Ein entsprechender Hinweis findet sich hier in der schriftlichen Beschlussausfertigung über die Zuschlagserteilung (ON 135), die nur die versteigerte Liegenschaft als solche bezeichnet, nicht. In diesem Fall ist für den Eigentumserwerb durch Zuschlag der Inhalt des Versteigerungsedikts (früher auch der Versteigerungsbedingungen) maßgebend (2 Ob 72/00b; 3 Ob 183/07v; RIS-Justiz RS0002739; Angst aaO § 156 Rz 5; Neumayr in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 156 Rz 10).

3. Sind im Versteigerungsedikt Zubehörstücke angeführt bzw wird im Versteigerungsedikt auf im Schätzgutachten angeführtes Zubehör verwiesen, erwirbt der Ersteher unabhängig davon, ob sie im Eigentum des Verpflichteten standen, bei Gutgläubigkeit Eigentum (RIS-Justiz RS0002856; 6 Ob 79/70 = SZ 43/88; Angst aaO § 156 Rz 5; Neumayr aaO § 156 Rz 19).

4. Baulichkeiten, die auf einer Liegenschaft errichtet sind, sind an sich unselbständige Bestandteile der Liegenschaft und folgen dem Eigentum an der Liegenschaft (§ 297 ABGB). Werden sie aber mit Zustimmung des Grundeigentümers auf fremdem Grund in der Absicht errichtet, dass sie nicht stets darauf bleiben sollen, so handelt es sich um sogenannte Superädifikate oder Überbauten. Diese gelten als bewegliche Sachen und sind sonderrechtsfähig. Maßgeblich für die Qualifikation eines Bauwerks als Superädifikat ist das Fehlen der Belassungsabsicht durch den Erbauer im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes (3 Ob 58/02d mwN; RIS-Justiz RS0011252). Wurde ein Überbau nach dem Versteigerungsedikt mitversteigert, erwirbt der Ersteher durch den Zuschlag das Eigentum auch am Überbau (RIS-Justiz RS0003454).

5. Ob der Ersteher gutgläubig Eigentum an einem Überbau oder an einem Zubehörstück erworben hat bzw ob überhaupt das Bauwerk auf der versteigerten Liegenschaft oder das Zubehör (ursprünglich) im Eigentum eines Dritten standen, ist im streitigen Rechtsweg zu klären (RIS-Justiz RS0002827; 3 Ob 17/88 = SZ 61/171 = JBl 1989, 119; Angst aaO § 133 Rz 2).

6. Eine Sondersituation besteht bei sogenannten „Grenzüberbauten". Dabei handelt es sich um Bauwerke, die keine Superädifikate, sondern Bestandteile der Liegenschaft sind und teilweise auf dem Nachbargrundstück stehen. Deren Eigentumsverhältnisse sind im Versteigerungsverfahren nicht endgültig zu klären. Ein Grenzüberbau macht das Versteigerungsverfahren nicht generell unzulässig (3 Ob 17/88; Angst aaO § 170a Rz 3 mwN).

II. Zur Übergabe nach § 156 Abs 2 EO:

Erfüllte der Ersteher - wie hier - die Versteigerungsbedingungen, hat die Übergabe der Liegenschaft sowie des veräußerten Zubehörs gemäß § 156 Abs 2 EO zu erfolgen. Dabei handelt es sich nach der neueren Rechtsprechung um ein Exekutionsverfahren nach § 349 EO (3 Ob 254/07k; vgl auch 3 Ob 32/00b; Angst in Angst, EO² § 156 Rz 15 mwN).

III. 1. Der hier zu beurteilende Fall ist nun dadurch gekennzeichnet, dass sich die Gewächshäuser 3 und 4 unstrittig nicht auf der versteigerten Liegenschaft, sondern auf einer nicht dem Verpflichteten gehörigen Nachbarliegenschaft befinden, wobei der Verpflichtete nach dem Inhalt des im Schätzgutachten erliegenden Pachtvertrags jene Teilfläche pachtete, auf welcher die Gewächshäuser 3 und 4 errichtet sind. Weder handelt es sich bei den Gewächshäusern 3 und 4 um „Grenzüberbauten" im Sinne der Entscheidung 3 Ob 17/88 (= SZ 61/171) noch um den Fall, dass in Ansehung von auf der Liegenschaft befindlichem Zubehör die Rechte an diesem Zubehör strittig sind. Die Situation lässt sich auch nicht damit vergleichen, dass die in der Natur verlaufenden Grundstücksgrenzen nicht mit den Mappengrenzen übereinstimmen (vgl dazu Angst aaO § 156 Rz 6 mwN). Vielmehr stehen die Gewächshäuser 3 und 4 zur Gänze auf fremdem Grund, wobei ebenfalls unstrittig und durch das eingeholte Schätzgutachten dokumentiert ist, dass die Gewächshäuser eine feste Verbindung zum Boden aufweisen.

2. Im Versteigerungsedikt wurde auf das Schätzgutachten ON 33 verwiesen, das die auf Pachtgrund stehenden Gewächshäuser als Zubehör der zu versteigernden Liegenschaft EZ 2081 behandelte und daher konsequenterweise samt dem darin befindlichen Inhalt in die Schätzung einbezog. Das Versteigerungsedikt beschrieb die Liegenschaft ausdrücklich als Gärtnerbetrieb, bestehend ua aus vier Gewächshäusern. Mit Rechtskraft des Edikts wurde für das Exekutionsverfahren mit bindender Wirkung und unter Ausschluss des Rechtswegs (8 Ob 8/93 unter Hinweis auf 3 Ob 152/74 = SZ 47/96) über die Zubehöreigenschaft der Gewächshäuser 3 und 4 entschieden. Nach Rechtskraft des Edikts kommt eine Ausscheidung der dort als Zubehör festgestellten Sachen durch den Exekutionsrichter mit der Begründung, es fehle die Zubehöreigenschaft, nicht in Betracht (Klicka in Schwimann, ABGB³ II, § 294 Rz 26; EvBl 1956/72; 1 Ob 74/64 = JBl 1965, 36).

3. Die Gewächshäuser 3 und 4 wurden somit als Zubehör mitversteigert, weshalb einer nach § 349 EO zu vollziehenden Übergabe der Gewächshäuser als Zubehör iSd § 156 Abs 2 EO kein Hindernis entgegensteht. Ob der Verpflichtete Eigentümer der Gewächshäuser 3 und 4 war, verneinendenfalls, ob der Ersteher gutgläubig Eigentum erworben hat, ist - wie unter I.5. ausgeführt -, im streitigen Rechtsweg zu klären.

4. Anders wäre der Fall nur zu beurteilen, wenn Dritte, die selbständige, also nicht vom Verpflichteten abgeleitete Besitzrechte behaupten, die Gewächshäuser 3 und 4 in Besitz hätten: Dann nämlich hätte sich das Exekutionsgericht in die Beurteilung des Umfangs der Rechte des Dritten nicht einzulassen. Vielmehr bliebe es dem Ersteher überlassen, seine Ansprüche im Rechtsweg durchzusetzen (RIS-Justiz RS0002871; 3 Ob 63/86). Ein „Dritter" ist allerdings in diesem Exekutionsverfahren weder aufgetreten noch besitzt er nach der Aktenlage tatsächlich die Gewächshäuser.

5. Zusammengefasst ist somit davon auszugehen, dass ein Ersteher, der durch Zuschlag Eigentum an einem auf Nachbargrund stehenden Gebäude, das im Versteigerungsedikt genannt und im Schätzgutachten bewertet wurde, erworben hat, eine Übergabe nach § 156 Abs 2 EO an ihn unabhängig davon erwirken kann, ob es sich bei dem Gebäude um ein im Eigentum des Verpflichteten stehendes Superädifikat handelt.

Dem berechtigten Revisionsrekurs war daher im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Bewilligungsbeschlusses Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO. Die Bemessungsgrundlage beträgt - da im Zwischenstreit zwischen dem Ersteher und dem Verpflichteten über die Räumung und Übergabe des versteigerten Objekts der Beschwerdegegenstand weder die betriebene Forderung noch das Meistbot ist (RIS-Justiz RS0002777) und der Ersteher seinen Ausspruch nicht bewertet hat - gemäß § 13 RATG iVm § 14 RATG 730 EUR.

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