OGH 3Ob150/14a

OGH3Ob150/14a22.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer und Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, gegen die verpflichteten Parteien 1. H*****gesellschaft m.b.H., und 2. S***** AG, *****, beide vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 17. Juli 2014, GZ 53 R 166/14i‑17, womit infolge Rekurses der betreibenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 22. Mai 2014, GZ 5 E 1936/14g‑14, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00150.14A.1022.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß

§ 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig , weil darin keine erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt werden. Das ist wie folgt zu begründen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

1. Der betriebene Exekutionstitel (ein teilweise abänderndes Berufungsurteil vom 24. März 2014, zugestellt am 10. April 2014, mit dem die Entscheidungsgegenstände jeweils mit 30.000 EUR übersteigend bewertet und die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt wurde) erkennt beide Verpflichteten jeweils schuldig, „ ab sofort im geschäftlichen Verkehr Verletzungen der Offenlegungspflicht gemäß § 277 iVm § 280 UGB zu unterlassen, insbesondere durch eine Verletzung der Pflicht zur Vorlage des Konzernabschlusses […] beim zuständigen Firmenbuchgericht innerhalb von neun Monaten nach dem Bilanzstichtag. “ Es handelt sich dabei um einen als „quasi-negatorisch“ bezeichneten Unterlassungsanspruch auf Abwendung eines durch (auch zukünftige) Untätigkeit verursachten wettbewerbsrechtswidrigen Zustands, also um einen Erfolgsabwendungsanspruch, der sich aus § 1 Abs 1 Z 1 UWG ergibt (4 Ob 229/08t = SZ 2009/32). Die ständige Rechtsprechung unterstellt titelmäßige Verpflichtungen, die letztlich auf ein Erfolgsverbot gerichtet sind, selbst dann, wenn vom Titelschuldner aktive Abhilfemaßnahmen gefordert werden, in weiterer Auslegung des § 355 EO der Exekution zur Erwirkung von Duldungen und Unterlassungen (3 Ob 54/11d mwN; RIS‑Justiz RS0004649 [T4]). Das gilt daher auch für den vorliegenden Exekutionstitel ( Heidinger , Die Verletzung von Offenlegungspflichten im Wettbewerb, RdW 2009, 507 [508]).

2. Bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag hat das Bewilligungsgericht zu prüfen, ob das Exekutionsbegehren vom Exekutionstitel gedeckt ist (RIS‑Justiz RS0000217 [T1]). Das Bewilligungsgericht hat die Verpflichtung nur aufgrund des Titels festzustellen. Es hat sich dabei an den Wortlaut des Spruchs zu halten und kann nur aus diesem selbst schließen, was die Parteien oder das Gericht dabei in Wirklichkeit gemeint haben (RIS‑Justiz RS0000296; RS0000207; RS0000205). Im Fall einer Undeutlichkeit des Spruchs ist es zulässig, die Gründe zur Auslegung des Willens des Richters heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0000296 [T1]).

Die betreibende Partei muss im Antrag auf Bewilligung einer Exekution gemäß § 355 EO und in jedem weiteren Strafantrag ein konkretes Vorbringen über das Zuwiderhandeln der verpflichteten Partei gegen den Exekutionstitel erstatten (RIS‑Justiz RS0000709 ua). Es ist grundsätzlich nicht erforderlich, diese Behauptungen zu bescheinigen oder zu beweisen; eine Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit, ob der behauptete Verstoß tatsächlich gesetzt wurde, findet im Exekutionsbewilligungsverfahren daher nicht statt (RIS‑Justiz RS0000709 [T15] ua). Ergibt sich jedoch aufgrund der angebotenen Bescheinigungsmittel die Unrichtigkeit der Behauptung, so ist der Exekutionsantrag abzuweisen (RIS‑Justiz RS0113988 [T4 und T5]).

Die maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen für die Beurteilung von Titelverstößen bestehen daher einerseits (grundsätzlich) nur im Spruch des Exekutionstitels und andererseits in den Behauptungen der betreibenden Partei über Verstöße des/der Verpflichteten dagegen (samt allenfalls vorgelegter Bescheinigungsmittel dazu). Vorbringen des/der Verpflichteten in der Äußerung gemäß § 358 Abs 2 EO, das nicht die Strafzumessungsgründe betrifft, hat deshalb unberücksichtigt zu bleiben.

3.1. Nach dem Spruch des Titels haben beide Verpflichtete ohne jede Einschränkung in zeitlicher Hinsicht Verletzungen der Offenlegungspflicht gemäß § 277 iVm § 280 UGB zu unterlassen. Damit erstreckt sich die titelmäßige Unterlassungspflicht nicht nur auf künftige, dh erst nach der Entstehung des Exekutionstitels mögliche Verletzungen der Offenlegungspflicht, sondern auch auf bereits vor der Entstehung des Exekutionstitels eingetretene Verletzungen, die nach wie vor aufrecht sind; die sich aus dem Wortlaut des Titels ergebende Verpflichtung, auch die Aufrechterhaltung von Verletzungen der Offenlegungspflicht zu unterlassen, entspricht deshalb auch der Verpflichtung zu deren Beseitigung.

Mit diesem Auslegungsergebnis steht die Aufnahme der Worte „ab sofort“ in den Spruch im Einklang, die klarstellt, dass den Verpflichteten keine Leistungsfrist gewährt wird. § 409 ZPO, der den Richter zur Setzung einer Leistungsfrist verpflichtet, ist auf reine Unterlassungsansprüche nicht anzuwenden. Die urteilsmäßige Verpflichtung zu einer „reinen“ Unterlassung - also nicht zu einer Unterlassung, die auch ein positives Tun, wie etwa eine Beseitigung, umfasst - tritt daher sofort mit der Wirksamkeit des Urteils (§ 416 ZPO) ein (RIS‑Justiz RS0041265), sodass es in einem solchen Fall der angesprochenen Worte gar nicht bedurft hätte. Der Richter kann aber auch bei Unterlassungsklagen eine angemessene Leistungsfrist gemäß § 409 Abs 2 ZPO festlegen, wenn die Unterlassungspflicht die Pflicht zur Änderung eines Zustands einschließt (RIS‑Justiz RS0041260 [T2]), wie zB die Beseitigung oder Änderung des Firmenwortlauts samt Antragstellung beim Registergericht oder die Änderung von AGB. Die Aufnahme der Worte „ab sofort“ in den Spruch indiziert daher das Bestehen einer von der Unterlassungspflicht umfassten Beseitigungspflicht (was ja dem Wesen des vorliegenden Titels als Erfolgsabwendungsanspruch entspricht) und die Rechtsansicht, für deren Erfüllung sei den Verpflichteten keine Frist zu gewähren (was mit der unbestritten gebliebenen Behauptung der Betreibenden im Exekutionsantrag zur Strafhöhe korrespondiert, beide Verpflichteten hätten über die betroffenen Konzernabschlüsse ohnehin verfügt).

Mangels Undeutlichkeit des Spruchs des Exekutionstitels kommt eine Berücksichtigung seiner Begründung bei der Entscheidung über die Exekutionsbewilligung und die weiters gestellten Strafanträge nicht in Betracht.

3.2. Selbst wenn man die titulierte Unterlassungsverpflichtung dennoch nur als „reine“, dh kein positives Tun einschließende verstehen wollte, wäre ‑ mit dem Rekursgericht ‑ eine Beseitigungspflicht wegen einer „gleichgerichteten Zustandsstörung“ nach ständiger Judikatur mit Rücksicht auf § 15 UWG zu bejahen (RIS‑Justiz RS0004413; RS0004490).

Die Verpflichteten wenden sich auch gar nicht gegen diese Judikatur, sondern halten sie im vorliegenden Fall deshalb für nicht anwendbar, weil ihnen die Einhaltung der Neunmonatefrist (ab dem Bilanzstichtag [§ 277 Abs 1 UGB]) für die inkriminierten Geschäftsjahre 2010, 2011 und 2012 nach Zustellung des Exekutionstitels am 10. April 2014 gar nicht mehr möglich gewesen sei, weil sie „nicht die Zeit zurückreisen“ könnten; die Beseitigung einer unmöglichen Leistung könne von ihnen aber nicht verlangt werden.

Dabei übersehen die Verpflichteten allerdings, dass die Beseitigung des wettbewerbsrechtswidrigen Zustands wegen unterbliebener Offenlegung von Konzernabschlüssen nicht bedeutet, diesen rückwirkend, also mit Wirkung für die Vergangenheit ungeschehen zu machen (was tatsächlich nicht möglich ist), sondern nur, diesen durch ‑ wenn auch verspätete ‑ Offenlegung zu beenden. Davon, dass dies den Verpflichteten unmöglich gewesen wäre, gehen aber nicht einmal sie selbst aus.

4. Die Betreibende behauptete in ihrem Exekutionsantrag vom 24. April 2014 nach § 355 EO Titelverstöße beider Verpflichteter wegen unterbliebener Offenlegung der Konzernabschlüsse per 31. Dezember 2010 und 2011 sowie einen weiteren Titelverstoß nur der Zweitverpflichteten wegen unterbliebener Offenlegung des Konzernabschlusses per 31. Dezember 2012; Bilanzstichtag sei jeweils der 31. Dezember jeden Jahres; nur die Erstverpflichtete habe einen Konzernabschluss zum 31. Dezember 2012 (am 24. Juni 2013) eingereicht. Nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels, somit seit 11. April 2014 (§ 505 Abs 4 ZPO) bis inklusive 22. April 2014 hätten die Verpflichteten wie dargestellt dem titulierten Unterlassungsgebot zuwidergehandelt. Das stelle ein besonders hartnäckiges Ignorieren des Titels dar, weil beide Verpflichteten die betroffenen Konzernabschlüsse bereits erstellt und deshalb verfügbar hätten. Mit im Wesentlichen identer Begründung stellte die Betreibende bis einschließlich 8. Mai 2014 noch zehn Strafanträge.

Damit wurde die weitere Säumnis der Verpflichteten mit der Offenlegung der näher zugeordneten Konzernabschlüsse behauptet, was - wie bereits dargelegt - als Verstoß gegen den betriebenen Unterlassungstitel zu qualifizieren ist.

5. Nach ständiger Judikatur besteht kein zwingender Anlass, Rechtfertigungsgründe und daraus resultierende Ausnahmen vom gerichtlichen Verbot in den Spruch aufzunehmen, gelten diese doch aufgrund des Gesetzes unabhängig davon, ob sie im Spruch des Unterlassungsgebots ausdrücklich erwähnt werden oder nicht. Liegt der rechtfertigende Tatbestand vor, kann aufgrund des hier ergangenen gerichtlichen Unterlassungsgebotes nicht erfolgreich Exekution geführt werden (RIS‑Justiz RS0114017). Das gilt auch für die nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG geforderte Spürbarkeit der Wettbewerbsverletzung (RIS‑Justiz RS0114017 [T1]).

Sofern sich das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes oder der fehlenden Spürbarkeit der Wettbewerbsverletzung nicht schon aus den relevanten Entscheidungsgrundlagen ergeben sollte (was hier nicht der Fall ist), steht einer verpflichteten Partei dafür die Impugnationsklage zur Verfügung (vgl 4 Ob 29/07d), auf die auch die beiden Verpflichteten zu verweisen sind.

5.1. Die Zweitverpflichtete beruft sich auf die Ausnahmebestimmung des § 245 Abs 1 UGB (Befreiung eines Tochterunternehmens, das in einen aufgestellten und geprüften ‑ sowie offengelegten [RIS‑Justiz RS0120445] ‑ Konzernabschluss einbezogen ist, von der Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses). Weder dem Spruch des Exekutionstitels noch den Behauptungen der Betreibenden in den Exekutions- und Strafanträgen ist jedoch zu entnehmen, dass die Zweitverpflichtete gegenüber der Erstverpflichteten die Stellung als Tochterunternehmen zukommt. Der von der Betreibenden zugestandene Umstand, die Erstverpflichtete habe einen Konzernabschluss zum 31. Dezember 2012 am 24. Juni 2013 offengelegt, lässt daher eine Befreiung der Zweitverpflichteten von der Offenlegung eines Konzernabschlusses für das Geschäftsjahr 2012 gemäß § 245 Abs 1 UGB nicht erkennen.

5.2. Unter diesen Prämissen ist auch nicht ersichtlich, welche Auswirkungen die Offenlegung des Konzernabschlusses der Erstverpflichteten für das Geschäftsjahr 2012 auf die Spürbarkeit der hier in Rede stehenden Wettbewerbsverletzungen der Zweitverpflichteten haben sollte. Für die Erstverpflichtete wurde die Rechtsansicht, ihr Rechtsbruch durch unterbliebene Offenlegung der Konzernabschlüsse für die Geschäftsjahre 2010 und 2011 sei geeignet, den Wettbewerb spürbar zu beeinflussen, ungeachtet der Offenlegung für das Geschäftsjahr 2012, vom Obersten Gerichtshof nicht beanstandet (4 Ob 95/14w [= Titelakt]).

5.3. Da sonstige besondere Umstände, die die Spürbarkeit der Wettbewerbsverletzung in Frage stellen würden, nicht aktenkundig sind, ist die Annahme des Rekursgerichts, im Exekutionsverfahren sei von den behaupteten Titelverstößen auszugehen, nicht zu beanstanden.

6. Die Bemessung von Geldstrafen nach § 355 EO wirft schon wegen der darin angeordneten Bedachtnahme auf Art und Schwere des jeweiligen Zuwiderhandelns gegen den Exekutionstitel, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und das Ausmaß von dessen Beteiligung an der Zuwiderhandlung, also auf die konkreten Umstände des Einzelfalls, keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO auf (RIS‑Justiz RS0012388 [T1]).

Ein Ermessensmissbrauch durch das Rekursgericht, das ohnehin die von den Verpflichteten im Revisionsrekurs hervorgehobenen Umstände, es träfe sie an den Verstößen nur ein geringes Verschulden und sie hätten daraus nur geringen wirtschaftlichen Nutzen gezogen, berücksichtigte, ist aber nicht zu erkennen. Zu Recht hat es nämlich ebenso auf das ‑ von ihnen unbestritten ‑ große wirtschaftliche Potential der Verpflichteten und die zu unterstellende, dennoch aber ungenutzt gebliebene Möglichkeit hingewiesen, dem Exekutionstitel umgehend zu entsprechen. Schließlich haben die im Zuge einer Unterlassungsexekution zu verhängenden Strafen willensbeugenden und repressiven Charakter. Durch die verhängte Strafe soll der Verpflichtete für begangenes Unrecht wirksam zur Rechenschaft gezogen und von weiteren Verletzungen des Exekutionstitels abgehalten werden; bloß symbolische Geldstrafen scheiden daher aus (RIS‑Justiz RS0010057 [T3 und T4]). Sanktionen sind nur dann eine geeignete Maßnahme zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen, wenn sie wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind. Bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist daher auch auf die Wirksamkeit und den erforderlichenfalls abschreckenden Charakter von Beugestrafen Bedacht zu nehmen (4 Ob 229/08t mwN).

Eine Orientierung am gegenüber § 359 Abs 1 EO geringeren Strafrahmen des § 283 UGB scheidet schon deshalb aus, weil die Verwirklichung der hier zu ahndenden Titelverstöße die Erfüllung zusätzlicher erschwerender Tatbestandsmerkmale erfordert, die über die bloße Nichteinreichung des Jahresabschlusses hinausgehen (vgl 4 Ob 229/08t).

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