Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.961,64 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 326,94 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Parteien betreiben Einkaufszentren in Oberösterreich. Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ihr Bilanzstichtag ist der 31. Dezember. Sie reichte den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2005 erst am 18. September 2007 und jenen zum 31. Dezember 2006 erst am 24. Dezember 2007 beim Firmenbuchgericht ein.
Die Klägerin beantragt, der Beklagten aufzutragen,
a. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verletzungen der Offenlegungspflicht gemäß § 277 UGB iVm § 278 Abs 1 UGB insbesondere durch Nichtvorlage der Bilanz und des Anhangs der [Beklagten] gemäß § 278 Abs 1 UGB jeweils innerhalb von neun Monaten nach dem Bilanzstichtag 31. 12. eines jeden Jahres zu unterlassen;
b. den Zustand der Verletzung der Offenlegungsverpflichtung gemäß § 277 UGB iVm § 278 Abs 1 UGB zur Vorlage der Bilanz und des Anhangs zum Bilanzstichtag 31. 12. 2005 dadurch zu beseitigen, dass sie die Bilanz und den Anhang der [Beklagten] gemäß § 278 Abs 1 UGB binnen 14 Tagen zum Firmenbuch einreicht.
Weiters beantragt die Klägerin die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in den Oberösterreichischen Nachrichten und in der Kronen Zeitung. Zur Begründung stützt sie sich auf § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch). Die Beklagte habe mehrfach gegen die Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses verstoßen, ohne dass dies durch eine vertretbare Rechtsansicht gedeckt gewesen wäre. Die Verpflichtung zur Offenlegung treffe die Gesellschaft, nicht bloß deren Organe; die Regelungen des UGB zur Durchsetzung der Offenlegungsverpflichtung hätten keinen abschließenden Charakter. Der Verstoß sei geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen.
Die Beklagte wendet ein, die Offenlegungspflicht treffe nur ihre Organe, nicht auch sie selbst. Die Sanktionierung der fehlenden Offenlegung sei in § 283 UGB abschließend geregelt und ausschließlich dem Staat vorbehalten. Grund für die verspätete Offenlegung des Jahresabschlusses 2005 seien Verhandlungen mit einem an der Beklagten interessierten Unternehmen gewesen. Die Klägerin habe diese Verhandlungen stören wollen, die Klagsführung sei daher schikanös. Der Verstoß gegen die Offenlegungspflicht sei nicht geeignet, den Wettbewerb zu Gunsten der Beklagten zu beeinflussen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Verstoß sei nicht geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen spürbar zu beeinflussen. Die Offenlegungspflicht treffe nur die Organe der Gesellschaft. Die Sanktionierung habe durch den Staat und nicht durch Dritte zu erfolgen. Mit dem Unterlassungsbegehren fordere die Klägerin in Wahrheit ein aktives Tun der Beklagten, was im UWG keine Grundlage finde. Das Beseitigungsbegehren sei schon deshalb nicht berechtigt, weil die Beklagte die Bilanz zum 31. 12. 2005 mittlerweile eingereicht habe.
Das Berufungsgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt und ermächtigte die Klägerin zur Urteilsveröffentlichung in den Oberösterreichischen Nachrichten. Weiters sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.
In der Verletzung der Offenlegungspflicht liege ein sonstiges unlauteres Verhalten, das geeignet sei, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht bloß unerheblich zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG). Die Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses treffe nach den europarechtlichen Vorgaben die Gesellschaft selbst. Zwar könne sie diese Verpflichtung nur durch ihre Organe erfüllen, deren Säumnis sei jedoch ihr selbst zuzurechnen. Der Schutzzweck der Offenlegungspflicht erfasse auch die Mitbewerber. § 283 UGB habe keinen abschließenden Charakter; eine Erstreckung der Einreichungsfrist sei dort nicht vorgesehen. Die in der Bilanz und deren Anhang enthaltenen Informationen seien für die Dispositionen von Geschäftspartnern und Mitbewerbern von maßgebender Bedeutung; Verletzungen der Offenlegungspflicht beeinflussten daher den Wettbewerb. Da im vorliegenden Fall die Unterlassungspflicht nur durch positives Tun erfüllt werden könne, stehe dem geltend gemachten „quasi-negatorischen" Anspruch nichts entgegen. Eine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO liege vor, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen wegen der Verletzung von Offenlegungspflichten fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des Ersturteils anstrebt. Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte mit der verspäteten Vorlage der Bilanz gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG verstoßen hat.
1.1. Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung des Senats zur Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch" richtig wiedergegeben (4 Ob 225/07d = MR 2008, 114 [Heidinger 108] = wbl 2008, 290 [Artmann 253] = ÖBl 2008, 237 [Mildner] = ecolex 2008, 551 [Tonninger] - Wiener Stadtrundfahrten; RIS-Justiz RS0123239). Danach ist ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Der Unterlassungsanspruch setzt ferner voraus, dass das beanstandete Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen.
1.2. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
1.2.1. Zwar haben nach § 277 Abs 1 UGB (nur) „die gesetzlichen Vertreter" von Kapitalgesellschaften den Jahresabschluss und andere Rechnungsunterlagen spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag beim Firmenbuchgericht einzureichen. Daraus ist jedoch entgegen dem Revisionsvorbringen nicht abzuleiten, dass die Offenlegungspflicht nur die Organe, nicht jedoch die Gesellschaft selbst träfe.
Diese Auffassung hat der Oberste Gerichtshof - entgegen einer zuvor im Schrifttum vertretenen Auffassung (G.Kodek/Nowotny, Zur Parteistellung der Gesellschaft im Zwangsstrafenverfahren, NZ 2004/51) - schon in der Entscheidung 6 Ob 124/05m (= wbl 2006/17) mit ausführlicher Begründung abgelehnt (ebenso zum entsprechenden Problem des § 14 HGB vor dessen Neufassung durch das UGB bereits 6 Ob 9/94 = wbl 1994, 240). Danach trifft die Offenlegungspflicht die Gesellschaft selbst; das im Gesetz angesprochene Verhalten der Organe ist ebenso wie deren Säumnis der Gesellschaft zuzurechnen.
Diese Rechtslage folgt aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Offenlegungspflicht: Nach Art 44 Abs 2 lit g EG-V erlässt die Gemeinschaft Regelungen zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, „die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften [...] im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind". Adressat der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen sind daher die Gesellschaften selbst, nicht (bloß) deren Organe. Dieser Regelungszweck spiegelt sich auch im Titel der § 277 UGB zugrundeliegenden Richtlinie 68/151/EWG (PublizitätsRL) wider, die den Wortlaut von Art 44 Abs 2 lit g EG-V übernimmt. Auf dieser Grundlage ist es folgerichtig, dass auch der EuGH ohne weitere Differenzierung eine Offenlegungspflicht der Gesellschaft annimmt (Rs C-97/96 = Slg 1997 I 6843 - Daihatsu, Rz 23; vgl auch 6 Ob 14/00b = SZ 73/44).
Damit wird deutlich, dass die in § 277 UGB vorgesehene Verpflichtung der Gesellschaftsorgane dazu dient, die im Gemeinschaftsrecht vorgesehene und vom österreichischen Gesetzgeber als selbstverständlich vorausgesetzte Offenlegungspflicht der Gesellschaft umzusetzen. Dies führt unter anderem dazu, dass auch die Gesellschaft selbst legitimiert ist, die gegen ihre Organe ergangenen Strafbeschlüsse mit Rekurs zu bekämpfen (RIS-Justiz RS0112094).
Die Auffassung, dass die Offenlegungspflicht ausschließlich die Organe der Gesellschaft treffe, ist auf dieser Grundlage nicht mit guten Gründen vertretbar.
1.2.2. Die Eignung eines Verstoßes zu einer nicht bloß unerheblichen Beeinflussung des Wettbewerbs kann sich ausgehend vom Regelungszweck der verletzten Norm und von den typischen Auswirkungen des Rechtsbruchs schon aus dem Normverstoß als solchem ergeben (4 Ob 225/07b - Wiener Stadtrundfahrten; RIS-Justiz RS0123243).
Das trifft hier zu: Die Offenlegung des Jahresabschlusses dient nach einhelliger Rechtsprechung hauptsächlich der Unterrichtung Dritter, die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht hinreichend kennen oder kennen können; von diesem Schutzzweck sind insbesondere Mitbewerber erfasst (EuGH Rs C-97/96 - Daihatsu, Rz 22; 6 Ob 307/99m = RdW 2000/250; RIS-Justiz RS0113090). Den Dritten soll der Zugang zu den sonst in der Regel nicht bekannten Informationen über die finanzielle Lage einer Gesellschaft ermöglicht werden (6 Ob 14/00b = SZ 73/44).
Legen einzelne Gesellschaften ihren Jahresabschluss offen, während andere die Offenlegung verweigern, so hat dies selbstverständlich Auswirkungen auf die Stellung dieser Unternehmen im Wettbewerb. Denn die Kenntnis der wirtschaftlichen Lage kann sowohl das Verhalten der Marktgegenseite (Kunden und Lieferanten) als auch jenes der Mitbewerber beeinflussen. Das gilt auch im unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien: Der Beklagten stehen die von ihren Mitbewerbern, insbesondere von der Klägerin, offenzulegenden Informationen über deren wirtschaftliche Lage zur Verfügung. Sie kann ihr Verhalten daher danach ausrichten, während das umgekehrt wegen der Verletzung der Offenlegungspflicht nicht möglich ist. Auch werden Lieferanten bei Kenntnis der wirtschaftlichen Lage einer Gesellschaft - etwa im Bereich des Warenkredits - anders agieren als bei Unkenntnis. Eine unterschiedliche Offenlegungspraxis verletzt auch aus diesem Blickwinkel das lauterkeitsrechtliche Postulat der gleichen rechtlichen Ausgangsbedingungen für alle Wettbewerber (4 Ob 225/07b - Wiener Stadtrundfahrten mwN).
Dass der Verstoß aufgrund konkreter Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise nicht geeignet gewesen wäre, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern spürbar zu beeinflussen, hat die Beklagte nicht konkret behauptet. Vielmehr gesteht sie die Wettbewerbsrelevanz ihres Verhaltens letztlich selbst zu. Denn sie brachte in erster Instanz vor, dass sie die Offenlegung der Bilanz 2005 wegen laufender Übernahmeverhandlungen mit einem anderen Unternehmen unterlassen habe. Damit wertete sie die Offenlegung als schädlich für ihre Stellung in solchen Verhandlungen. Mitbewerber, die sich in einer vergleichbaren Situation an die gesetzliche Offenlegungspflicht halten, müssen diesen Nachteil in Kauf nehmen.
2. Die gegen die Anwendbarkeit von § 1 UWG erhobenen Einwände können nicht überzeugen.
2.1. Die Anwendung von § 1 UWG ist gemeinschaftsrechtlich unbedenklich. Nach Art 6 lit a der RL 68/151/EWG (PublizitätsRL) drohen die Mitgliedstaaten „geeignete Maßregeln zumindest für den Fall an, dass die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe f vorgeschriebene Offenlegung der Rechnungsunterlagen unterbleibt". Zu diesen Maßregeln gehört im österreichischen Recht jedenfalls die Zwangsstrafenregelung des § 283 UGB. Aus dem Gemeinschaftsrecht lässt sich jedoch nicht ableiten, dass das nationale Recht nicht auch weitere Sanktionsmöglichkeiten vorsehen könnte. Diese können auch in (ebenfalls gesetzlich begründeten) lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen bestehen.
Auch die Auffassung der Beklagten, dass die Offenlegung nur „durch den Staat" und nicht auch (mittelbar) „durch Mitbewerber" durchgesetzt werden dürfe, findet in Art 6 PublizitätsRL keine Deckung. Zunächst ist festzuhalten, dass auch die Feststellung und exekutive Durchsetzung von lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen durch gerichtliche Entscheidung erfolgt. Der Unterschied zu § 283 UGB liegt daher nur darin, dass diese Bestimmung von Amts wegen anzuwenden ist, ohne dass Mitbewerber oder andere Personen antragslegitimiert wären, während das Lauterkeitsrecht nur aufgrund eines Antrags (Klage, Exekutionsantrag) durchgesetzt wird.
Dies ist jedoch, wie sich aus der Entscheidung des EUGH in der Rechtssache Daihatsu (Rs C-97/96 ) ergibt, gemeinschaftsrechtlich unbedenklich: Nach dieser Entscheidung verstieß die Regelung des § 335 dHGB, wonach ein Verfahren zur Verhängung von Zwangsmaßnahmen nur auf Antrag eines Gesellschafters, eines Gläubigers oder des Betriebsrats einzuleiten war, gegen die Verpflichtung aus Art 6 der PublizitätsRL. Der EuGH ließ zwar formal offen, wie eine richtlinienkonforme Umsetzung aussehen könnte; mit dem Hinweis auf die Unzulässigkeit der Beschränkung der Antragsbefugnis gab er jedoch deutlich zu erkennen, dass eine zusätzliche Antragsbefugnis von - im Urteil ausdrücklich genannten (Rz 22) - Mitbewerbern zumindest nicht gegen die Richtlinie verstieße. Ein Unterschied zur Klagebefugnis von Mitbewerbern nach §§ 1, 14 UWG ist nicht zu erkennen.
2.2. Auch § 283 UGB steht lauterkeitsrechtlichen Ansprüche nicht entgegen. In dieser Bestimmung werden zwar nur Zwangsstrafen gegen Organe angeordnet, dies allerdings „unbeschadet der allgemeinen unternehmensrechtlichen Vorschriften". Damit gibt schon die Regelung selbst zu erkennen, dass sie keinen abschließenden Charakter hat.
Zwar ist § 283 UGB nach der jüngeren Rechtsprechung lex specialis zu § 24 FBG, wonach bei Verstößen gegen Anmelde- und Einreichungspflichten ebenfalls von Amts wegen Zwangsstrafen zu verhängen sind; bei Verstößen gegen die Offenlegungspflicht ist daher nur § 283 UGB, nicht jedoch § 24 FBG anzuwenden (6 Ob 306/00v = ecolex 2001/154 [Zehetner]; G.Kodek in G.Kodek/Nowotny/Umfahrer, Firmenbuchgesetz [2005], § 24 FBG Rz 12 mwN). Das folgt allerdings daraus, dass alle von § 283 UGB erfassten Fälle zwingend auch unter § 24 FBG fallen. § 24 FBG und § 283 UGB knüpfen daher an denselben Verstoß - die Verletzung von Einreichpflichten - im Kern gleiche Rechtsfolgen (Zwangsstrafen gegen Organe), die jedoch in einem bestimmten Fall miteinander im Widerspruch stehen. Denn die höchstzulässige Geldstrafe beträgt nach § 24 FBG 3.600 EUR, während nach § 283 Abs 3 UGB unter Umständen auch höhere Strafen zulässig sind.
Auf dieser Grundlage ist offenkundig, dass § 283 UGB als speziellere Regelung vorrangig anzuwenden ist. Abgesehen vom möglichen logischen Widerspruch in Bezug auf die Strafhöhe ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber ein- und dasselbe Verhalten sowohl der speziellen Norm als auch der bei gleichem Sachverhalt formal immer in gleicher Weise anzuwendenden generellen Norm unterstellen und damit eine doppelte Bestrafung anordnen wollte.
Anders verhält es sich jedoch, wenn zwei auf einen bestimmten Sachverhalt anwendbare Regelungen nicht nur unterschiedliche Rechtsfolgen, sondern auch unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen aufweisen und damit einen bestimmten Lebenssachverhalt aus verschiedenen Blickwinkeln regeln. In einem solchen Fall können die Regelungen - außer bei Anordnung einander widersprechender Handlungspflichten - aus rechtslogischer Sicht nebeneinander bestehen; wertungsmäßig können schärfere Sanktionen in einer der beiden Normen durch dort vorgesehene zusätzliche Tatbestandsmerkmale - also einen engeren Anwendungsbereich - gerechtfertigt sein.
Das trifft hier zu. § 1 Abs 1 Z 1 UWG enthält mit der Unvertretbarkeit der Rechtsauffassung und der Eignung des Verhaltens zur nicht bloß unerheblichen Beeinflussung des Wettbewerbs zusätzliche (wenngleich teils ungeschriebene) Tatbestandsmerkmale, die über die bloße Nichteinreichung des Jahresabschlusses hinausgehen. Dies rechtfertigt auch bei wertender Betrachtung eine gegenüber § 283 UGB weitergehende Rechtsfolge. Wollte der Gesetzgeber diese Normenkonkurrenz ausschließen, müsste er dies mit ausreichender Deutlichkeit zu erkennen geben.
Die Rechtslage ist hier nicht anders als bei Verstößen gegen verwaltungsrechtliche Vorschriften (vgl nur 4 Ob 225/07b - Wiener Stadtrundfahrten) oder gegen das Kartellrecht (RIS-Justiz RS0109519): Der Umstand, dass der Gesetzgeber die Einhaltung bestimmter Verhaltensregeln mit Verwaltungsstrafen oder Geldbußen bewehrt, ändert nichts daran, dass bei Vorliegen der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 Z 1 UWG auch lauterkeitsrechtliche Ansprüche bestehen können. Warum das bei Verstößen gegen die Offenlegungspflicht anders sein soll, ist - soweit die Fallgruppe Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch nicht grundsätzlich abgelehnt wird - nicht zu erkennen.
2.3. Die Offenlegungspflicht der §§ 277 und 278 UGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verfassungsrechtlich unbedenklich (6 Ob 307/99m = RdW 2000/250; 6 Ob 14/00b = SZ 73/44; RIS-Justiz RS0113089); sie steht auch im Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen der freien Berufsausübung, der Freiheit der Meinungsäußerung und der Gleichbehandlung (EuGH Rs C-435/02 , C-103/03 = Slg 2004 I 8663 - Axel Springer AG). Die Revision zeigt in diesem Punkt keine neuen Argumente auf.
Die Bedenken der Beklagten, dass die bei Bejahung eines lauterkeitsrechtlichen Anspruchs drohenden Beugestrafen eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zuwiderlaufende Höhe erreichen könnten, sind nicht im Titel-, sondern in einem allfälligen Exekutionsverfahren zu prüfen. Schon hier ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Sanktionen nur dann eine geeignete Maßnahme zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen sind, wenn sie wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind (EuGH Rs C-387/02 , C-391/02 und C-403/02 = Slg 2005 I 3565 - Berlusconi ua, Rz 65 mwN; Gruber, Bilanzpublizität für jedermann? RdW 1998, 525; G.Kodek aaO § 24 FBG Rz 23). Bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wird daher auch auf die Wirksamkeit und den erforderlichenfalls abschreckenden Charakter von Beugestrafen Bedacht zu nehmen sein.
3. Die Beklagte hat somit gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG verstoßen. Dies begründet den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung künftiger Störungen.
3.1. Durch die doppelte Negation („Verletzungen der Offenlegungspflicht [...] zu unterlassen") soll die Beklagte in der Sache dazu verpflichtet werden, in Zukunft ein bestimmtes Verhalten zu setzen. Nach Auffassung der Beklagten steht dies im Widerspruch zu § 406 ZPO, wonach die Verurteilung zu einer „Leistung" - außer bei Ansprüchen auf Alimente - nur zulässig ist, wenn die „Fälligkeit" zur Zeit der Urteilsschöpfung bereits eingetreten ist.
3.2. Diese Bestimmung ist jedoch auf Ansprüche wegen unlauteren Verhaltens iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG nicht unmittelbar anzuwenden. Denn solche Ansprüche betreffen nicht Leistungen iSv § 406 ZPO, die an den jeweiligen Kläger oder allenfalls an einen Dritten zu erbringen sind. Vielmehr dienen sie dazu, eine unlautere Beeinträchtigung des Wettbewerbs - also einen von der Rechtsordnung missbilligten Zustand - auch für die Zukunft zu verhindern. Eine solche Beeinträchtigung kann nicht nur durch positives Tun, sondern - bei Bestehen einer Pflicht zur Abwendung eines Erfolgs (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG26 [2008] § 2 UWG Rz 5; Fezer in Fezer, Lauterkeitsrecht [2005] § 2 Rz 17) - auch durch ein Untätigbleiben eintreten.
Letzteres gilt insbesondere dann, wenn der Wettbewerb dadurch beeinträchtigt wird, dass ein Mitbewerber ein ihm gesetzlich gebotenes Verhalten aufgrund einer unvertretbaren Rechtsansicht nicht setzt. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb diese Fallgruppe anders behandelt werden sollte als ein positives Tun. Daher hat der Senat für solche Fälle einen als „quasi-negatorisch" bezeichneten Unterlassungsanspruch anerkannt (4 Ob 214/97t = SZ 70/173 = ecolex 1998, 46 [Tahedl] - Filmverleihgesellschaft).
3.3. Diese Rechtsprechung ist auch bei systematischer Betrachtung gerechtfertigt. Denn die Störung des Wettbewerbs durch ein (rechtswidriges) Untätigbleiben ist mit dem Eingriff in fremdes Eigentum durch Immissionen vergleichbar, die ohne aktives Zutun des Eigentümers von dessen Grundstück ausgehen. Auch hier kann dem Nachbarn nur vorgeworfen werden, den rechtswidrigen Erfolg nicht abgewendet zu haben. Daher ist in solchen Fällen nach der Rechtsprechung ein Erfolgsverbot zu erlassen, das den Störer zu einem aktiven Tun zwingt (8 Ob 635/92 = SZ 65/145; RIS-Justiz RS0010566; vgl dazu Wagner, Gesetzliche Unterlassungsansprüche im Zivilrecht [2006] 8 ff). Zwar obliegt es dabei in der Regel dem Störer, die zur Abwendung des Erfolgs geeignete Maßnahme auszuwählen (8 Ob 635/92 = SZ 65/145). Sollte jedoch in einem bestimmten Fall der rechtswidrige Zustand schon der Natur der Sache nach nur auf eine einzige Art und Weise abgewendet werden können, so begründet das keinen tragfähigen Unterschied, der einen Unterlassungsanspruch ausschließen könnte. Gleiches muss für einen Erfolgsabwendungsanspruch gelten, der sich aus § 1 Abs 1 Z 1 UWG ergibt.
3.4. Diese Auffassung steht auch im Einklang mit den Wertungen, die jener Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zugrunde liegen, die unter gewissen Umständen - entgegen § 406 ZPO - eine Verurteilung zu einer zukünftigen Leistung zulässt (1 Ob 663/89 = JBl 1990, 520; 4 Ob 573/94 = ecolex 1995, 328; 9 Ob 36/03i = MietSlg 55.689; RIS-Justiz RS0037617). Danach kann - in Anschluss an Stimmen in der Lehre (P. Böhm, Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage [1979] 57 f, Burgstaller, Die Klage auf künftige Leistung, JBl 1989, 545, 548 ff) - eine „vorbeugende Leistungsklage" erhoben werden, wenn dafür ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis besteht. Dieses liegt (entgegen Burgstaller aaO) nicht schon dann vor, wenn die zukünftige Nichterfüllung zu besorgen ist; zusätzlich ist erforderlich, dass das Nachholen der Leistung nicht möglich ist oder dem Berechtigten nichts bringt, sodass er sein Recht ohne solche Klage in Wahrheit nicht durchsetzen könnte.
Diese Wertung entspricht jener, die ganz allgemein den völlig unbestrittenen Ansprüchen auf Unterlassen eines zukünftigen (positiven) Verhaltens zugrunde liegt. Denn ein positives Tun lässt sich nicht ungeschehen machen; eine Klage nach erfolgter Störung käme daher immer zu spät. Das gilt aber auch dann, wenn ein Mitbewerber durch Untätigkeit einen Zustand schafft, der von der Rechtsordnung missbilligt wird. Auch ein solcher Zustand kann nicht nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit aus der Welt geschafft werden. Diese Fallgestaltung unterscheidet sich vom Verzug mit vertraglichen Ansprüchen oder mit anderen Geldforderungen dadurch, dass ein Ausgleich in Geld wegen der Schwierigkeit eines Schadensnachweises nur in Ausnahmefällen möglich ist.
Ob ein lauterkeitsrechtswidriger Zustand durch unlauteres Tun oder unlauteres Unterlassen herbeigeführt wurde, macht aus Sicht des verpönten Erfolgs keinen Unterschied. Das rechtfertigt die Gleichbehandlung der beiden Fallgruppen durch Annahme eines „quasi-negatorischen" Anspruchs auf Abwendung des lauterkeitsrechtswidrigen Zustands.
4. Aufgrund dieser Erwägungen ist das Urteil des Berufungsgerichts zu bestätigen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.
Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:
Die Verletzung der Offenlegungspflicht nach den §§ 277 und 278 UGB kann nach Maßgabe des § 1 Abs 1 Z 1 UWG auch lauterkeitsrechtliche Ansprüche begründen (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch).
Besteht eine unlautere Handlung im Unterlassen eines gesetzlich gebotenen Verhaltens, so begründet dies einen „quasi-negatorischen" Anspruch auf Abwendung eines durch (auch zukünftige) Untätigkeit verursachten wettbewerbswidrigen Zustands.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)