Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.
Text
Begründung
Der Empfänger einer an ihn persönlich adressierten auf dem Postweg zugegangenen schriftlichen Aussendung, die nach ihrem Inhalt von der Herausgeberin der im Kopf und im Einleitungssatz der Aussendung genannten Tageszeitung herrührt und als Unterschrift den Faksimileschriftzug eines Mannes trägt, dessen Stellung zur Zeitungsherausgeberin oder einer sonstigen juristischen Person in keiner Weise aufgedeckt wurde, zeigte den gesamten Vorgang dem Gericht wegen Verdachts einer Verletzung der Angabepflichten nach § 14 HGB an.
Auf gerichtliche Aufforderung zur Stellungnahme bekannte sich die GesmbH durch ihren anwaltlichen Bevollmächtigten zwar zur Versendung von Schritstücken mit dem vom Anzeiger vorgelegten Inhalt und in der von diesem behaupteten Weise, vertrat aber die Ansicht, daß es sich bei der in einer Auflage von 400.000 Stück zur Verbreitung gebrachten "Postwurfsendung" bei dem erkennbar der Werbung dienenden Inhalt mangels Ausrichtung auf die Herstellung eines individuellen Bezuges zwischen Absender und Adressaten um keine an bestimmte Personen gerichtete Geschäftsbriefe im Sinne des § 14 Abs 1 HGB gehandelt habe.
Das Gericht erster Instanz verhängte über die beiden Geschäftsführer der Zeitungsherausgebergesellschaft wegen Nichtbefolgung der Vorschrift des § 14 HGB eine Zwangsstrafe von 20.000 S.
Das Rekursgericht gab den gemeinsam erhobenen Rekursen der beiden Geschäftsführer und der Gesellschaft nicht statt. Dazu sprach das Rekursgericht aus, daß eine Rechtsmittelzulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Zur Auslegung des § 14 HGB idF des Bundesgesetzes BGBl 1991/10 fehlt es an einer höchstrichterlichen Rechtsprechung. In diesem Sinne ist eine Revisionsrekurszulässigkeitsvoraussetzung nach § 14 Abs 1 AußStrG erfüllt.
Verfahrensgegenstand ist die Verhängung einer Zwangsstrafe. Der Rechtsmittelausschließungsgrund nach § 14 Abs 2 Z 1 AußStrG kommt daher nicht zur Anwendung.
Die Zwangsstrafe wurde über zwei Personen in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH verhängt. Neben den beiden Bestraften erhebt auch die Gesellschaft selbst Revisionserkurs. Ihre Beteiligtenstellung und Rechtsmittelbefugnis ist anzuerkennen, weil mit der gegen die Geschäftsführer verhängten Zwangsstrafe eine Offenlegung von Gesellschaftsdaten als unmittelbare Verpflichtung der Gesellschaft selbst bewirkt werden soll (was etwa im Fall eines Geschäftsführerwechsels praktische Bedeutung erlangen könnte). Aus der Geschäftsführerhaftung gegenüber der Gesellschaft im Sinne des § 25 Abs 2 GesmbHG ließe sich im Gegensatz zur rekursgerichtlichen Ansicht die Beteiligtenstellung und Rechtsmittelbefugnis der Gesellschaft nicht ableiten, weil die Offenlegungsverpflichtungen nach § 14 HGB nicht im Interesse der Gesellschaft, sondern im öffentlichen Interesse zum Schutz aktueller und potentieller Geschäftspartner der Gesellschaft normiert wurden. Auch die Möglichkeit einer Veröffentlichung eines Zwangsstrafbeschlusses auf Kosten der Gesellschaft im Sinne des § 283 Abs 2 HGB idF des Rechnungslegungsgesetzes BGBl 1990/475 begründete eine Beteiligtenstellung und Rechtsmittelbefugnis der Gesellschaft nur in den Fällen, in denen eine derartige Veröffentlichung angeordnet wird. Die gemeinsamen Revisionsrekurse der beiden Geschäftsführer und der Gesellschaft sind daher zulässig.
Sie sind aber nicht berechtigt.
Für die Rechtmäßigkeit der über die Geschäftsführer der die Schreiben aussendeten Gesellschaft mbH gemäß § 125 GmbHG verhängte Geldstrafe ist die Wertung der Aussendungen als Geschäftsbriefe im Sinne des § 14 HGB entscheidend.
Die Aussendung bestand aus einem gedruckten Text, der nach seinem im Kopf angeführten Titel der von der Gesellschaft herausgegebenen Zeitung, die auch im Eingangssatz als "unsere neue Farbtageszeitung" bezeichnet wird, auf die Zeitungsherausgeberin als Absenderin hinweist, wenn sie auch nicht in deren Namen gezeichnet ist, sondern nur die Faksimileunterschrift eines Mannes trägt, dessen Stellung zur Zeitungsherausgeberin nicht offengelegt ist und nach dem Firmenbuchstand jedenfalls nicht als Geschäftsführer der Zeitungsherausgebergesellschaft ausgewiesen war.
Das erfordert zunächst folgende Klarstellung: Nach der seit 1.Januar 1993 in Kraft stehenden Bestimmung des § 14 HGB idF des Bundesgesetzes BGBl 1991/10 haben "...Geschäftsführer oder...Liquidatoren einer...Gesellschaft (mbH)" auf den näher bezeichneten Aussendungen die angeführten Daten "anzugeben". Ungeachtet dieser Formulierung mit dem Geschäftsführer als Subjekt des Satzes (vgl dagegen die passive Form in § 35 a dGmbHG und § 80 dAktG) sollte nach dem erklärten Zweck einer Anpassung des inändischen Rechtes an das Gemeinschaftsrecht der europäischen Union kein Zweifel darüber bestehen, daß die gesetzliche Pflicht zur Angabe in Geschäftsbriefen nach § 14 HGB nicht etwa nur für organschaftlich gezeichnete Aussendungen der Gesellschaft, sondern für alle der Gesellschaft als Absenderin zurechenbaren Aussendungen angeordnet ist (so auch schon Wünsch FS-Schwarz, 573 ff, 588 und Oberhofer/Strickner in ÖJZ 1992, 122). § 14 Abs 1 HGB ist daher in berichtigender
Auslegung so zu verstehen, als lautete sein erster Satz:
"Kapitalgesellschaften haben unter der Zwangsstrafenhaftung ihres Vorstandes oder ihrer Abwickler (§ 258 Abs 1 AktG) bzw ihrer Geschäftsführer oder Liquidatoren (§ 125 GmbHG) auf allen Geschäftsbriefen...(die angeführten Daten)...anzugeben."
Die Pflicht zur Angabe der in § 14 Abs 1 HGB genannten Daten auf Geschäftsbriefen ist im Interesse aktueller oder potentieller Rechtsgeschäftspartner der Gesellschaft angeordnet, die sich durch die Aussendung als persönlich angesprochen betrachten dürfen. An diesem Schutzzweck ist im einzelnen zu bestimmen, ob eine gewisse Aussendung nach ihrer Art mit den Informationsangaben auszustatten ist oder nicht.
Der Inhalt der der Zeitungsherausgebergesellschaft zurechenbaren Aussendung besteht in einer Anleitung zur Kündigung von Abonnementverträgen mit einer Konkurrentin der Zeitungsherausgebergesellschaft und bietet diesbezüglich die Erteilung von Auskünften durch ihren Rechtsberater auf telefonische Anrufe an.
Unzweifelbar ist der Wettbewerbscharakter der Aussendungsaktion, damit aber auch die Erwartung des Urhebers der Aussendung, unter den Empfängern Abnehmer für das eigene Medienprodukt anzuwerben. Solche Empfänger unterliegen als potentielle Geschäftspartner des Aussenders dann dem oben erwähnten Schutz, wenn sie sich nach dem Inhalt und der Art des Zuganges der Aussendung objektiv persönlich zur Geschäftsaufnahme angesprochen erachten dürfen. Das ist zwar im vorliegenden Fall nicht schon durch den Text oder die Anrede ("Verehrte Mitbürgerin, geschätzter Mitbürger") der Aussendung, wohl aber durch die Zusendungsart mittels persönlich adressierter Postsendung anzunehmen.
Gerade in der persönlichen Adressierung an ihn darf der Empfänger - auch im Fall einer Massenaussendung - gegenüber einer Verteilung durch nicht persönlich adressierte Postwurfsendung den Eindruck gewinnen, der Absender wolle - aus welchen Gründen immer - gerade ihn persönlich ansprechen und zu einem geschäftlichen Kontakt auffordern.
Die Adressierung an eine bestimmte Person erachten auch im Anschluß an eine verbreitete Auffassung im deutschen Schrifttum (vgl zB Mertens im Kölner Kommentar2 § 80 Rz 9 oder Miller in Meyer-Landrut/Miller/Niehus GmbHG §§ 35 bis 38 Rz 57) Brodil (RdW 1992, 233), Michael Gruber (JBl 1993, 698 ff 707), Oberhofer/Strickner (ÖJZ 1992, 119 ff, 122) und Wünsch, FS-Schwarz 573 ff, 582) als wesentlich.
Entgegen dem Standpunkt der Rechtsmittelwerber unterlag die dem Zwangsstrafenbeschluß zugrundegelegte Aussendung als Geschäftsbrief, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet war, der Angabenverpflichtung nach § 14 Abs 1 HGB.
Der Aktenwidrigkeitsvorwurf (Abschnitt III des Revisionsrekurses) übergeht, daß der Aussendung ein Formular eines zur Verwendung für den Empfänger bestimmten Kündigungsschreibens an die Herausgeberin von Konkurrenzzeitungen angeschlossen war, die Aktion der ersten Rechtsmittelwerberin daher augenfällig Abonnenten konkreter Konkurrenzzeitungen als Zielgruppe vorsah. Selbst wenn bei der Auswahl der von den Rechtsmittelwerbern mit 400.000 angegebenen Empfänger der Aussendung nur mit einer mehr oder weniger großen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden hätte können, jeweils auch einen Abonnenten der Konkurrenzzeitungen zu erreichen, ändert das daran nichts, daß nach dem Inhalt des versendeten Textes konkret gerade nur die Abonnenten der Konkurrenzzeitungen angesprochen werden sollten und die Aussendung im Einzelfall, wenn sie keinen Abonnenten erreichte, eben ins Leere gegangen wäre, was aber notwendigerweise in Kauf genommen werden mußte.
Den Ausführungen zur Strafwürdigkeit (Abschnitt VI des Revisionsrekurses) ist entgegenzuhalten, daß nicht nur die Angabe der Firmenbuchnummer, sondern auch alle übrigen in § 14 Abs 1 HGB genannten Angaben fehlten. Das Problem der Analogie stellt sich daher schon deshalb nicht.
Die Zwangsstrafe nach § 125 GmbHG ist unabhängig davon verwirkt, ob eine wiederholte Begehung der zum Anlaß genommenen Rechtswidrigkeit möglich ist (was im vorliegenden Fall entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs durchaus nicht auszuschließen wäre). Der Zwangsstrafe nach § 125 GmbHG kommt - wie etwa auch einer Beugestrafe nach § 355 EO (vgl 3 Ob 12/93 = ecolex 1993,686 = Jus Extra 1993 OGH-Z 1361) - durchaus auch repressiver Charakter zu.
Den jüngst von Gruber/Lienbacher in JBl 1994, 85 geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Zwangsstrafen nach § 258 AktG und § 125 GmbHG mit Rücksicht darauf, daß die Verletzung der Angabepflichten in Geschäftsbriefen zwar auch auf Privatstiftungen erstreckt (§ 32 PSG), dort aber nicht unter Zwangsstrafdrohung gestellt wurde, vermag der Oberste Gerichtshof unter Berücksichtigung des beschränkten gesetzlich zulässigen Wirkungskreises einer Privatstiftung nach § 1 PSG nicht zu folgen.
Dem Revisionsrekurs war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.
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