Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Beide beklagten Gesellschaften sind Holdinggesellschaften und jeweils Muttergesellschaften einer Tochtergesellschaft mit jeweils mehreren Enkelgesellschaften. Seit 2011 ist die Zweitbeklagte die 100%‑ige Tochter der Erstbeklagten. Auch die Klägerin ist eine Holdinggesellschaft.
Das Berufungsgericht hat die Beklagten dazu verpflichtet, Verletzungen der Offenlegungspflicht gemäß § 277 iVm § 280 UGB zu unterlassen, insbesondere durch eine Verletzung der Pflicht zur Vorlage des Konzernabschlusses beim zuständigen Firmenbuchgericht innerhalb von neun Monaten nach dem Bilanzstichtag.
Es liege ein Verstoß gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG vor. Der Konzernabschluss sei ein reines Informationsinstrument und solle einen leichteren Einblick in die Vermögens‑, Finanz‑ und Ertragslage einer Unternehmensgruppe ermöglichen, die aus mehreren rechtlich selbständigen Unternehmen besteht, die aber beteiligungsmäßig und managementmäßig miteinander verflochten sind, also eine wirtschaftliche Einheit bilden. Es wäre bei großen international agierenden Konzernen schwierig, sich einen profunden Überblick über die Lage der Unternehmensgruppe zu verschaffen, müsste man man sich die Einzelabschlüsse aller Konzernunternehmen vorlegen lassen. Es sei nicht möglich, im Konzernabschluss die Ertragslage zu schönen oder eine höhere als die tatsächliche Liquidität vorzutäuschen. Die Konzernrechnungslegung diene vorrangig der Information von Interessenten. Die Kenntnis der wirtschaftlichen Lage könne sowohl das Verhalten der Marktgegenseite (Kunden und Lieferanten) als auch jenes der Mitbewerber beeinflussen. Das gelte nicht zuletzt auch im unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien. Eine unterschiedliche Offenlegungspraxis verletze das lauterkeitsrechtliche Postulat der gleichen rechtlichen Ausgangsbedingungen für alle Wettbewerber.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat damit Grundsätze der Entscheidung 4 Ob 229/08t in vertretbarer Weise auf einen vergleichbaren Sachverhalt angewendet. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt ‑ entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerber ‑ nicht schon allein deshalb vor, weil lediglich eine einzige Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofs vorliegt, zumal diese eingehend begründet ist und das Ergebnis trägt (vgl Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 29 mN aus der Rsp und RIS‑Justiz RS0103384).
Die Zulassungsbeschwerde zeigt auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage auf:
1.1. Der Ausnahmetatbestand nach § 249 Abs 2 letzter Satz UGB (Entfall der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses für ein Mutterunternehmen, das nur Tochterunternehmen von untergeordneter Bedeutung besitzt) ist restriktiv anzuwenden (vgl 6 Ob 157/08v Punkt 5.1.).
1.2. Die Vorinstanzen haben diese Bestimmung zutreffend im Lichte ihres unzweideutigen Wortlauts dahin ausgelegt, dass auch mittelbare Tochterunternehmen dem Mutterunternehmen zuzurechnen sind („Als Rechte, die einem Mutterunternehmen zustehen, gelten auch die einem Tochterunternehmen zustehenden Rechte ...“) und das Vorliegen des Tatbestands nach den Umständen des Einzelfalls in vertretbarer Weise verneint. Die gegenteilige Auslegung der Beklagten ist angesichts der unmissverständlichen Textierung des § 244 Abs 4 erster Satz UGB nicht vertretbar.
2.1. Das Vorliegen des Befreiungstatbestands nach § 245 Abs 1 UGB (Einbeziehung eines Tochterunternehmens in einen aufgestellten und überprüften Konzernabschluss) hat das Berufungsgericht deshalb verneint, weil der übergeordnete Konzernabschluss nicht veröffentlicht worden ist. Es ist damit von höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht abgewichen.
2.2. In der ausführlich begründeten Entscheidung 6 Ob 254/05d wird unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung (Umsetzung insbesondere der 7. Richtlinie 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss durch das Rechnungslegungsgesetz BGBl 1990/475) überzeugend dargelegt, dass jeder (verpflichtend) aufgestellte Konzernabschluss auch offenzulegen ist und die Befreiung eines Mutterunternehmens, das zugleich Tochterunternehmen ist, von der Pflicht, den konsolidierten Teilabschluss aufzustellen, unter anderem auch die Offenlegung des konsolidierten Abschlusses ihres Mutterunternehmens voraussetzt (so ausdrücklich Art 7 der 7. Richtlinie 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss). Dass es sich beim Mutterunternehmen im damaligen Anlassfall um eine Privatstiftung gehandelt hat, ändert nichts an den dort gewonnenen allgemeinen Aussagen zu § 245 Abs 1 UGB.
3.1. Zu Unrecht stellen die Rechtsmittelwerber den Informationswert eines Konzernabschlusses für Dritte in Frage. Zu verweisen ist dazu zunächst auf die Erwägungsgründe der genannten 7. Richtlinie, wonach die vorgesehene Koordinierung im Bereich des konsolidierten Abschlusses auf den Schutz der gegenüber Kapitalgesellschaften bestehenden Interessen abstellt. In Fällen, in denen ein Tochterunternehmen selbst Mutterunternehmen ist, ist es danach im Interesse einer vollständigen Information grundsätzlich erforderlich, einen konsolidierten Abschluss aufzustellen (6 Ob 254/05d).
3.2. Auch die Entscheidung 6 Ob 239/08b (Punkt 3.9.) betont die nicht unwesentliche wirtschaftliche Bedeutung eines Konzernabschlusses und führt aus, dass Mutterunternehmen mit der Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses gezwungen werden, (zumindest) jährlich die Vermögens‑, Finanz‑ und Ertragslage des Konzerns so darzustellen, als ob die rechtlich selbstständigen Unternehmen ein einziges Unternehmen wären (§ 250 Abs 3 UGB; Fiktion der wirtschaftlichen Einheit), weshalb der Konzernabschluss in der Kapitalgesellschaft ein bedeutendes Informationsinstrument ist.
3.3. Unter diesen Umständen ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Rechtsbruch der Beklagten sei geeignet, den Wettbewerb spürbar zu beeinflussen, nicht zu beanstanden. Ob dadurch auch eine spürbare Beeinflussung des Wettbewerbs zu Lasten der Verbraucher erfolgt, ist hingegen im hier allein geltend gemachten mitbewerberschützenden Lauterkeitsrecht (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG) unerheblich.
4. Die Befürchtung der Zweitbeklagten, sie werde sich künftig selbst dann nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 245 UGB berufen können, wenn der sie befreiende Konzernabschluss der Erstbeklagten veröffentlicht worden ist, ist unbegründet. Es besteht kein zwingender Anlass, Rechtfertigungsgründe und daraus resultierende Ausnahmen vom gerichtlichen Verbot in den Spruch aufzunehmen, gelten diese doch aufgrund des Gesetzes unabhängig davon, ob sie im Spruch des Unterlassungsgebotes ausdrücklich erwähnt werden oder nicht. Liegt der rechtfertigende Tatbestand vor, kann aufgrund des hier ergangenen gerichtlichen Unterlassungsgebotes nicht erfolgreich Exekution geführt werden (RIS‑Justiz RS0114017).
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