Spruch:
I. Die Bezeichnung der zweitbeklagten Partei wird auf „V***** m.b.H." berichtigt.
II. Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Zu I.:
Nach der am 24. 5. 2007 von den Generalversammlungen beider Gesellschaften beschlossenen und am 31. 7. 2007 zu FN ***** und FN ***** im Firmenbuch eingetragenen Verschmelzung der übertragenden S***** m.b.H. mit der übernehmenden V***** m.b.H. wurde diese gemäß § 96 Abs 1 Z 1 und Abs 2 GmbHG iVm § 225a Abs 3 AktG Gesamtrechtsnachfolgerin der übernommenen GmbH. Die Parteienbezeichnung war daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO von Amts wegen zu berichtigen.
Zu II.:
Die Rechtsvorgängerinnen der Streitteile schlossen am 13. 12. 1996 einen Architekten- und Ingenieurvertrag (im Folgenden: A-I-Vertrag), demzufolge die klagende Partei die Architekten- und Ingenieurleistungen betreffend die Errichtung eines Einkaufszentrums mit Freizeitangebot, eines Bürohochhauses sowie von Wohneinheiten auf der Liegenschaft H***** und H***** in Wien erbringen sollte. Das Ende März 2000 fertiggestellte Bauprojekt ist als „M*****" bzw „M*****" bekannt. Den Verfahrensgegenstand bilden Honoraransprüche der klagenden Partei, die sich aus der Überschreitung der vorgesehenen Bauzeit ergeben sollen. Gestützt wurden die Ansprüche auf § 6.3.1 des A-I-Vertrags, der mit „Terminverschiebung (Tempowechsel)" überschrieben ist. § 6.3 lautet auszugsweise wie folgt:
„6.3 Die A***** nimmt zur Kenntnis, dass die Realisierung des Projektes von einigen wesentlichen Voraussetzungen, wie zB Vermietungsstand, Förderung etc abhängig ist. Dem Bauherrn steht daher ausdrücklich das Recht zu, die Realisierung des Bauvorhabens in den unter 6.3 bis 6.4 genannten Fällen zu verzögern, vorübergehend einzustellen oder den Eröffnungszeitpunkt des Gesamtprojektes oder von Teilbauwerken zu verschieben. Daher werden in der Folge entsprechende Regelungen hinsichtlich der Anpassung des Zahlungsplanes, der Leistungsverpflichtung von A*****, sowie allfälliger vergütungspflichtiger Mehrleistungen getroffen.
6.3.1 Terminverschiebung (Tempowechsel)
Für den Fall, dass der Bauherr die Verschiebung der Baufertigstellung des Gesamtprojektes oder einzelner Hauptbauteile begehrt, hat A***** eine entsprechende Anpassung des Bauzeitenplanes vorzunehmen und im Einvernehmen mit dem Bauherrn zu verabschieden. Danach werden die monatlichen Teilzahlungen im Umfang der noch nicht geleisteten, auf gleich bleibende Monatsraten bis zum Eröffnungszeitpunkt umgerechnet und sind in dieser Form vom Bauherrn zu entrichten. Für den Fall der zeitlichen Verschiebung von einzelnen Baukörpern wird eine anteilige Berücksichtigung im Zahlungsplan vorgenommen.
Falls die Bekanntgabe der Terminverschiebung vor der Bauausführung des entsprechenden Bauteiles erfolgt, fallen aus dieser Terminverschiebung keine zusätzlichen Mehrkosten für den Bauherrn an.
Für den Fall, dass die Terminerstreckung eines Bauteiles während der Bauausführung dieses Bauteiles vereinbart wird und die Terminerstreckung einen Zeitraum von sechs Monaten übersteigt, ergeben sich daraus kostenpflichtige Mehrleistungen aufgrund der verlängerten Bauzeit. Die Vergütung dieser Mehrleistungen erfolgt aliquot im Verhältnis des neu festgelegten zum ursprünglichen Ausführungszeitraum, unter Berücksichtigung eines 20 %igen Abschlages.
Die sich aus der Terminerstreckung ergebenden nachgewiesenen Kostenerhöhungen seitens der ausführenden Firmen werden in voller Höhe der Herstellungskostenbasis für die Bonusermittlung zugeschlagen.
Als Berechnungswert für die Leistungen der örtlichen Bauaufsicht ist von einem fixen Honoraranteil von öS 24,000.000 auszugehen.
6.3.2 [...]"
Gemäß den Beilagen zum A-I-Vertrag war die klagende Partei im Wesentlichen mit folgenden Aufgaben betraut: Leistungsbild Architektur (Überarbeitung der bisherigen Planungsleistungen, Ausführungs- und Detailplanung, Vorbereitung der Vergabe, Mitwirkung bei der Vergabe/technische und geschäftliche Oberleitung, Dokumentation); Leistungsbild örtliche Bauaufsicht (Objektüberwachung, Objektbetreuung); Leistungsbild Mieterkoordination (Layout, Ausbaukoordination, Bauaufsicht-Mieterkoordination); Übernahme bestehender Planungen.
Die klagende Partei begehrte Zahlung von 799.820 EUR sA und brachte vor, die beklagten Parteien hätten die Fertigstellung des Büroturms und des Wohnbaues - das Einkaufszentrum ist nicht verfahrensgegenständlich - schuldhaft verzögert, sodass die in § 6.3.1 des A-I-Vertrags vereinbarte „Bagatellgrenze" von sechs Monaten jeweils deutlich überschritten worden sei. In diesem Fall sei für den gesamten Überschreitungszeitraum (und nicht nur für den sechs Monate überschreitenden Teil) das Zusatzhonorar zu leisten. Die laut Rahmenterminplan vorgegebene Soll-Bauzeit habe für den Büroturm 19,5 Monate und für den Wohnbauteil 12 Monate betragen. Diese Soll-Bauzeiten seien um 11,5 Monate (Büroturm) bzw acht Monate (Wohnbau) überschritten worden. Aufgrund der Bauzeitverlängerung von insgesamt 19,5 Monaten errechne sich gemäß § 6.3.1 Abs 3 des A-I-Vertrags der - in einer Urkunde (Beilage ./N) näher aufgeschlüsselte - Klagsbetrag.
Die Anwendbarkeit des § 6.3.1 begründete die klagende Partei mit einem Größenschluss: Sehe diese Bestimmung sogar für den Fall einer konsensmäßigen Terminerstreckung in einzelnen Bauteilen die Vergütung der dadurch verursachten Mehrleistungen der klagenden Partei vor, müsse dies erst recht im Fall von ungeplanten, von den Bauherren verschuldeten Terminerstreckungen gelten. Das Verschulden der beklagten Parteien liege darin, dass sie a) Vergabeentscheidungen erst nach monatelanger Verzögerung getroffen, b) Professionistenrechnungen trotz Fälligkeit längere Zeit nicht bezahlt und dadurch die Weiterarbeit dieser Professionisten verhindert, c) Umplanungen vorgenommen, d) Leistungen bewusst verzögert oder beschädigt, e) leistungsbereite Professionisten von der zeitgerechten Leistungserbringung abgehalten und f) die klagende Partei durch mangelhafte Eigenleistungen an der Leistungserbringung behindert hätten.
Die beklagten Parteien wandten, soweit für das Revisionsverfahren wesentlich, ein, dass der klagenden Partei Planungs-, Ausschreibungs- und Koordinationsfehler unterlaufen seien und sie daher selbst die Terminüberschreitungen zu vertreten habe. § 6.3 des A-I-Vertrags betreffe nur vereinbarte Terminüberschreitungen und sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Sonstige Mehransprüche, die die klagende Partei aus dem Vertrag allenfalls geltend machen könnte, seien nicht in § 6.3, sondern in § 6.1 iVm § 8 des A-I-Vertrags geregelt. Daraus abgeleitete Ansprüche habe die klagende Partei bereits im Verfahren 24 Cg 144/02p des Handelsgerichts Wien geltend gemacht, weshalb die Einrede der Streitanhängigkeit erhoben werde. Durch die Bauzeitverlängerung seien den beklagten Parteien Nachteile entstanden, weshalb eine Gegenforderung von 12.843.461,86 EUR kompensando eingewendet werde.
Das Erstgericht erachtete die Klagsforderung mit 471.688,72 EUR als zu Recht, die Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend (inhaltlich wurde die Aufrechnungseinrede abgewiesen) und gab dem Klagebegehren im Umfang des erwähnten Teilbetrags sA statt. Das Mehrbegehren von 328.131,28 EUR sA wurde abgewiesen.
Das Erstgericht traf umfangreiche Feststellungen zu den Vertragsverhandlungen, der Entwicklung des Baufortschritts, den eingetretenen Verzögerungen und den hiefür maßgeblichen Gründen, von denen für das Verständnis der Revisionsentscheidung - neben dem eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt - vor allem folgende von Bedeutung sind:
„In den Gesprächen vor Vertragsabschluss wurde im Detail ausdrücklich darüber gesprochen, dass eine Erreichung der Bagatellfrist von sechs Monaten eine Verpflichtung zur gesonderten Vergütung des gesamten Überschreitungszeitraums vom ersten Tag an auslösen würde. Dies war auch mit ein Argument von S*****, der schließlich in den Verhandlungen erreichte, dass jene Bagatellfrist statt mit drei Monaten - wie sonst bei der Klägerin üblich - mit sechs Monaten bemessen wurde.
Dieser Bedeutungsinhalt der schließlich unter Punkt 6.3.1 dritter Absatz des A-I-Vertrags vertraglich festgelegten Bagatellklausel wurde den Beklagten auch in Form eines Rechenbeispiels deutlich gemacht."
Seinen Rechtsausführungen, in deren Rahmen es implizit auch die Einrede der Streitanhängigkeit verwarf, stellte das Erstgericht voran, dass es die von der klagenden Partei vertretene Auslegung des § 6.3.1 Abs 3 des A-I-Vertrags teile. Damit meinte es - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen ergibt - aber nur die Auslegung im Sinne der oben zitierten Feststellungen, wonach der klagenden Partei im Falle einer Überschreitung der „Bagatellgrenze" eine Mehrvergütung für den gesamten Verlängerungszeitraum gebühren soll. Die grundsätzliche Anwendbarkeit der Klausel bei schuldhafter Verzögerung des Baufortschritts durch den Bauherrn setzte es hingegen - ohne auf den diesbezüglichen Einwand der beklagten Parteien einzugehen - stillschweigend voraus.
Im Übrigen ging das Erstgericht erkennbar von der ausschließlichen Ursächlichkeit des festgestellten Verhaltens der beklagen Parteien für die eingetretene Bauzeitverzögerung aus, ohne sich allerdings auch mit der Frage zu befassen, worin jeweils das von der klagenden Partei behauptete Verschulden lag. Es gelangte ferner zu dem Ergebnis, dass die „Bagatellgrenze" von sechs Monaten lediglich bei der Errichtung des Büroturms, nicht aber auch des Wohnbauteils überschritten wurde, sodass der klagenden Partei das Zusatzhonorar laut § 6.3.1 des A-I-Vertrags für lediglich 11,5 (statt 19,5) Verlängerungsmonate gebühre. Der Berücksichtigung der eingewendeten Gegenforderungen stehe das in § 15.3 des A-I-Vertrags vereinbarte Aufrechnungsverbot entgegen.
Das von sämtlichen Parteien angerufene Berufungsgericht gab nur der Berufung der beklagten Parteien Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Zu § 6.3.1 des A-I-Vertrags führte es aus, mangels Feststellung einer vom Urkundeninhalt abweichenden Parteienabsicht zu der Frage, in welchen Fällen der klagenden Partei eine Mehrleistungsvergütung nach dieser Vertragsbestimmung zustehen solle, komme nur eine objektive Vertragsauslegung in Betracht. Schon die einfache Vertragsauslegung führe im Wege der Wortinterpretation und der Auslegung nach dem Gesamtzusammenhang (insbesondere mit Abs 1 des strittigen Vertragspunkts) zu dem Ergebnis, dass sich diese Bestimmung nur auf vereinbarte Terminerstreckungen beziehen sollte. Die Annahme einer planwidrigen Unvollständigkeit, die eine ergänzende Vertragsauslegung rechtfertigen könnte, wäre nur dann zu erwägen gewesen, wenn das dispositive Recht der klagenden Partei keine adäquate Möglichkeit zur Geltendmachung ihres - von den beklagten Parteien allenfalls verschuldeten - Mehraufwands bieten würde. Dies sei aber nicht der Fall, stehe doch § 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB zur Verfügung. Diese Bestimmung gewähre dem Werkunternehmer eine Entschädigung, wenn ihn hindernde Umstände auf Seite des Bestellers zu erhöhtem Arbeitseinsatz und zu höheren Aufwendungen zwingen würden. Sie sei dann anwendbar, wenn das Werk zwar nicht endgültig verhindert werde, aber - wie hier von der klagenden Partei behauptet - nur infolge von Umständen auf Bestellerseite nicht rechtzeitig fertig gestellt werden könne, etwa weil während der Werkerstellung Störungen aufgetreten seien, die zu Arbeitsunterbrechungen oder sonstigen Verzögerungen in der Durchführung der erforderlichen Arbeiten geführt hätten.
Da die klagende Partei ihren Anspruch auf das dispositive Recht hätte stützen können, sei § 6.3.1 des A-I-Vertrags mangels Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke auf den vorliegenden Sachverhalt nicht analog anwendbar. Die klagende Partei habe weder eine andere Anspruchsgrundlage behauptet, noch lasse ihr Vorbringen einen Bezug zu einer solchen erkennen. Die Klage erweise sich daher als unschlüssig.
Selbst wenn man aber in § 6.3.1 des A-I-Vertrags nur eine Konkretisierung der in § 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB geregelten angemessenen Entschädigung erblicken wollte, wäre weder aus den Prozessbehauptungen der klagenden Partei noch aus den Feststellungen die „Kausalität" des Verhaltens der beklagten Parteien für die Überschreitung der „Bagatellfrist" von sechs Monaten ableitbar. Der klagenden Partei wäre insoweit ein klares und konkretes Vorbringen zumutbar gewesen. Es sei nicht davon auszugehen, dass sie „mit einer strengen Anwendung der allgemeinen Behauptungs- und Beweislastregeln allenfalls überfordert sein könnte".
Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagten Parteien beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil dem Berufungsgericht ein für die Entscheidung erheblicher Verfahrensmangel unterlaufen ist. Sie ist im Sinne des Eventualantrags auch berechtigt.
Die klagende Partei steht auf dem Standpunkt, die zweitinstanzliche Auslegung der Vertragsklausel § 6.3.1 sei unvertretbar. Es bedürfe ferner der Klarstellung, in welchen Fällen ein Architektur- und Zivilingenieursbüro besonders strengen Behauptungs- und Beweislastregeln unterliege. Schließlich habe das Berufungsgericht gegen die Erörterungspflicht nach den §§ 182, 182a ZPO verstoßen und das Verbot einer Überraschungsentscheidung verletzt.
Hiezu wurde erwogen:
1. Zur Vertragsauslegung:
1.1 § 6 A-I-Vertrag („Mehraufwand und Projektänderung") betont in seinem Punkt 3. das ausdrückliche Recht des Bauherrn, in bestimmten Fällen die Realisierung des Bauvorhabens zu verzögern, vorübergehend einzustellen oder den Eröffnungszeitpunkt des Gesamtprojekts oder von Teilbauwerken zu verschieben. Einer dieser Fälle ist die in § 6.3.1 geregelte „Terminverschiebung" bzw der „Tempowechsel": Während Abs 1 und 2 dieser Regelung die Verschiebung der Baufertigstellung des Gesamtprojekts oder einzelner Hauptbauteile vor der Bauausführung im Auge hat, regeln die Abs 3 und 4 die Konsequenzen der „Terminerstreckung" eines Bauteils während der Bauausführung. Die gesamte Regelung ist von dem zwischen Bauherrn und Architekten herzustellenden Einvernehmen bei der Verlängerung der Bauzeit getragen; es soll gemeinsam eine neue Leistungsfrist festgelegt werden. Im vorliegenden Fall geht es dagegen um aus der Sphäre des Bauherrn stammende Behinderungen des Baufortschritts, die zu einer Überschreitung der unverändert gebliebenen ursprünglichen Leistungsfrist führen.
1.2 Da die klagende Partei weder behauptet noch bewiesen hat, dass, was den Anwendungsbereich der Klausel anlangt, aufgrund außerhalb der Urkunde liegender Umstände sich ein übereinstimmender Parteiwille oder vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichender objektiver Sinn der Erklärung ergeben hätte, ist für die Auslegung der Wortlaut der Urkunde allein maßgeblich (vgl 2 Ob 46/05m mwN; RIS-Justiz RS0043422 [T6 und T13]).
Zwischen den Streitteilen ist unstrittig, dass der geltend gemachte Anspruch vom Wortlaut der Klausel nicht umfasst ist. Die klagende Partei geht in ihrer Revision ferner erkennbar selbst davon aus, dass das von ihr gewünschte Auslegungsergebnis im Wege einfacher Vertragsauslegung nicht erreichbar ist. Sie beruft sich vielmehr auf eine Vertragslücke, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen sei.
1.3 Eine Vertragslücke setzt eine planwidrige Unvollständigkeit des Vertrags voraus (4 Ob 220/08v; RIS-Justiz RS0017829 [T2]). Diese besteht darin, dass im Vertrag für bestimmte Problemfälle keine Regelung getroffen wurde (3 Ob 146/01v; 7 Ob 214/08h). Es trifft zu, dass der A-I-Vertrag zu den Rechtsfolgen bei schuldhafter Verzögerung des Baufortschritts durch den Bauherrn keine Regelung enthält. Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits mehrfach ausgesprochen, dass selbst bei Vorliegen einer Vertragslücke die Lückenschließung primär durch das dispositive Recht zu erfolgen hat (3 Ob 146/01v; 3 Ob 125/05m; 7 Ob 214/08h; 2 Ob 95/08x; RIS-Justiz RS0017829 [T1]). Dies soll nur dann nicht gelten, wenn die Parteien die gesetzliche Lösung jedenfalls nicht wollten, oder sich diese für den konkreten Fall als unangemessen, nicht sachgerecht oder unbillig erweist (3 Ob 146/01v; 7 Ob 214/08h; 4 Ob 220/08v; RIS-Justiz RS0017890; Bollenberger in KBB2 § 914 Rz 2). Aus den folgenden Ausführungen wird deutlich, dass diese Voraussetzungen hier nicht gegeben sind.
1.4 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Architektenvertrag als Werkvertrag zu beurteilen, wenn vom Architekten nur Pläne herzustellen sind. Obliegt ihm auch die Oberleitung des Baues und die örtliche Bauaufsicht, kommt dadurch der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien zum Ausdruck, dass der Architekt auch mit der Wahrnehmung der Interessen des Bauherrn gegenüber Behörden und Professionisten betraut sein soll. Immer dann, wenn die damit übernommene Aufgabe zur Wahrung der Interessen für den Auftraggeber dem mit dem Architekt geschlossenen Vertrag das Gepräge gibt, überwiegen die Elemente des Bevollmächtigungsvertrags (1 Ob 2409/96p mwN; 10 Ob 31/00g; 2 Ob 90/07k; RIS-Justiz RS0019364 [T5]; RS0021309 [T3 und T5]).
Die klagende Partei war im Wesentlichen mit der Übernahme, Überarbeitung und Ausarbeitung von Plänen, der Vorbereitung von und der Mitwirkung bei Vergabeentscheidungen, der technischen und geschäftlichen Oberleitung, der örtlichen Bauaufsicht und diversen Koordinationsaufgaben betraut. Der Vertrag enthielt somit Elemente des Werkvertrags und des Bevollmächtigungsvertrags, wobei letztere überwogen.
1.5 Im Allgemeinen ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei gemischten Verträgen für die Beurteilung jeder einzelnen Leistungspflicht die sachlich am meisten befriedigende Vorschrift heranzuziehen (10 Ob 25/08m; RIS-Justiz RS0013941), das ist nach der sogenannten Kombinationstheorie die Vorschrift jenes Vertragstyps, dem die einzelne Pflicht entstammt (2 Ob 85/05x mwN; 2 Ob 122/05p; 4 Ob 180/07k; Bollenberger in KBB2 § 859 Rz 15).
Auch der Architektenvertrag, bei dem der Architekt üblicherweise die Planung, Oberleitung und örtliche Bauaufsicht übernimmt, ist ein gemischter Vertrag (1 Ob 100/98g; 2 Ob 90/07k; RIS-Justiz RS0021309 [T1]; Strasser in Rummel, ABGB3 I § 1002 Rz 27). Die in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortete Frage, welchen Rechtsvorschriften ein derartiger Vertrag unterliegt (vgl etwa EvBl 1974/296: Werkvertrag; dagegen 7 Ob 515/91: Bevollmächtigungsvertrag), konnte zuletzt in der Entscheidung 2 Ob 90/07k mit Hinweis auf den Meinungsstand in der Lehre (grundsätzlich für die alleinige Maßgeblichkeit der §§ 1002 ff ABGB eintretend Strasser in Rummel aaO § 1002 Rz 27; für die Anwendung der für die Lösung des jeweiligen Rechtsproblems sachgerechtesten Norm im Sinne der Kombinationstheorie hingegen Rebhahn in Schwimann, ABGB3 V § 1165 Rz 19; ebenso offenbar M. Bydlinski in KBB2 § 1165 Rz 2) offen gelassen werden.
Das ABGB nimmt keine Zuordnung des gesetzlich nicht geregelten Architektenvertrags zu einer der in Frage kommenden Vertragstypen (Werkvertrag, Bevollmächtigungsvertrag) nach dem Überwiegen im Sinne der Absorptionstheorie (vgl Bollenberger aaO § 859 Rz 15) vor. Nach Auffassung des erkennenden Senats bestehen keine sachlich begründeten Bedenken, die bei gemischten Verträgen herrschende Kombinationstheorie auch auf (gemischte) Architektenverträge anzuwenden. Es ist somit jener Ansicht der Vorzug zu geben, nach der auch bei solchen Verträgen zur Lösung von Einzelfragen die jeweils sachgerechteste Norm aus dem jeweiligen Vertragstyp heranzuziehen ist.
Das bedeutet, dass der Hinweis des Berufungsgerichts auf die dispositive werkvertragliche Regelung des § 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB zu kurz gegriffen ist. In Frage kommen auch die einschlägigen Regelungen der §§ 1002 ff ABGB, je nachdem, ob die den beklagten Parteien zuzurechnende Verzögerung des Baufortschritts den werkvertraglichen oder den bevollmächtigungsvertraglichen Teil der geschuldeten Leistungen betrifft.
1.6 § 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB gibt dem Werkunternehmer einen Anspruch auf Entschädigung durch verhältnismäßige Erhöhung (Aufstockung) des Werklohns, also eine Entgeltserhöhung, wenn der Werkunternehmer durch hindernde Umstände auf Seite des Bestellers zu erhöhtem Arbeitseinsatz und zu erhöhten Aufwendungen gezwungen wird (2 Ob 301/05m mwN; RIS-Justiz RS0021825; M. Bydlinski in KBB2 § 1168 Rz 7). Da es sich um keinen Schadenersatzanspruch, sondern einen Entgeltanspruch handelt, kommt es dabei auf ein Verschulden des Werkbestellers nicht an. Auch ist grundsätzlich keine „Bagatellgrenze" vorgesehen. Insoweit bietet die werkvertragliche Regelung sogar einen weiteren Rechtsschutz als die strittige Vertragsbestimmung, wobei sich die Angemessenheit des zusätzlichen Entgelts an der in der Vereinbarung des „Grundpreises" zum Ausdruck kommenden subjektiven Äquivalenz oder einer für allfällige Mehrarbeiten - wie hier in § 6.3.1 des A-I-Vertrags - bereits getroffenen Preisvereinbarung orientieren soll (M. Bydlinski aaO § 1168 Rz 7).
Ebenso hätte die klagende Partei bei Anwendung der Regeln des Bevollmächtigungsvertrags gemäß § 1004 ABGB für ihre Mehrleistungen Anspruch auf ein angemessenes Entgelt (vgl P. Bydlinski in KBB2 § 1004 Rz 3; Strasser aaO § 1004 Rz 9). Für ihre erhöhten Aufwendungen stünde ihr ferner nach § 1014 ABGB ein verschuldensunabhängiger Aufwandersatzanspruch zu.
1.7 Die klagende Partei geht bei ihrem Versuch, die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung in ihrem Sinne darzulegen, somit verfehlt davon aus, dass die beklagten Parteien ansonsten jeglichem zusätzlichen Honoraranspruch entgehen würden. Vor dem Hintergrund des dispositiven Rechts, das ausreichenden Rechtsschutz bietet, sind - auch unter Berücksichtigung des Vertragszwecks - aus dem festgestellten Sachverhalt keine zwingenden Anhaltspunkte zugunsten der Annahme ableitbar, dass redliche Parteien, hätten sie den Fall schuldhafter Verzögerung durch den Bauherrn bedacht, hiefür eine analoge Regelung wie in § 6.3.1 des A-I-Vertrags getroffen hätten. Die klagende Partei vermag auch nicht darzustellen, inwieweit die Anwendung dispositiven Rechts nicht sachgerecht wäre.
Die Auslegung des Berufungsgerichts stimmt hingegen mit der erörterten Rechtslage weitgehend überein, weshalb ihrem Ergebnis zuzustimmen ist. Demnach bietet § 6.3.1 des A-I-Vertrags keine tragfähige Grundlage für die geltend gemachten Ansprüche der klagenden Partei.
2. Zur Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens:
2.1 Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (2 Ob 248/05t; 4 Ob 114/07d; RIS-Justiz RS0037516). Eine unrichtige rechtliche Qualifizierung allein wirkt sich nicht zum Nachteil des Klägers aus (2 Ob 273/06w mwN). An den geltend gemachten Rechtsgrund ist das Gericht nur dann gebunden, wenn das Klagebegehren ausdrücklich und ausschließlich auf diesen beschränkt ist; in diesem Fall ist es dem Gericht verwehrt, dem Begehren aus anderen Gründen stattzugeben (4 Ob 26/07p; 10 Ob 11/08b; RIS-Justiz RS0037610). Ob dem Prozessvorbringen eine Beschränkung auf einen bestimmten Rechtsgrund entnommen werden kann, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung (4 Ob 26/07p).
Im vorliegenden Fall ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die klagende Partei ihren Anspruch ausdrücklich und ausschließlich auf § 6.3.1 des A-I-Vertrags gestützt hat. In diesem Sinne ist auch seine Rechtsansicht, das Klagebegehren sei unschlüssig, zu verstehen. Ob dies zutrifft, muss aus den folgenden Gründen nicht abschließend beurteilt werden:
2.2 Durch § 182a ZPO wurde die Erörterungspflicht der Gerichte dahin erweitert, dass sie auch in jenen Fällen gelten soll, in denen eine Partei erkennbar rechtliche Gesichtspunkte, die „von der Gegenseite bereits ins Spiel" gebracht wurden, übersehen oder für unerheblich gehalten haben kann (7 Ob 125/07v mwN; 5 Ob 35/08w; RIS-Justiz RS0120056). Es wird in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs aber auch die Ansicht vertreten, dass das Gericht auch durch § 182a ZPO zur Erörterung eines Vorbringens nicht gezwungen ist, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufgezeigt hat. Angesichts solcher Einwendungen habe die andere Partei ihren Rechtsstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen (8 Ob 135/06w; 16 Ok 8/08; RIS-Justiz RS0122365, RS0120056 [T4]; vgl Zechner in Fasching/Konecny2 IV/2 § 503 Rz 135).
2.3 Die beklagten Parteien haben zwar eingewendet, dass § 6.3 des A-I-Vertrags auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden sei. Dass der Klagsanspruch mangels vertraglicher Grundlage nach den in Frage kommenden dispositiven Gesetzesbestimmungen zu beurteilen wäre, haben aber auch sie nicht geltend gemacht. Jegliche diesbezügliche Erörterung durch das Erstgericht unterblieb. Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht die Klage nicht wegen Unschlüssigkeit abweisen dürfen, ohne der klagenden Partei im Rahmen einer Erörterung seiner Rechtsansicht zuvor die Gelegenheit zur Korrektur oder Ergänzung ihres (Rechts-)Vorbringens zu geben (§ 182a ZPO). Das Vorgehen des Berufungsgerichts verstieß daher gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung.
2.4 Der eine Mängelrüge erhebende Rechtsmittelwerber hat nach herrschender Rechtsprechung darzulegen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er aufgrund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte, wenn ihm nach Erörterung Gelegenheit dazu geboten worden wäre (RIS-Justiz RS0037095 [T4, T5 und T6]).
Die klagende Partei hat in ihrem Rechtsmittel dargetan, dass sie hauptsächlich wieder nur die ergänzende Vertragsauslegung betreffendes Rechtsvorbringen erstattet hätte. Derartiges Vorbringen hätte ihrem Standpunkt aber schon deshalb nichts genützt, weil erst die Billigung der ihrer Rechtsansicht widersprechenden zweitinstanzlichen Auslegung zu einer Erörterungspflicht (über die Anspruchsgrundlagen des dispositiven Rechts) führen konnte.
Die klagende Partei bekundet aber immerhin auch, sie hätte aus prozessualer Vorsicht in eventu vorgebracht, „dass ihr Anspruch auch aufgrund des § 1168 ABGB berechtigt" sei. Da sich die „Unschlüssigkeit" des Klagebegehrens nicht auf fehlende Tatsachenbehauptungen, sondern auf das Fehlen eines tauglichen Rechtsgrundes beschränkt, reicht dieses Revisionsvorbringen für die gehörige Ausführung der Mängelrüge (gerade noch) aus.
3. Ergebnis:
Der gerügte Verfahrensmangel muss zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen führen. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht mit der klagenden Partei zu erörtern haben, ob und - gegebenenfalls - in Ansehung welcher konkret zu bezeichnenden Teilbeträge sie ihr Klagebegehren auf die vom dispositiven Recht jeweils zur Verfügung gestellten Anspruchsgrundlagen stützt.
Der im Rechtsmittel aufgeworfenen Frage nach den „Anforderungen an den Kausalitätsbeweis" kommt dabei keine entscheidende Bedeutung zu. Den diesbezüglichen Erwägungen des Berufungsgerichts ist nicht näher zu treten, hat doch das Erstgericht in seinen - durch das Tatsachenvorbringen der klagenden Partei gedeckten - (bisherigen) Feststellungen hinreichend deutlich klargestellt, dass das gesamte Ausmaß der eingetretenen Verzögerungen allein den beklagten Parteien zuzurechnen ist.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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