OGH 10Ob25/08m

OGH10Ob25/08m22.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land *****, vertreten durch Dr. Gunter Griss und andere Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei S***** AG, Zweigniederlassung Steiermark, *****, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in Graz, wegen Einstellung und Übergabe (Streitwert 110.000 EUR) und Wiederherstellung (Streitwert 50.000 EUR), infolge außerordentlicher Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. Jänner 2008, GZ 2 R 177/07b‑32, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0100OB00025.08M.0422.000

 

Spruch:

Beide außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.) Zur Revision der Beklagten:

Die Beklagte bzw deren Rechtsvorgänger haben seit den 60iger Jahren auf im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücken einen Schotterabbau und eine Asphaltmischanlage betrieben. Die zwischen den Parteien in der Vergangenheit darüber getroffenen Vereinbarungen umfassten daher die Überlassung der Nutzung von Grundflächen sowohl für die Schottergewinnung als auch für den Betrieb der Asphaltmischanlage. Eine Rechtsvorgängerin der Beklagten errichtete 1967 oder 1968 im Bereich der Abbauflächen auf einem Betonfundament eine Holzhütte im Ausmaß von 9,2 m x 4,8 m, in der sich nunmehr Holzregale mit verschiedenem Werkzeug für den Schotterabbau befinden.

Die Klägerin machte bereits in ihrer Klage sowie in ihrem Schriftsatz vom 31. 3. 2006 ausdrücklich geltend, es liege keine Geschäftsraummiete im Sinne des MRG vor, weil diese Holzhütte allein vom Größenverhältnis und ihrer Funktion her völlig nebensächlich sei, da Schotterabbau und Asphaltmischanlage auf einem Gesamtareal von 16,660.027 m2 betrieben würden. Die Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, es liege eine Geschäftsraummiete im Sinne des MRG vor, weil es dafür nicht so sehr auf das Verhältnis von bebauter zur unbebauter Fläche, sondern vielmehr auf das funktionelle Verhältnis ankomme und der Holzhütte eine wesentliche Funktion für den Schotterabbau zukomme. Das Berufungsgericht ist aufgrund dieses Vorbringens der Parteien davon ausgegangen, die Beklagte habe das von der Klägerin angegebene Ausmaß der ihr für die Schottergewinnung zur Verfügung gestellten Grundfläche nicht ausdrücklich bestritten, obwohl es ihr leicht möglich gewesen wäre, mit konkreten Tatsachenbehauptungen zu replizieren. Es sei daher von der Richtigkeit dieses Tatsachenvorbringens der Klägerin auszugehen. Die Frage, ob mangels substantiellen Bestreitens von einem Tatsachengeständnis auszugehen ist, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab und verwirklicht - vom hier nicht vorliegenden Fall einer groben Fehlbeurteilung abgesehen - keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0040078).

Soweit die Beklagte nunmehr geltend macht, bei der Beurteilung des Vorliegens von Geschäftsraum- oder Flächenmiete könne es im vorliegenden Fall nicht auf das Verhältnis zwischen Gesamtfläche (Abbau- und Bestandfläche) und der Geschäftsraumfläche (Holzhütte), sondern nur auf das Verhältnis zwischen der Geschäftsraumfläche für die Asphaltmischanlage und jener für die Holzhütte ankommen, hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass von den Parteien ein einheitlicher Vertrag über die Überlassung der Nutzung von Grundflächen für die Schottergewinnung und für den Betrieb der Asphaltmischanlage bzw das Aufstellen der Holzhütte geschlossen wurde. Dieser Umstand wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Im Übrigen kommt es, wie bereits das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dargelegt hat, nicht allein auf das Verhältnis zwischen bebauter und nichtbebauter Fläche an. Wesentliches Abgrenzungskriterium für die Beurteilung der Gesamtanlage als eine Geschäftsräumlichkeit im Sinn des § 1 Abs 1 MRG ist vielmehr auch das funktionelle Verhältnis der zum Mietgegenstand gehörenden umbauten Räume zu den - in den meisten Fällen - der Ausdehnung nach überwiegenden Freiflächen (RIS‑Justiz RS0069487, RS0069482).

In der Ansicht des Berufungsgerichts, der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten errichteten Holzhütte von insgesamt unbedeutender Größe komme im Vergleich zu der für den Schotterabbau notwendigen weitaus größeren Abbaufläche als bloßer Lagerraum für Werkzeug jedenfalls keine selbständige Bedeutung, sondern nur eine Hilfsfunktion für den Schotterabbaubetrieb zu, kann keinesfalls eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden. Die Ansicht des Berufungsgerichts, es könne, selbst wenn die Überlassung der Nutzung der Grundfläche der Holzhütte Gegenstand der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung gewesen und vom von der Beklagten zu leistenden Entgelt umfasst gewesen sei, daraus keine dem § 1 Abs 1 MRG zu unterstellende Geschäftsraummiete abgeleitet werden, ist daher nicht zu beanstanden.

2.) Zur Revision der Klägerin:

Ein Abbauvertrag ist nach herrschender Ansicht ein gemischtes Dauerschuldverhältnis, das Elemente des Kaufs und des Pachtvertrags enthält. Für die rechtliche Qualifikation eines gesetzlich nicht geregelten atypischen Vertragsverhältnisses kommt es nicht auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung, sondern auf den Inhalt des Vertragsverhältnisses an, den die Parteien entsprechend dem Grundsatz der Privatautonomie entsprechend gestalten können. Haben die Parteien - wie im vorliegenden Fall - die Berechnung des Entgelts nach der Menge des abgebauten Materials vereinbart, überwiegen die Elemente des Kaufs (1 Ob 614/93 = RIS‑Justiz RS0020429 mwN; RIS‑Justiz RS0011127, RS0020433). Das kaufrechtliche Element beim Abbauvertrag ist aber auch darin zu sehen, dass sich das Gewinnungsrecht nicht auf den bloßen Gebrauch der Sache beschränkt, sondern darüber hinaus auch den teilweisen Verbrauch der Sache gestattet und die Ausbeutung der vorhandenen Bodenschätze zum Substanzverzehr führt (Binder in Schwimann, ABGB3 § 1090 Rz 68 mwN). Durch einen Abbauvertrag erhält nämlich der Vertragspartner des Grundeigentümers für die Dauer des Vertragsverhältnisses die volle Herrschaft über den zum Abbau bestimmten Boden und der Eigentümer hat die Benützung des Bodens zu Zwecken der Gewinnung der vorhandenen Abbauprodukte zu gestatten (RIS‑Justiz RS0020423).

Ausgehend von diesen in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist der zwischen den Parteien bestehende Abbauvertrag als Kaufvertrag zu qualifizieren. Der Umstand, dass mit der von der Klägerin eingeräumten Benützung ihres Bodens für die Schottergewinnung auch weitere Grundflächen für den Betrieb der Asphaltmischanlage sowie für das Aufstellen einer Holzhütte überlassen wurden, gibt dem Vertragsverhältnis noch nicht die Natur eines Bestandvertrags, da es sich dabei um Nebensachen handelt, während die Schottergewinnung die Hauptsache bildet (vgl SZ 6/301). Auch unter Berücksichtigung der für die Beurteilung von gemischten Verträgen herrschenden Kombinationstheorie, wonach für die Beurteilung jeder einzelnen Leistungspflicht die sachlich am meisten befriedigende gesetzliche Regelung heranzuziehen ist (vgl Bollenberger in KBB2 § 859 Rz 15 mwN), kommt eine Anwendung der Bestimmung des § 1109 ABGB im Zusammenhang mit einer von der Klägerin in ihrem Klagebegehren auch geltend gemachten Verpflichtung der Beklagten zur Wiederherstellung bzw Rekultivierung der vom Schotterabbau betroffenen Grundflächen nicht in Betracht. Nach der gesetzlichen Regelung des § 1109 ABGB ist dem Bestandgeber nach Ende des Bestandvertrags die Sache in dem Zustand, in welchem der Bestandnehmer sie übernommen hat, zurückzustellen, wobei allerdings der Bestandnehmer für die durch den vertragsmäßigen Gebrauch bewirkte Abnützung des Bestandgegenstands nicht aufzukommen hat. Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass diese Norm die Art und Weise der Zurückstellung von Objekten regelt, in deren Substanz vom Berechtigten nicht eingegriffen werden darf und deshalb die Rückstellung im ursprünglichen Zustand vorgesehen ist, während sich demgegenüber der Abbauvertrag nicht auf den bloßen Gebrauch der Sache beschränkt, sondern von vornherein nach dem Willen der Parteien mit einem Eingriff in die Substanz der Sache und den damit einhergehenden Veränderungen verbunden ist. In einer solchen Konstellation ist vielmehr zu erwarten, dass eine Wiederherstellungsverpflichtung im Vertrag selbst oder in einer gleichzeitig abzuschließenden Nebenvereinbarung vorgesehen wird, wie es im Übrigen auch der ursprünglichen Vertragspraxis zwischen den Parteien entsprochen hat.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Vereinbarung vom 19. 6. 1996 stelle aufgrund des ausdrücklich festgestellten übereinstimmenden Parteiwillens einen neuen, das heißt selbständigen und von früheren Vereinbarungen unabhängigen Vertrag (ohne Vereinbarung einer Wiederherstellungsverpflichtung) dar, ist aufgrund der den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen ebenfalls nicht zu beanstanden. Insofern liegt entgegen der Ansicht der Klägerin auch keine für sie überraschende Rechtsansicht des Berufungsgerichts vor, da die Beklagte bereits in der Tagsatzung am 17. 1. 2006 ausdrücklich vorgebracht hat, dass zwischen den Parteien während des durch unbestritten mehrere Jahrzehnte bestehenden Vertragsverhältnisses immer wieder neue Verträge mit neuem Inhalt abgeschlossen worden seien und auch der Vertrag vom 19. 6. 1996 einen völlig neuen Vertrag und nicht etwa eine Ergänzung eines bestehenden Vertrags darstelle. Die Klägerin hat ihr Wiederherstellungsbegehren im Verfahren erster Instanz ausschließlich auf eine entsprechende vertragliche Vereinbarung mit der Beklagten, welche allerdings im Vertrag vom 19. 6. 1996 tatsächlich nicht enthalten ist, gestützt. Auf eine Verletzung vertraglicher Neben- und Sorgfaltspflichten durch die Beklagte hat sich die Klägerin hingegen nicht berufen. Das diesbezügliche Vorbringen in der Revision ist deshalb als unzulässige Neuerung unbeachtlich.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte