OGH 2Ob95/08x

OGH2Ob95/08x27.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert B*****, vertreten durch Dr. Thomas Brückl und Mag. Christian Breit, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Klaus Reisch und Mag. Roland Reisch, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen 48.376,39 EUR sA und Rechnungslegung (Streitinteresse: 21.500 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. Februar 2008, GZ 1 R 300/07p-37, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.) Die als „überraschend" gerügte Vorgangsweise des Berufungsgerichts, auf das Vertragsverhältnis der Streitteile deutsches Recht anzuwenden, ohne diese Rechtsansicht mit den Parteien zuvor erörtert zu haben, begründet keine Nichtigkeit, sondern allenfalls die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (vgl RIS-Justiz RS0037300). Um die Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensmangels darzutun, hätte die beklagte Partei in der Revision darlegen müssen, welches zusätzliche oder andere Sachvorbringen sie aufgrund der von ihr nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte und inwieweit dieses Vorbringen geeignet gewesen wäre, eine für sie günstigere Entscheidung herbeizuführen (vgl 1 Ob 215/05g; 10 Ob 58/07p; 2 Ob 189/07v; RIS-Justiz RS0037095 [T4, T5 und T6]). Da das Rechtsmittel solches Sachvorbringen nicht enthält, kann der behauptete Verfahrensmangel nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.

2.) Die Provisionspflicht der beklagten Partei für die ihr erteilten „Zusatzaufträge" richtet sich primär danach, ob darunter „Nachfolgegeschäfte" im Sinne der vertraglichen Provisionsregelung zu verstehen sind. Diese Frage betrifft die Vertragsauslegung im Einzelfall und erfüllt daher - von einer erheblichen Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen abgesehen - nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042776).

Das von den Vorinstanzen erzielte Auslegungsergebnis, unter „Nachfolgegeschäfte" seien nur mit dem Hauptgeschäft in keinem direkten inhaltlichen Zusammenhang stehende Folgegeschäfte zu verstehen, ist vertretbar und lässt keine gravierende, vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung erkennen. Dass auch eine andere Auslegungsvariante möglich wäre, begründet keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0042776 [T2]).

Die beklagte Partei vermag überdies nicht aufzuzeigen, inwieweit die Anwendung der nach österreichischem Recht maßgeblichen Auslegungsgrundsätze (§§ 914 f ABGB) für sie zu einem günstigeren Ergebnis hätte führen müssen, als die Anwendung der vergleichbaren Auslegungsregeln des deutschen Rechts (§§ 133, 157 BGB).

3.) Wurde im Vertrag für bestimmte Fälle keine Regelung getroffen, sodass eine „Vertragslücke" vorliegt, greift primär das dispositive Recht ein, dessen Zweck es gerade ist, für im Vertrag nicht geregelte Fragen Regeln zur Verfügung zu stellen (3 Ob 146/01v mwN; RIS-Justiz RS0017829). Hinsichtlich der von der vertraglichen Regelung nicht erfassten „Zusatzaufträge" käme bei Anwendung österreichischen Rechts demnach § 8 Abs 3 HVertrG zum Tragen, wonach dem Handelsvertreter im Zweifel die Provision auch für solche Geschäfte gebührt, die ohne seine unmittelbare Mitwirkung während der Dauer des Vertragsverhältnisses zwischen der von ihm zugeführten Kundschaft und dem Unternehmer geschlossen worden sind. Danach hätte der Kläger für die von der beklagten Partei lukrierten, jedoch im direkten Zusammenhang mit dem vermittelten Hauptgeschäft stehenden „Zusatzaufträge" Anspruch auf Provision.

4.) Unter diesen Umständen ist für die Beurteilung der Rechtssache aber nicht entscheidend, ob österreichisches oder deutsches Recht zur Anwendung gelangt. Die in der Zulassungsbeschwerde des Rechtsmittels relevierte Rechtsfrage, ob das Berufungsgericht bei der Anwendung des Art 4 Abs 2 EVÜ eine schlüssige Rechtswahl der Parteien missachtet hat, begründet mangels Präjudizialität keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (vgl 7 Ob 270/06s; 17 Ob 7/08s; RIS-Justiz RS0042945).

5.) Da der Oberste Gerichtshof dem Revisionsgegner die Beantwortung der von der beklagten Partei erhobenen außerordentlichen Revision nicht freigestellt hat, war die dennoch erstattete Revisionsbeantwortung gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Ein Kostenersatz findet daher nicht statt (2 Ob 148/08s).

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