OGH 7Ob270/06s

OGH7Ob270/06s31.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, USA, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. KR Nabil Rafic K***** und 2. Mag. Louai K*****, beide vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen US-$ 3,913.818,60 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 11. September 2006, GZ 14 R 71/06y-140, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung der erstbeklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung

Die Revisionswerberin weist in ihrer Zulassungsbeschwerde darauf hin, dass der Sachverhalt, über den die Vorinstanzen zu entscheiden hatten, einmalig und (daher) noch nicht Gegenstand einer höchstgerichtlichen Entscheidung gewesen sei. Weiters wird die Zulässigkeit der ordentlichen Revision damit begründet, Gegenstand des Verfahrens sei unter anderem die Frage, ob der Erstbeklagte aus culpa in contrahendo hafte. Dabei sei insbesondere zu beurteilen, nach welchem Recht eine allfällige Haftung eines vertragsfremden Dritten aus culpa in contrahendo zu beurteilen sei. Eine höchstgerichtliche Entscheidung zur strittigen Frage der kollisionsrechtlichen Qualifikation der Haftung aus culpa in contrahendo liege nicht vor. Das Berufungsgericht habe seiner Entscheidung das Recht des (amerikanischen Bundes-)Staates Georgia zugrundegelegt, ohne dieses zu erheben. Schließlich habe das Berufungsgericht die entscheidende Rechtsfrage der Vertretungsbefugnis des Erstbeklagten unrichtig gelöst. Diese Frage sei nach saudi-arabischem Recht zu beantworten gewesen. Das Berufungsgericht habe ohne einigermaßen nachvollziehbare Begründung die Vertretungsbefugnis des Erstbeklagten bejaht. Die vom Erstgericht eingeholten Erkenntnisquellen des saudi-arabischen Rechtes ließen diesen Schluss nicht zu. Ein saudi-arabisches Gericht habe die Vertretungsbefugnis des Erstbeklagten nach saudi-arabischem Recht verneint. Das Berufungsgericht setze sich somit über eine einschlägige Entscheidung eines saudi-arabischen Gerichtes hinweg. Damit werde saudi-arabisches Recht nicht in einer Weise angewandt, die einer in Saudi-Arabien in Rechtsprechung und Lehre gefestigten Ansicht entspreche.

Mit diesen Ausführungen vermag die Revisionswerberin keinen tauglichen Grund für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels aufzuzeigen:

Rechtliche Beurteilung

Die für die Revisionszulässigkeit maßgebliche Erheblichkeit der Rechtsfrage bestimmt sich nach objektiven Umständen (RIS-Justiz RS0042405). Der Rechtsmittelwerber wird daher immer zu überlegen haben, ob sein Rechtsproblem potentiell auch andere Personen und vergleichbare Fälle berührt (4 Ob 53/04d mwN uva). Dass der hier zu beurteilende Sachverhalt einmalig ist und ein solcher (vergleichbarer) vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen war, spricht nicht für, sondern eher gegen die Zulassung der außerordentlichen Revision, weil - wie der Oberste Gerichtshof bereits vielfach ausgesprochen hat - die Kasuistik des Einzelfalles in der Regel eine beispielgebende Entscheidung ausschließt (ZVR 1989/131; VR 1989, 188; RIS-Justiz RS0042405; vgl auch RIS-Justiz RS0102181 und RS0110702).

Der Oberste Gerichtshof hat in der schon vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 7 Ob 2407/96p ausgesprochen, dass das Geschäftsstatut auch die Haftung für die Verletzung der vorvertraglichen Sorgfaltspflichten im Rahmen der culpa in controhando umfasse (RIS-Justiz RS0107249). Dem ist das Berufungsgericht gefolgt und hat diese Frage nach dem Recht von Georgia beurteilt. Dass, wie die Revisionswerberin behauptet, verabsäumt worden wäre, die betreffenden Rechtsnormen von Georgia zu erheben, ist unrichtig. Das über Auftrag des Erstgerichtes erstellte Rechtsgutachten des Schweizerischen Institutes für Rechtsvergleichung, Lausanne, über den Garantievertrag sowie das Stellvertretungsrecht nach saudi-arabischem Recht und dem Recht der USA, Bundesstaat Georgia, befasst sich auftragsgemäß auch mit der Frage, ob eine Person, die für eine andere eine Garantie unterfertigt, grundsätzlich auch persönlich für die Erfüllung der Garantie oder zumindest dafür, dass sie zur Abgabe einer solchen Erklärung bevollmächtigt war, zu haften habe. Dazu wird im Rechtsgutachten ausgeführt, nach dem Recht von Georgia gelte generell, dass ein Vertreter im Fall der Überschreitung seiner Vollmacht gegenüber der Person, mit der er zu tun habe, persönlich hafte. Das Berufungsgericht ist zur Ansicht gelangt, dass eine Haftung des Erstbeklagten für die Verletzung vorvertraglicher Sorgfaltspflichten im Rahmen der culpa in contrahendo nach dem Recht des Staates Georgia zu verneinen sei. Dass diese Rechtsansicht unrichtig wäre und eine Haftung des Erstbeklagten aus culpa in contrahendo also nach dem Recht von Georgia zu bejahen sei, wird von der Revisionswerberin gar nicht behauptet.

Im Übrigen ist aber die im Schrifttum uneinheitlich beantwortete (vgl einerseits Schwimann, Grundriss des Internationalen Privatrechtes3, 66 unter Hinweis auf deutsche Lehre, andererseits Verschraegen in Rummel3 vor § 35 IPRG Rz 6 ff mwN) Rechtsfrage, ob eine Haftung aus culpa in contrahendo dem Vertragsstatut (wonach das Recht von Georgia maßgeblich wäre) oder dem Deliktsstatut (wonach österreichisches oder saudiarabisches Recht anzuwenden wäre) unterliegt, letztlich nicht entscheidend (und stellt daher mangels Präjudizialität keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar), weil im vorliegenden Fall alle drei Rechtsordnungen im Sachergebnis übereinstimmen (vgl RIS-Justiz RS0042945). Da ein Eigeninteresse des Erstbeklagten nicht erwiesen werden konnte, wäre nämlich auch nach österreichischem und saudi-arabischem Recht eine Haftung des Erstbeklagten aus culpa in contrahendo zu verneinen. Keinen Streitpunkt bildet, dass die - nach Ansicht der Revisionswerberin vom Berufungsgericht unrichtig gelöste - zentrale Frage des vorliegenden Rechtsstreites, nämlich ob der Erstbeklagte wirksam bevollmächtigt war, für die S***** Ltd (S*****) die klagsgegenständliche Garantieerklärung abzugeben, nach saudi-arabischem Recht zu beantworten ist. Gemäß § 3 IPRG ist fremdes Recht wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden. Demnach könnte die Revision zwar auch bei Maßgeblichkeit fremden Rechtes zulässig sein, wenn durch eine Abweichung der inländischen Gerichte von gefestigter fremder Lehre und Rechtsprechung die Rechtssicherheit gefährdet würde (RIS-Justiz RS0042940 mwN uva). Der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kommt allerdings - wie die Revisionswerberin selbst erkennt - nicht die Aufgabe zu, die Einheitlichkeit oder gar die Fortentwicklung fremden Rechtes in seinem ursprünglichen Geltungsbereich zu gewährleisten (RIS-Justiz RS0042948 [T1, T10 und T12 bis T14]; RS0042940 [T2 und T3]). Die Revision der Klägerin wäre daher aus Gründen der Rechtssicherheit nur dann zulässig, wenn ausländisches Recht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechtes in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt worden wäre oder hiebei grobe Subsumtionsfehler unterlaufen wären, die aus Gründen der Rechtssicherheit richtiggestellt werden müssten (RIS-Justiz RS0042948 [T3, T4 und T7] und RS0042940 [T1], vgl etwa 7 Ob 98/04v). Dass dies hier der Fall wäre, zeigt die Revision jedoch nicht auf: Die Klägerin behauptet gar nicht, dass das Berufungsgericht nicht von den maßgeblichen saudi-arabischen Rechtsnormen ausgegangen wäre, sondern stützt ihre Ansicht einer unrichtigen Interpretation dieser Normen auf den vorliegenden Fall allein auf den Ausgang des von ihr gegen S***** in Saudi-Arabien geführten Rechtsstreites. Daraus lässt sich aber ein grober Subsumtionsfehler des Berufungsgerichtes schon deshalb nicht ableiten, weil der die Bevollmächtigung des Erstbeklagten enthaltende Dienstvertrag dem saudi-arbischen Gericht nicht vorgelegt wurde und es die Klägerin auch verabsäumt hat, den Erstbeklagten dort als Zeugen namhaft zu machen. Im Hinblick auf die Möglichkeit, selbst ein zeugenschaftliches Einschreiten des Erstbeklagten im saudi-arabischen Verfahren herbeizuführen, muss auch der im Rahmen der Rechtsrüge von der Klägerin erhobene Vorwurf, dem Erstbeklagten sei als Sorgfaltspflichtverletzung zur Last zu legen, es unterlassen zu haben, Einfluss auf das Verfahren in Saudi-Arabien zu nehmen, ins Leere gehen.

Insgesamt vermag die Revision eine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes, die aus Gründen der Rechtssicherheit eine Korrektur durch den Obersten Gerichtshof erforderte, nicht aufzuzeigen. Mangels erheblicher, für die Entscheidung des Verfahrens relevanter Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschuss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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