OGH 2Ob90/07k

OGH2Ob90/07k27.3.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Heinz V*****, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagten Parteien 1.) Ing. Walter U*****, vertreten durch Dr. Thomas Willeit, Rechtsanwalt in Götzis, und 2.) Karl K*****, vertreten durch Dr. Karl Schelling, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 6.019,17 EUR sA und Feststellung (Streitinteresse 5.000 EUR), über die Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. Jänner 2007, GZ 2 R 223/06w-48, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 21. Juli 2006, GZ 5 Cg 58/04s-42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 686,88 EUR (darin 114,48 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Das Berufungsgericht hat über Antrag der klagenden Partei die ordentliche Revision gemäß § 508 Abs 3 ZPO nachträglich doch für zulässig erklärt, weil es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu der Frage fehle, „ob der Architekt und Planer einer setzungsanfälligen Gesamtkonstruktion auf einem setzungsempfindlichen Baugrund sich darauf verlassen darf, dass der bauausführende Baumeister diese statischen Probleme erkennen und entsprechende statische Berechnungen durchführen wird, weshalb ihn selbst gegenüber seinem Auftraggeber keine Warnpflicht über die Folgen einer Nichtbeiziehung eines externen Statikers trifft".

Rechtliche Beurteilung

Die vom Erstbeklagten gegen das zweitinstanzliche Urteil erhobene Revision ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Architektenvertrag als Werkvertrag zu beurteilen, wenn vom Architekten nur Pläne herzustellen sind. Obliegt ihm auch die Oberleitung des Baues und die örtliche Bauaufsicht, kommt dadurch der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien zum Ausdruck, dass der Architekt auch mit der Wahrnehmung der Interessen des Bauherrn gegenüber Behörden und Professionisten betraut sein soll. Immer dann, wenn die damit übernommene Aufgabe zur Wahrung der Interessen für den Auftraggeber dem mit dem Architekt geschlossenen Vertrag das Gepräge gibt, überwiegen die Elemente des Bevollmächtigungsvertrags (1 Ob 2409/96p = SZ 70/198 mwN; 10 Ob 31/00g; RIS-Justiz RS0019364 [T5], RS0021309 [T3 und T5]).

Nach dem unstrittigen Sachverhalt war der Erstbeklagte mit der Ausarbeitung aller Pläne für die Errichtung eines teilunterkellerten Wohn- und Geschäftshauses, der Ausschreibung der Bauarbeiten und der Gesamtbauleitung betraut. Der Vertrag enthielt somit Elemente des Werkvertrags und des Bevollmächtigungsvertrags, wobei letztere überwiegen. Rechtsprechung und Lehre bieten kein einheitliches Bild in der Beurteilung der Frage, welchen Rechtsvorschriften ein derartiger gemischter Vertrag unterliegt (zum Stand der Rechtsprechung und grundsätzlich für die alleinige Maßgeblichkeit der §§ 1002 ff ABGB eintretend Strasser in Rummel, ABGB3 I § 1002 Rz 27; für die Anwendung der für die Lösung des jeweiligen Rechtsproblems sachgerechtesten Norm im Sinne der Kombinationstheorie hingegen Rebhahn in Schwimann, ABGB3 V § 1165 Rz 19; ebenso offenbar M. Bydlinski in KBB2 § 1165 Rz 2).

Es muss aber hier nicht näher darauf eingegangen werden, ob die nach Ansicht der Vorinstanzen verletzte Warnpflicht des Erstbeklagten der Interessenwahrungspflicht des Werkunternehmers (§ 1168a dritter Satz ABGB; vgl RIS-Justiz RS0022205) oder jener des Geschäftsbesorgers (§ 1009 ABGB; vgl P. Bydlinski in KBB2 § 1009 Rz 2) entspringt. Der Umfang sowohl der werkvertraglichen Warnpflicht als auch sonstiger vertraglicher Aufklärungs- und Beratungspflichten (zu jenen des Architekten vgl 3 Ob 53/02v; 3 Ob 103/04z; RIS-Justiz RS0116632) richtet sich unabhängig von der Anspruchsgrundlage stets nach den Umständen des Einzelfalls und entzieht sich daher jedenfalls einer generellen Aussage des Obersten Gerichtshofs (vgl RIS-Justiz RS0116074 [T1], RS0111165, RS0106373 [T2] ua). Allein dadurch, dass ein völlig gleichgelagerter Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht entschieden worden ist, wird aber eine erhebliche Rechtsfrage nicht begründet (RIS-Justiz RS0107773). Auch in der Revision des Erstbeklagten wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

1.) Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

2.) Nach den vorinstanzlichen Feststellungen hat der Erstbeklagte die Gebäudekonstruktion ohne Rücksicht auf die Bodenverhältnisse geplant. Diese wurden nach dem Ausheben der Baugrube durch eine Methode („Schuhabdrucke") geprüft, die nicht mehr dem damaligen Stand der Technik entsprach. Der Erstbeklagte hätte (ebenso wie der Zweitbeklagte) anhand des Aushubmaterials erkennen müssen, dass der Boden „setzungsanfällig" ist. Da die mit unterschiedlichen Gründungstiefen und ohne Setzungsfugen zwischen den Gebäudeteilen geplante Konstruktion „setzungsempfindlich" war, aber weder der Erstbeklagte noch der Zweitbeklagte wissen musste, wie man diesem für sie erkennbaren Problem begegnen konnte, wäre die Zuziehung eines (dritten) Fachmanns (Statiker, Bodenmechaniker) geboten gewesen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Erstbeklagte habe unter den gegebenen Umständen seine vertragliche Warnpflicht gegenüber dem Kläger verletzt, weil er ihn nicht entsprechend eindringlich und intensiv auf die möglichen Folgen der Nichtzuziehung eines Fachmanns aus dem Gebiet der Statik hingewiesen hat, lässt keine auffallende Fehlbeurteilung erkennen, die der Oberste Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit wahrnehmen müsste.

3.) Auch der Hinweis auf den aus § 157 GewO 1973 ersichtlichen Berechtigungsumfang eines Baumeisters eignet sich nicht, eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts darzutun. Dass der Zweitbeklagte zur Durchführung statischer Berechnungen berechtigt war, bedeutet noch nicht, dass er die Befähigung zur Lösung des im vorliegenden Fall aufgetretenen statischen Sonderproblems besaß. Für diese hätte er (gegenüber dem Kläger als Auftraggeber) gemäß § 1299 ABGB nur einzustehen gehabt, wenn er einen entsprechenden Auftrag übernommen hätte. Dies war aber nach der vom Erstbeklagten erfolglos bekämpften Feststellung, der Auftrag des Klägers an den Zweitbeklagten habe „keine Statikberechnungen eines Spezialplaners" umfasst, gerade nicht der Fall. Unter diesen Umständen kann sich der Erstbeklagte, selbst wenn er Kenntnis vom Inhalt des dem Zweitbeklagten erteilten Auftrags gehabt haben sollte, nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihn schon die Beauftragung eines Baumeisters von seiner vertraglichen Nebenpflicht, den Kläger über die möglichen Folgen der Nichtzuziehung eines Sonderfachmanns aus dem Gebiet der Statik aufzuklären, entband.

4.) Die Revision erweist sich mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO daher als unzulässig. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, weshalb ihm die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen sind. Ein Streitgenossenzuschlag ist nicht zuzusprechen, weil sich der Zweitbeklagte am Revisionsverfahren nicht beteiligt hat. Für die mit der Revisionsbeantwortung verbundene Streitverkündigung werden keine gesonderten Kosten zuerkannt.

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