OGH 3Ob103/04z

OGH3Ob103/04z26.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede P*****, vertreten durch Dr. Theodor Strohal, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Dipl. Ing. Peter F*****, vertreten durch Dr. Georg S. Mayer, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, wegen 615.325,69 EUR sA und Rechnungslegung (Streitwert 3.633,64 EUR), infolge außerordentlicher Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 563.236,24 EUR) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 55.723,09 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2004, GZ 11 R 136/03f-41, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zur ao Revision der Klägerin:

a) Die Klägerin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass ihr das Berufungsgericht im Widerspruch zur stRsp bloß den Vertrauensschaden infolge Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten, anstatt des Erfüllungsinteresses infolge Nichterfüllung der den Beklagten treffenden Beratungspflicht zugesprochen habe.

Da die den Beklagten als Architekt treffende umfassende, auch wirtschaftliche Aspekte miteinschließende vorvertragliche und die Erbringung der Hauptleistung (Planung, Bauaufsicht und hier auch Finanzierungsabwicklung und Verkauf der errichteten Objekte) als vertragliche Nebenpflicht begleitende Beratungspflicht (vgl 3 Ob 53/02v = RdW 2003, 259) im vorliegenden Fall in der (unterlassenen) Aufklärung über die Risken der hier gewählten Finanzierung, insbesondere im Fall einer Abwicklungsverzögerung (beim Verkauf der errichteten Wohnungen) besteht, macht es in der Auswirkung der dem Beklagten vorgeworfenen Pflichtverletzung keinen Unterschied, ob man seine festgestellte Unterlassung der gebotenen Aufklärung vorvertraglich einordnet oder eine Verletzung seiner Vertragspflichten annimmt. Sowohl die vorvertragliche als auch die ihm Rahmen der Vertragserfüllung geschuldete Aufklärung der Klägerin über die finanziellen Risken des in Aussicht genommenen und dann auch durchgeführten Bauprojekts hätte nach den Feststellungen der Vorinstanzen dazu geführt, dass die Klägerin von der Verwirklichung des vom Beklagten empfohlenen Projekts Abstand nimmt. Der Beklagte hat ihr daher jenen Schaden zu ersetzen, der ihr im Vertrauen auf die Richtigkeit seiner Empfehlung entstanden ist (vgl 5 Ob 43/02p mwN = ecolex 2002, 745 = immolex 2003, 59), sie also vermögensmäßig so zu stellen, wie sie ohne Verwirklichung des Bauprojekts stünde.

b) Ob dem Beklagten im vorliegenden Fall leichte oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, ist nach den konkreten Umständen des Falls zu beurteilen und bildet daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigieren wäre (stRsp; RIS-Justiz RS0087606); davon kann aber keine Rede sein. Gleiches gilt auch für die Abwägung der Sorglosigkeit der Klägerin in eigenen Angelegenheiten (Mitverschulden) gegenüber dem Verschulden des Beklagten.

Zur ao Revision des Beklagten:

c) Zutreffend verweist der Beklagte darauf, dass Bestehen und Umfang von Aufklärungs- und Beratungspflichten von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängen und eine erhebliche Rechtsfrage iSd Gefährdung der Rechtssicherheit nur bei einer krassen Fehlentscheidung vorliegen könnte (stRsp; RIS-Justiz RS0106373); eine derartige korrekturbedürftige Fehlbeurteilung liegt hier aber keineswegs vor. Die finanziellen Risken des hier zu beurteilenden Bauprojekts sind insbesondere in ihrer Tragweite und ihrer Wahrscheinlichkeit auf Grund des sicher nicht für jedermann überblick- und einschätzbaren Zusammenhangs zwischen den Finanzierungskosten (Zinsenbelastung) und der Dauer der Verkaufsbemühungen für die fertiggestellten Objekte für die auf diesem Gebiet unerfahrene Klägerin nicht voll absehbar gewesen, was dem Beklagten bekannt gewesen sein musste. Die vom Beklagten ins Treffen geführten Grundsätze der Rsp, dass über Offenkundiges nicht aufgeklärt werden müsse (4 Ob 558/81 = SZ 54/179 ua; RIS-Justiz RS0022081) und (auch) die an den Sachverständigen gestellten Sorgfaltsanforderungen nicht überspannt werden dürfen (3 Ob 541/85 = SZ 58/176 ua; RIS-Justiz RS0026535), werden daher durch das angefochtene Berufungsurteil nicht verletzt.

Zwar besteht keine allgemeine Rechtspflicht, den Geschäftspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entscheidung Einfluss haben können; eine Aufklärungspflicht besteht aber dann, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs eine Aufklärung erwarten durfte (stRsp; RIS-Justiz RS0016390). Dass dies hier der Fall war, ist angesichts der offenkundigen Unerfahrenheit der Klägerin bei Errichtung und Finanzierung von Mehrfamilienhäusern keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.

d) Ob einen Architekt im Allgemeinen eine Pflicht zur Aufklärung über Finanzierungs- und Verkaufsrisken trifft, braucht in diesem Fall nicht geprüft zu werden. Hier hat es der Beklagte übernommen, nicht nur die regelmäßig von einem Architekten wahrgenommenen Aufgaben der Planung und Bauüberwachung auszuführen, sondern nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen auch die Finanzierungsabwicklung und den Verkauf der Wohnungen. Er hat also weitere Aufgaben übernommen, was auch eine Erweiterung seiner Sorgfalts- und damit auch Aufklärungspflichten bedeutet. Jeder, der eine besondere Tätigkeit ausübt, muss auch dafür einstehen, dass er die nötigen Fähigkeiten hat (stRsp, zuletzt 4 Ob 12/04z, RIS-Justiz RS0026557). Die Übernahme außerhalb der eigenen Fachkompetenz liegender Tätigkeiten, obwohl man wissen musste, dass es an den hiezu erforderlichen Fähigkeiten fehlt, begründet auch ein (Übernahme-)Verschulden (8 Ob 651/89 = SZ 62/146 ua; RIS-Justiz RS0026199). Die Berufung auf außerhalb des Pflichtenkreises eines Architekten liegende Sorgfaltsanforderungen muss daher scheitern.

e) Was die weiters beanstandete Verschuldensteilung anlangt, ist auf die diesbezüglichen Ausführungen zur Revision der Klägerin zu verweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte