European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00202.15T.0831.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 908,64 EUR (darin 151,44 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Am 30. 12. 2006 unterfertigte J***** D*****, der Urgroßvater der am ***** 2006 geborenen Klägerin, einen an die W*****‑AG gerichteten Antrag auf Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags. Im Antragsformular wurde als Versicherungsnehmerin und versicherte Person die Klägerin genannt. Der Versicherungsbeginn wurde mit 1. 1. 2007, die Versicherungsdauer mit 18 Jahren angegeben. Die Versicherungssumme für den Erlebensfall wurde mit 10.853,72 EUR beziffert, jene für den Ablebensfall mit 554,73 EUR. Der Auszahlungsbetrag für den Erlebensfall soll laut Antragsformular 14.468 EUR betragen oder eine monatliche Pension auf Lebenszeit von 49,85 EUR, wobei in diesen Werten eine Gewinnbeteiligung enthalten ist. Die monatlichen Beitragszahlungen sollten vom Bankkonto des Urgroßvaters eingezogen werden. Außerdem war eine zusätzliche Einmalzahlung vorgesehen. Das Bezugsrecht sollte laut Antrag im Erlebensfall der Versicherungsnehmerin (Klägerin), im Ablebensfall dem Urgroßvater zukommen. Im beigefügten, ebenfalls vom Urgroßvater unterfertigten Beratungsprotokoll scheint als Kunde wieder die Klägerin auf. In der Rubrik „Angaben des Kunden über seine Wünsche und Bedürfnisse“ ist die Variante „Eigenvorsorge“ bei langfristiger Anlagedauer sowie „Absicherung für Ausbildung mit 18“ angekreuzt. Sowohl der Versicherungsantrag als auch das Beratungsprotokoll wurden auch vom Berater unterschrieben.
Der Urgroßvater verstarb am 12. 8. 2011.
Die Klägerin begehrte von der beklagten Verlassenschaft nach ihrem Urgroßvater Zahlung von 14.468 EUR sA an sich, hilfsweise von monatlich 58,49 EUR für den Zeitraum 1. 12. 2011 bis 1. 1. 2025 „zu Handen“ der W*****‑AG zu Polizzen‑Nr *****.
Sie brachte vor, ihr Urgroßvater habe anlässlich der Taufe der Klägerin das Versprechen abgegeben, dass er der Klägerin einen Betrag von 14.468 EUR wertgesichert schenke, über den sie ab ihrem 18. Lebensjahr frei verfügen können solle. Zu diesem Zweck habe der Urgroßvater einen Lebensversicherungsvertrag zu Gunsten der Klägerin abgeschlossen und sich und seine Rechtsnachfolger verpflichtet, die vertraglich vereinbarten Zahlungen aus dem Versicherungsvertrag zu leisten. Die vertraglich vorgeschriebenen monatlichen Prämienzahlungen habe er bis zu seinem Tod geleistet. Der Versicherungsvertrag habe jedoch nur „der Finanzierung“ gedient und sei mit dem Schenkungsversprechen nur insofern im Zusammenhang gestanden, als die Verfügungsberechtigung der Klägerin über den Betrag von 14.468 EUR zeitgleich mit dem Ablauf des Versicherungsvertrags eintreten habe sollen. Der Anspruch gegen die beklagte Partei bestehe aber aufgrund des Versprechens. Er sei mit diesem entstanden und daher einklagbar. Da die beklagte Partei die Anerkennung der Forderung verweigere, sei die Klagsführung notwendig. Ein Schenkungsvertrag in der Form eines Notariatsakts sei nicht vorhanden.
Die beklagte Partei bestritt das behauptete Schenkungsversprechen. Sollte es dennoch abgegeben worden sein, handle es sich um eine nicht einklagbare Naturalobligation, weil kein Notariatsakt existiere. Selbst bei Formgültigkeit wäre die Forderung erst mit Erreichen des 18. Lebensjahres der Klägerin fällig. Es bestehe kein Anspruch auf den fiktiven Auszahlungsbetrag zum Vertragsende im Jahr 2025, der auch Gewinnbeteiligungen enthalte und dessen Höhe noch gar nicht feststehe.
Das Erstgericht nahm die vorgelegten Urkunden zum Akt, verlas den Verlassenschaftsakt und wies das Klagebegehren ohne Aufnahme weiterer Beweise ab.
Es traf nur im Rahmen seiner Rechtsausführungen eine (dislozierte) Feststellung, nämlich dass der Urgroßvater den Versicherungsvertrag „für die Klägerin (als Versicherungsnehmerin) offenbar ohne Mitwirkung eines Obsorgeberechtigten bzw des Pflegschaftsgerichts“ abgeschlossen habe, und meinte im Übrigen, dass das Klagebegehren schon aufgrund des Klagsvorbringens abzuweisen sei. Danach sei der angeblich versprochene Geldbetrag nicht übergeben worden, weshalb gemäß § 943 ABGB iVm § 1 Abs 1 lit d NotAktsG der Abschluss eines schriftlichen Schenkungsvertrags in der Form eines Notariatsakts notwendig gewesen wäre. Da ein solcher nicht vorliege, sei – wenn überhaupt – nur von einer Naturalobligation auszugehen. Das Klagebegehren sei auch nicht fällig. Diese Überlegungen gälten ebenso für das Eventualbegehren. Habe der Urgroßvater tatsächlich bis zu seinem Tod die Versicherungsprämien bezahlt, sei der Formmangel nur im Umfang dieser Zahlungen, nicht aber hinsichtlich der künftigen Prämienzahlungen saniert.
Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Es pflichtete der Rechtsansicht des Erstgerichts bei und verwies insbesondere auf das klägerische Vorbringen, wonach der Abschluss des Lebensversicherungsvertrags ausschließlich der Finanzierung der Schenkung dienen und die Klägerin erst zeitgleich mit dem Ablauf des Versicherungsvertrags in den Genuss der Schenkung kommen habe sollen. Selbst die teilweise Erfüllung eines formlosen Schenkungsversprechens könne einen Formmangel nur in dem Ausmaß sanieren, in dem tatsächlich geleistet worden sei.
Nachträglich ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision doch mit der Begründung zu, es bestehe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der im Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs aufgeworfenen Frage, ob eine „derartige Vertragsgestaltung“ einem Unterhaltsversprechen gleichzusetzen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Berufungsurteil erhobene Revision der Klägerin ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dargetan:
1. Die in der Revision erstmals aufgestellte Behauptung, das Versprechen des Urgroßvaters sei „einem Unterhaltsversprechen gleichzusetzen“, findet im Prozessvorbringen der Klägerin keine Deckung. Die zur Stütze dieser Ansicht zitierte Entscheidung 1 Ob 2107/96a hatte (soweit hier von Bedeutung) eine Vereinbarung des ehelichen Vaters einer Unterhaltsberechtigten mit deren Mutter zum Gegenstand, die der Oberste Gerichtshof als nicht mehr einseitig widerrufbaren echten Vertrag zu Gunsten Dritter (der Unterhaltsberechtigten) qualifizierte. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin in erster Instanz eine auf die Übernahme von Unterhaltspflichten gerichtete Vereinbarung zwischen dem Urgroßvater und der Mutter oder dem Vater der Klägerin nicht behauptet. Sie hat ihr Begehren vielmehr ausschließlich auf eine Schenkung, also einen Vertrag zwischen Schenker und Beschenkter (der Klägerin) gestützt, für den eine entsprechende Schenkungsabsicht erforderlich ist (RIS‑Justiz RS0018833). Das davon abweichende Tatsachensubstrat der Revisionsbehauptung verstößt daher gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO). Mit einer unzulässigen Neuerung lässt sich aber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen.
2. Was das Objekt der behaupteten Schenkung anlangt, ist vorauszuschicken, dass das Erstgericht den insoweit relevanten Inhalt der Urkunden Beilagen ./B (Antragsformular) und ./C (Beratungsprotokoll) nicht bzw nur im Rahmen einer dislozierten Feststellung rudimentär wiedergegeben hat. Da sich aber jeweils beide Parteien zum Beweis ihres Prozessvorbringens auf diese Urkunden beriefen (vgl auch AS 26), ist der Urkundeninhalt als unstrittig anzusehen. Es ist prozessual unbedenklich, unstrittiges Parteivorbringen – und dazu gehört auch der Inhalt einer von beiden Seiten für bedeutsam angesehenen Urkunde – ohne weiteres der Entscheidung zugrunde zu legen (§§ 266 f ZPO). Dies gilt auch für das Verfahren vor dem Revisionsgericht (vgl 2 Ob 36/14d), weshalb – auch zum besseren Verständnis des teilweise missverständlichen Prozessvorbringens der Klägerin – der wesentliche Inhalt der erwähnten Urkunden eingangs wiedergegeben werden konnte (vgl 2 Ob 204/10d SZ 2011/127 mwN; RIS‑Justiz RS0040083 [T1], RS0121557 [T3]).
3. Aus dem Zusammenhang des unstrittigen Urkundeninhalts mit dem weiteren Prozessvorbringen der Klägerin wird deutlich, dass die Absicht des Urgroßvaters jedenfalls nicht auf die Einräumung von Bezugsrechten aus einem auf den Urgroßvater lautenden Lebens-versicherungsvertrag, also auf die schenkungsweise Abtretung einer Forderung gerichtet sein konnte (vgl dazu 6 Ob 181/02f; 2 Ob 199/05m; 1 Ob 61/15z; RIS‑Justiz RS0007845; Bollenberger in KBB4 § 943 Rz 7). Das Vorbringen der Klägerin ist im Lichte der besagten Urkunden vielmehr dahin zu verstehen, dass der Urgroßvater den Lebensversicherungsvertrag – wohl mit Zustimmung der gesetzlichen Vertreter – namens der Klägerin als Versicherungsnehmerin abgeschlossen (vgl auch die in der mündlichen Streitverhandlung vom 15. 1. 2015 verlesene und erörterte Versicherungspolizze) und sich gegenüber der Klägerin im Innenverhältnis schenkungsweise zur Leistung der Versicherungsprämien an den Versicherer verpflichtet hat. Im Ergebnis hat die Klägerin damit eine Schenkung durch Erfüllungsübernahme iSd § 1404 ABGB behauptet (vgl 3 Ob 552/78 SZ 52/10; RIS‑Justiz RS0018943).
4. Die Rechtswirksamkeit aller vertraglichen Vereinbarungen unterstellend, macht die Klägerin in ihrem Rechtsmittel an sich zutreffend geltend, mit Abgabe des Versprechens und Abschluss des Lebensversicherungsvertrags habe sie einen Anspruch auf Erfüllung des Lebensversicherungsvertrags erworben:
Die Erfüllungsübernahme ist ein nicht formbedürftiger Vertrag zwischen dem Schuldner (hier: der Klägerin) und einem Dritten (dem Urgroßvater), in dem sich dieser gegenüber dem Schuldner zur Befriedigung des Gläubigers (des Versicherers) hinsichtlich einer bestehenden oder künftigen, zumindest bestimmbaren Schuld (die Versicherungsprämien) verpflichtet (1 Ob 55/06d mwN). Der Zweck der Erfüllungsübernahme besteht in der Sicherung des Schuldners vor der Inanspruchnahme durch seinen Gläubiger (4 Ob 530/88; 1 Ob 605/95 SZ 69/18). Kommt der Schuldner wegen der Säumnis des Erfüllungsübernehmers in Gefahr, selbst an den Gläubiger zahlen zu müssen, kann er den Übernehmer auf Befreiung klagen. Dabei bleibt es ihm überlassen, in welcher Form er die Befreiung begehrt. Er kann den Übernehmer auch auf Leistung an den Gläubiger klagen, nicht aber an ihn, den Vertragspartner selbst, solange er noch nicht Zahlung geleistet hat (vgl 1 Ob 605/95 SZ 69/18; 2 Ob 305/98m; 1 Ob 55/06d; RIS‑Justiz RS0033012, RS0033115, RS0033120, RS0097736).
5. Ausgehend von dieser Rechtslage musste das Hauptbegehren der Klägerin schon daran scheitern, dass sie damit Zahlung an sich begehrt. Sie verlangt nicht etwa den Ersatz von ihr allenfalls geleisteter Beitragszahlungen, sondern erkennbar den erst im Jahr 2025 fälligen Auszahlungsbetrag. Auf welcher Rechtsgrundlage entgegen der Meinung der Vorinstanzen ein solcher Anspruch gegen die beklagte Partei bestehen soll, wird in der Revision nicht ausgeführt. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen, die eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen könnte, wird daher nicht aufgezeigt.
Das Eventualbegehren, das richtigerweise nur als Minus zum Hauptbegehren zu behandeln wäre (3 Ob 38/10z mwN), richtet sich zwar auf Leistung an den Gläubiger. Die Vorinstanzen haben aber auch die Berechtigung dieses Begehrens in nicht korrekturbedürftiger Weise verneint:
6. Bei einer schenkungsweisen Erfüllungs-übernahme kann nach der Rechtsprechung erst in der vom Erfüllungsübernehmer tatsächlich geleisteten Zahlung an den Gläubiger oder bei darüber hinausgehender privativer Schuldübernahme (§ 1405 erster Satz ABGB), also einer Befreiung des Beschenkten von seiner weiteren Haftung gegenüber dem Gläubiger die „wirkliche Übergabe“ iSd § 943 ABGB des Geschenkten erblickt werden (3 Ob 552/78 SZ 52/10; 6 Ob 281/02w; RIS‑Justiz RS0018943; Schubert in Rummel, ABGB³ § 943 Rz 4). Hinsichtlich der nicht bezahlten Beträge bleibt es hingegen beim bloßen Schenkungs-versprechen, aus welchem dem Schuldner mangels Notariatsakts kein klagbarer Anspruch erwächst (3 Ob 552/78 SZ 52/10).
Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Mangel der gesetzlichen Form sei nur im Umfang der vom Urgroßvater geleisteten Zahlungen, nicht aber hinsichtlich der weiteren (künftigen) Prämienzahlungen an den Versicherer saniert, steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang (vgl auch 4 Ob 562/91 SZ 64/145; 7 Ob 222/07h [jeweils Einzahlungen auf einen Bausparvertrag]) und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage auf.
7. Da es somit der Lösung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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