OGH 1Ob2107/96a

OGH1Ob2107/96a26.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Nadine S*****, vertreten durch ihre Mutter Anita S*****, beide ***** letztere vertreten durch Dr.Martin Kloser, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei Viktor L*****, vertreten durch Dr.Adolf Concin und Dr.Heinrich Concin, Rechtsanwälte in Bludenz, wegen Unterhalts (Streitwert S 108.000) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgerichts vom 12.März 1996, GZ 1 R 85/96-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Bludenz vom 19.Dezember 1995, GZ 1 C 289/95-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ist die leibliche und eheliche Tochter des Beklagten. Bald nach ihrer Geburt wurde die Ehe ihrer leiblichen Eltern geschieden. Die Mutter verehelichte sich in der Folge mit Peter S*****, der die Klägerin adoptierte. Dieser Ehe entstammen zwei weitere Kinder. Die Ehe zwischen der Mutter und Peter S***** wurde am 11.Februar 1994 einvernehmlich geschieden. Bereits ab September 1993 hatte sich die Mutter der Klägerin des öfteren heimlich mit dem Beklagten getroffen; auch geschlechtliche Beziehungen unterhielten die beiden. Bei diesen Zusammenkünften besprachen sie Einzelheiten der bevorstehenden Scheidung. Im Jänner 1994 beschlossen die Mutter und der Beklagte zusammenzuziehen. Die Mutter sollte weiterhin die Kinder betreuen. Es wurde nicht besprochen, wie sich das Leben der Streitteile und der Mutter bei Zerbrechen der Lebensgemeinschaft gestalten sollte. Peter S***** wußte im Zeitpunkt der Ehescheidung nicht, daß seine Ehegattin mit dem Beklagten bereits ein intimes Verhältnis unterhielt. Anläßlich der Ehescheidung erklärte sich die Mutter der Klägerin im Vergleichsweg bereit, Peter S***** in Ansehung von Unterhaltsansprüchen der Klägerin schad- und klaglos zu halten. Am 25.2.1994 teilte sie Peter S***** mit, daß sie mit den Kindern zum Beklagten ziehen wolle. Drei Tage später kam es zu einer Unterredung zwischen Peter S*****, der Mutter der Klägerin und dem Beklagten, in deren Verlauf der Beklagte Peter S***** zusicherte, dieser brauche sich wegen der Klägerin keine Sorgen machen. Er komme für deren Unterhalt selbstverständlich auf, weil sie seine leibliche Tochter sei. Damit meinte der Beklagte, daß er für die Unterbringung und Verköstigung aufkommen werde. In der Folge zog die Mutter der Klägerin mit dieser und ihren beiden anderen Kindern in die Wohnung des Beklagten. Etwa nach einer Woche teilte die Klägerin ihrer Mutter mit, daß sie der Beklagte sexuell belästigt habe. Darauf verließ die Mutter mit allen Kindern wieder die Wohnung des Beklagten, gegen den ein Strafverfahren eingeleitet wurde.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Entrichtung rückständigen Unterhalts im Betrag von S 57.000 sowie ab 1.10.1995 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 3.000. Der Beklagte habe der Mutter der Klägerin zugesichert, für deren Unterhalt aufzukommen. Im Zuge des Scheidungsverfahrens habe die Mutter deshalb die Erklärung abgegeben, den Adoptivvater schad- und klaglos zu halten. Die Lebensgemeinschaft der leiblichen Eltern der Klägerin sei im März 1994 aus dem Verschulden des Beklagten aufgehoben worden. Seither komme der Beklagte der von ihm übernommenen Unterhaltsverpflichtung nicht nach.

Der Beklagte bestritt die behauptete Vereinbarung, er werde für den Unterhalt der Klägerin aufkommen. Er habe lediglich zugesagt, die Unterhaltsbedürfnisse der Klägerin während aufrechter Lebensgemeinschaft mit deren Mutter abzudecken.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung des rückständigen Unterhalts im Betrag von S 57.000 und zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von S 3.000 ab 1.10.1995. Durch das Anbot des Beklagten gegenüber der Mutter der Klägerin, für den Unterhalt seines leiblichen Kindes aufzukommen, und durch die Annahme dieses Anbots seitens der Mutter sei ein Vertrag zugunsten der Klägerin geschlossen worden. Die Klägerin habe das Recht, die vertraglich übernommene Verpflichtung vom Beklagten einzufordern, weil die Wiederaufnahme der Lebensgemeinschaft durch ihre leiblichen Eltern bzw das Fortbestehen dieser Gemeinschaft nicht zur Bedingung des Vertrags gemacht worden sei. Der Beklagte trage das Risiko des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Erklärungen des Beklagten seien gemäß § 914 ABGB so auszulegen, daß er sich nur zur Leistung des Naturalunterhalts an die Klägerin im Rahmen einer gemeinsamen Haushaltsführung (Mutter, Vater und Kind) habe verpflichten wollen. Das Begehren auf Leistung von Geldunterhalt sei demnach nicht gerechtfertigt.

Die Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte hat als ehelicher Vater der Klägerin mit deren Mutter vereinbart, für den Unterhalt der Klägerin aufzukommen. Dieses Unterhaltsversprechen des Vaters stellt einen echten Vertrag zugunsten Dritter (der Klägerin) dar, der vom Versprechenden (Beklagten) nicht mehr einseitig widerrufen werden kann. Eine Annahme des Versprechens durch die Klägerin oder deren gesetzlichen Vertreter war nicht erforderlich. Lediglich die Zurückweisung des Unterhaltsversprechens des Beklagten durch die Klägerin hätte der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedurft (EF 17.890; Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 881).

Das Gericht zweiter Instanz hat das Unterhaltsversprechen des Beklagten dahin ausgelegt, daß sich dieser nur für die Zeit des Bestehens einer Lebensgemeinschaft mit der Mutter der Klägerin und des damit verbundenen Verbleibs des Kindes in seinem Haushalt zur Naturalunterhaltsleistung habe verpflichten wollen. Diese Auslegung entspricht den Regeln des § 914 ABGB. Die Ansicht der Klägerin, der Beklagte habe sich auch zur Leistung von Geldunterhalt nach Aufhebung der Lebensgemeinschaft verpflichten wollen, kann demnach nicht geteilt werden.

Aus nachstehenden Erwägungen kommt der Revision aber dennoch Berechtigung zu:

Die Vorinstanzen stellten fest, etwa eine Woche nach Aufnahme der Lebensgemeinschaft sei die Wohngemeinschaft bereits wieder aufgehoben worden, weil die Klägerin der Mutter erzählt habe, der Beklagte habe sie sexuell belästigt. Wegen dieses Vorfalls wurde ein Strafverfahren gegen den Beklagten eingeleitet. In diesem Zusammenhang brachte die Klägerin auch vor, daß die Lebensgemeinschaft zwischen ihrer Mutter und dem Beklagten lediglich aus Verschulden ihres Vaters in Brüche gegangen sei. Ob der Beklagte seine minderjährige Tochter tatsächlich zur Unzucht mißbrauchte - so das mit der Revision vorgelegte Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 16.1.1996, GZ 21 Vr 1023/95-19, mit dem der Beklagte wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen gemäß § 207 Abs 1 erster Fall StGB verurteilt wurde und das nach der Behauptung der Klägerin nach Ausschöpfung des Instanzenzugs in Rechtskraft erwachsen sein soll (siehe Seite 4 der Revision) - , wurde von den Vorinstanzen nicht festgestellt. Eine Feststellung über diese Unzuchtshandlungen ist aber nötig, zumal die Klägerin ihr Geldunterhaltsbegehren (auch) darauf stützt, daß ihre Mutter wegen der „sexuellen Belästigung“ gezwungen gewesen sei, die Wohngemeinschaft mit dem Beklagten aufzuheben. Allerdings wurde weder behauptet noch festgestellt, daß der Beklagte das Verbrechen der Unzucht mit seiner Tochter begangen habe, um sich - wider Treu und Glauben - der von ihm übernommenen Leistung von Naturalunterhalt zu entziehen. Auch Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte durch das Verbrechen der Unzucht die zum Vertragsinhalt gemachte Bedingung der aufrechten Wohnungsgemeinschaft absichtlich vereitelt habe, um sich so seiner Verpflichtung zur Leistung von Naturalunterhalt zu entledigen, liegen nicht vor. Daher ist auch die Annahme nicht berechtigt, er habe den Ablauf der Ereignisse wider Treu und Glauben beeinflußt (JBl 1991, 382; EvBl 1989/65; 1 Ob 531/84; SpR 234; Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 7 zu § 897), wenngleich sein Verhalten die Aufhebung des gemeinsamen Haushalts auslöste. Damit ist aber für den Standpunkt des Beklagten noch nichts gewonnen:

Hat der Beklagte - was noch festzustellen sein wird, wobei die Bindungswirkung eines verurteilenden Straferkenntnisses zu beachten sein wird, - die Aufhebung des gemeinsamen Haushalts durch die Begehung des behaupteten Verbrechens gegenüber seinem unterhaltsberechtigten Kind (der Klägerin) verschuldet, dann kann er mit der Einwendung, er habe sich nur für den Zeitraum des Bestehens einer Lebensgemeinschaft mit der Klägerin und deren Mutter zur Leistung von Naturalunterhalt verpflichten wollen, nicht gehört werden. Die Berufung auf diesen Umstand wäre dann rechtsmißbräuchlich und würde den guten Sitten widersprechen (Krejci in Rummel, ABGB2, Rz 138 zu § 879; vgl EvBl 1967/175; SZ 26/105). Kann der Kläger aus Gründen, die von ihm zu vertreten sind, den Unterhalt nicht mehr in natura leisten, wandelt sich seine Naturalunterhaltsverpflichtung infolge des getrennten Haushalts des Kindes und dessen Mutter in eine Geldunterhaltsforderung um (Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 13 zu § 140; Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung, RZ 272 mwN; vgl ÖA 1993, 18). Demnach wird der Beklagte für den Fall, daß festgestellt werden sollte, er habe das Verbrechen der Unzucht mit seiner Tochter begangen, sodaß die Mutter genötigt gewesen sei, die Wohngemeinschaft gemeinsam mit ihrer Tochter zu verlassen, Geldunterhalt an diese zu entrichten haben.

Zur Höhe des von ihm zu leistenden Unterhalts mangelt es an jeglicher Feststellung, aus der sich die vom Erstgericht festgelegte Unterhaltsverpflichtung ableiten ließe. Da der Beklagte das Klagsvorbringen zur Gänze (also auch der Höhe nach) bestritten hat, wird das Erstgericht Feststellungen zu treffen haben, aus denen sich der Bedarf der Klägerin einerseits und die Leistungsfähigkeit des Beklagten andererseits eindeutig ergeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind deshalb zur Verfahrensergänzung in erster Instanz zu beheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte