OGH 3Ob133/53

OGH3Ob133/5322.4.1953

SZ 26/105

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §91
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §879
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §936
EheG §55
EheG §66
EheG §69
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §91
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §879
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §936
EheG §55
EheG §66
EheG §69

 

Spruch:

Der vereinbarte Ausschluß der clausula rebus sic stantibus in einem Unterhaltsvergleich auf eine bestimmte Zeit widerspricht ebensowenig den guten Sitten wie die Vereinbarung, daß ein nach § 55 EheG. geschiedener Ehemann der Gattin den Unterhalt nach § 66 statt nach § 69 EheG. leiste.

Entscheidung vom 22. April 1953, 3 Ob 133/53.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Die beiden Parteien haben im Zuge ihrer Ehescheidung einen Vergleich geschlossen, dessen Punkt 1 lautet: "Der Kläger Jakob W. anernennt seineUnterhaltspflicht gegenüber der Beklagten Theresia W. nach der Scheidung der Ehe nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 EheG.", und dessen Punkt 4 lautet: "Zur Deckung des Unterhaltes der mj. Kinder und des fehlenden Unterhaltes der Beklagten Theresia W., verpflichtet sich der Kläger Jakob W. zuhanden der Beklagten 40% seines jeweiligen monatlichen Nettoeinkommens, wobei Überstunden und Erschwerniszuschläge ausscheiden, bei Zwang zu bezahlen. Jakob W. verzichtet darauf, eine Minderung dieses Unterhaltsbeitrages von 40% seines Nettoeinkommens so lange zu begehren, als auch nur ein Kind in Erziehung und Verpflegung der Beklagten ist. Bei Ausscheiden des letzten Kindes aus der Verpflegung und Erziehung der Beklagten bezahlt ihr der Kläger von diesem Zeitpunkte an nur mehr 10% seines nach obigen Grundsätzen zu ermittelnden Nettoeinkommens, u. zw. so lange, bis die Beklagte nicht zu einer neuen Ehe greifen wird oder ein eheähnliches Verhältnis eingeht."

Der Kläger begehrt nun mit der vorliegenden Klage, die Punkte 1 und 4 wegen Sittenwidrigkeit als nichtig zu erklären. Er erkennt dem Gründe nach an, zur Unterhaltsleistung an die Beklagte und die Kinder verpflichtet zu sein, doch sei die im Vergleiche getroffene Regelung, wonach er im Ausmaß des § 66 Abs. 1 EheG. zur Unterhaltsleistung verpflichtet sei und zu einem Herabsetzungsantrage für die im Vergleiche festgesetzte Zeit nicht berechtigt sein solle, sittenwidrig, weil er einerseits die Absicht gehabt habe und in der Lage gewesen wäre, das Verschulden der Beklagten geltend zu machen, und er daher mit Rücksicht auf die Tatsache, daß er der Beklagten auch eine Liegenschaft übergeben habe, nach § 69 EheG. nicht zur Unterhaltsleistung herangezogen werden könne, wozu komme, daß der Unterschied zwischen § 66 und § 69 EheG. einem Laien beinahe überhaupt nicht, jedenfalls nur nach grundlicher Belehrung begreiflich gemacht werden könne, anderseits infolge der erheblichen Einkommensverschlechterung auf seiner Seite und Erhöhung seiner Sorgepflicht und der Verbesserung der Vermögenslage auf Seite der Frau der Ausschluß der clausula rebus sic stantibus sittenwidrig sei.

Das Erstgericht wies vorerst das Klagebegehren ab, weil dem Kläger das Feststellungsinteresse mangle.

Das Berufungsgericht hob die Entscheidung ohne Rechtskraftvorbehalt auf zwecks Feststellung, ob eine Exekution auf Grund des Vergleiches eingeleitet worden ist, in welchem Falle die Abweisung gerechtfertigt sei, andernfalls wären die Voraussetzungen für eine Feststellungsklage gegeben.

Nunmehr wurde außer Streit gestellt, daß eine Exekution anhängig ist, worauf das Erstgericht das Klagebegehren unter Hinweis auf die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht neuerlich abwies. Diese Entscheidung wurde vom Berufungsgericht bestätigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zu Unrecht beruft sich das Berufungsgericht auf die Entscheidung SZ. XIX/316. Der Klagegrund im vorliegenden Fall ist nicht das Erlöschen eines aus dem gültigen Titel hervorgehenden Anspruches wegen nachträglich eingetretener Tatsachen, sondern die Ungültigkeit des Exekutionstitels wegen dessen Sittenwidrigkeit. Eine Oppositionsklage nach § 35 EO. setzt einen gültigen Titel und den gänzlichen oder teilweisen Wegfall des Anspruches aus diesem Titel wegen nachträglich eingetretener Tatsachen voraus. Niemals kann aber das rechtsunwirksame Zustandekommen des Titels Gegenstand eines Oppositionsstreites sein. Die Prüfung letzterer Frage ist nur auf Grund einer der im § 39 Z.1 EO. erwähnten Klagen möglich. Eine solche Klage kann jederzeit auch nach Exekutionsbewilligung erhoben werden. Die Abweisung des Klagebegehrens aus dem Gründe, weil der vorliegende Sachverhalt nur mit einer Klage nach § 35 EO. hätte geltend gemacht werden können, ist deshalb rechtlich verfehlt.

Die Klage kann aber aus materiell-rechtlichen Erwägungen nicht zum Zieleführen. Es wurde ausdrücklich außer Streit gestellt, daß die mangelnde Willenseinigung der Parteien nicht Gegenstand der Anfechtung ist. Punkt 1 des Vergleiches soll vielmehr nur deshalb sittenwidrig sein, weil sich der Kläger, trotzdem die Ehe nach § 55 EheG. geschieden wurde, er daher nur nach § 69 Abs. 2 EheG. unterhaltspflichtig wäre, zu einer Unterhaltsleistung im Rahmen und Umfang des § 66 EheG. verpflichtet hat. Es steht aber jedermann frei, dem Unterhaltsberechtigten einen höheren Unterhaltsbeitrag zuzusichern, als diesem nach dem Gesetz gebührt. Der Umstand, daß die vertragliche Unterhaltspflicht des Klägers nunmehr höher ist, als seine gesetzliche Verpflichtung wäre, verstößt daher keineswegs gegen die guten Sitten.

Punkt 4 des Vergleiches ist nach Meinung des Klägers deshalb sittenwidrig, weil sich kurz gesagt, die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der beiden Streitteile nach Vergleichsabschluß wesentlich zu Ungunsten des Klägers verschoben hätten und dem Kläger nach dem Vergleiche es verwehrt sei, diesen Umstand bei der Unterhaltsbemessung geltend zu machen. Es ist nun in der Rechtslehre und Rechtsprechung allgemein anerkannt, daß jeder Unterhaltsverpflichtete ohneweiters auf die Wirksamkeit der clausula rebus sic stantibus zur Gänze oder für gewisse Fälle verzichten kann. Der vereinbarte Ausschluß der clausula rebus sic stantibus auf eine bestimmte Zeit widerspricht daher ebenfalls in keiner Weise den guten Sitten. War aber der Vertrag im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht sittenwidrig, kann er es nicht dadurch werden, daß sich nachträglich die Verhältnisse erheblich geändert haben, daß also jene Sachlage eingetreten ist, deren rechtliche Wirksamkeit auf die Unterhaltsrente bei Vertragsabschluß ausdrücklich ausgeschlossen wurde.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann allerdings das Erfüllungsbeharren selbst den guten Sitten widersprechen. Ob diese Voraussetzungen aber hier vorliegen, war nicht zu untersuchen, da die Klage auf diesen Klagegrund nicht gestützt wurde, außerdem dieser Sachverhalt, aus dem die Behauptung des Erlöschens des Anspruches wegen nachträglich eingetretener Tatsachen abgeleitet werden könnte, nach Exekutionsbewilligung tatsächlich nur im Wege einer Oppositionsklage geltend gemacht werden könnte.

Aus diesen rechtlichen Erwägungen war das Klagebegehren, ohne daß es einer Beweisaufnahme bedurfte, abzuweisen.

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