OGH 6Ob281/02w

OGH6Ob281/02w11.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian B*, vertreten durch Dr. Teja H. Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Andreas W*, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Graz, wegen 14.389,22 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 11. Juli 2002, GZ 3 R 109/02b‑22, mit dem das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 9. April 2002, GZ 15 Cg 36/02w‑13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2003:E70983

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 812,52 EUR (darin enthalten 135,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Der Beklagte war vom 21. 9. 1995 bis 2. 3. 1999 und der Kläger vom 3. 3. 1999 bis 20. 12. 2000 alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer der W* Gesellschaft m. b. H. (W*). Nach dem Ausscheiden des Beklagten aus dieser Gesellschaft trat die neu gegründete We* GmbH an seine Stelle als Gesellschafter. Gesellschafter der We* GmbH sind der Kläger und der Beklagte. Ihr Geschäftsführer ist der Beklagte. Die We* GmbH trat als Bauträger auf. Sie betraute ihrerseits die W* mit der Durchführung der Bauvorhaben, über deren Vermögen am 16. 7. 2001 das Konkursverfahren eröffnet.

Der Kläger war vom Beklagten ersucht worden, die Funktion des Geschäftsführers der W* zu übernehmen. Der Beklagte hatte dem Kläger zugesichert, dass er für sämtliche Verstöße, für die der Kläger aufgrund dieser Position zur Verantwortung gezogen werde, die Verantwortung übernehmen und dem Kläger auferlegte Strafen, insbesondere auch Verwaltungsstrafen, refundieren werde. Der Kläger erklärte sich bereit, dem Beklagten zu helfen und "am Papier" die Funktion des Geschäftsführers zu übernehmen. Der Beklagte trat weiterhin als "Chef" der W* auf. Er erteilte den Mitarbeitern Anweisungen, bestellte Baumaterialien, schloss Verträge für die W* ab und war auch bei betriebsinternen Fragen Ansprechpartner der Mitarbeiter. Der Kläger wickelte lediglich Kaufverträge und die Übergabe von Wohnungen ab, erledigte Behördenwege und arbeitete im Büro mit.

Am 30. und 31. 10. 2000 wurde eine von der W* betriebene Baustelle vom Arbeitsinspektorat kontrolliert. Bei ersterer Kontrolle wurde festgestellt, dass Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht eingehalten wurden, bei letzterer, dass fünf Ausländer entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes beschäftigt wurden. Weder der Kläger noch der Beklagte waren in die Umstände, die zur Beschäftigung der Ausländer geführt haben, eingeweiht. Um die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften hat sich der Kläger nicht gekümmert. Der Beklagte hat die auf den Baustellen beschäftigten Dienstnehmer gelegentlich angewiesen, die einschlägigen Schutzvorschriften zu beachten. Für deren Einhaltung hatten die Poliere und Baustellenleiter Sorge zu tragen. In dem gegen den Kläger eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren wurde dem vom Kläger beigezogenen Rechtsanwalt seitens der W* mitgeteilt, dass die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe nicht sinnvoll entkräftet werden könnten. Im Verfahren wegen Verletzung der Arbeitnehmerschutzvorschriften erhob der Kläger lediglich den Einwand, er habe die Arbeiter ohnehin angewiesen, auf die entsprechenden Schutzeinrichtungen zu achten. Im Verfahren wegen des Verstoßes gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz wurde ein Einwand hinsichtlich der Beschäftigungszeiten erhoben. Es wurde nicht vorgebracht, dass die Ausländer gefälschte Dokumente vorgelegt hätten. Gegen die Strafbescheide erhob der Kläger jeweils Berufung, in der er jeweils nur das Ausmaß der Strafe bekämpfte. Während die Verwaltungsstrafverfahren anhängig waren, erklärte der Beklagte gegenüber dem Kläger, dass er - wie bereits vereinbart - ohnehin sämtliche Strafen zahlen werde. Der Beklagte hatte auch bisher schon über den Kläger aus Anlass seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der W* verhängte Strafen bezahlt. Die rechtskräftig verhängten Geldstrafen wurden bislang noch nicht beglichen.

Der Kläger begehrte vom Beklagten den Ersatz der ihm auferlegten Verwaltungsstrafen von 11.911,02 EUR zuzüglich 1.199,10 EUR Verfahrenskosten (Verstoß gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz) und 1.090,09 EUR zuzüglich 109,10 EUR Verfahrenskosten (Verstoß gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften). Er verwies hiebei auf die zwischen den Streitteilen geschlossene Vereinbarung und gründete sein Begehren auch auf den Titel des Schadenersatzes, weil das Verschulden an den Verwaltungsverstößen den Beklagten infolge seiner Funktion als "de facto Geschäftsführer" treffe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er bestritt das Vorliegen einer Vereinbarung, wonach er die Strafen zu übernehmen habe und wendete ein, dass der Kläger für die ihm zur Last gelegten Verfehlungen selbst verantwortlich sei. Der Beklagte habe die Ausländer nicht eingestellt. Diese hätten im Übrigen gefälschte Urkunden vorgelegt. Die Überwälzung der Verwaltungsstrafen sei sittenwidrig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Überwälzung von Verwaltungsstrafen aus dem Titel des Schadenersatzes komme nicht in Betracht. Eine entsprechende, vor der Straftat getroffene Vereinbarung sei nach ständiger Rechtsprechung sittenwidrig und unwirksam. Dies müsse aber auch gelten, wenn die Überwälzungsvereinbarung nach der Straftat bekräftigt werde, weil ansonsten die Effektivität von Strafen sowohl unter dem Gesichtspunkt der Spezial- als auch der Generalprävention erheblich leiden würde. Auch bei einer solchen Fallkonstellation werde der zur Einhaltung der Normen Verpflichtete dazu verleitet, Normen zu brechen oder sich um die Einhaltung der Normen nicht zu kümmern. Dies müsse umso eher gelten, wenn derjenige, der sich zur Bezahlung der Strafe verpflichtet habe, bereits in der Vergangenheit über den Verurteilten verhängte Strafen bezahlt habe. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger in den Verwaltungsstrafverfahren die zur Verfügung stehenden Verteidigungsmittel nicht erhoben und insbesondere nicht vorgebracht habe, die illegal beschäftigten Personen hätten gefälschte Unterlagen vorgelegt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und hielt der Berufung des Klägers weiters entgegen, dass die bloße Nichtausübung einer Funktion dem ordnungsgemäß Bestellten nicht die Eigenschaft als Geschäftsführer nehme. Von den vom Erstgericht dargestellten Überwälzungsverbot seien zwar Vertretungs- und Verfahrenskosten bei bloß fahrlässiger Begehung der Straftat ausgenommen, doch sei nicht erwiesen, dass sich der Beklagte auch zur Tragung der Verfahrenskosten verpflichtet habe. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob der Kläger die Verwaltungsstraftaten bloß fahrlässig begangen habe.

Seinen ursprünglichen Ausspruch, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, änderte das Berufungsgericht auf Antrag des Klägers gemäß § 508 Abs 1 ZPO im Sinn eines Zulässigkeitsausspruches ab, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob auch eine Bekräftigung der ursprünglichen Verpflichtungserklärung, einem Dritten auferlegte Strafen zu zahlen, nach Begehung der Straftaten sittenwidrig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Eine vor Begehung der strafbaren Handlung zwischen dem Täter und einem Dritten abgeschlossene Vereinbarung, in der sich der Dritte zum Ersatz der über den Täter zu verhängenden Strafe verpflichtet, verstößt nach ständiger Rechtsprechung gegen Grundsätze des Strafrechts und gegen die guten Sitten (RIS‑Justiz RS0016830). Den hier ergangenen Straferkenntnissen lagen Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen (gegen § 87 Abs 2 BauV) und gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz (§ 28) zugrunde. Die Strafrahmen dieser Gesetze verfolgen einerseits das Ziel, die Einhaltung der im Interesse der Arbeitnehmer getroffenen Bestimmungen zu sichern, andererseits die nachteiligen Folgen hintanzuhalten, die üblicherweise mit illegaler Ausländerbeschäftigung verbunden sind. Die für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen verantwortlichen Personen sollen durch die Strafdrohung zu einem gesetzesgemäßen Verhalten veranlasst werden. Diesem Gesetzeszweck werden die Bestimmungen aber nur dann gerecht, wenn der Verantwortliche durch die unmittelbare Auswirkung einer über ihn verhängten Strafe betroffen ist. Es liefe dem Zweck des Gesetzes, das die Einhaltung der Normen durch Androhung von Strafen gegen die Personen erreichen will, die hiezu nach dem Gesetz und der betrieblichen Organisation verpflichtet sind, zuwider, wenn jemand anderer im Vorhinein wirksam die Verpflichtung zur Zahlung von Strafen übernehmen könnte. Auf diese Weise wäre der Verantwortliche von den wesentlichen Unrechtsfolgen befreit und es bestünde daher für ihn eine geringere Motivation, sich dem Gesetz gemäß zu verhalten. Das Übel der Strafe soll nach dem Gesetz denjenigen treffen, der den Verstoß gegen die unter Strafsanktion bestehende Bestimmung zu vertreten hat. Eine davon abweichende, im Vorhinein getroffene zivilrechtliche Vereinbarung verstößt gegen diesen Zweck und kann somit nicht wirksam getroffen werden (9 ObA 284/92 = WBl 1993, 157; 3 Ob 2400/96d = SZ 70/203).

Der Umstand, dass intern zwischen dem Kläger und dem Beklagten eine Aufteilung des Aufgabenkreises und der Verantwortung dahin vorgenommen wurde, dass der Beklagte für die Bautätigkeit, der Kläger hingegen für die An- und Verkäufe der Realitäten und die Büroarbeit zuständig war, enthob ihn nicht seiner mit der Geschäftsführerposition verbundenen Verantwortlichkeit für die Einhaltung verwaltungsrechtlicher Normen, insbes Arbeitnehmerschutzvorschriften und der Beachtung des Ausländerbeschäftigungsverbotes. Wie er selbst einräumt, hat er sich nie darum gekümmert, ob diese Bestimmungen befolgt werden und ob sich der Beklagte, der diesen Aufgabenkreis betriebsintern übernommen hatte, um deren Einhaltung bemüht. Er hat auch keinen verantwortlichen Beauftragten im Sinn des § 9 Abs 2 VStG bestellt und diesen der Behörde gegenüber bekanntgegeben (vgl § 23 Abs 1 ArbIG), wodurch er seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung für die Verletzung der betreffenden Bestimmungen enthoben worden wäre. In der Übertragung von bestimmten Aufgaben innerhalb eines Unternehmens an einzelne Beschäftigte liegt noch nicht die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit (VwGH GZ 91/19/0158). Der Kläger wurde deshalb auch im Verwaltungsstrafverfahren schuldig erkannt und kann daher nicht ins Treffen führen, für den betreffenden Geschäftsbereich nicht verantwortlich gewesen zu sein. Es ist auch nicht entscheidend, dass der Beklagte in früheren Fällen über den Kläger verhängte Verwaltungsstrafen zur Zahlung übernommen hat, weil der Kläger weder aus einem konkludenten Verhalten noch aus einer ausdrücklichen, vor Begehung der Straftaten geschlossenen ausdrücklichen Vereinbarung mit dem Beklagten für seinen Standpunkt etwas ableiten könnte (9 ObA 284/92).

Eine nach der Tat zustande gekommene Vereinbarung über den Ersatz der dem Täter entstanden Vermögensnachteile wird von der Rechtsprechung zwar als zulässig und wirksam angesehen (3 Ob 96/55 = SZ 28/56; vgl auch 9 Ob 284/92; Krejci in Rummel ABGB I3 § 879 Rz 165). Im vorliegenden Fall bestand zwischen den Streitteilen aber weder ein Auftragsverhältnis (§§ 1002 ff ABGB) noch ein Werkvertrags- oder ein Arbeitsverhältnis. Ein solches Rechtsverhältnis kommt allenfalls mit der W*, nicht aber mit dem Beklagten persönlich in Betracht. Der Beklagte war nicht einmal Gesellschafter der W*, deren Geschäftsführer der Kläger zum Tatzeitpunkt war. Es findet daher weder § 1014 ABGB Anwendung, wonach der Gewaltgeber den Gewalthaber den notwendigen und nützlichen Aufwand sowie allen durch sein Verschulden oder mit der Erfüllung des Auftrages verbunden Schaden vergüten muss, noch liegen irgendwelche Hinweise darauf vor, dass die Übernahme der Verpflichtung zur Zahlung der Verwaltungsstrafen gegen Entgelt - auch nicht im weitesten Sinn - erfolgte. Auf den Titel des Schadenersatzes kann der Kläger sein Begehren nicht stützen. Selbst im Fall einer Mitschuld des Beklagten könnte die von der Verwaltungsbehörde rechtskräftig verhängten Strafen nicht überwälzt werden (2 Ob 662/57 = JBl 1958, 400; SZ 28/56; SZ 31/73), weil es sich um eine Strafe handelt, die nur den Täter treffen kann, dessen gesetzwidriges Verhalten bestraft werden soll. Die Strafwürdigkeit des Klägers war insoweit von der Verhaltensweise des Beklagten unabhängig. Darauf, ob auch der Beklagte allenfalls von ihm übernommene Weisungs- und Kontrollpflichten verletzt hat, kommt es nicht an. Der Strafanspruch des Staates begründet keinen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch, dessen Befriedigung der Bestrafte im Regressweg (§ 1302 ABGB) überwälzen könnte (2 Ob 662/57).

Schuldbekenntnisse und Zahlungsversprechen sind mangels Vorliegens eines Rechtsgrundes ohne rechtliche Wirkung. Abgesehen von hier nicht zu erörternden Ausnahmefällen, bei denen die Rechtsordnung ein Rechtsgeschäft von der causa löst (Wechselverbindlichkeiten, Anweisungen, Schuldübernahmen, bei denen dem Gläubiger gegenüber vom Verhältnis zwischen dem Urschuldner und dem Schuldübernehmer abstrahiert wird), gibt es keine abstrakten Geldforderungen. Für ein konstitutives Schuldanerkenntnis des Beklagten, durch das eine zwischen den Prozessparteien bestehende unsichere und ungewisse Rechtslage bereinigt hätte werden sollen, wie dies dem Wesen des konstitutiven Anerkenntnisses entspräche (Ertl in Rummel ABGB II2 § 1380 Rz 6 mwN), bestehen keine Anhaltspunkte. Die festgestellte "Bekräftigung" der Zusage zur Übernahme der im Verwaltungsverfahren zu erwartenden Strafen nach Tatbegehung spricht vielmehr für eine bloße Wissenserklärung des Beklagten, mit der dieser keine Rechtsfolgen herbeiführen wollte, sondern nur dokumentierte, dass das Recht des Klägers auf Überwälzung der Strafen auf den Beklagten seines Wissens nach bestehe. Bei Umdeutung der vom Beklagten einbekannten Zahlungsverpflichtung in ein Schenkungsversprechen wäre dieses mangels Erfüllung der erforderlichen Formvorschrift (Notariatsakt gemäß § 1 Abs 1 lit d Notariatszwanggesetz) nicht klagbar. Bei einer Schenkung durch Erfüllungsübernahme kann erst in der vom Erfüllungsübernehmer tatsächlich geleisteten Zahlung an den Gläubiger oder bei darüber hinausgehender privativer Schuldübernahme (§ 1405 erster Satz ABGB), also einer Befreiung des Beschenkten von seiner weiteren Haftung gegenüber dem Gläubiger, die "wirkliche Übergabe" des Geschenkten erblickt werden (SZ 52/10).

Die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher zu bestätigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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