OGH 6Ob99/58

OGH6Ob99/5830.4.1958

SZ 31/73

Normen

ABGB §896
ABGB §1302
ABGB §896
ABGB §1302

 

Spruch:

Die von der Verwaltungsbehörde rechtskräftig verhängte Strafe kann nicht auf einen Mitschuldigen überwälzt werden.

Entscheidung vom 30. April 1958, 6 Ob 99/58.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Kläger hat dem Beklagten am 29. Oktober 1956 Fichtenrundholz am Stock um 65.210 S 04 g verkauft. Darauf wurden 32.410 S 04 g bezahlt. Am 21. Dezember 1956 wurde von der Bezirkshauptmannschaft W. gemäß § 23 der Forstgesetznovelle vom 28. Juli 1911, LGBl. für Kärnten Nr. 30/1912, u. a. der Verfall der Hälfte des ohne behördliche Bewilligung geschlägerten, vom Beklagten käuflich erworbenen Holzes ausgesprochen. Der vom Beklagten zu berichtigende Verfallswert dafür wurde mit 32.000 S festgesetzt und vom Kläger zur Hälfte, d. i. mit 16.000 S, zur Zahlung übernommen, wobei sich der Beklagte Regreßansprüche vorbehielt. Damit verringerte sich der restliche Kaufpreis von 32.800 S (65.210 S 04 g minus 32.410 S 04 g = 32.800 S) auf 16.800 S, welcher Betrag samt Nebengebühren mit der vorliegenden Klage begehrt wird.

Der Beklagte wendete eine Gegenforderung in gleicher Höhe aus dem Titel des Schadenersatzes ein, die er im Berufungsverfahren um den Betrag von 800 S (Verwaltungsstrafe) auf 16.000 S, nämlich den von ihm der Bezirkshauptmannschaft W. bezahlten halben Verfallsbetrag, einschränkte. Der Kläger habe bei Abschluß des Kaufvertrages die beklagte Partei durch die ausdrückliche und bewußt wahrheitswidrige Erklärung, daß für die vorgesehene Schlägerung eine Schlagbewilligung erteilt worden sei, listig in Irrtum geführt und überdies auch noch während der Vornahme der Schlägerung Erklärungen über das Vorliegen dieser Bewilligung abgegeben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren kostenpflichtig statt. Es erachtete die Gegenforderung des Beklagten als nicht zu Recht bestehend, weil es aus den von ihm durchgeführten Beweisen zum Ergebnis gelangte, der Kläger habe sich weder bei Abschluß des Abstockungsvertrages noch bei Beginn der Schlägerung auf eine ihm seitens der Behörde erteilte Schlägerungsbewilligung ausdrücklich bezogen. Eine bewußte Irreführung durch den Kläger sei nicht erwiesen. Auch hätten es der Beklagte oder dessen Holzeinkäufer entgegen den Bestimmungen des § 10 des Gesetzes vom 28. Juli 1911, LGBl. Nr. 30/1912, unterlassen, sich vor Beginn der Schlägerung die Überzeugung von der erteilten Schlagbewilligung zu verschaffen. Damit habe die beklagte Partei jedenfalls den ihr durch die Verfallserklärung entstandenen Schaden von 32.000 S zur Hälfte (§ 1304 ABGB.) mitverursacht. Die andere Hälfte aber sei vom Kläger ohnehin freiwillig zur Zahlung übernommen worden.

Das Berufungsgericht änderte auf Grund der Berufung des Beklagten das Ersturteil ab, sah die eingeklagte Forderung mit 16.800 S samt 4% Zinsen seit 1. Jänner 1957, die Gegenforderung des Beklagten mit 16.000 S samt 4% Zinsen seit 1. Jänner 1957 als zu Recht bestehend an, verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 800 S samt 4% Zinsen seit 1. Jänner 1957 und legte dem Kläger den Ersatz der Kosten der Verfahren erster und zweiter Instanz an den Beklagten auf. Das Berufungsgericht hatte Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstrichters. Es wiederholte und ergänzte die vom Erstgerichte aufgenommenen Beweise. Das Berufungsgericht stellte fest, daß der Kläger im vollen Bewußtsein, daß eine Schlägerungsbewilligung nicht erteilt worden war, dem Holzeinkäufer Josef MA. Des Beklagten gegenüber am 29. Oktober 1956 bei Abschluß des Holzabstöckungsvertrages und auch vor Beginn der Schlägerung (5. November 1956) sowie noch am 27. November 1956 bei Übergabe des geschlägerten Holzes dem Ernst M. (Sohn des Beklagten) gegenüber wissentlich die falsche Erklärung abgab, es liege eine Schlägerungsbewilligung hinsichtlich des verkauften Holzes vor. Der Holzeinkäufer Josef MA., die beklagte Partei und Ernst M. begnügten sich mit dieser Erklärung. Sie hatten eine Vorlage der behaupteten Schlägerungsbewilligung nicht begehrt. Die gesamte, ohne Schlägerungsbewilligung geschlägerte Holzmenge wurde von der Bezirkshauptmannschaft W. zunächst mit Bescheid vom 12. Dezember 1956 gemäß § 39 WaldverwüstungsG. beschlagnahmt. Am 21. Dezember 1956 wurde schließlich bei der Bezirkshauptmannschaft W. unter Vorsitz des Bezirkshauptmannes eine Niederschrift im Sinne der Anzeige der Forstinspektion W. aufgenommen. Darin bekannten sich beide Streitteile schuldig und nahmen unter Rechtsmittelverzicht zur Kenntnis, daß über den Kläger wegen Übertretung nach § 2 der Forstgesetznovelle, LGBl. für Kärnten Nr. 30/1912, und über den Beklagten nach § 23 desselben Gesetzes eine Geldstrafe von je 800 S verhängt wurde. Diese Bestrafung wurde beim Beklagten damit begrundet, daß er in der Zeit vom 21. Oktober bis 28. November 1956 in den Waldparzellen Nr. 163 und 182 KG. R. des Besitzers Franz W. (des Klägers) je einen 0.60 und 0.005 ha großen Kahlhieb durchgeführt und das geschlägerte Holz käuflich erworben habe, ohne sich vor Beginn der Schlägerung bzw. beim Kaufabschluß die Überzeugung zu verschaffen, ob eine Schlägerungsbewilligung eingeholt und eine solche auch erteilt wurde. Außerdem wurde das Eigentum des Beklagten an dem geschlägerten Holz einverständlich festgestellt und der schon erwähnte Verfall der Hälfte des geschlägerten Holzes unter Festsetzung eines Verfallswertes von 32.000 S ausgesprochen, der bis spätestens 31. Jänner 1957 vom Beklagten zu zahlen war. Dabei übernahm der Kläger die Hälfte (16.000 S) zur Zahlung in der Form auf sich, daß die Kaufschillingsrestforderung gegen den Beklagten um diesen Betrag vermindert wurde.

Aus den bewußt unrichtigen Angaben des Klägers über das Vorliegen einer Schlägerungsbewilligung leitete das Berufungsgericht eine Schadenersatzpflicht des Klägers und sohin den Zurechtbestand der Gegenforderung von 16.000 S ab. In dem Umstand, daß sich der Beklagte oder sein Holzeinkäufer die Schlägerungsbewilligung nicht zeigen ließen, könne kein Mitverschulden der beklagten Partei ersehen werden. Die in Ansehung der Verurteilung des Beklagten von der Verwaltungsbehörde gebrauchte Begründung sei nicht bindend. Die Frage, ob sich der Beklagte beim Kaufabschluß oder vor Beginn der Schlägerung die erforderliche Überzeugung vom Vorliegen einer Schlägerungsbewilligung verschafft habe, müsse bejaht werden. Die ausdrücklichen Erklärungen des Klägers seien so überzeugend gewesen, daß kein Grund bestanden habe, ihm zu mißtrauen, zumal der Kläger einen Besitz von 48 ha habe und es im Holzhandel nicht üblich sei, den Erklärungen von größeren Besitzern kein Vertrauen zu schenken. Größere Besitzer seien mit Rücksicht auf ihre in Anspruch genommene Persönlichkeit unangenehm berührt, wenn ein Einkäufer ihrer Versicherung, daß eine Holzschlägerungsbewilligung vorliege, keinen Glauben schenke.

Der Oberste Gerichtshof änderte das Urteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die dem Beklagten auferlegte Zahlung des Verfallswertes des geschlägerten Holzes ist gemäß § 23 des Gesetzes vom 28. Juli 1911, LGBl. für Kärnten Nr. 30/1912, als Nebenstrafe erfolgt, in Rechtskraft erwachsen und daher rechtswirksam (SZ. XXII 138). Es trifft zwar zu, daß nur das, was die Verwaltungsbehörde verfügt hat, für das Gericht verbindlich ist, nicht aber die Begründung des Verwaltungsbescheides (JBl. 1952 S. 499), doch folgt daraus nicht, daß etwa von den Gerichten überprüft werden könnte, ob eine von der zuständigen Verwaltungsbehörde rechtskräftig verhängte Strafe zu Recht oder zu Unrecht ausgesprochen wurde. Die Tatsache der Bestrafung ist für das Gericht verbindlich. Eine gegenteilige Auffassung würde dem im Verwaltungsverfahren rechtskräftig Bestraften einen im Gesetz nicht vorgesehenen Rechtszug an die Zivilgerichte ermöglichen. Diese Erwägungen führen, auf den vorliegenden Fall angewendet, dazu, daß der als Nebenstrafe ausgesprochene Verfall und die Festsetzung des vom Beklagten zu zahlenden Verfallswertes für das Gericht jedenfalls verbindlich sind, gleichgültig ob die dafür von der Verwaltungsbehörde gebrauchte Begründung zutrifft. Aus der Tatsache der rechtskräftigen Verurteilung im Verwaltungsverfahren folgt, daß die Strafe (Nebenstrafe) als solche unabwälzbar ist, mag auch der Kläger durch arglistiges Verhalten die strafwürdige Fahrlässigkeit des Beklagten mit veranlaßt haben. Dieser Gedankengang liegt im übrigen u. a. auch der Entscheidung des OGH. im BA. 1956 S. 366 zugrunde.

Nach der Niederschrift vom 21. Dezember 1956 ist die Nebenstrafe faktisch dadurch auf die Hälfte herabgesetzt worden, daß mit Zustimmung der bestrafenden Verwaltungsbehörde der Kläger die Zahlung des halben Verfallswertes in Form einer Restringierung der Kaufschillingsrestforderung auf sich nahm. Es würde dem Sinn und dem Zweck der Rechtsordnung widersprechen, ließe man die dem Beklagten von der Verwaltungsbehörde sohin zugedachte Nebenstrafe in der Höhe des halben Verkaufswertes nunmehr auf den für sein strafbares Verhalten ohnedies zur Verantwortung gezogenen Kläger abwälzen. Der Strafanspruch des Staates, dem der Beklagte auf Grund der rechtskräftig gegen ihn verhängten Strafe und Nebenstrafe Genüge leisten mußte, ist kein ziviler Schadenersatzanspruch, für dessen Befriedigung sich etwa der Bestrafte regressieren könnte (EvBl. 1958 Nr. 247 = JBl. 1958 S. 400).

Im übrigen kann der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht gefolgt werden, daß der Beklagte sich eine den Erfordernissen des § 10 des Gesetzes LGBl. für Kärnten Nr. 30/1912 entsprechende Überzeugung vom Vorliegen einer Schlägerungsbewilligung verschaffte. Das Begnügen mit bloßen - zwar mehrmals abgegebenen, aber durch nichts näher belegten - Erklärungen über das Vorliegen einer Schlägerungsbewilligung und "daß alles in Ordnung sei", reicht dazu nicht aus. Auch die vom Berufungsgericht angenommene Gepflogenheit im Holzhandel, bei größeren Besitzern von einer weiteren Prüfung abzusehen, um nicht deren persönliche Mentalität zu verletzen, vermag daran nichts zu ändern, zumal solche Usancen dann unbeachtlich sind, wenn sie mit gesetzlichen Vorschriften nicht in Einklang zu bringen wären. Dies aber wäre hier der Fall. Denn Größe des Besitzes, Reichtum und gesteigertes Einkommen vermögen noch keine sicheren und überzeugenden Anhaltspunkte für die Verläßlichkeit der Äußerungen "größerer Besitzer" abzugeben und den Holzeinkäufer etwa der gesetzlichen Verpflichtung zu entheben, sich eine stichhaltige Überzeugung über die Einhaltung der forstrechtlichen Bestimmungen zu verschaffen. Die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns machte es für die beklagte Partei erforderlich, sich durch die Einsichtnahme in die Schlägerungsbewilligung eine jedem Bedenken standhaltende Überzeugung darüber zu verschaffen, daß ein Verstoß gegen die Forstgesetze nicht zu befürchten sei. Außerdem hätten der Beklagte oder dessen Einkäufer die Möglichkeit gehabt, durch eine Anfrage bei der zuständigen Verwaltungsbehörde festzustellen, ob eine Schlägerungsbewilligung erteilt wurde. Wenn der Beklagte und sein Einkäufer so leichtfertig waren, sich auf bloße, durch keinerlei schriftliche Unterlagen erhärtete Erklärungen des Geschäftspartners zu verlassen, obwohl ihnen bekannt sein mußte, daß Schlägerungen ohne Bewilligung nach den Forstgesetzen Strafsanktionen nach sich ziehen, so hat sich der Beklagte die Folgen dieses fahrlässigen Verhaltens selbst zuzuschreiben. Er muß daher die von ihm begangene Außerachtlassung der Anordnung des § 10 des angeführten Gesetzes verantworten. Dabei kann er sich um so weniger für geschädigt erachten, als der Kläger die Hälfte des Verfallswertes freiwillig zur Zahlung übernahm.

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