OGH 3Ob96/55

OGH3Ob96/5523.2.1955

SZ 28/56

Normen

ABGB §879
Strafgesetz §310
ABGB §879
Strafgesetz §310

 

Spruch:

Nur eine vor Begehung der strafbaren Handlung zwischen dem Täter und einem Dritten abgeschlossene Vereinbarung, nach welcher der Dritte sich zum Ersatz der über den Täter zu verhängenden Strafe und der dem letzteren durch die Verurteilung drohenden Vermögensnachteile verpflichtet, verstößt gegen Grundsätze des Strafrechtes und gegen die guten Sitten.

Entscheidung vom 23. Februar 1955, 3 Ob 96/55.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger, der über Auftrag des Beklagten eine sogenannte § 3 Wohnung herstellte, begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 12.750 S samt Anhang mit der Begründung, der Beklagte habe ihm zwar einen Betrag von 12.200 S auf die Bausumme überwiesen, doch sei dieser Betrag von der Wirtschaftspolizei für verfallen erklärt, über den Kläger eine Geldstrafe von 500 S verhängt und ihm 50 S an Verfahrenskosten auferlegt worden, so daß der Beklagte noch den Betrag von 12.750 S aus dem Bauauftrag schulde; überdies habe sich der Beklagte dem Kläger gegenüber verpflichtet, ihm den Klagsbetrag sofort zu ersetzen. Im Zuge des Verfahrens brachte der Kläger noch vor, der Beklagte habe ihm eine Inländer-Identitätskarte und einen österreichischen Reisepaß vorgewiesen, so daß ihm gar nicht bekannt gewesen sei, daß der Beklagte Devisenausländer sei.

Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte fest, daß dem Kläger am 23. August 1948 Beträge von zusammen 12.200 S mit mehreren Postanweisungen, in denen ein gewisser B. als Absender aufschien, aus Bregenz überwiesen wurden, die der Kläger als Zahlung des Beklagten annahm, verrechnete und verwendete, daß gegen den Kläger ein Devisenstrafverfahren von der Wirtschaftspolizei eingeleitet wurde, da sich herausstellte, daß der Beklagte Devisenausländer war, und daß der Kläger schließlich rechtskräftig, zuletzt mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1951, Z. 95/50, wegen Übertretung der Vorschriften der §§ 3 Abs. 3 und 15 Abs. 2 DevG. (Verfügung über Forderungen im Betrage von 12.200 S und 4200 S gegen einen Devisenausländer und Unterlassung der Anmeldung der Forderung von 12.200 S bei der Nationalbank) zu einer Geldstrafe im Gesamtbetrag von 500 S, zu einer Verfallsersatzstrafe von 12.200 S und zum Ersatz der Verfahrenskosten von 50 S verurteilt wurde, schließlich, daß nicht bewiesen worden sei, es habe sich der Beklagte zum Ersatz der erwähnten Beträge an den Kläger verpflichtet. Das Prozeßgericht war der Ansicht, daß der erste geltend gemachte Klagsgrund, die Nichterfüllung der im Bauauftrag übernommenen Verpflichtung zur Bezahlung auch des Betrages von 12.200 S, nicht gegeben sei, weil dieser Betrag dem Kläger zugekommen und in sein Vermögen geflossen sei, daß das Begehren auch aus dem Titel des Schadenersatzes nicht begrundet sei, weil der Kläger trotz Kenntnis der Devisenausländereigenschaft des Beklagten die Anmeldung bei der Nationalbank unterlassen und ohne Zustimmung der Nationalbank über den überwiesenen Betrag verfügt habe, und daß schließlich auch die Übernahme einer Verpflichtung zum Ersatz der Beträge an den Kläger nicht bewiesen sei.

Das Berufungsgericht verurteilte den Beklagten zur Bezahlung des Betrages von 12.200 S und wies das Mehrbegehren (Ersatz der verhängten Geldstrafe von 500 S und der Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens von 50 S) ab. Es vertrat die Rechtsansicht, daß der Beklagte als Devisenausländer die Zahlung nur durch die Schweizer Nationalbank hätte bewirken dürfen, daß die Überweisung daher sowohl den Schweizer als auch den österreichischen Devisenbestimmungen widerspreche, deshalb ungültig und als nicht erfolgt anzusehen sei.

Der Oberste Gerichtshof hob das Urteil im abändernden Teil auf und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Klägers auf, weil der Beklagte durch Überweisung des Betrages von 12.200 S seine Verpflichtungen aus dem Bauvertrag zur Gänze erfüllt und der Kläger den Betrag angenommen und seinem Vermögen einverleibt habe, daher keine Verpflichtung des Beklagten aus dem Bauvertrag mehr bestehe. Das Berufungsgericht habe jedoch die übrigen Ausführungen der Berufung des Klägers nicht erörtert, weshalb sein Urteil aufgehoben werden müsse.

Nun bestätigte das Berufungsgericht das Urteil des Prozeßgerichtes. Es führte aus, es könne zwar der Beweiswürdigung des Prozeßgerichtes, welches angenommen habe, ein Beweis für die Übernahme einer Verpflichtung zum Ersatz der eingeklagten Beträge durch den Beklagten sei nicht erbracht, nicht folgen, doch sei die Überwälzung einer Verwaltungsstrafe, gleichgültig aus welchem Gründe immer, ausgeschlossen und könne ein Rückgriff wegen einer strafbaren Handlung hinsichtlich der Strafe und des dadurch erlittenen Vermögensnachteiles auch vertraglich nicht vereinbart werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist zwar richtig, daß der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung ZBl. 1918 Nr. 345 ausgesprochen hat, es liege im Wesen und in der höchstpersönlichen Natur jeder vom Gericht oder von einer Verwaltungsbehörde verhängten Strafe, daß sie, gleichgültig ob Freiheits- oder Vermögensstrafe, ein Übel darstelle, welches grundsätzlich nur dem schuldtragenden Täter vermeint und von ihm allein zu tragen sei, und es müsse die Überwälzung des Strafübels auf einen anderen, in welcher Form und aus welchem Rechtsgrunde immer, von vornherein ausgeschlossen werden, so daß insbesondere bei einer Geldstrafe unter allen Umständen ausschließlich der Verurteilte selbst die Vermögenseinbuße zu leiden, den Geldbetrag also aus eigenen Mitteln zu bezahlen habe. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall, in welchem die Untergerichte vor dem Inkrafttreten der dritten Teilnovelle entschieden hatten, was erklärt, daß der Oberste Gerichtshof in der erwähnten Entscheidung auf den durch die dritte Teilnovelle dann novellierten § 878 ABGB. Bezug genommen hat, hatte der Bevollmächtigte eines Fleischhauers über dessen Auftrag Schlachtvieh eingekauft und es unterlassen, sich die Ausfuhrgenehmigung des Schlachtviehs aus dem Bezirk, in welchem er das Schlachtvieh eingekauft hatte, einzuholen, und war deshalb zu einer Verwaltungsstrafe verurteilt worden, deren Ersatz er aus dem Rechtsgrunde des § 1014 ABGB. von seinem Vollmachtgeber begehrte. Es ist weiters auch richtig, daß nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (u. a. JBl. 1951 S. 345, EvBl. 1954 Nr. 298 und die dort bezogenen Entscheidungen) auch die Wert- oder Verfallsersatzstrafe eine Strafe ist, die dem Täter unmittelbar um der Übeltat willen neben der Hauptstrafe zu gefügt wird. Für die Verfallsersatzstrafe haftet nach § 30 DevG., ebenso wie für den für verfallen erklärten Erlös nach den § 18 und 19 BDStG., auch der Betriebsinhaber, und zwar sogar dann, wenn er nicht selbst die strafbare Handlung begangen hat oder an dieser beteiligt war, während das Strafgesetz und andere einschlägige Nebengesetze, so § 401 Abs. 2 AbgO., derartige Bestimmungen nicht vorsehen. Es kann nun allerdings unerörtert bleiben, ob in den Fällen des § 30 DevG. oder denen der §§ 18, 19 BDStG. der Betriebsinhaber gegen den Schuldtragenden Regreß nehmen kann.

Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, daß eine vor Begehung der strafbaren Handlung zwischen dem Täter und einem Dritten abgeschlossene Vereinbarung, nach welcher der Dritte sich zum Ersatz der über den Täter zu verhängenden Strafe und der dem letzteren durch die Verurteilung drohenden Vermögensnachteile verpflichtet, gegen Grundsätze des Strafrechtes und gegen die guten Sitten verstößt, zumal eine solche Vereinbarung dazu verwendet werden könnte, den Täter zur Begehung der strafbaren Handlung zu verleiten, anzustiften oder ihn in seinem bereits vorhandenen Vorsatz zu bestärken. Im vorliegenden Fall soll aber nach den Klagsbehauptungen die Ersatzvereinbarung erst nach Begehung der strafbaren Handlung im Zuge des gegen den Kläger anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens zustande gekommen sein. Wenn nun auch der Kläger aus dem Titel des Schadenersatzes die ihm durch die Verurteilung erlittenen Vermögensnachteile nicht vom Beklagten ersetzt verlangen kann, weil es sich um eine Strafe handelt, die nur den Täter treffen kann oder soll - im übrigen hat der Kläger seinen Anspruch gar nicht auf den Titel des Schadenersatzes gestützt, da er nicht einmal behauptet hat, der ihm erwachsene Schaden sei aus dem Verschulden des Beklagten entstanden; die bloße Behauptung, der Beklagte habe einen Inländeridentitätsausweis und einen österreichischen Reisepaß vorgewiesen, so daß dem Kläger nicht bekannt gewesen sei, daß der Beklagte Devisenausländer sei, ersetzt die fehlende Behauptung nicht -, so ist doch nicht einzusehen, aus welchem Gründe eine nach der Tat zustandegekommene Vereinbarung über den Ersatz der dem Kläger entstandenen Vermögensnachteile gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßen sollte. Hat der Angestellte eines Unternehmers während der Fahrt mit dem Kraftwagen des Unternehmers einen Unfall verursacht und wurde er deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt, so kann er wohl weder aus dem Titel des § 1014 ABGB. noch aus anderen Rechtsgrunden, wie aus dem des Schadenersatzes, gegen seinen Dienstgeber einen Anspruch auf Ersatz der Strafe oder der ihm durch die Verurteilung entstandenen sonstigen Vermögensnachteile erheben; übernimmt aber dann der Dienstgeber freiwillig die Verpflichtung, seinem Angestellten die entstandenen Vermögensnachteile zu ersetzen, so verstößt eine derartige Vereinbarung weder gegen das Gesetz noch gegen die guten Sitten und stellt auch keinen unklagbaren Anspruch dar. Es wurde auch in der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung ZBl. 1918 Nr. 345 gar nicht ausgesprochen, daß eine nachträgliche, d. h. erst nach der Tat erfolgte Vereinbarung, mit welcher ein anderer als der Täter sich diesem gegenüber zum Ersatz der durch die Verurteilung entstandenen Vermögensnachteile verpflichtet, unwirksam sei. Wohl verbietet § 310 StG. in der derzeit geltenden Fassung Sammlungen in einem größeren Personenkreis behufs Deckung oder Ersatzleistung für Kautionsverfall, Geldstrafen oder Entschädigung wegen strafbarer Handlungen und stellt diese als Übertretung unter Strafsanktion, allein es handelt sich bei diesem Tatbestand, wie sich aus der Überschrift des 15. Hauptstückes des Strafgesetzes ergibt, lediglich um eine Übertretung gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung. Nach der ursprünglichen Fassung des § 310 waren nur Sammlungen auf die im § 308 StG. bezeichnete Weise, also im Wege öffentlicher Verlautbarung (durch Maueranschläge, öffentliche Reden oder Vorträge) verboten. Nach der Rechtslehre (Altmann Jacob S. 760, Finger II S. 344, Herbst zu § 308 bis 310 StG., Lammasch - Rittler S. 406, Löffler zu ÖR. 675), war den Bestimmungen der §§ 308 bis 310 gemeinsam die für den Tatbestand erforderliche Art der Begehung im Wege öffentlicher Verlautbarung; mit diesen Worten sei eine ganz besondere Öffentlichkeit verlangt, was sich insbesondere aus den in Klammer angeführten Beispielen ergibt. Die nunmehrige Fassung der §§ 308 und 310 wurde erst durch § 16 Abs. 1 Z. 2 und 4 des Staatsschutzgesetzes, BGBl. Nr. 223/1936, somit in politisch unruhigen Zeiten, eingeführt. Sowohl aus der früheren als aus der nunmehrigen Fassung des § 310 StG. ergibt sich, daß dieser verhindern sollte, daß Unruhe in die Bevölkerung getragen und Sammlungen in Form einer Demonstration gegen die Staatsgewalt oder die Rechtspflege durchgeführt werden. Im vorliegenden Falle handelt es sich aber weder um eine Sammlung noch um einen größeren Personenkreis, sondern nach dem Klagsbehauptungen um eine erst im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens getroffene Vereinbarung, durch die derjenige, der durch sein Verhalten zur strafbaren Handlung des Klägers Anlaß gegeben hat, sich verpflichtet, dem Kläger die durch die Verurteilung dem letzteren entstandenen Vermögensnachteile zu ersetzen. Eine derartige Vereinbarung wäre aber rechtswirksam.

Da das Berufungsgericht, von seiner Rechtsansicht ausgehend, sich mit der Frage, ob die vom Kläger behauptete Vereinbarung tatsächlich zustandegekommen ist, nicht auseinandergesetzt hat, leidet sein Verfahren an einem Feststellungsmangel.

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