OGH 2Ob124/18a

OGH2Ob124/18a26.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2017 verstorbenen E* K*, zuletzt *, über die Revisionsrekurse 1. der Verlassenschaft nach E* K*, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. U* M*, 2. des Dr. U* M*, als „Willensvollstrecker“, 3. der Witwe C* K*, 4. der Tochter I* K*, alle vertreten durch Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, 5. der Tochter Mag. C* F*, vertreten durch Dr. Reinfried Eberl, Rechtsanwalt in Salzburg, sowie 6. des Sohnes Mag. H* K*, vertreten durch Dr. Christoph Leon, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 10. April 2018, GZ 21 R 456/17f‑42, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 9. November 2017, GZ 3 A 182/17v‑28, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E124197

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

1. Die Revisionsrekurse der Verlassenschaft nach E* K* und des Dr. U* M* als „Willensvollstrecker“ werden zurückgewiesen.

2. Den Revisionsrekursen der Witwe und sämtlicher Kinder wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts in seinem Punkt 1. mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass dieser zu lauten hat:

„Das Verlassenschaftsverfahren wird dahin beschränkt, dass es die in der Schweiz belegenen Vermögenswerte des Erblassers nicht umfasst.“

 

Begründung:

Der am 11. 4. 2017 in Salzburg verstorbene Erblasser war (ausschließlich) österreichischer Staatsbürger und hinterlässt die Witwe C* K* und die volljährigen Kinder I* K*, Mag. C* F* und Mag. H* K*. In der nach schweizerischem Recht errichteten letztwilligen Verfügung vom 29. 8. 2012 wurden die Witwe zu 35 % und I* K* zu 65 % als Erbinnen eingesetzt (im Folgenden als „Testamentserbinnen“ bezeichnet) sowie mehrere Vermächtnisse zugedacht, unter anderem der Mag. C* F* und dem Mag. H* K* (im Folgenden als „Pflichtteilsberechtigte“ bezeichnet). Der Erblasser traf darin auch eine Rechtswahl zu Gunsten des österreichischen Rechts und ernannte Dr. U* M* zu seinem „Willensvollstrecker“. Daneben bestehen in Österreich errichtete notarielle Kodizille vom 11. 12. 2014, 25. 8. 2015 und 5. 10. 2016, die die genannte letztwillige Verfügung präzisieren bzw in Nebenpunkten abändern. So berief der Erblasser (auch) im notariellen Kodizill vom 11. 12. 2014 Dr. U* M* zu seinem Testamentsvollstrecker, der– falls erforderlich – auch zum Verlassenschaftskurator bestellt werden solle, und bestimmte im Sinne des Art 22 EuErbVO die Anwendung des österreichischen Erbrechts auf seinen gesamten Nachlass. Nach der Aktenlage befindet sich sowohl in Österreich als auch in der Schweiz beträchtliches Nachlassvermögen, darunter auch Liegenschaften.

Der Verstorbene war zwar im Todeszeitpunkt in Saalbach‑Hinterglemm gemeldet, jedoch dort nicht aufhältig. Die Witwe gab an, er habe sich mehrheitlich in Luzern aufgehalten, unterbrochen durch Konsultationen von Ärzten in Salzburg, während derer er in der Stadt Salzburg genächtigt habe. Mit Beschluss vom 22. 5. 2017 erklärte sich das Bezirksgericht Saalfelden für örtlich unzuständig und überwies die Verlassenschaftssache an das Erstgericht, weil der Erblasser im Inland keinen Gerichtsstand aufweise und sich das überwiegende Vermögen in dessen Sprengel befinde (§ 105 JN). Nach den Angaben der Pflichtteilsberechtigten bei der Todesfallaufnahme vom 18. 10. 2017 hatte der Erblasser den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen zuletzt in Salzburg. Eine Aufforderung an die in Frage kommenden Erben, Erbantrittserklärungen abzugeben, ist nicht aktenkundig.

Die Testamentserbinnen beantragten unter Hinweis auf Art 12 EuErbVO, über die in der Schweiz gelegenen Vermögensgegenstände nicht zu befinden. Sie brachten vor, das zuständige Teilungsamt Luzern habe die Erbbescheinigung vom 21. 6. 2017, Zl E.2017.243, erteilt und Rechtsanwalt Dr. U* M* zum „Willensvollstrecker“ eingesetzt. Letzterer sei bereits tätig geworden. In der Schweiz und aus dem dort befindlichen Vermögen seien Legate zu erfüllen. Über das in der Schweiz gelegene Liegenschaftsvermögen seien die in der letztwilligen Verfügung angeordneten Verfügungen zu treffen. Dazu legten sie eine Wohnsitzbescheinigung der Stadt Luzern vom 26. 10. 2017 vor, nach der der Erblasser in Luzern bis zu seinem Tod im Einwohnerregister gemeldet war. Weiters die Erbbescheinigung des Teilungsamts der Stadt Luzern vom 21. 6. 2017, E.2017.243, mit der bescheinigt wird, dass der Erblasser die Witwe und I* K* als einzige Erbinnen eingesetzt hat, diese die Erbschaft angetreten haben und unter Vorbehalt erbrechtlicher Klagen als einzige Erben anerkannt sind. Daneben enthält sie den Hinweis, dass der Erblasser Dr. U* M* als „Willensvollstrecker“ eingesetzt und verfügt hat, dass auf seinen gesamten Nachlass österreichisches Erbrecht zur Anwendung kommen soll. Unter Hinweis auf die letztwillige Anordnung des Erblassers vom 11. 12. 2014 und auf zu verwaltende Unternehmensbeteiligungen beantragten die Testamentserbinnen weiters die Bestellung des Dr. U* M* zum Verlassenschaftskurator für die Verwaltung des in Österreich befindlichen Vermögens.

Das Erstgericht beschränkte das Verlassenschaftsverfahren „auf die im Inland gelegenen Vermögenswerte“ (Spruchpunkt 1), bestellte Dr. U* M* zum Verlassenschaftskurator mit dem Wirkungskreis der Verwaltung der im Inland gelegenen Vermögenswerte (Spruchpunkt 2) und genehmigte die Eintragung der Verlassenschaft und des Verlassenschaftskurators im Firmenbuch betreffend eine Kommanditgesellschaft mit dem Sitz in Österreich (Spruchpunkt 3). Die Beschränkung des Verlassenschaftsverfahrens begründete es damit, dass die schweizerische Nachlassbehörde hinsichtlich des im Ausland gelegenen Nachlassvermögens bereits tätig geworden sei. Das Verlassenschaftsverfahren sei daher auf die im Inland gelegenen Vermögenswerte zu beschränken (Art 12 EuErbVO).

Das von den Pflichtteilsberechtigten (lediglich) gegen die Beschränkung des Nachlassverfahrens auf das inländische Vermögen angerufene Rekursgericht hob den Beschluss des Erstgerichts in diesem Punkt (Spruchpunkt 1) auf und trug diesem insoweit eine neuerliche Entscheidung auf.

Den inländischen Noterben sei ein rechtlich geschütztes Interesse zuzubilligen, dass das Abhandlungsverfahren im Inland stattfinde. Die internationale Zuständigkeit inländischer Gerichte sei aber noch nicht hinreichend geklärt: Gemäß Art 4 EuErbVO seien für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Dazu lägen keine ausreichenden Feststellungen vor. Es seien daher geeignete Erhebungen zu pflegen und Feststellungen zum Lebensmittelpunkt des Erblassers im Todeszeitpunkt zu treffen. Sollte sich herausstellen, dass dieser im Inland gelegen sei, werde eine Beschlussfassung nach Art 12 EuErbVO nicht in Betracht kommen. Nach Art 96 Abs 1 lit a des schweizerischen IPRG (im Folgenden: chIPRG) würden ausländische Entscheidungen in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Staat, dessen Recht der Erblasser gewählt habe, getroffen worden seien. Nur wenn der Wohnsitz in Österreich nicht gegeben sein sollte und die Rechtswahl zugunsten des österreichischen Rechts für ungültig erklärt würde, wäre eine Anerkennung nicht möglich.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zum autonom auszulegenden Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in Art 4 EuErbVO fehle.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts wenden sich die ordentlichen Revisionsrekurse 1. der Verlassenschaft, des „Willensvollstreckers“ sowie der Testamentserbinnen mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Rekurs der Pflichtteilsberechtigten zurückgewiesen, hilfsweise die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt werde, in eventu, die im Aufhebungsbeschluss überbundene Rechtsansicht abzuändern; 2. der Pflichtteilsberechtigten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Antrag, über die in der Schweiz gelegenen Vermögensgegenstände nicht zu befinden, abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag unter Abänderung der überbundenen Rechtsansicht gestellt.

Die Rechtsmittelwerber beantragen in ihren Revisionsrekursbeantwortungen, dem jeweiligen Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

A) Anzuwendende Rechtsnormen:

1. Maßgeblich ist die EuErbVO, welche mit Wirkung vom 17. 8. 2015 die von ihrem Anwendungsbereich erfassten innerstaatlichen Vorschriften verdrängt.

2. Nach Art 75 Abs 1 EuErbVO bleiben zwar internationale Abkommen mit Drittstaaten, die Bereiche betreffen, welche von der EuErbVO geregelt werden, unberührt (Oswald in Schneider/Verweijen, AußStrG § 143 Rz 12). Nach Art 1 Abs 2 lit a LGVÜ 2007 sind jedoch Erbschaftssachen von diesem Übereinkommen ausgenommen (Wittwer in Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht Rz 7.36 f). Auch der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen vom 16. 12. 1960, BGBl 1962/125, enthält weder Regeln über die internationale Zuständigkeit (RIS‑Justiz RS0046088, RS0076453) noch solche, die eine Beschränkung des Verlassenschaftsverfahrens iSd Art 12 EuErbVO ermöglichen. Ob dieser Vertrag die Anerkennung und Vollstreckung abschließend regelt, kann aus den in Abschnitt C) Punkt 4.7 genannten Gründen ebenso dahinstehen wie die Frage, ob sich sein Anwendungsbereich auch auf Entscheidungen bezieht, die im außerstreitigen Verfahren in Nachlassangelegenheiten ergangen sind und funktionell allein dem Erbschaftserwerb dienen (dazu etwa: 7 Ob 309/03x; 2 Ob 515/76; Bajons, Die OGH‑Judikatur zur internationalen Nachlassabwicklung im Lichte des neuen AußStrG und AußStr‑BegleitG [Teil III], NZ 2005/20 mwN; Wittwer in Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht Rz 7.38).

B) Die Revisionsrekurse der Verlassenschaft und des „Willensvollstreckers“ sind unzulässig.

1. Umfasst der Nachlass des Erblassers Vermögenswerte, die in einem Drittstaat belegen sind, so kann das in der Erbsache angerufene Gericht gemäß Art 12 Abs 1 EuErbVO auf Antrag einer der Parteien beschließen, über einen oder mehrere dieser Vermögenswerte nicht zu befinden, wenn zu erwarten ist, dass seine Entscheidung in Bezug auf diese Vermögenswerte in dem betreffenden Drittstaat nicht anerkannt oder gegebenenfalls nicht für vollstreckbar erklärt wird.

2. Die EuErbVO trifft keine Regelungen zu den Rechtsmittelmöglichkeiten gegen Entscheidungen nach Art 12 EuErbVO. Diese richten sich daher nach dem Verfahrensrecht des jeweiligen Mitgliedstaats, hier somit nach dem AußStrG.

3. Beschlüsse, mit denen das Verlassenschaftsverfahren nach § 12 Abs 1 EuErbVO beschränkt wird, dienen nicht bloß der zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens und sind daher selbständig anfechtbar (§ 45 AußStrG; vgl RIS‑Justiz RS0126101), was von den Rechtsmittelwerbern ohnehin nicht bezweifelt wird.

4. Für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels bedarf es der materiellen Beschwer, die dann vorliegt, wenn die rechtlich geschützten Interessen des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt werden (RIS‑Justiz RS0006497, RS0006641, RS0041868, RS0118925). Dabei müssen subjektive Rechte betroffen sein, nicht nur wirtschaftliche, ideelle oder sonstige Interessen (RIS‑Justiz RS0006497 [T2, T7]; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 45 Rz 50 mwN). Dies ist nicht abstrakt, sondern bezogen auf die konkrete Stellung einer Verfahrenspartei in dem einzeln zu entscheidenden Fall zu beurteilen (6 Ob 234/09v).

5. Eine Beeinträchtigung solcher rechtlich geschützten Interessen der Verlassenschaft ist jedoch im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Sie wird auch im Revisionsrekurs durch den Hinweis auf die Erfüllung von Vermächtnissen und die Ausfolgung von Vermögensgegenständen an die Erben nicht aufgezeigt, zumal die angefochtene Entscheidung die materiell‑rechtlichen Verpflichtungen der Verlassenschaft nicht betrifft. Der Verlassenschaft kommt daher keine Rechtsmittellegitimation zu.

6. Dem „Willensvollstrecker“ (Testaments-vollstrecker) kommt Parteistellung lediglich beschränkt auf seinen Aufgabenbereich zu. Auf die Durchführung der Abhandlung an sich kann er nicht Einfluss nehmen. Seine Rechtsmittellegitimation besteht daher nur insoweit, als er mit der Rechtsmittelerhebung sein Überwachungsrecht ausübt, das sich nur auf behauptete Verletzungen der letztwilligen Anordnungen beziehen kann (2 Ob 1/08y SZ 2008/25; RIS‑Justiz RS0106750; Nemeth in Schwimann/Kodek 5 § 816 Rz 7 mwN).

7. Die unzulässigen Revisionsrekurse der Verlassenschaft und des „Willensvollstreckers“ sind somit zurückzuweisen.

C) Im Übrigen sind die Revisionsrekurse zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie sind im Ergebnis auch berechtigt.

Gemäß § 70 Abs 2 AußStrG kann der Oberste Gerichtshof in der Sache entscheiden, wobei das Verbot der reformatio in peius nicht gilt (RIS-Justiz RS0123359). Wegen des engen rechtlichen Zusammenhangs der darin wechselseitig relevierten Rechtsfragen erscheint es zweckmäßig, die Rechtsmittel gemeinsam zu behandeln.

Die Testamentserbinnen sind der Auffassung, durch die Entscheidung des Erstgerichts würden die Pflichtteilsberechtigten nicht in ihren materiellen Rechten verletzt, sodass ihrem Rekurs schon deshalb nicht Folge zu geben gewesen wäre. Pflichtteilsberechtigte, Legatare oder Gläubiger der Verlassenschaft seien auch nicht Parteien im Sinne des Art 12 EuErbVO. Der Umstand, dass die Behörden eines Drittstaats die Zuständigkeit zur Durchführung eines Abhandlungsverfahrens über das in ihrem Hoheitsgebiet gelegene Vermögen für sich in Anspruch genommen und darüber bereits Entscheidungen getroffen haben, sei dem Fall der Nichtanerkennung im Sinne des Art 12 Abs 1 EuErbVO gleichzuhalten. Den Parteien stünde, falls sie übereinstimmten und innerstaatliche Zuständigkeitsregeln einen Gerichtsstand böten, nach Art 12 Abs 2 EuErbVO die Wahl offen, in welchem Mitgliedstaat sie die Abhandlung durchführen lassen wollten. Diese Möglichkeit werde durch § 106 JN und § 143 AußStrG eröffnet. Die Testamentserbinnen hätten übereinstimmend erklärt, das in Österreich anhängige Verfahren auf das im Inland gelegene Vermögen beschränken zu wollen und dementsprechend keinen Antrag gestellt, das im Ausland gelegene bewegliche Vermögen in die inländische Verlassenschaftsabhandlung einzubeziehen.

Die Pflichtteilsberechtigten stehen auf dem Standpunkt, das Rekursverfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Rekursgericht die Verfahrensergänzung selbst vornehmen und in der Sache entscheiden hätte müssen. Die Zuständigkeit des Erstgerichts sei unabhängig vom gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers schon nach Art 10 Abs 1 lit a EuErbVO gegeben. Danach seien die Gerichte eines Mitgliedstaats, in dem sich Nachlassvermögen befinde, unabhängig vom letzten gewöhnlichen Aufenthalt auch dann für den gesamten Nachlass zuständig, wenn der Erblasser die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats im Todeszeitpunkt besessen habe. Diese Voraussetzungen seien nach der Aktenlage unzweifelhaft gegeben. Der Erblasser habe überdies eine Rechtswahl zu Gunsten des österreichischen Rechts getroffen, sodass nach Art 96 Abs 1 lit a chIPRG Entscheidungen der österreichischen Gerichte, die den Nachlass betreffen, in der Schweiz anerkannt würden und daher die Voraussetzungen des Art 12 Abs 1 EuErbVO nicht vorlägen.

Hiezu wurde erwogen:

1. Rechtsmittellegitimation der Pflichtteils-berechtigten:

1.1 Zwar sind nach Art 12 Abs 1 EuErbVO lediglich die „Parteien“ berechtigt, die Beschränkung des Verfahrens zu beantragen. Die von den Testamentserbinnen als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob auch die Pflichtteilsberechtigten als „Parteien“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind (dazu etwa Oswald in Schneider/Verweijen, AußStrG § 143 Rz 17 f mwN), stellt sich im vorliegenden Fall jedoch nicht, weil deren Antragslegitimation nicht zu beurteilen ist.

1.2 Der Pflichtteilsberechtigte ist insoweit Beteiligter des Verlassenschaftsverfahrens, als durch eine Entscheidung des Verlassenschaftsgerichts eine Verkürzung seiner materiellen Rechte oder eine Beeinträchtigung seiner verfahrensrechtlichen Stellung herbeigeführt wird (RIS‑Justiz RS0006500 [T9, T12]). Der Pflichtteilsberechtigte hat das Recht, die Errichtung eines Inventars zu verlangen, das auch dazu dient, den Pflichtteil richtig ausmessen zu können (§ 778 Abs 1, § 804 ABGB). Mit Rücksicht auf diese Rechte ist der Pflichtteilsberechtigte dem Abhandlungsverfahren beizuziehen. Er kann sich auf diese Weise die Grundlagen für die Berechnung seines Pflichtteils verschaffen und so schon in diesem Stadium des Verfahrens einer allfälligen Verkürzung seiner Rechte vorbeugen (vgl RIS‑Justiz RS0006519; Nemeth in Schwimann/Kodek 5 § 804 Rz 3 und §§ 778, 779 Rz 2 mwN). Davon umfasst ist auch die Ermittlung des der Abhandlung unterliegenden ausländischen Vermögens des Erblassers (vgl 3 Ob 96/00i). Durch die Beschränkung des Abhandlungsverfahrens auf die im Inland belegenen Vermögenswerte im Sinne des Art 12 Abs 1 EuErbVO wird daher die verfahrensrechtliche Stellung der Pflichtteilsberechtigten beeinträchtigt. Zutreffend hat ihnen schon das Rekursgericht die Rechtsmittellegitimation zugebilligt.

2. Internationale Zuständigkeit:

2.1 Während § 106 JN in der Fassung vor dem ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit in Verlassenschaftssachen noch nach Art und Belegenheit des Nachlassvermögens differenzierte und die Zuständigkeit zudem bei beweglichem Vermögen von der Staatsbürgerschaft bzw dem gewöhnlichen Aufenthalt des Verstorbenen abhängig machte, wurde dieses System mit dem ErbRÄG 2015 gänzlich aufgelassen. § 106 JN idF des ErbRÄG 2015 bestimmt dementsprechend nur noch die inländische Gerichtsbarkeit für die Abhandlung einer Verlassenschaft im Inland und für ein dieses ersetzendes Verfahren soweit dies erforderlich ist, um einem internationalen Übereinkommen im Sinne des Art 75 Abs 1 EuErbVO zu entsprechen.

§ 143 AußStrG idF des ErbRÄG 2015 regelt in seinem Abs 2 lediglich jene Fälle, in denen sich die Verlassenschaft ausschließlich im Ausland befindet oder für bewegliches Vermögen im Inland die Abhandlungszuständigkeit nach Art 10 Abs 2 oder Art 11 EuErbVO besteht. In diesen Fällen ist die Abhandlung nur auf Antrag einer Partei einzuleiten, die ihre Erbenstellung bescheinigt. Derartige Fälle liegen hier jedoch nicht vor.

Die Ausführungen der Testamentserbinnen in ihrem Revisionsrekurs, die das Verhältnis der EuErbVO zu § 106 JN aF und § 143 AußStrG aF betreffen, beziehen sich auf die im vorliegenden Fall nicht mehr anwendbare Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

2.2 Nach der Grundregel des Art 4 EuErbVO ist die internationale Zuständigkeit der Gerichte in jenem Mitgliedstaat gegeben, in dem der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Diese Zuständigkeit betrifft den gesamten (weltweiten) Nachlass (Wittwer in Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht Rz 7.51; Deixler‑Hübner in Deixler‑Hübner/Schauer, EuErbVO Vor Art 4 ff Rz 21). Zudem enthält Art 10 EuErbVO subsidiäre Zuständigkeitsregeln. Hatte der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes nicht in einem Mitgliedstaat, sind nach Art 10 Abs 1 lit a EuErbVO die Gerichte eines Mitgliedstaats, in dem sich Nachlassvermögen befindet, für die Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass zuständig, wenn der Erblasser die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats im Zeitpunkt seines Todes besaß. Auch diese Umstände führen zur Allzuständigkeit dieses Mitgliedstaats für den gesamten weltweiten Nachlass des Erblassers ohne Rücksicht darauf, wo dieser belegen ist, und begründen daher die ausschließliche internationale Zuständigkeit des betreffenden Mitgliedstaats (Gitschthaler in Deixler‑Hübner/Schauer, EuErbVO Art 10 Rz 22; Wittwer in Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht Rz 7.72). In diesem Zusammenhang kommt der Möglichkeit der Ausscheidung des im Drittstaat gelegenen Vermögens gemäß Art 12 EuErbVO praktische Bedeutung zu (Oswald in Schneider/Verweijen, AußStrG § 143 Rz 20).

Nach der unstrittigen Aktenlage war der Erblasser im Todeszeitpunkt österreichischer Staatsbürger und hinterließ Liegenschaftsanteile und erhebliches bewegliches Vermögen in Österreich. Zutreffend weisen daher die Pflichtteilsberechtigten in ihrem Rechtsmittel darauf hin, dass im vorliegenden Fall jedenfalls die inländische Gerichtsbarkeit für das Verlassenschaftsverfahren über den gesamten weltweiten Nachlass des Erblassers besteht, unabhängig davon, ob dieser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich oder in der Schweiz hatte. Auch eine Beschränkung des Verfahrens nach Art 12 Abs 1 EuErbVO ist daher in beiden Fällen möglich (Gitschthaler in Deixler‑Hübner/Schauer,EuErbVO Art 12 Rz 3; Oswald in Schneider/Verweijen,AußStrG § 143 Rz 17 und Rz 20).

2.3 Die erstmals im Revisionsrekurs geäußerte Ansicht der Testamentserbinnen, die Regelung der internationalen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Abhandlung von in Drittstaaten gelegenem Vermögen in der EuErbVO sei ein in den EU‑Verträgen nicht vorgesehener Eingriff in die Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten, wird nicht näher ausgeführt, sodass darauf nicht eingegangen werden kann (zur kompetenzrechtlichen Grundlage des Art 81 Abs 2 lit c AEUV für die EuErbVO: Pollak in Jaeger/Stöger, EUV/AEUV [2017] Art 81 AEUV Rz 62 ff). Aus dem undifferenzierten Hinweis auf die von Scheuba (in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge2 § 42 Rz 9) geäußerten Zweifel an der unionsrechtlichen Kompetenzgrundlage ist diesbezüglich nichts zu gewinnen. Sie beziehen sich lediglich auf einzelne Vorschriften der EuErbVO, die im Ergebnis in die materiellen Erbrechtsordnungen der Mitgliedstaaten eingreifen sollen, nicht aber auf jene über die internationale Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für den weltweiten Nachlass des Erblassers.

2.4 Die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses durch das Rekursgericht zur Erhebung und Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Todeszeitpunkt war daher nicht erforderlich. Dementsprechend erübrigt sich auch ein Eingehen auf die in der Zulassungsbegründung aufgeworfenen Rechtsfragen zur Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts in Art 4 EuErbVO.

3. Beschränkung des Verlassenschaftsverfahrens:

3.1 Die Beschränkung des Verfahrens um in einem Drittstaat belegene Vermögenswerte nach Art 12 Abs 1 EuErbVO ermöglicht die Durchbrechung des Grundsatzes der Nachlasseinheit aus verfahrensökonomischen Gründen; es sollen Entscheidungen vermieden werden, die in Drittstaaten nicht anerkannt oder vollstreckt werden. Dadurch sollen Mehrfachentscheidungen hintangehalten werden, die– wenn sie einander widersprechen sollten – regelmäßig zu Komplikationen führen würden (Gitschthaler in Deixler‑Hübner/Schauer, EuErbVO Art 12 Rz 1). Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung kann auch berücksichtigt werden, ob in dem betreffenden Drittstaat bereits ein Parallelverfahren anhängig ist, welches das drittstaatliche Vermögen erfasst (Dutta in MünchKomm BGB7 Art 12 EuErbVO Rz 10).

3.2 Nach Art 12 Abs 2 EuErbVO berührt deren Abs 1 nicht das Recht der Parteien, den Gegenstand des Verfahrens nach dem Recht des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts zu beschränken. Dadurch wird klargestellt, dass das mitgliedstaatliche Verfahrensrecht im Hinblick auf die Beschränkung des Verfahrensgegenstands nicht von Abs 1 dieser Bestimmung berührt wird. Dies betrifft etwa die Beschränkung des Streitgegenstands in einem streitigen Erbverfahren durch die Parteien. Auch im Nachlassverfahren der freiwilligen (außerstreitigen) Gerichtsbarkeit kann die lex fori eine Beschränkung zulassen, ohne dass es der Voraussetzung der fehlenden Anerkennung oder Vollstreckung bedürfte (Gitschthaler in Deixler‑Hübner/Schauer, EuErbVO Art 12 Rz 2; Dutta in MünchKomm BGB7 Art 12 EuErbVO Rz 11). Derartige Beschränkungsmöglichkeiten sieht das österreichische Verlassenschaftsverfahren jedoch nicht vor, das nach § 143 Abs 1 AußStrG von Amts wegen einzuleiten ist, sobald ein Todesfall durch eine öffentliche Urkunde oder sonst auf unzweifelhafte Weise bekannt wird. Lediglich in den in § 143 Abs 2 AußStrG genannten, hier aber nicht relevanten Fällen (dazu oben Punkt 2.1) ist die Abhandlung nur auf Antrag einer Partei einzuleiten, die ihre Erbenstellung bescheinigt. Eine von den Testamentserbinnen ins Treffen geführte Wahlmöglichkeit hinsichtlich der vom Verlassenschaftsverfahren umfassten Vermögenswerte besteht daher nicht.

4. Anerkennungsprognose:

4.1 Das Gericht darf sein Verfahren gemäß Art 12 Abs 1 EuErbVO nur beschränken, wenn die zu erwartende Entscheidung im Verfahren im Hinblick auf die im Drittstaat befindlichen Nachlassgegenstände nach dem dortigen internationalen Verfahrensrecht nicht anerkannt und, soweit es sich um eine vollstreckbare Entscheidung handelt, nicht vollstreckt wird (Dutta in MünchKomm BGB7 Art 12 EuErbVO Rz 7). Eine Beschränkung des Verlassenschaftsverfahrens bedarf daher einer negativen Anerkennungsprognose (Gitschthaler in Deixler‑Hübner/Schauer, EuErbVO Art 12 Rz 9).

4.2 Gemäß Art 86 Abs 1 chIPRG sind für den gesamten Nachlass grundsätzlich die Behörden am letzten schweizerischen Wohnsitz des Erblassers international zuständig, unabhängig von dessen Staatsangehörigkeit. Ein Vorbehalt besteht für im Ausland gelegene Grundstücke, sofern der Belegenheitsstaat seine ausschließliche Zuständigkeit beansprucht (Schnyder/Liatowitsch in Honsell/Vogt/Schnyder/Berti, Basler Kommentar Internationales Privatrecht3 [2013] Art 86 Rz 3 und 8). Sind die Schweizer Nachlassbehörden zuständig, dann richtet sich gemäß Art 92 Abs 2 chIPRG die Durchführung der gesamten formellen Nachlassbehandlung nach schweizerischem Recht, darunter auch die Ausstellung der Erbbescheinigung (Schnyder/Liatowitsch in Honsell/Vogt/Schnyder/Berti, BSK IPR³ Art 92 Rz 6 ff). Die Erbbescheinigung (auch Erbschein; Art 559 Abs 1 ZGB) wird in einem Verfahren der freiwilligen, nicht streitigen Gerichtsbarkeit ausgestellt und bedeutet eine Bestätigung, welche Person oder Personen die alleinigen Erben eines bestimmten Erblassers sind und somit das ausschließliche Recht haben, den Nachlass in Besitz zu nehmen und darüber zu verfügen. Sie steht unter dem Vorbehalt der Ungültigkeits- und der Erbschaftsklage und ist ein provisorischer Legitimationsnachweis ohne materiell‑rechtliche Bedeutung für die Erbenstellung der darin erwähnten Person. Wird das Recht der eingesetzten Erben auf Erhalt der Erbbescheinigung bestritten, kann eine solche nicht ausgestellt werden. Die Erbbescheinigung kann durch Rechtsmittel bekämpft werden (vgl Karrer/Vogt/Leu in Honsell/Vogt/Geiser, BSK Zivilgesetzbuch II5 [2014/15] Art 559 Rz 2, Rz 11, Rz 13 und Rz 31 iVm Vor Art 551 bis 559 Rz 11).

4.3 Nach der unstrittigen Aktenlage befinden sich in der Schweiz erhebliche Nachlasswerte. Die Testamentserbinnen verwiesen in ihrem Antrag auf die vom Teilungsamt Luzern als Schweizer Abhandlungsbehörde ausgestellte Erbbescheinigung vom 21. 6. 2017.

Auch die Pflichtteilsberechtigten brachten in ihrem Rekurs vor, dass das Teilungsamt der Stadt Luzern als Abhandlungsbehörde ein Nachlassverfahren durchgeführt und die Erbbescheinigung vom 21. 6. 2017 zu Gunsten der Testamentserbinnen ausgestellt habe. Dagegen seien bisher keine Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe ergriffen worden. Auf den in ihrem Revisionsrekurs erfolgten Hinweis, sie hätten am 23. 4. 2018 beim Teilungsamt Luzern eine Eingabe betreffend die Zuständigkeit dieses Teilungsamts eingereicht, kann schon wegen des im Revisionsrekursverfahren bestehenden Neuerungsverbots (§ 66 Abs 2 AußStrG) nicht eingegangen werden.

4.4 Die Art 25 ff chIPRG regeln die Anerkennungsvoraussetzungen für ausländische Entscheidungen. Nach Art 25 chIPRG wird eine ausländische Entscheidung in der Schweiz anerkannt, wenn die Zuständigkeit der Gerichte oder Behörden des Staats, in dem die Entscheidung ergangen ist, begründet war (lit a), wenn gegen die Entscheidung kein ordentliches Rechtsmittel mehr geltend gemacht werden kann oder wenn sie endgültig ist (lit b), und wenn kein Verweigerungsgrund im Sinne des Art 27 chIPRG vorliegt (lit c).

4.4.1 Nach Art 26 lit a chIPRG ist die Zuständigkeit ausländischer Behörden unter anderem dann begründet, wenn eine Bestimmung dieses Gesetzes sie vorsieht (indirekte oder Anerkennungszuständigkeit). Eine solche Bestimmung stellt Art 96 chIPRG dar. Diese regelt, welche im Ausland ergangenen Rechtsakte und welche Rechte eines im Ausland eröffneten Nachlasses in der Schweiz anerkannt werden und welche ausländischen Behörden dafür als zuständig angesehen werden (Künzle in Müller‑Chen/Lüchinger, ZKomm IPRG³ [2018] Art 96 Rz 1 bis 3).

Zutreffend hat das Rekursgericht zunächst dargelegt, dass danach ausländische Entscheidungen, Maßnahmen und Urkunden, die den Nachlass betreffen, in der Schweiz anerkannt werden, wenn sie im Staat des letzten Wohnsitzes des Erblassers oder im Staat, dessen Recht er gewählt hat, getroffen, ausgestellt oder festgestellt worden sind (Art 96 Abs 1 lit a chIPRG). Darunter fallen auch Legitimationsurkunden wie etwa Erbscheine oder der österreichische Einantwortungsbeschluss (vgl Künzle in Müller‑Chen/Lüchinger, ZKomm IPRG³ Art 96 Rz 12 f). Demnach ist aufgrund der Rechtswahl des Erblassers zu Gunsten des österreichischen Rechts (vgl Art 90 Abs 2 chIPRG) aus Schweizer Sicht die indirekte Zuständigkeit der österreichischen Abhandlungsbehörden auch bei einem Wohnsitz des Erblassers in der Schweiz gegeben (vgl Graham‑Siegenthaler in Abt/Weibel, Erbrecht3 [2015] Anhang IPR Rz 103).

4.4.2 Gemäß Art 27 Abs 2 lit c chIPRG wird eine im Ausland ergangene Entscheidung jedoch dann nicht anerkannt, wenn eine Partei nachweist, dass ein Rechtsstreit zwischen den selben Parteien und über den selben Gegenstand zuerst in der Schweiz eingeleitet oder in der Schweiz entschieden worden ist. Nach Art 31 chIPRG gelten die Art 25 bis 29 chIPRG sinngemäß für die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung oder einer Urkunde der freiwilligen Gerichtsbarkeit, worunter auch die Ausstellung eines Erbscheins fällt (Müller‑Chen in Müller‑Chen/Lüchinger, ZKomm IPRG³ Art 31 Rz 11). Stellt ein solches ausländisches Verfahren eine Verletzung des § 27 Abs 2 chIPRG dar, kann die Anerkennung verweigert werden (Däppen/Mabillard in Honsell/Vogt/Schnyder/Berti, BSK IPR³ Art 31 Rz 5).

4.5 Da die Schweizer Behörde nach dem Inhalt der Erbbescheinigung von einem Wohnsitz des Erblassers in Luzern ausgeht, das Erstgericht aber nach Art 10 Abs 1 EuErbVO ebenfalls für den gesamten Nachlass zuständig ist, liegt – mit Ausnahme der in Österreich belegenen Liegenschaften – eine Zuständigkeitskonkurrenz für die Abwicklung des Verlassenschaftsverfahrens vor (dazu Künzle in Müller‑Chen/Lüchinger,ZKomm IPRG³ Art 96 Rz 26). Auch solche Fälle der Zuständigkeitskonkurrenz werden im Hinblick auf die Anerkennung von Art 27 Abs 2 lit c chIPRG geregelt. Entscheidend ist daher die zeitliche Priorität (Künzle in Müller‑Chen/Lüchinger,ZKomm IPRG³ Art 96 Rz 27; vgl Graham‑Siegenthaler in Abt/Weibel, Erbrecht3 Anhang IPR Rz 119; vgl Däppen/Mabillard in Honsell/Vogt/Schnyder/Berti, BSK IPR³ Art 31 Rz 5).

4.6 Die unbekämpft gebliebene Erbbescheinigung des Teilungsamts der Stadt Luzern vom 21. 6. 2017 steht daher nach den zitierten Bestimmungen des chIPRG der Anerkennung eines erst zu erlassenden österreichischen Einantwortungsbeschlusses hinsichtlich der in der Schweiz befindlichen Nachlassgegenstände entgegen (vgl Künzle in Müller‑Chen/Lüchinger,ZKomm IPRG³ Art 96 Rz 27 [schon Priorität der Verfahrenseröffnung in der Schweiz praktisch immer gegeben]).

4.7 Zwar bleiben nach Art 1 Abs 2 chIPRG die von der Schweiz ratifizierten völkerrechtlichen Verträge vorbehalten, sodass diese grundsätzlich jedenfalls dann anzuwenden sind, wenn sie eine Anerkennung unter weniger strengen Voraussetzungen ermöglichen, als dies nach dem chIPRG der Fall ist (zum Meinungsstand vgl Schnyder/Grolimund in Honsell/Vogt/Schnyder/Berti, BSK IPR³ Art 1 Rz 20; Müller‑Chen in Müller‑Chen/Lüchinger,ZKomm IPRG³ Art 1 Rz 45). Jedoch werden nach Art 1 Z 2 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen vom 16. 12. 1960 (BGBl 1962/125) die in einem Staat gefällten Entscheidungen ebenfalls nur dann anerkannt, wenn die Anerkennung nicht gegen die öffentliche Ordnung des Staats verstößt, wo die Entscheidung geltend gemacht wird, insbesondere, dass ihr nicht nach dem Rechte dieses Staats die Einrede der entschiedenen Rechtssache entgegensteht. Im Sinne der obigen Ausführungen stünde daher die Erbbescheinigung des Teilungsamts der Stadt Luzern vom 21. 6. 2017 der Anerkennung eines erst zu erlassenden österreichischen Einantwortungsbeschlusses in der Schweiz auch nach dem genannten völkerrechtlichen Vertrag regelmäßig entgegen.

4.8 Im vorliegenden Fall ist daher zu erwarten, dass der erst zu erlassende Einantwortungsbeschluss des Erstgerichts in Bezug auf die in der Schweiz befindlichen Vermögenswerte in der Schweiz nicht anerkannt wird.

5. Ergebnis:

Im Hinblick auf das in der Schweiz bereits abgeschlossene Verfahren zur Ausstellung der Erbbescheinigung ist das Verlassenschaftsverfahren dahin zu beschränken, dass die in der Schweiz belegenen Vermögenswerte davon nicht umfasst sind.

Ob von einer Entscheidung nach Art 12 Abs 1 EuErbVO wieder abgegangen werden kann, wenn sich aufgrund geänderter Umstände eine positive Anerkennungsprognose ergibt (so Gitschthaler in Deixler‑Hübner/Schauer, EuErbVO Art 12 Rz 7), muss hier nicht erörtert werden.

Zwar kann das Gericht nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag einer Partei einen Ausspruch nach Art 12 Abs 1 EuErbVO treffen (Traar in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, Inter-nationales Zivilverfahrensrecht [19. Lfg 2016] Art 12 EuErbVO Rz 6; Gitschthaler in Deixler‑Hübner/Schauer, EuErbVO Art 12 Rz 7). Wie sich aus der Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses ergibt, war der Entscheidungswille des Erstgerichts aber ohnehin darauf gerichtet, dem Antrag der Testamentserbinnen, über die in der Schweiz gelegenen Vermögenswerte nicht zu befinden, stattzugeben. Weitere in Drittstaaten befindliche Vermögenswerte sind auch gar nicht aktenkundig. Der Beschluss des Erstgerichts ist daher mit dieser Maßgabe wiederherzustellen.

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