European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00253.15K.0128.000
Spruch:
Die Rekurse werden zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.457,92 EUR (darin enthalten 409,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Der Kläger begehrt Schadenersatz wegen einer über ihn gesetzwidrig verhängten Haft. Neben Schmerzengeld für den Entzug der persönlichen Freiheit, einer Haftentschädigung und Therapiekosten fordert er den Ersatz von Verteidigungskosten in der Höhe von 34.388,04 EUR. Dabei handle es sich um Kosten, die er während der Phase der Anhaltung bzw Inhaftierung für seine Verteidigung aufwenden habe müssen. Er sei aufeinanderfolgend von drei Rechtsanwälten vertreten worden, die ihm gegenüber jeweils Kostennote gelegt hätten.
Mit seinem Teilurteil wies das Erstgericht das Klagebegehren im Umfang der vom Kläger begehrten Vertretungskosten in der Höhe von 34.388,04 EUR sA ab und führte dazu rechtlich aus, sein Vorbringen zu den von ihm begehrten Vertretungskosten sei nicht schlüssig. So ergebe sich aus seinem Vorbringen nicht, welche Tätigkeiten einzelne der ihn vertretenden Rechtsanwälte erbracht hätten bzw in welchem zeitlichen Ausmaß Vertretungsleistungen erbracht worden seien. Die vom Kläger vorgelegten Urkunden könnten das fehlende Tatsachenvorbringen nicht ersetzen.
Der dagegen erhobenen Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht im Umfang von 33.188,04 EUR sA Folge, hob das Ersturteil insoweit auf, verwies die Rechtssache in diesem Umfang an dieses zurück und bestätigte darüber hinaus die (teilweise) Abweisung des Klagebegehrens.
Soweit der vom Kläger begehrte Ersatz von Vertretungskosten vom Aufhebungsbeschluss erfasst sei, reiche die Vorlage der Kostennoten im Zusammenhang mit dem Vorbringen, dass sich daraus die konkret erbrachten Leistungen ableiten ließen, im Sinne der Entscheidung 3 Ob 244/13y des Obersten Gerichtshofs aus, um die Schlüssigkeit des Klagebegehrens zu begründen.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision gegen sein Teilurteil nicht zu, erklärte aber den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss für zulässig, weil es über den Einzelfall hinaus von Bedeutung sei, ob im Hinblick auf die in der Entscheidung 3 Ob 244/13y angestellten Erwägungen jene Rechtsprechung, wonach Urkunden nur Beweismittel seien und kein (fehlendes) Prozessvorbringen ersetzen könnten, nicht mehr aufrecht erhalten, sondern eine Judikaturwende eingeleitet werde.
Die gegen den Aufhebungsbeschluss erhobenen Rekurse der Beklagten und der Erst‑ bis Viertnebenintervenienten sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell‑rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS‑Justiz RS0037516; Fasching in Fasching/Konecny 2 III § 226 ZPO Rz 94). Für die Schlüssigkeit des Klagebegehrens verlangt das Gesetz nicht, dass der gesamte Tatbestand vorgetragen wird. Es genügt, wenn die rechtserzeugenden Tatsachen vollständig und knapp angeführt sind (RIS‑Justiz RS0036973 [T2]). Die Frage, ob eine Klage schlüssig ist, hängt vom konkreten Vorbringen ab. Ihr kommt im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS‑Justiz RS0116144; RS0037780).
2. In der Entscheidung 3 Ob 244/13y hatte der Oberste Gerichtshof wegen des in jenem Fall erstatteten Vorbringens keinen Zweifel daran, dass es sich bei den vorgelegten Urkunden um dem Klagebegehren zurechenbare Berechnungen handle. Dazu bezog er sich auf die bisherige Rechtsprechung, die es gestatte, im Begehren auch auf Urkunden oder andere Unterlagen zu verweisen (vgl RIS‑Justiz RS0037420) und gelangte im Einzelfall (RIS‑Justiz RS0037874 [T39]) zum Ergebnis, dass das Klagebegehren ausreichend konkretisiert sei. Die Begründung des 3. Senats macht daher deutlich, dass die bisherige Rechtsprechung fortgeschrieben wurde. Insoweit stellt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 ZPO.
3. Eine solche sprechen auch die Rekurswerber nicht an, die auf ihrem Standpunkt beharren, das Vorbringen des Klägers enthalte kein ausreichendes Tatsachensubstrat, aus dem sich die von ihm begehrten Vertretungskosten schlüssig ableiten ließen.
3.1 Werden aus einem rechtserzeugenden Sachverhalt mehrere Ansprüche abgeleitet und in einer Klage geltend gemacht, muss jeder der Ansprüche zumindest in der Begründung ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein, um dem Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO zu entsprechen (RIS‑Justiz RS0031014 [T29]). Werden mehrere Schadenersatzansprüche geltend gemacht, muss daher jede Forderung ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein (RIS‑Justiz RS0031014). Setzt sich hingegen ein aus der selben Schadensursache abgeleiteter Anspruch aus zahlreichen Einzelforderungen zusammen, wird von der Rechtsprechung auf die Zumutbarkeit einer Aufgliederung abgestellt (RIS‑Justiz RS0037907). Einzelforderungen, die während eines längeren Zeitraums aufgelaufen sind, können in einem solchen Fall zusammengefasst werden, weil anderenfalls die Angabe sämtlicher Einzelforderungen als Überspannung des Gebots der Präzisierung anzusehen wäre (1 Ob 99/07a; 10 Ob 37/13h je mwN).
3.2 Der Kläger hat bereits in der Klage seine Geldforderungen den jeweiligen Anspruchsgrundlagen zugeordnet und ziffernmäßig aufgeschlüsselt und nach der Aufforderung zur Präzisierung der Vertretungskosten diese nach den Endsummen der ihm gegenüber gelegten Honorarnoten aufgegliedert. Insoweit liegt ein einheitlicher Schadenersatzanspruch vor, sodass die fehlende Aufgliederung in die einzelnen Posten oder Zeiträume, die den jeweiligen Honorarnoten zugrunde liegen, dem Vorbringen nicht die Schlüssigkeit nimmt (vgl 10 Ob 37/13h mwN). Die Ansicht der Beklagten, auch in einem solchen Fall müssten die einzelnen Positionen der Honorarnoten und die ihnen zuzuordnenden Beträge in der Klageerzählung ziffernmäßig angeführt werden, würde hier das Gebot zur Präzisierung überspannen. Nur der Vollständigkeit halber sei daher angemerkt, dass der Kläger ohnedies ausdrücklich vorbrachte, die von den Rekurswerbern für eine Schlüssigkeit des Begehrens vermissten Kriterien ließen sich aus den vorgelegten Honorarnoten ableiten,
und damit diese Urkunden mit hinreichender Deutlichkeit zum Bestandteil seines Vorbringens machte.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es nicht schadet, auf Urkunden oder auf andere Unterlagen zu verweisen, wenn diese zu einem Bestandteil des Begehrens gemacht werden (RIS‑Justiz RS0037420).
4. Die Rekurse sind daher zurückzuweisen, ohne dass es noch einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit der Rechtsmittel gegen ein Teilurteil und einen Aufhebungsbeschluss im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO des Berufungsgerichts findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS‑Justiz RS0123222).
Der Kläger hat in seiner Rekursbeantwortung auf die mangelnde Zulässigkeit der Rekurse hingewiesen und hat daher Anspruch auf Kostenersatz (RIS‑Justiz RS0123222; RS0035976 [T2]).
Es mangelt an einer gesetzlichen Bestimmung, die unterlegenen Nebenintervenienten, die hier Rekurs erhoben haben, zum
Kostenersatz zu verpflichten. Die Kosten des Rekursverfahrens sind daher allein der Beklagten aufzuerlegen, der die
Nebenintervenienten im Rechtsstreit beigetreten sind (vgl RIS‑Justiz RS0036057). Die Beklagte hat daher die Kosten der Rekursbeantwortung alleine zu ersetzen.
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