European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00230.18G.1220.000
Spruch:
1. Die Anträge der klagenden Partei auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 Abs 1 B‑VG vor dem Verfassungsgerichtshof sowie eines Vorabentscheidungs-verfahrens gemäß Art 267 AEUV vor dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 418,26 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin erklärte sich über Ersuchen einer unbeschränkt haftenden Gesellschafterin einer dort klagenden Gesellschaft bereit, bei einer Gerichtsverhandlung als Zuhörerin die Geschehnisse zu verfolgen und Notizen zu machen. Nach Aufruf der Rechtssache fertigte der Verhandlungsrichter, um die Anwesenheit der Klägerin mitsamt ihrem Laptop zu dokumentieren, mit seiner Digitalkamera von ihr ein Lichtbild an. Das Lichtbild zeigt sie auf einem Stuhl „im Publikum“ sitzend, vor sich den aufgeklappten Laptop. Die Klägerin wurde vor dem Fotografieren nicht um Erlaubnis gefragt. Sie empfand das Fotografieren etwas unangenehm, es störte sie aber nicht weiter. Der Richter hielt im Verhandlungsprotokoll fest, dass er die Anwesenheit der namentlich genannten Klägerin als Zuhörerin „fotografisch dokumentiert“ hat. Nach der Verhandlung übertrug er das Lichtbild auf den „Gerichtscomputer“ und speicherte es in einem Ordner ab, auf den sowohl er, als auch die Mitarbeiter der Schreibabteilung und seiner Gerichtskanzlei zugreifen konnten. Auf seiner Digitalkamera wurde das Lichtbild gelöscht. Er übermittelte das Lichtbild zusammen mit dem Protokoll den Parteien des Verfahrens. Die Klägerin erlitt aufgrund dieser Ereignisse weder ein psychisches noch ein „psychiatrisches“ Leiden. Es ist auszuschließen, dass ihr, sollte sie im Laufe ihrer angestrebten Berufstätigkeit jemals als Sachverständige bei Gericht tätig werden, das Lichtbild irgendwie im Weg stünde. Sie wird aufgrund dieses Lichtbildes auch nicht mit Mitgliedern des „One People´s Public Trust“ in Verbindung gebracht oder als Staatsverweigerin angesehen werden.
Die Klägerin begehrt gestützt auf Amtshaftung die Feststellung, die beklagte Republik (der Bund) habe sie durch ihre digitale Lichtbildaufnahme während der öffentlichen Verhandlung, deren Speicherung sowie durch die spätere Verbreitung der Lichtbildaufnahme in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Weiters erhob sie einen Schadenersatzanspruch nach § 87 (Abs 2) UrhG von 4.800 EUR sA und das Begehren auf Feststellung, dass die Beklagte ihr für sämtliche Schäden hafte, die aus ihrer digitalen Lichtbildaufnahme in der Gerichtsverhandlung sowie deren Speicherung und Verbreitung resultieren.
Das Erstgericht wies die Feststellungsbegehren sowie das Zahlungsbegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und bestätigte das Ersturteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte nachträglich die ordentliche Revision gemäß § 508 Abs 3 ZPO für zulässig, weil bei Zuwiderhandeln eines Richters gegen den höchstpersönlichen Bildnisschutz durch das digitale Aufnehmen (ohne Erlaubnis), Speichern und Versenden von (im Rahmen einer Verhandlung aufgenommenen) Fotos und zu daraus resultierenden Ansprüchen nach § 87 Abs 2 UrhG sowie zur Frage deren Feststellungsfähigkeit oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Gemäß § 510 Abs 3 Satz 4 ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
1. Der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem – wie hier – eine Berufung wegen Nichtigkeit (nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO) verworfen wird, ist zufolge der Rechtsmittelbeschränkung des § 519 Abs 1 ZPO unanfechtbar (RIS‑Justiz RS0043405). Daran vermag auch die Anfechtung unter dem Gesichtspunkt eines anderen Rechtsmittelgrundes, etwa der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (RIS‑Justiz RS0043405 [T6]) nichts zu ändern.
2. Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurden, können nach ständiger Rechtsprechung vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963).
3. Eine Prozesspartei hat nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0058452) keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) oder eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu beantragen. Ein solcher Antrag ist zurückzuweisen.
Die Klägerin zeigt in ihren Revisionsausführungen keine Verfassungs‑ oder Grundrechtswidrigkeit der § 27 und § 177 ZPO auf, die einer Klärung durch den VfGH oder den EuGH bedürfte (vgl 5 Ob 88/18d). Zudem lehnte der VfGH die Behandlung ihres § 27 und § 177 Abs 1 vorletzter Satz ZPO betreffenden Antrags auf Normenkontrolle ab (G 85/2018 ua). Er hegte keine Bedenken gegen die in § 27 ZPO vorgesehene (absolute) Anwaltspflicht, zumal sie einerseits der ordnungsgemäßen Rechtspflege, andererseits auch den Interessen der vertretenen Partei diene. Insbesondere vor dem Hintergrund der von Art 6 EMRK und Art 90 Abs 1 B‑VG geforderten Mündlichkeit des Verfahrens bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 177 Abs 1 letzter Satz ZPO, zumal das Erfordernis des mündlichen Vorbringens die umfassende Vorbereitung auf die Verhandlung im Interesse der vertretenen Partei sicherstelle.
4. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche im Revisionsverfahren (unkonkret und nicht näher dargelegt) auf das UrhG iVm dem AHG. Die Vorinstanzen verneinten die Berechtigung ihres Begehrens auf Feststellung ihrer Persönlichkeitsverletzung im Amtshaftungsprozess, weil nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0049906 [T1, T2]) andere Ansprüche als solche auf Schadenersatz (Geldersatz bzw Feststellung der Ersatzpflicht für einen künftigen oder noch nicht bezifferbaren Schaden) ausgeschlossen seien. Mit der nicht näher ausgeführten Behauptung, ihr stehe dieser Anspruch zu, vermag sie keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Zudem fehlt der begehrten Feststellung der behaupteten Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts durch die digitale Lichtbildaufnahme, deren Speicherung sowie die spätere Verbreitung als bloßer rechtlicher Qualifikation (rechtserheblicher) Tatsachen die Feststellungsfähigkeit und das beanstandete Verhalten eines Organs der Beklagten ist auch als Rechtshandlung nicht feststellungsfähig (vgl § 228 ZPO; 1 Ob 142/17i = EvBl 2018/33 [zustimmend Ballon]).
5. Die Klägerin geht ebenso wie die Vorinstanzen von der Rechtswidrigkeit der Herstellung, des Speicherns und der Verbreitung ihres Lichtbildes durch den Verhandlungsrichter aus, sodass sich die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nicht stellt. Selbst wenn dieses Verhalten rechtswidrig wäre (vgl § 22 MedienG; § 78 UrhG), stünde ihr der auf § 87 Abs 2 UrhG gestützte Schadenersatzanspruch nicht zu. Nach dieser Bestimmung gebührt eine Entschädigung grundsätzlich nur bei einer ernsten Beeinträchtigung des Verletzten, die den mit jeder Zuwiderhandlung verbundenen natürlichen Ärger überschreitet, bzw bei einer schweren Kränkung (RIS‑Justiz RS0077369 [T7]; vgl RS0078172). Ob die Voraussetzungen für den Zuspruch von immateriellem Schadenersatz nach § 87 Abs 2 UrhG vorliegen, richtet sich regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0077369 [T11]).
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin durch die Herstellung ihres Lichtbildes und dessen Verbreitung eine ganz empfindliche, erhebliche Kränkung erlitten hätte, die den Zuspruch eines immateriellen Schadenersatzes rechtfertigen könnte, die von ihr behaupteten ganz empfindlichen und erheblichen Unlustgefühle seien nicht objektivierbar und im Hinblick auf die Gesamtumstände auch nicht nachvollziehbar, das Lichtbild sei weder für sich bloßstellend, noch im Zusammenhang mit den äußeren Umständen, zu denen es aufgenommen und verbreitet worden sei, herabwürdigend, beleidigend oder abwertend, ist nicht zu beanstanden. Mit ihren (inhaltlich schwer zu erfassenden) Argumenten, „das Ineinandergreifen von Amtshaftung und Urheberrechtsverletzung“ sei „als besonderer Umstand des Falles zu qualifizieren“ und das Herumschicken sowie Abspeichern ihres Fotos sei „strengstens zu ahnden und die Verletzung zu entschädigen“, zeigt sie keine Fehlbeurteilung auf, zumal die Abschriften des Verhandlungsprotokolls (samt Lichtbild) nur den damaligen Prozessvertretern übermittelt wurden, denen die Person der Klägerin und deren Anwesenheit bei der Tagsatzung ohnedies bekannt waren.
6. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind Feststellungsklagen selbst dann zulässig, wenn noch kein feststellbarer Schaden eingetreten ist und nur die Möglichkeit besteht, dass das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt bewirken kann (vgl RIS‑Justiz RS0038976). Die bloß abstrakte Möglichkeit eines Schadenseintritts reicht aber nicht aus, ein rechtliches Interesse an der Feststellung zu begründen, sondern es ist Sache der Klägerin, im Einzelfall aufzuzeigen, welcher Art die möglichen Schäden sein könnten (RIS‑Justiz RS0038949). Generell ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0038949 [T4]; RS0039177 [T1]), ob ein Feststellungsinteresse vorliegt.
Nach den getroffenen Feststellungen ist durch die Lichtbildaufnahme bzw ‑verbreitung bisher kein Schaden bei der Klägerin eingetreten. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der zukünftige Eintritt eines solchen (von der Klägerin als möglich behaupteten) Schadens nach den getroffenen Feststellungen auszuschließen sei, ist nicht korrekturbedürftig. Die befürchteten Schäden (Hindernisse am Weg zur angestrebten Tätigkeit als Sachverständige und Einordnung als Staatsverweigerin) werden nach dem festgestellten Sachverhalt nicht eintreten. Mit ihren allgemein gehaltenen Ausführungen zur zukünftigen technischen Entwicklung zeigt die Klägerin nicht die Berechtigung ihres auf Schadenersatz gestützten Feststellungsbegehrens auf. Auf die Argumente des Berufungsgerichts geht sie nicht ein.
7. Die Revision ist daher mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass ihr die Klägerin die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen hat.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)