European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0160OK00011.16B.1221.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
I. Anmeldung
Am 23. 12. 2015 meldete die österreichische N***** AG (in der Folge: Antragsgegnerin) zu BWB/Z‑2906 einen Zusammenschluss an, wonach die Antragsgegnerin den Erwerb von (direkt bzw indirekt) mehr als 25 % der Anteile an C***** Aktiengesellschaft (im Folgenden: CASAG) sowie von (indirekt) mehr als 25 % der Anteile an Ö***** Gesellschaft mbH (in der Folge: ÖLG) sowie den Erwerb von Kontrolle an CASAG beabsichtige. Eine am 20. 1. 2016 von einer tschechischen Investorengruppe durch die A***** Holding a.s. zu BWB/Z‑2933 erstattete weitere Zusammenschlussanmeldung, die ebenfalls den Erwerb von Kontrolle an CASAG zum Gegenstand hat, wurde in der Folge wieder zurückgezogen.
Die Antragsgegnerin ist Teil einer globalen Unternehmensgruppe, die Glücksspieltechnologie und Glücksspielequipment produziert und verkauft sowie im In- und Ausland Glücksspiel- und Wettunternehmen betreibt.
II. Prüfungsanträge
Beide Amtsparteien stellten Prüfungsanträge.
Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) betonte, seit Oktober 2015 Marktgespräche mit verschiedenen Stakeholdern im Glücksspielbereich (Eigentümervertreter, Unternehmensvertreter, öffentliche Institutionen, Wettbewerber, Spielerschutzeinrichtungen) geführt zu haben, um einen Überblick über die Rahmenbedingungen und Marktverhältnisse am Glücksspielmarkt zu erhalten. Noch zeitgleich mit den Marktgesprächen sei sie mit den Anmeldern in Pränotifikationsgespräche eingetreten, in denen es zu einem ergiebigen Informationsaustausch gekommen sei. Nach Ansicht der BWB sei die von der Anmelderin gewählte sachliche Marktabgrenzung (Spielbanken inkl Glücksspielautomaten in Spielbanken, Lotterie‑Glücksspiele, Onlinegaming, Video Lottery‑Terminals [VLTs], Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten und Sportwetten) im Wesentlichen plausibel und sinnvoll. Allerdings müsse darauf hingewiesen werden, dass eine wettbewerbsökonomische Marktabgrenzung nie dahingehend interpretiert werden dürfe, dass keine wettbewerblichen Wirkungen von einem Markt auf den anderen bestünden. Sie besage vielmehr nur, dass die Substitutionsbeziehungen – und damit die wettbewerblichen Wirkungen – nicht so stark seien, dass sie als ein Produkt/eine Leistung angesehen werden könnten.
Zu den wettbewerblichen Auswirkungen führte die BWB aus, dass es sich bei dem vorliegenden Zusammenschlussvorhaben in wettbewerblicher Sicht um das Vorliegen von Restwettbewerb handle. Dies sei bedingt durch die rechtlichen/regulatorischen Rahmenbedingungen, die in mehreren Märkten den Wettbewerb unterschiedlich stark einschränkten. Trotz erheblicher Regulierungsdichte bestünden Indizien für das Bestehen von wettbewerblichen Spielräumen. Es bestünden auch wettbewerbliche Wechselwirkungen zwischen den von der Anmelderin definierten Märkten. Die BWB betonte ihre rasche Bereitschaft, in Gespräche über Auflagen einzutreten, und beschrieb die zu erwartenden negativen Auswirkungen des angemeldeten Vorhabens auf den Markt wie folgt:
a) Verringerung des Restwettbewerbs auf dem Casino-Markt;
b) Verminderung der wettbewerblichen Schranken, die vom Casino-Markt und vom VLT‑Markt auf die marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin auf den Märkten für Landesausspielungen ausgehen;
c) potenzieller Wettbewerb: Beseitigung des einzigen Wettbewerbers, der hinsichtlich des Potenzials an (VLT‑)Lizenzen und seiner wirtschaftlichen Kraft der starken Stellung der Antragsgegnerin auf den Märkten für Landesausspielungen gefährlich werden könne;
d) Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin auf dem vorgelagerten Markt insbesondere durch Kontrolle eines weiteren Teils der heimischen Nachfrage.
Der Bundeskartellanwalt führte aus, der von der BWB gestellte Prüfungsantrag sei mit ihm abgestimmt worden; zur Vermeidung von Wiederholungen erhebe er die von der BWB in deren Prüfungsantrag gestellten Ausführungen zum eigenen Vorbringen.
III. Weiterer Verfahrensgang
Nach Verbindung der beiden Verfahren über die Prüfungsanträge der Amtsparteien erging mit Beschluss vom 25. 2. 2016 ein Verbesserungsauftrag an die Antragsgegnerin, dem diese mit Schriftsatz vom 2. 3. 2016 nachkam. Mit Schriftsatz vom 8. 7. 2016 beantragte die Antragsgegnerin gemäß § 14 Abs 1 KartG 2005, die fünfmonatige Frist auf sechs Monate (somit bis 2. 9. 2016) zu verlängern.
Die Antragsgegnerin bezog mit Schriftsatz vom 18. 3. 2016 Stellung zum Inhalt der Prüfungsanträge und führte aus, dass das geplante Zusammenschlussvorhaben keine wettbewerbsrechtlichen Auswirkungen mit sich bringen könne. Es gäbe nämlich de facto keine Überschneidungen im Spielbankenbereich, da die Antragsgegnerin nur im grenznahen Ausland tätig sei und die Casino-Standorte überdies ein unterschiedliches Publikum anziehen würden und/oder zu weit voneinander entfernt seien. Das Angebot von inländischen Spielbanken unterliege einer strengen Regulierung, die eine Verschlechterung zum Nachteil der Konsumenten unmöglich mache. Deshalb seien auch Auswirkungen auf den inländischen Spielbankenmarkt im Falle der Erteilung von zwei Spielbankenkonzessionen an die Antragsgegnerin ausgeschlossen. Die Erteilung von weiteren Konzessionen in Österreich sei keinesfalls als wettbewerbsfördernde Maßnahme gedacht gewesen. Im Fokus stehe hier vielmehr die adäquate Deckung der bestehenden Nachfrage durch qualifizierte Unternehmen, um illegales, unkontrolliertes Glücksspiel möglichst zurückzudrängen.
Selbst wenn man VLT‑Outlets und Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten als einem Markt zugehörig ansehen wollte bzw zwischen diesen Märkten Wechselwirkungen bestünden, käme es nur in wenigen Regionen in Niederösterreich zu Überschneidungen, die dazu führen würden, dass es dort als Folge des Zusammenschlussvorhabens nur mehr einen Betreiber gäbe. Doch selbst in diesem Fall seien aufgrund des strengen regulatorischen Regimes keine nachhaltigen Veränderungen zu erwarten.
Auch vertikale Auswirkungen seien nicht möglich, da die Marktanteile der beteiligten Unternehmen bei richtiger geografischer Marktabgrenzung gering seien, weshalb selbst bei Annahme von nationalen Märkten keine negativen Folgen zu befürchten seien. Die CASAG‑Gruppe sei für die international tätigen Hersteller kein wesentlicher Abnehmer, und die Antragsgegnerin beliefere bereits jetzt diverse dritte Unternehmen in Österreich, obwohl diese– ebenso wie die Antragsgegnerin – auf den nachgelagerten Märkten tätig seien; es sei nicht ersichtlich, wie sich das Vorhaben auf diese Geschäftsbeziehungen auswirken könnte.
Der Zusammenschluss würde ganz im Gegenteil verschiedene Vorteile mit sich bringen. Insbesondere würde er die Einführung eines Spielerschutzes ermöglichen, der Bundesländergrenzen und Glücksspielmarktsegmente übergreift; immerhin sei der Spielerschutz ein übergeordnetes Ziel des österreichischen Gesetzgebers, dem auch nach Unionsrecht ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt werde.
Obwohl die Antragsgegnerin der Ansicht sei, dass das Zusammenschlussvorhaben keinerlei wettbewerbliche Bedenken hervorrufe, sei sie im Sinne einer einvernehmlichen Lösung bereit, mögliche Auflagen mit den Amtsparteien zu verhandeln. Ein erster diesbezüglicher Vorschlag sei bereits an die Amtsparteien übermittelt worden, ein Gesprächstermin sei schon vereinbart.
Zwischen den Parteien des Verfahrens kam es in der Folge während des Verfahrens zu Gesprächen über mögliche Auflagen und Verpflichtungszusagen.
IV. Entscheidung des Erstgerichts
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 26. 8. 2016 sprach das Erstgericht die Untersagung des Zusammenschlusses aus. Dabei ging es im Wesentlichen von folgenden Erwägungen aus:
Die Zusammenschlussparteien sind die mit Abstand bedeutendsten Akteure auf dem inländischen Markt für Glücksspiele und Sportwetten: Die CASAG betreibt 12 Spielbanken, 16 WIN‑WIN VLT‑Outlets, Lotterieglücksspiele und Sportwetten. Glücksspiele und Sportwetten werden über die Filialen, aber auch über Trafiken (zB Tipp 3) und online verkauft. Die Antragsgegnerin betreibt unter der Marke „A*****“ 147 Automatensalons (in denen Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten durchgeführt werden) und rund 200 Wettcafés in den Bundesländern, in denen Automatenspiel erlaubt ist (oft an einem gemeinsamen Standort mit Automatensalons). Sportwetten werden terrestrisch vor allem über die Wettcafés, aber auch über Terminals an anderen Standorten und online vertrieben. Darüber hinaus ist die Antragsgegnerin einer der größten europäischen Hersteller von Glücksspielautomaten und VLTs. Die Bedeutung der Zusammenschlussparteien illustriert der Anteil der beiden Unternehmen an den Bruttospiel- und Bruttowetterträgen inländischer Glücksspiel- und Wettaktivitäten von gemeinsam 77 % (bezogen auf die Ausgaben für Glücksspiel und Sportwetten – online und terrestrisch – von in Österreich aufhältigen Personen).
Glücksspiel könne neben Vergnügen und Freizeitbeschäftigung auch Suchtgefahr und Kriminalität hervorbringen. Aus diesen Gründen sei in Österreich ein Regulierungsrahmen geschaffen worden, der den Spielerschutz fördern und die Ausbreitung von Kriminalität (wie Betrug) im illegalen Glücksspiel verhindern solle. Derzeit sei Wettbewerb innerhalb der regulatorischen Grenzen mit dem Glücksspielgesetz vereinbar. Das BMF habe die Konzessionen für zwei zusätzliche Wiener Spielbanken an zwei in Wien noch nicht vertretene Unternehmen (darunter auch die Antragsgegnerin) vergeben, was zu einer Struktur mit drei Anbietern auf engem Raum geführt habe. Auch bei der Vergabe der Konzessionen für Automatensalons hätten sich einzelne Länder zur Ausschöpfung des wettbewerblichen Rahmens des Glücksspielgesetzes mit der Vergabe von drei Lizenzen entschieden. Zusammen mit den VLTs‑Outlets und CASAG‑Spielbanken seien somit bis zu vier Anbieter in den einzelnen Bundesländern im Einklang mit dem Glücksspielgesetz tätig.
Wettbewerb könne sich im Rahmen der sehr ausgeprägten Regulierung förderlich für den Verbraucher auswirken. Eine Verbesserung des legalen Glücksspielangebots verhindere ein Abdrängen von (auch süchtigen) Spielern in die Illegalität und Kriminalität; dies sei ein ausdrückliches Ziel des Spielerschutzes. Wenn die Gefahr einer Suchtsteigerung effektiv verhindert werde, profitierten alle Spieler (auch die Nichtsüchtigen) naturgemäß von den Anreizen zur Qualitätsverbesserung, die mit mehr Wettbewerb einhergingen. Bei effektivem Spielerschutz könne sich Wettbewerb im Glücksspielsegment positiv auf die Verbraucher auswirken. Die Schaffung eines effektiven Spielerschutzes könne nicht kausal auf das Zusammenschlussvorhaben der Antragsgegnerin zurückgeführt werden.
Spielerschutz gehe mit Einnahmeverlusten der Glücksspielanbieter einher. Dieser Interessenkonflikt gelte für private Monopolisten mit Gewinnmaximierungsinteresse wie auch im Wettbewerb. Entscheidend sei, dass die Durchsetzung der Regulierung zum Spielerschutz nicht durch den Wettbewerb eingeschränkt sei. Genau dafür sorge das Glücksspielgesetz, das den maximalen Umfang und die Bedingungen des Wettbewerbs regle und umfangreiche Auflagen zum Spielerschutz mache.
Im österreichischen Glücksspielsektor seien derzeit folgende wettbewerblich relevante Aspekte von Regulierungsvorgaben betroffen:
a) Die Auswahl und die Überwachung der Anbieter;
b) die räumliche Kapazitätssteuerung (Betriebspflicht, Obergrenzen);
c) die Einsatzhöhen, Ausschüttungsquoten und Maximalgewinne;
d) die Spielerkontrolle und -steuerung;
e) Beschränkungen bei Marketing und Werbung.
Es gebe verfahrensbezogen auf den gegenständlichen Zusammenschluss folgende sachliche und räumliche Märkte:
a) Spielbanken: Der Markt für Spielbanken (ohne Automatenglücksspiel) mit einem Einzugsradius von 60 Minuten. Spielbanken mit einem Automatenangebot konkurrierten sowohl mit anderen Spielbanken wie auch mit VLT‑Outlets und Automatensalons im Markt für Automatenglücksspiel. In drei räumlichen Märkten im Spielbankenmarkt, nämlich in den Regionen Wien/Baden, Linz und Bregenz, ergäben sich Überschneidungen zwischen den Zusammenschlussparteien.
b) Automatenglücksspiel: Dieser Markt umfasse das Automatenangebot in VLT‑Outlets, Automatensalons und Spielbanken und sei in räumlicher Hinsicht bundeslandweit zu betrachten, weil wesentliche Wettbewerbsparameter regional festgelegt würden; besonders zu berücksichtigen sei, dass es eine starke Interaktion zwischen Wien, Niederösterreich und dem Burgenland gebe. Die Spielbanken stünden auch untereinander in Bezug auf das Automatenangebot in Konkurrenz.
c) Lotterieglücksspiel, das im Inland über den terrestrischen Vertrieb angeboten werde.
d) Online-Glücksspiel, das im Inland online angeboten werde.
e) Sportwetten: Wettcafés mit einem Einzugsbereich von 20 Minuten konkurrierten lokal miteinander, während das online‑Angebot national einheitlich sei und auch der Vertrieb von Sportwetten über Trafiken (Tipp 3) sehr flächendeckend erfolge. Toto sei von geringer marktlicher Bedeutung.
f) Automatenherstellung: Es bestehe ein europaweiter Markt für die Entwicklung und Herstellung von Automaten. Für den Einsatz von Automaten im Inland sei eine technische Anpassung erforderlich, die einen erheblichen Aufwand mit sich bringe. Daher seien Anbieter, die bereits in Österreich tätig sind, deutlich engere Wettbewerber als solche, die noch nicht in Österreich tätig sind. Es sei plausibel, dass ein relevanter österreichweiter Markt für den Vertrieb von angepassten Automaten vorliege. Letztlich könne auch hier eine genaue Marktabgrenzung offengelassen werden.
g) Konzessionsmärkte: Konzessionen für Spielbanken, Lotterieglücksspiel und Glücksspielautomaten für Landesausspielungen würden jeweils europaweit ausgeschrieben. Erfahrung in Österreich sei keine notwendige Bedingung für eine erfolgreiche Teilnahme an diesen Ausschreibungen. Die Ausschreibungsmärkte seien daher europaweit abgegrenzt.
Zu den für die Untersagung des Zusammenschlusses relevanten wettbewerblichen Wirkungen des Zusammenschlusses führte das Kartellgericht aus:
Aufgrund der Ergebnisse des Gutachtens samt Ergänzungsgutachten sei zu erwarten, dass durch den angemeldeten Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung auf folgenden Märkten entstehe oder verstärkt werde:
1. auf dem Spielbankenmarkt Wien/Baden,
2. auf dem Markt für Automatenglücksspiel in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland,
3. auf dem Markt für Automatenglücksspiel in Oberösterreich,
4. auf dem Markt für Automatenglücksspiel in Kärnten.
Auf diesen Märkten fänden sich durchwegs kombinierte Marktanteile der Zusammenschluss-parteien in der Bandbreite von 68 % bis 100 %. Bei der Gesamtbeurteilung des Zusammenschluss-vorhabens sei zudem zu berücksichtigen, dass die CASAG im Bereich des Online-Glücksspiels und im Bereich des Vertriebs von Glücksspielangeboten über die Trafiken quasi über ein Monopol verfüge, weshalb durch den Zusammenschluss in weiteren Bereichen der Randwettbewerb abnehme oder entfalle.
Es liege ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss vor, weil die Schwellenwerte des § 9 Abs 1 KartG überschritten seien. Das angemeldete Vorhaben begründe einen Zusammenschluss nach § 7 Abs 1 Z 3 und 5 KartG. Da die kombinierten Marktanteile im gegenständlichen Zusammenschluss in einer Bandbreite von 68 % bis 100 % lägen, sei eine marktbeherrschende Stellung iSd § 4 Abs 1 KartG zu vermuten; der Beweis des Gegenteils iSd § 4 Abs 2 KartG sei von der Antragsgegnerin nicht erbracht worden.
Die Antragsgegnerin habe zwar Auflagen vorgeschlagen, diese seien jedoch ursprünglich auf fünf Jahre befristet gewesen. Im Übrigen seien die Vorschläge der Antragsgegnerin derart „weich“ formuliert, dass sie nicht überprüft werden könnten. Die Antragsgegnerin habe eine Überprüfbarkeit der Verpflichtungszusage weder für Spielbanken, noch für Pkt. 4. ff (VLTs) angeboten. Das Überprüfungsangebot in Pkt. 2. (VLTs) sei trotz der Länge der Verpflichtungszusage unbestimmt.
Die BWB habe mit nachvollziehbarer Begründung darauf hingewiesen, dass der Auflagenvorschlag der Antragsgegnerin „in keinster Weise“ zu einer Beseitigung des Untersagungsgrundes nach § 12 Abs 1 Z 2 KartG führen könne. Dieser Argumentation habe sich auch der Sachverständige im Wesentlichen angeschlossen.
Der angemeldete Zusammenschluss sei zu untersagen, weil dadurch eine marktbeherrschende Stellung auf den zuvor genannten Märkten 1.–4. entsteht oder verstärkt wird. Der Zusammenschluss sei in seiner Gesamtheit zu untersagen, weil durch den Anteilserwerb und den Erwerb von Kontrolle an der CASAG die einzelnen Vorhaben des Zusammenschlusses untrennbar miteinander verbunden seien.
V. Rekurs
Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass der Zusammenschluss gemäß § 12 Abs 1 KartG nicht untersagt werde. Hilfsweise wird beantragt, den Zusammenschluss unter im Einzelnen näher bezeichneten Auflagen nicht zu untersagen bzw den Zusammenschluss hinsichtlich des Erwerbs einer Minderheitsbeteiligung von (direkt oder indirekt) 25 % der Anteile an CASAG oder mehr (aber unter 50 %) und hinsichtlich des Erwerbs einer Minderheitsbeteiligung von (indirekt) über 25 % der Anteile an Ö***** Gesellschaft mbH oder mehr (aber unter 50 %) ohne damit verbundener alleiniger oder gemeinsamer Kontrolle an CASAG bzw Ö***** Gesellschaft mbH nicht zu untersagen; hilfsweise wird ein Aufhebungs‑ und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Amtsparteien erstatteten Rekursbeant-wortungen, in denen sie jeweils beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
VI. Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen: Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Soweit die Rekurswerberin in einer „Gesamtschau“ moniert, dass der angefochtene Beschluss „äußerst kurz“ sei, vermag sie damit keine Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung darzutun. Ein – rechtlich allein maßgeblicher – Mangel, der geeignet wäre, die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern (§ 57 Z 4 AußStrG), wird damit nicht aufgezeigt. Daran vermag auch die Verwendung substanzloser Formulierungen (wonach etwa die Entscheidung des Erstgerichts „erstaunlich“ oder dessen Begründung „dürftig“ bzw „befremdlich“ sei, das Erstgericht sich mit Einwänden der Antragsgegnerin „in keiner Weise beschäftigt“ habe oder das Verfahren einen „verheerenden“ Gesamteindruck hinterlasse) nichts zu ändern. Insoweit ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach die bloße, in verschiedenen Formulierungen ausgedrückte, letztlich aber begründungslos bleibende Behauptung, es liege eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor, keine gesetzmäßige Ausführung des Rechtsmittelgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung ist (vgl RIS‑Justiz RS0043605; Fasching , Lehrbuch² Rz 1775; E. Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 471 Rz 9), die sich auch auf andere Rechtsmittelgründe übertragen lässt.
2. Soweit sich die Rekurswerberin daran stößt, dass zum Zeitpunkt der Tagsatzung am 26. 8. 2016 bereits ein – in der Folge ergänzter – Entscheidungsentwurf vorlag, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Vorgangsweise vom Gesetz gedeckt ist. § 414 Abs 2 ZPO sieht nämlich ausdrücklich vor, dass das Urteil zum Zeitpunkt der Verkündung bereits in vollständiger schriftlicher Fassung vorliegt (vgl dazu auch M. Bydlinski in Fasching/Konecny ² § 414 ZPO Rz 5). Dass Besonderheiten des Verfahrens außer Streitsachen insoweit eine abweichende Beurteilung erforderten, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen ist es in Anbetracht der knappen Entscheidungsfristen im Fusionskontrollverfahren in aller Regel geradezu unerlässlich, dass das Erstgericht mit der Abfassung des Entscheidungsentwurfs bereits vor Durchführung der letzten Tagsatzung beginnt.
3.1. Auch die weitere Argumentation der Rekurswerberin, der Verhandlungsschluss sei „zu früh“ erfolgt, weil noch eine Einigung mit den Amtsparteien hätte erreicht werden können, ist nicht stichhaltig. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass § 14 Abs 1 KartG nach dem klaren und unzweideutigen Wortlaut des Gesetzes lediglich die Höchstdauer der dem Gericht für die Fällung der Entscheidung offenstehenden Frist normiert, keineswegs aber eine bestimmte „Wartefrist“ anordnet. Dem Gericht steht nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut die Entscheidungsbefugnis naturgemäß während der gesamten Dauer der Frist (und nicht erst in deren letzter Woche oder an deren letztem Tag) zu.
3.2. Aus der Überschrift zu § 14 KartG („Entscheidungsfristen“) ergibt sich, dass es bei den in dieser Bestimmung genannten Zeiträumen von fünf bzw sechs Monaten um an das Kartellgericht gerichtete Entscheidungsfristen handelt ( Hainz‑Sator in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG 2005² [2016] § 44 Rz 5; Solé , Das Verfahren vor dem Kartellgericht [2006] Rz 147), also um solche Fristen, die dem Kartellgericht längstens zur Verfügung stehen, um eine Entscheidung zu treffen. Weil es sich um eine Entscheidungsfrist für das Gericht handelt, stehen die in § 14 KartG angeführten Zeiträume nicht zur Disposition der Verfahrensparteien.
3.3. In der Entscheidung 16 Ok 10/01 sprach der Oberste Gerichtshof zu § 42b Abs 5 KartG 1988, der im Wesentlichen dem § 14 Abs 1 Satz 1 KartG 2005 entspricht (ErläutRV 926 BlgNR 22. GP S 6 und 10), aus, dass die Entscheidung des Kartellgerichts innerhalb der Frist von fünf Monaten zu erfolgen hat, und dass die Bestimmung Ausdruck des Grundsatzes des Beschleunigungsgebots im Fusionskontrollverfahren ist. Auch dieser Zweck der Regelung zeigt somit eindeutig, dass eine Entscheidung auch vor dem letzten Tag der Entscheidungsfrist ergehen kann.
3.4. Insoweit ist das Rechtsmittel auch nicht gesetzmäßig ausgeführt. Gegenstand der Anfechtung einer Entscheidung wegen eines (sonstigen) Verfahrensmangels können immer nur Gerichtsfehler sein. Voraussetzung ist, dass diese Fehler abstrakt dazu geeignet sind, die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu verhindern ( Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 57 Rz 23; ebenso zur ZPO RIS‑Justiz RS0043049). Solches wird von der Rekurswerberin nicht aufgezeigt (vgl 7 Ob 205/14v).
Insbesondere vermag die Rekurswerberin auch nicht ansatzweise darzutun, inwiefern ohne den ihrer Ansicht nach „verfrühten“ Schluss des Verfahrens ein für sie günstigeres Verfahrensergebnis zu erwarten gewesen wäre. Ihre diesbezüglichen Rekursbehauptungen erschöpfen sich in der Behauptung, dass sie mit der BWB weitere Gespräche geführt hätte. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass bereits seit Monaten Gespräche zwischen der Antragsgegnerin und der BWB geführt wurden, die jedoch ergebnislos verliefen. Bei dieser Sachlage wäre es an der Rekurswerberin gelegen, zum Nachweis der Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen, welches konkrete Verhandlungsergebnis, das zu einer Zurückziehung des Prüfungsantrags geführt hätte, in der letzten Woche der Prüfungsfrist erzielt worden wäre.
3.5. Wenn die Rekurswerberin behauptet, durch den Verhandlungsschluss bzw die Beschlussfassung am 26. 8. 2016 (also eine Woche vor Ende der Entscheidungsfrist) sei ihr die „realistische Möglichkeit“ einer Einigung genommen und „ca ein Viertel der für die Auflagenfindung zur Verfügung stehenden Frist vorenthalten“ worden, so ist dies nicht nur rechnerisch unzutreffend, weil eine Einigung auch schon in der „Phase I“ vor Stellung eines Prüfungsantrags zulässig gewesen wäre, sondern auch mit dem im Beschluss festgehaltenen Ablauf der Verhandlungen über die Auflagen (Beschluss des Erstgerichts S 3, 5, 7 f und 14 ff) nicht in Einklang zu bringen:
Nach dem – vollen Beweis bildenden – Protokoll der Tagsatzung vom 26. 8. 2016 (24 Kt 3/16w‑68) gab der Sachverständige an, die Auflagenvorschläge der Rekurswerberin genau überprüft zu haben; diese seien nicht geeignet, das Entstehen oder Verstärken einer marktbeherrschenden Stellung zu beseitigen oder zu verhindern. Daraufhin räumte der Vorsitzende den Parteien sogar durch Unterbrechung der Verhandlung Zeit für weitere Gespräche ein. In der Folge legte die Rekurswerberin um 11:30 Uhr einen neuen Auflagenvorschlag vor, den BWB und Sachverständiger übereinstimmend dahin beurteilten, dass er keine wesentlichen Veränderungen enthalte.
3.6. Dazu kommt, dass nach dem eigenen Vorbringen der Rekurswerberin noch am Abend des 26. 8. 2016 weitere Verhandlungen über eine Nicht‑Untersagung des Vorhabens unter Auflagen stattfanden, die aber gleichfalls erfolglos blieben. Auch im Zuge einer noch am 28. 8. 2016 geführten Korrespondenz kam es zu keiner einvernehmlichen Lösung.
4.1. Der Rekursgrund der nicht vollständig erledigten Sachanträge in § 57 Z 3 AußStrG entspricht § 496 Abs 1 Z 1 ZPO ( Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 57 Rz 22). Prüfungsmaßstab sind dabei die Sachanträge, also diejenigen Anträge, die Gegenstand des Spruchs einer gerichtlichen Entscheidung sein können. Zu prüfen ist, ob der Spruch der angefochtenen Entscheidung die Anträge der Parteien zur Gänze erledigt hat ( Pimmer in Fasching/Konecny ² § 496 ZPO Rz 12).
4.2. Die Rekurswerberin räumt selbst ein, dass das Erstgericht den von ihr angemeldeten Zusammenschluss in seiner Gesamtheit untersagt hat. Schon aus diesem Grund kann von einer Nichterledigung der Sachanträge keine Rede sein.
4.3. Der Argumentation der Rekurswerberin liegt die Vorstellung zugrunde, sie habe nicht nur den Erwerb von Kontrolle an CASAG angemeldet, sondern „getrennt“ (also offenbar unabhängig) davon auch den Erwerb von mehr als 25 % der Anteile an CASAG und (wiederum unabhängig davon) den Erwerb von 25 % der Anteile an ÖLT, und zwar jeweils ohne Kontrollerwerb. Derartige Minderheitsbeteiligungen wären nach Ansicht der Rekurswerberin separat zu behandeln und nicht zu untersagen gewesen. Dem kann allerdings nicht gefolgt werden:
4.4. Die Rekurswerberin meldete einen in Abschnitt 1 und 3 der Beilage ./A zu ON 1 beschriebenen und wirtschaftlich zusammenhängenden Gesamtvorgang an, der in der Übernahme von Kontrolle an CASAG sowie dem damit einhergehenden Anteilserwerb an CASAG und ÖLG sowie damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Stimmbindungsverträgen in Bezug auf ÖLG bestand. Diese Vorgänge können – wie dies in der Anmeldung auch geschehen ist – unter verschiedene Zusammenschlusstatbestände des § 7 KartG subsumiert werden. Eine Trennung der Teilvorgänge in einzelne Zusammenschlussvorhaben, die nach getrennter Prüfung getrennt freizugeben oder zu untersagen gewesen wären, ist – wie das Erstgericht zutreffend erkannte – nicht durchführbar. Mit dem Kontrollerwerb an CASAG gehen nämlich entsprechende Beteiligungserwerbe an CASAG und (durchgerechnet) an ÖLG einher, was eine isolierte Beurteilung ausschließt.
4.5. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Anmeldung eines Zusammenschlusses nur dann durchgeführt werden, wenn die Absicht der beteiligten Unternehmer erkennbar ist, den angemeldeten Zusammenschluss innerhalb einer absehbaren Zeit vorzunehmen, und wenn Klarheit über die genauen Strukturen des Zusammenschlusses und den Zeitplan zur Umsetzung vorliegt (16 Ok 4/97); „Eventualanträge“ bzw „Eventualanmeldungen“ sind im Rahmen von Zusammenschlussanmeldungen nicht möglich ( Solé , Das Verfahren vor dem Kartellgericht, Rz 391). Dies ergibt sich schon daraus, dass eine präventive Fusionskontrolle nicht mit rein hypothetischen Szenarien befasst werden soll.
4.6. Wenn die Rekurswerberin nunmehr auf dem Standpunkt steht, sie habe in der selben Anmeldung den (direkten und indirekten) Erwerb von Kontrolle an CASAG ebenso angemeldet wie nur den (direkten und indirekten) Erwerb eines nicht kontrollierenden 25 %‑Anteils an CASAG, so widerspricht dies zunächst Abschnitt 1 der Anmeldung (Beilage ./A zu ON 1), in der ausdrücklich der Erwerb von mehr als 50 % der Anteile an CASAG beschrieben wird. Davon abgesehen wäre völlig unklar, durch welche der in der Anmeldung erwähnten Teilvorgänge der nicht‑kontrollierende Beteiligungserwerb von 25 % an CASAG hätte verwirklicht werden sollen und welche Teilvorgänge daher nicht untersagt hätten werden sollen. Eine derartige differenzierte Darlegung wäre aber schon für die Analyse der Marktwirkungen eines Zusammenschlusses von entscheidender Bedeutung, wie die BWB in ihrer Rekursbeantwortung zutreffend aufzeigt.
4.7. Gleiches gilt für die im Rekurs behauptete „getrennte“ Anmeldung einer bloßen Beteiligung von 25 % an ÖLG. Auch hier wäre völlig offen, durch welche der in der Anmeldung genannten Erwerbs‑ und Stimmbindungsvorgänge die (insoweit nicht‑kontrollierende) 25 %‑Beteiligung an ÖLG im Ergebnis hätte herbeigeführt werden sollen. So ist unklar, ob ein kontrollierender oder ein nicht‑kontrollierender Anteilserwerb an CASAG samt Durchrechnung der Beteiligung der CASAG an ÖLG, die ebenfalls in der Anmeldung erwähnten Stimmbindungsverträge oder etwa eine nur eingeschränkte Umsetzung beider Vorgänge zu diesem Ergebnis führen hätte sollen. Auch sind die Marktwirkungen insoweit vollkommen unterschiedlich zu jenen einer Beherrschung von ÖLG im Wege der CASAG.
4.8. Zusammenfassend gelangte das Erstgericht daher zutreffend zu der Auffassung, dass die angemeldeten Teilvorgänge nicht trennbar und somit einheitlich zu prüfen sind. Die Ausführungen zu den behaupteten „Komplementaritätsbeziehungen“ zwischen der Antragsgegnerin und CASAG sind bei nicht‑kontrollierenden Minderheitsbeteiligungen in der Regel nicht relevant. Eine von der Rekurswerberin behauptete Bereinigung der Gesellschafterstruktur und der Finanzierungsstrategien kann durch nicht‑kontrollierende Minderheitsbeteiligungen regelmäßig nicht erreicht werden.
4.9. Auch die zwei in der Anmeldung angeführten (bedingten) Stimmbindungsverträge mit einzelnen Anteilseignern an der ÖLG stehen offensichtlich im Zusammenhang mit den anderen beschriebenen Teilvorgängen bzw sind nur in diesem Zusammenhang sinnvoll. Deren isolierte (und vom Kontrollerwerb an CASAG und dem durchgerechneten „restlichen“ Beteiligungserwerb an ÖLG getrennte) Prüfung wäre sinnwidrig.
5. Soweit sich die Rekurswerberin auf Begründungsmängel (§ 57 Z 1 AußStrG) beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass derartige Begründungsmängel nur vorliegen, wenn die Fassung des angefochtenen Beschlusses so mangelhaft ist, dass seine Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, der Beschluss mit sich selbst im Widerspruch steht oder überhaupt keine Begründung enthält. Diese Begründungsmängel entsprechen den von § 477 Abs 1 Z 9 ZPO erfassten Mängeln (RIS‑Justiz RS0007484; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 57 Rz 14). Ein Begründungsmangel in diesem Sinne läge nur bei völligem Fehlen einer Begründung vor (16 Ok 7/11; 16 Ok 8/13; Kodek aaO § 57 Rz 16). Von einem generellen Mangel an Gründen (vgl 16 Ok 4/15x mwN) kann keine Rede sein. Zudem muss nicht zu jeder einzelnen von der Rekurswerberin im erstinstanzlichen Verfahren aufgeworfenen Frage eine eigene rechtliche Begründung abgegeben werden (RIS‑Justiz RS0042203).
6.1. Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht wird ausschließlich als Rechtsinstanz tätig. Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Oberste Gerichtshof nicht berufen (RIS‑Justiz RS0123662; Hainz‑Sator in Petsche/Urlesberger/Vartian , KartG 2005² § 49 Rz 25). Schon im Hinblick auf die Unanfechtbarkeit der Beweiswürdigung geht das Argument der Rekurswerberin ins Leere, das Erstgericht hätte den Darlegungen des Sachverständigen nicht folgen dürfen.
6.2. Dass die wissenschaftliche Untersuchungs-methode des Gerichtssachverständigen für die Marktabgrenzung und die Ermittlung der Marktanteile untauglich wäre (vgl dazu 16 Ok 8/10; Hainz‑Sator in Petsche/Urlesberger/Vartian , KartG 2005² § 49 Rz 29), wird im Rekurs nicht behauptet. Der Sachverständige analysiert in seinem Gutachten eingehend die Präferenzen der Konsumenten von Glücksspielangeboten und legt seiner Analyse das nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung anerkannte Bedarfsmarktkonzept (16 Ok 8/10; Schumacher/Vartian in Petsche/Urlesberger/ Vartian , KartG 2005² § 4 Rz 23) zugrunde.
6.3. Ausgehend von dem eingeholten Sachverständigengutachten stellte das Erstgericht fest, dass innerhalb der regulatorischen Grenzen des Glücksspielgesetzes Wettbewerb stattfindet. Dabei grenzt das Erstgericht die sachlichen und räumlichen Märkte nach der Art des Glücksspiels und dem Einzugsradius ab und gelangt zu dem Ergebnis, dass die Zusammenschlussparteien in den festgestellten Märkten über Marktanteile zwischen 68 % bis 100 % verfügen. Ausgehend von diesen Feststellungen des Erstgerichts versagt auch die Rechtsrüge.
6.4. Die wiederholte Behauptung im Rechtsmittel, aufgrund der strengen gesetzlichen Vorgaben des Glücksspielgesetzes finde im Markt kein Wettbewerb statt, der Wettbewerb finde vielmehr lediglich um den Markt statt, entfernt sich von den Feststellungen des Erstgerichts und ist damit unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0043312). Im Übrigen ist der Sachverständige in seinem Gutachten auf die diesbezüglichen Argumente der Rekurswerberin eingegangen und hat diese als nicht zutreffend aufgezeigt (Gutachten ON 24 S 43).
7.1. Warum die im Bereich des Glücksspielgesetzes bestehende öffentlich‑rechtliche Regulierung die parallele Anwendung der Normen der Zusammenschlusskontrolle verhindern soll, wie die Rekurswerberin meint, ist nicht ersichtlich. Nach ständiger Rechtsprechung zum Unionsrecht wird nämlich die Anwendbarkeit von Wettbewerbsregeln durch das Bestehen von Regulierungsregeln nicht ausgeschlossen. Vielmehr bleiben die Wettbewerbsregeln anwendbar, soweit im Rahmen der Regulierung Raum für Wettbewerb bleibt (EuGH Rs 40/73 – Suiker Unie, Rn 19/23; EuG Rs T-202/98 ua – Tate & Lyle Rn 44 ff, EuGH C‑359/95p – Ladbroke Racing Rn 33 f; EuG Rs T‑228/97 – Irish Sugar Rn 130). Dies gilt auch für die Beurteilung einer Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch einen Zusammenschluss im Rahmen der Fusionskontrolle (vgl ausdrücklich zu Wettmärkten COMP/M. 1411 – Deutsche Bank/Coral Rn 9 ff unter Hinweis auf EuGH C‑359/95p).
7.2. In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Anwendung der Bestimmungen zur Missbrauchskontrolle nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass ein Tarif durch eine Regulierungsbehörde genehmigt wurde (16 Ok 11/04; 16 Ok 13/08).
7.3. Auch in Deutschland entspricht es herrschender Auffassung, dass die Normen der Zusammenschlusskontrolle auch in Märkten anzuwenden sind, die strenger öffentlich‑rechtlicher Regulierung unterliegen (vgl die Nachweise aus der Rechtsprechung des BGH bei Bechtold/Bosch , KartG 8 § 36 GWB Rz 8). Demgemäß wurden in Deutschland allein zwischen 2003 und 2007 mehr als 70 Fusionskontrollverfahren im Krankenhausbereich durchgeführt, wovon vier zu Untersagungen führten (vgl Bechtold/Bosch , KartG 8 § 36 GWB Rz 8 mwN). Soweit Bosch (in Bechtold/Bosch aaO) diese Auffassung teilweise kritisiert und hier für eine differenzierende Sichtweise eintritt, beruht dies auf seiner Einschätzung, dass etwa bei Verkehrsunternehmungen in Hinblick auf die öffentlich‑rechtlichen Regulierungen dieses Sektors keine erheblichen wettbewerblichen Spielräume bestünden. Diese Einschätzung lässt sich jedoch nicht auf das im vorliegenden Fall zu beurteilende Glücksspiel übertragen, weil hier ein Spielraum für Wettbewerb vorliegt.
7.4. Die Anwendung beider Normkomplexe nebeneinander ergibt sich schon aus der unterschiedlichen Zielsetzung der Regelungen. Zweck der Zusammenschlusskontrolle iSd §§ 7 ff KartG ist es, im Rahmen einer ex ante‑Prüfung die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung iSd § 4 KartG zu verhindern. Das Glücksspielgesetz verfolgt dagegen die Zielsetzung, Glücksspiel nur in geregelten Bahnen stattfinden zu lassen. Diese divergierenden Zielsetzungen schließen einander nicht aus. Zutreffend verweist das Erstgericht auf die Gefahren, die das Glücksspiel mit sich bringt. Diesen Gefahren begegnet der mit dem Glücksspielgesetz normierte Regulierungsrahmen (vgl dazu auch VfGH E 945/2016 ua). Im Rahmen dieser Regulierung kann sich Wettbewerb jedoch insoweit förderlich auswirken, als dieser durch Verbesserung des Angebots ein Abdriften des Sektors in die Illegalität verhindern kann.
7.5. Völlig zutreffend hat daher das Erstgericht ausgeführt, dass Wettbewerb mit dem Glücksspielgesetz grundsätzlich vereinbar ist und in den österreichischen Glücksspielmärkten möglich ist. Der Sachverständige ist ausführlich auf die wettbewerblichen Spielräume, die sich den Unternehmen trotz Regulierung bieten, eingegangen. Der Rechtsstandpunkt der Rekurswerberin, der Fokus wäre allein auf den Wettbewerb um den Markt und nicht auf jenen im Markt zu legen, ist schon im Hinblick auf die langen Konzessionslaufzeiten (zB 15 Jahre bei Neuausschreibungen von Casinos) nicht überzeugend.
8. Die vom Sachverständigen festgestellten Marktanteile von 68 % bis 100 % überschreiten die gesetzliche Marktbeherrschungsvermutung des § 4 Abs 2 KartG bei weitem. Die Behauptung der Rekurswerberin, sie hätte die gesetzliche Vermutung der Marktbeherrschung widerlegt, unterlässt es darzulegen, aus welchem (festgestellten) Sachverhalt oder auch nur aufgrund welcher Beweismittel sich eine derartige Widerlegung ableiten ließe.
9. Zusammenfassend erweist sich der angefochtene Beschluss daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Rekurs ein Erfolg zu versagen war.
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