European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00023.23Y.0627.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten C* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Freisprüche zweier Mitangeklagter und des Angeklagten * C* enthaltenden Urteil wurde Letzgenannter des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 9. Februar 2021 in G* als Beamter (§ 74 Abs 1 Z 4 StGB) mit dem Vorsatz, die Republik Österreich „in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Überprüfung von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 57a Abs 4 KFG“ (siehe aber RIS‑Justiz RS0096270 [insb T12], jüngst eingehend 14 Os 104/22h [Rz 11 bis 13 mwN]; Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 161) und an ihrem Recht auf (gemeint) Ausschluss nicht verkehrs-, betriebssicherer und umweltverträglicher Fahrzeuge von der Teilnahme am Straßenverkehr zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er als zur wiederkehrenden Begutachtung nach § 57a KFG Ermächtigter (US 5) ein positives Gutachten nach § 57a KFG für das Kraftfahrzeug der Marke Opel Vivaro mit einem im Urteil bezeichneten behördlichen Kennzeichen ausstellte, obwohl dieses Fahrzeug schwere Mängel aufwies, weil es ein Radialspiel von mehr als 2 mm am linken Spurstangengelenk hatte und die linke hintere Lenklagerung ca 10 mm ausgeschlagen war, weshalb es nicht den gesetzlichen Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit entsprach.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten C*, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Den festgestellten Vorsatz des Angeklagten, die Republik Österreich durch die Tathandlung an ihrem Recht auf ausschließliche Zulassung von jenen Fahrzeugen zum öffentlichen Verkehr, die den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit entsprechen, zu schädigen (US 6), leiteten die Tatrichter – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit unbedenklich (RIS‑Justiz RS0116882, RS0098671) – (auch) aus dem äußeren Geschehen ab (US 9 f). Ins Kalkül zogen sie dabei darüber hinaus die jahrelange Tätigkeit des Angeklagten C* als zur wiederkehrenden Begutachtung nach § 57a KFG Ermächtigter, die hohe Anzahl der von ihm monatlich durchgeführten Begutachtungen, dessen regelmäßige Weiterbildungen und Schulungen im Bereich solcher Überprüfungen und den Inhalt der amtlichen Formulare betreffend die zu überprüfenden Fahrzeugbereiche. Daraus schlossen sie, der Angeklagte habe bei der gegenständlichen Überprüfung Kenntnis von den schweren Mängeln des Fahrzeugs gehabt, bei der dennoch erfolgten Erstellung des positiven Gutachtens seine Befugnis wissentlich missbraucht und darüber hinaus mit entsprechendem Schädigungsvorsatz gehandelt. Zudem erwogen sie, dass C* bereits eine rechtskräftige Vorverurteilung wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt im Zusammenhang mit einer nicht ordnungsgemäßen Begutachtung nach § 57a KFG aufweist (US 10).
[5] Der Vorwurf fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Konstatierungen zum Schädigungsvorsatz des Angeklagten orientiert sich nicht an der Gesamtheit dieser Entscheidungsgründe. Solcherart erweist sich die Mängelrüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS‑Justiz RS0119370).
[6] Welcher weiteren Feststellungen es zum Schädigungsvorsatz, über die dazu getroffenen Konstatierungen des Erstgerichts hinaus (US 6, vgl auch US 2; RIS‑Justiz RS0114639), bedurft hätte, erklärt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht (siehe aber RIS‑Justiz RS0095939).
[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[8] Bleibt festzuhalten, dass auf die vom Angeklagten C* selbst verfasste „Beschwerde“ (Eingabe vom 21. Februar 2023) wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels nicht einzugehen war (RIS‑Justiz RS0100170, RS0100216).
[9] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die – gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtende – Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
Hinzugefügt sei:
[10] Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten C* nach § 302 Abs 1 StGB „unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB“ auf das am 20. Mai 2021 in Rechtskraft erwachsene Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 14. September 2020, AZ 612 Hv 16/19p, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe (US 2).
[11] Die Bedachtnahme auf ein Vor-Urteil gemäß § 31 StGB ist geboten, wenn sämtliche der nachträglichen Verurteilung zugrunde liegenden Taten vor dem Vor‑Urteil erster Instanz verübt wurden (Ratz in WK2 StGB § 31 Rz 2 mwN; RIS‑Justiz RS0112524 [T10, T12, T13]). Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil die gegenständliche Tat nach den Urteilskonstatierungen (US 2, 5 f) am 9. Februar 2021, somit nach dem genannten Zeitpunkt begangen wurde. Solcherart hat das Erstgericht – zum Vorteil des Angeklagten, unbekämpft geblieben und folglich unter Nichtigkeitsaspekten unbeachtlich (vgl RIS‑Justiz RS0099852, RS0088469, RS0108409; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 667) – eine Zusatzstrafe verhängt, obwohl die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 StGB nicht vorlagen.
[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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