OGH 14Os125/14k

OGH14Os125/14k16.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Juni 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zonsics als Schriftführer in der Strafsache gegen Zimbri S***** und Sevim Sa***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 erster Satz StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Zimbri S***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 29. Jänner 2014, GZ 210 Hv 1/14t‑102, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der zu (3) angelasteten Taten auch unter § 153e Abs 1 Z 1 StGB, demzufolge auch in den Strafaussprüchen zu beiden Angeklagten aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Dem Angeklagten Zimbri S***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Zimbri S***** und Sevim Sa***** jeweils mehrerer Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1, Abs 2, Abs 5 Z 3 und 4 (iVm § 161 Abs 1 erster Satz) StGB (2), der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e Abs 1 Z 1 und Z 2 erster Fall, Abs 2 StGB (3) sowie des betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungs-beiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungsgesetz nach § 153d Abs 1 und Abs 3 StGB (4), Erstgenannter zudem des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 (iVm § 161 Abs 1 erster Satz) StGB (1) schuldig erkannt.

Danach haben sie in G***** jeweils als Geschäftsführer der S***** GmbH

(1) Zimbri S***** am 8. Dezember 2009 das Vermögen der genannten Gesellschaft wirklich verringert und dadurch die Befriedigung wenigstens eines von deren Gläubigern geschmälert, indem er zwei schriftliche Rechnungen des Unternehmens über insgesamt 140.400 Euro inklusive Umsatzsteuer an seine Ehefrau Radije S***** legte, die lediglich einer (teilweisen) buchhalterischen Gegenverrechnung von an die S***** GmbH gerichteten Rechnungen der I***** GmbH dienten, welche tatsächlich unmittelbar von Radije S***** bezahlt worden waren, während Zahlungen der Radije S***** an die S***** GmbH niemals erfolgten, sodass das Vermögen der S***** GmbH ohne rechtliche oder tatsächliche Veranlassung mit der kraft Rechnungslegung von der S***** GmbH abzuliefernden Umsatzsteuer in der Höhe von 23.400 Euro belastet wurde;

(2) Zimbri S***** und Sevim Sa*****,

1) Erstgenannter ab 16. Juli 2008 und Zweitgenannter ab 1. Oktober 2009 bis jeweils 31. Dezember 2009 grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens herbeigeführt und

2) von 1. Jänner bis 26. November 2010 in fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit grob fahrlässig die Befriedigung wenigstens eines der Gläubiger der Gesellschaft geschmälert, indem sie jeweils entgegen den Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens

a) dadurch übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieben, dass sie deren Mitarbeitern über die offiziellen Gehälter hinaus hohe Schwarzlöhne ausbezahlten, sodass die Aufwendungen für Personalkosten in keiner Relation zu den (einzigen) Einkünften aus Arbeitsleistungen dieser Mitarbeiter für zwei im Urteil namentlich genannte Auftraggeber standen und

b) Geschäftsbücher und geschäftliche Aufzeichnungen so führten, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft erheblich erschwert wurde;

(3) Zimbri S***** alleine von 16. Juli 2008 bis Dezember 2008, Zimbri S***** und Sevim Sa***** im einverständlichen Zusammenwirken von 1. Oktober 2009 bis 26. November 2010 gewerbsmäßig teils Personen zur unselbständigen Erwerbstätigkeit ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung angeworben, teils eine größere Anzahl von illegal erwerbstätigen Personen beschäftigt, indem sie bis zu 25, im Urteil namentlich genannte Mitarbeiter gleichzeitig zum Kollektivvertragslohn zur Sozialversicherung anmeldeten, tatsächlich aber weitaus höhere Stundenlöhne bezahlten;

(4) Zimbri S***** alleine von 16. Juli 2008 bis Dezember 2008, Zimbri S***** und Sevim Sa***** im einverständlichen Zusammenwirken von 1. Oktober 2009 bis 26. November 2010 als Dienstgeber Beiträge zur Sozialversicherung dem berechtigten Sozialversicherungs-träger betrügerisch vorenthalten.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus den Gründen der Z 5 und Z 9 lit a StPO des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Zimbri S***** kommt teilweise Berechtigung zu.

Zutreffend moniert die Beschwerde nämlich zum Schuldspruch 3 wegen des Vergehens nach § 153 Abs 1 Z 1 StGB einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) hinsichtlich des Tatbildmerkmals des „Anwerbens“.

§ 153e Abs 1 StGB stellt jeweils innerhalb der beiden Tatbestände der Z 1 und 2 ein alternatives Mischdelikt mit untereinander gleichwertigen Begehungsweisen, im Verhältnis der drei Tatbestände der Z 1 bis 3 zueinander hingegen ein kumulatives Mischdelikt dar (Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153e Rz 19).

Nach den Materialien zum Sozialbetrugsgesetz ‑ SozBeG, BGBl I 2004/152, soll „die Beschäftigung unselbständiger illegaler Arbeitskräfte oder die Beauftragung selbständiger illegaler Erwerbstätiger, um gerichtliche Strafbarkeit zu begründen, einen über ein gewöhnliches Ausmaß hinausgehenden größeren Umfang erreichen“ (EBRV 698 BlgNR 22. GP 10). In diesem Sinn setzt die Z 2 des § 153e Abs 1 StGB das (gleichzeitige) Beschäftigen oder Beauftragen jeweils „einer größeren Zahl von Personen“ voraus (worunter ‑ als Richtwert ‑ etwa zehn Personen zu verstehen sind; vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153e Rz 12 f), während sich das Anwerben, Vermitteln oder Überlassen nach Z 1 ‑ dem im Gesetz verwendeten schlichten Plural zufolge (vgl Reindl-Krauskopf, Kirchmayr-Schliesselberger, Windisch-Graetz, Meissnitzer, Endbericht zum Forschungsprojekt „Sozialbetrug, auch im Zusammenhang mit Lohn- und Sozialdumping“ S 185; Meissnitzer, JBl 2013, 468 [470]) ‑ auf (bloß) zumindest zwei „illegal erwerbstätige Personen“ (zum Begriff: Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153e Rz 6 f) beziehen muss.

Bereits aus der unterschiedlichen Anzahl betroffener Personen einerseits und dem Umstand jeweils gleicher Strafdrohung andererseits erhellt, dass den Tathandlungen der Z 1 ein wesentlich höherer Unrechtsgehalt innewohnt als jenen der Z 2.

Wenngleich die unterschiedliche Interpretation ein und desselben Rechtsbegriffs keineswegs völlig ausgeschlossen ist (vgl Markel, WK-StPO § 1 Rz 38), so legt doch die durchwegs kongruente Auslegung des ‑ nicht nur im StGB ‑ mehrfach verwendeten Begriffs des „Anwerbens“ (vgl Schwaighofer in WK2 StGB § 104a Rz 5a sowie Philipp in WK2 StGB § 215a Rz 7 und § 217 Rz 17; vgl auch Lässig in WK2 VerbotsG § 3a Rz 8) zumindest nahe, dass der Gesetzgeber damit ‑ und somit auch in § 153e Abs 1 Z 1 StGB (vgl Reindl-Krauskopf ua, Endbericht S 186) ‑ stets vergleichbare Handlungsweisen erfasst wissen wollte, nämlich ein intensives Betreiben oder ein Einwirken des Täters auf eine bestimmte (meist schützenswerte) Person, das darauf gerichtet ist, eine Vereinbarung oder einen Vertragsabschluss mit ihr herbeizuführen.

Die (rechtliche) Annahme eines „Anwerbens“ im Sinn der Z 1 des § 153e Abs 1 StGB hätte demnach konkreter ‑ hier nicht getroffener ‑ Feststellungen über ein intensives Einwirken der Angeklagten auf die im Urteil näher bezeichneten illegal beschäftigten Personen bedurft, um in ihnen einen auf das Zustandekommen der Beschäftigungsverhältnisse bezogenen Willensentschluss zu erwecken.

Die Urteilskonstatierung, wonach die beiden Angeklagten illegal erwerbstätige Personen „für die S***** GmbH unter Vertrag nahmen“ (US 11), vermag daher den Schuldspruch (auch) nach § 153e Abs 1 Z 1 StGB (3) nicht zu tragen, bildet aber ein hinreichendes Sachverhaltssubstrat für die Annahme eines ihnen ebenfalls zur Last gelegten „Beschäftigens“ im Sinn der Z 2 der zitierten Bestimmung.

Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen wirkte sich auch zum Nachteil des Angeklagten Sevim Sa***** aus, der das Urteil nicht angefochten hat (ON 101 S 13), und war daher von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) wahrzunehmen.

Dies erfordert die Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) samt Rückverweisung der Sache an das Erstgericht.

Im Übrigen verfehlt die Nichtigkeitsbeschwerde ihr Ziel:

Soweit sie (nominell aus Z 5, der Sache nach Z 10) bezogen (ersichtlich gemeint:) auf den Schuldspruch 3 Feststellungen zur

zeitlichen Komponente der

Gewerbsmäßigkeit (Jerabek in WK² StGB § 70 Rz 7; RIS‑Justiz RS0107402) und einen entsprechenden Sachverhaltsbezug der verwendeten verba legalia vermisst, übergeht sie die entsprechenden Sachverhaltsannahmen der Tatrichter (US 12) und verfehlt solcherart den (auf der Sachverhaltsebene) in der Gesamtheit der erstrichterlichen Konstatierungen gelegenen Bezugspunkt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584). Welche darüber hinausgehenden Konstatierungen für die vorgenommene Subsumtion erforderlich sein sollten, erklärt sie nicht.

Dass die Urteilsannahmen zum Schuldspruch 3, nach denen eine Anmeldung der bei der S***** GmbH beschäftigten Personen zur Sozialversicherung ‑ wenn auch lediglich zum Kollektivvertragslohn und nicht zum tatsächlich geschuldeten und bezahlten (weitaus höheren) Stundenlohn ‑ vorgenommen wurde (US 12), der rechtlichen Beurteilung des Täterverhaltens als Vergehen der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e Abs 1 Z 2 erster Fall, Abs 2 StGB entgegenstehe, behauptet die Rechtsrüge (Z 9 lit a), ohne diese Konsequenz

methodengerecht aus dem Gesetz abzuleiten (vgl RIS-Justiz RS0116565). Die dazu ins Treffen geführte Literaturstelle (Reindl-Krauskopf, Sozialbetrug aus strafrechtlicher Sicht, DRdA 2008, 391) ist insoweit nämlich ebenso wenig ergiebig wie die von der Beschwerde angesprochenen Materialien (EBRV 698 BlgNR 22. GP 4).

Mit Blick auf § 290 StPO bleibt anzumerken, dass sich das Vorliegen einer „erforderlichen“ Anmeldung zur Sozialversicherung danach richtet, ob die Anmeldepflichten des § 33 ASVG erfüllt wurden. Dies trifft somit nicht zu, wenn zu den von der Meldepflicht nach den §§ 33, 34 ASVG umfassten Umständen ‑ hier der Höhe der tatsächlichen Beitragsgrundlage (vgl § 44 ASVG) ‑ falsche Angaben gemacht werden (in diesem Sinn 12 Os 27/13g; ebenso Reindl-Krauskopf ua, Endbericht S 183 f; Meissnitzer, JBl 2013, 468 [470]; vgl auch 15 Os 87/12a, JBl 2013, 464; zur echten Konkurrenz von § 153d StGB und § 153e StGB Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153e Rz 20).

Mit dem Vorbringen, die „Bereicherung im Sinne einer Gewerbsmäßigkeit“ müsse sich „direkt durch die strafbare Handlung ergeben“, während es nicht ausreiche, dass „durch die 'illegale' Beschäftigung das Fortkommen einer Firma gefördert“ werde, „welche dem Beschwerdeführer ein Geschäftsführerentgelt bezahlte“, orientiert sich die Rüge zum Schuldspruch 3 (Z 10) erneut prozessordnungswidrig nicht am festgestellten Urteilssachverhalt, wonach Zimbri S***** zunächst die gesamten und ab 15. September 2009 immer noch 50 % der Geschäftsanteile an der S***** GmbH hielt (US 8). Weshalb der aus dem wirtschaftlichen Mittelzufluss, den der Beschwerdeführer demnach als Gesellschafter des Unternehmens durch seine Tathandlungen für diese Gesellschaft bewirkte, resultierende Vorteil nicht unmittelbare wirtschaftliche Folge der Taten sein und es davon ausgehend für die Annahme von Gewerbsmäßigkeit darauf ankommen sollte, ob er diesen unmittelbar aus der Tat oder auf dem Umweg über einen Dritten erlangte (vgl dazu RIS-Justiz RS0092444, RS0086573), legt die Beschwerde erneut nicht dar.

Ein weiteres Mal ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz stellt die weitere Subsumtionsrüge zum Schuldspruch 1 (Z 10) die bloße Rechtsbehauptung auf, einer Verurteilung wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 StGB stehe vorliegend § 22 Abs 2 FinStrG entgegen. Sie lässt solcherart offen, aus welchem Grund die in letzterer Bestimmung enthaltene Subsidiaritäts-klausel ‑ entgegen dem Gesetzeswortlaut und den Materialien zur Finanzstrafgesetznovelle 1975 BGBl 1975/335 (auch entgegen ständiger Rechtsprechung [RIS-Justiz RS0118271] und dem überwiegenden Teil der Lehre) ‑ neben der damit normierten Verdrängung des Täuschungstatbestands (§ 108 StGB) und der Betrugstatbestände ‑ also des Grundtatbestands (§ 146 StGB) sowie dessen Qualifikationen (§§ 147, 148 StGB) und dessen Privilegierung (§ 150 StGB) ‑ auf weitere strafbare Handlungen des Strafgesetzbuchs auszudehnen sein sollte (Lässig in WK2 FinStrG § 22 Rz 8 mwN und Auseinandersetzung mit gegenteiligen Auffassungen).

Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bei der

nichtöffentlichen Beratung sofort

zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Zimbri S***** auf den kassatorischen Teil der Entscheidung verwiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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