European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00042.15Y.0630.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen der Inna K***** wegen in Bezug auf in den Jahren 2008 bis 2010 geschuldete Kapitalertragsteuer begangener Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG (A/I, A/II und A/III) und wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 FinStrG (B), in den Schuldsprüchen des Genadij A***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG, und zwar hinsichtlich der Jahre 2008 und 2009 (A/I und A/II) in Bezug auf die Kapitalertragsteuer und hinsichtlich des Jahres 2010 (A/III) zur Gänze, sowie demzufolge auch in den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Genadij A***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Inna K***** und Genadij A***** mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG (A) sowie Inna K***** mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 FinStrG (B) schuldig erkannt.
Danach haben im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Wien 2/20/21/22
A/ Inna K***** als für die abgabenrechtlichen Belange verantwortliche unternehmensrechtliche Geschäftsführerin und Genadij A***** als für die abgabenrechtlichen Belange verantwortlicher faktischer Geschäftsführer der G***** GmbH im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 11
[zu ergänzen erster Fall] FinStrG) dadurch, dass sie Umsätze nicht vollständig in der Buchhaltung erfassten und darauf beruhende Steuererklärungen abgaben, vorsätzlich und gewerbsmäßig unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung von Abgaben bewirkt, und zwar
I) für das Jahr 2008 an Umsatzsteuer um 9.300 Euro, an Körperschaftsteuer um 6.237,18 Euro und an Kapitalertragsteuer um 18.600 Euro;
II) für das Jahr 2009 an Umsatzsteuer um 14.800 Euro, an Körperschaftsteuer um 13.905,15 Euro und an Kapitalertragsteuer um 29.600 Euro;
II) für das Jahr 2010 an Umsatzsteuer um 14.000 Euro, an Körperschaftsteuer um 8.257 Euro und an Kapitalertragsteuer um 28.000 Euro;
B/ Inna K***** als unternehmensrechtliche Geschäftsführerin der G***** GmbH zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten am 15. des zweitfolgenden Kalendermonats vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen „für den Zeitraum Jänner bis August 2011“ in der Höhe von 10.000 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, indem sie weder Umsatzsteuervoranmeldungen einbrachte noch Umsatzsteuervorauszahlungen entrichtete, wobei sie in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Abgabenhinterziehungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
Rechtliche Beurteilung
Die aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Genadij A***** geht fehl.
Nach den Feststellungen führten die Angeklagten Inna K***** und Genadij A***** die Buchhaltung gemeinsam, wobei sie im Lauf der Zeit übereinkamen, die im Unternehmen erzielten Umsätze in der Buchhaltung zur Vergrößerung ihres persönlichen Gewinns nicht vollständig zu erfassen. Dementsprechend wurde im allseitigen Einverständnis kein Kassabuch geführt. Von den tatsächlichen Erlösen wurde nur etwa die Hälfte steuerlich erfasst. Zusätzlich wurde bei der Anschaffung von „Taxifahrzeugen“ in den Verträgen nachträglich ein höherer Kaufpreis eingetragen, um die Betriebsausgaben zum Schein zu erhöhen (US 8).
Indem sich die Mängelrüge (Z 5) gegen festgestellte Verstöße bei der Führung der Buchhaltung wendet und vorbringt, es sei keinesfalls mit der notwendigen Klarheit konstatiert worden, dass Genadij A***** Manipulationen in der Buchhaltung vorgenommen habe, spricht sie keine für den Schuldspruch nach § 33 Abs 1 FinStrG entscheidende Tatsache an (RIS-Justiz
RS0087191 [T11]). Im Übrigen hat das Erstgericht seine aus der geständigen Verantwortung der Inna K***** (US 11) abgeleitete Überzeugung, dass auch der Beschwerdeführer mit der Buchführung betraut war und dabei in Umsetzung des Tatplans in Vorbereitung der Abgabenverkürzungen gegen den Grundsatz der Bilanzwahrheit verstieß, durch die oben referierten Feststellungen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Die behauptete
Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt daher nicht vor.
Der weitere Vorwurf, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite, wonach die Angeklagten wussten, dass sie als Geschäftsführer der G***** GmbH zur wahrheitsgemäßen Erklärung und Entrichtung der im Urteilsspruch genannten Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer verpflichtet waren, jedoch entgegen der sie treffenden abgabenrechtlichen Anzeige‑, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten die im Urteil bezeichneten Verkürzungen an Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer bewirken wollten und dabei jeweils in der Absicht handelten, sich durch die wiederkehrende Begehung von Abgabenverkürzungen eine fortlaufende Einnahme zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts für zumindest mehrere Jahre zu verschaffen (US 9), seien undeutlich, kann nicht nachvollzogen werden.
Die Feststellungen zur Tätigkeit des Genadij A***** in der G***** GmbH als faktischer Geschäftsführer leiteten die Tatrichter nicht nur aus der Ausstellung einer Generalvollmacht ab (US 12 bis 15). Soweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) nicht von der Gesamtheit der Entscheidungsgründe ausgeht, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS‑Justiz RS0119370).
Der von den Tatrichtern gezogene Schluss vom gezeigten Verhalten auf das diesem zugrunde liegende Wissen und Wollen ist nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882).
Mit der Verantwortung des Genadij A***** hat sich das Erstgericht dem Vorwurf der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider sehr wohl auseinandergesetzt, diese aber als Schutzbehauptung verworfen (US 14).
Die Tatrichter gingen davon aus, dass den für die Gesellschaft tätigen Taxilenkern die Gesellschaftsverhältnisse nicht bekannt waren, wobei auch die Aussage des Zeugen N***** Berücksichtigung fand (vgl US 13 f). Angaben des Genannten, wonach der Beschwerdeführer nicht einmal entscheiden durfte, ob neue Reifen gekauft werden sollen, standen den Festellungen zur tatsächlichen Leitung der Geschäfte der GmbH durch Genadij A***** nicht als erörterungsbedürftig entgegen.
Von der Mängelrüge behauptete Depositionen dahingehend, dass der Beschwerdeführer mit der Buchhaltung nichts zu tun hatte, finden sich in der Aussage des Zeugen N***** nicht (ON 65 S 24). Angaben dazu, wen die „Abgabenverpflichtung“ traf, wären im Fall des Vorkommens im Übrigen zu Recht unberücksichtigt geblieben (vgl RIS‑Justiz RS0097540).
Die Aussage des Zeugen A***** blieben von den Tatrichtern nicht unberücksichtigt, sondern wurden als unglaubwürdig verworfen (US 15). Zu einer Erörterung einzelner Details dieser Aussage war das Erstgericht schon mit Blick auf das
Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0106642).
Mit der Kritik, die Finanzstrafbehörde habe die Verantwortung der Erstangeklagten im Gegensatz zum Erstgericht als absolut unglaubwürdig eingestuft, zeigt die Mängelrüge keinen Begründungsmangel auf.
Mit dem Einwand des Fehlens von Feststellungen zur Annahme einer faktischen Geschäftsführung (der Sache nach ausschließlich Z 9 lit a) ist der Beschwerdeführer auf die Erledigung der Rechtsrüge zu verweisen.
Die vermisste Erörterung (Z 5 zweiter Fall) der vom Verteidiger der Erstangeklagten vorgelegten Beilage ./V zu ON 65 findet sich auf US 14.
Mit der als unglaubwürdig verworfenen Einlassung des Beschwerdeführers (US 14) musste sich das Erstgericht nicht im Detail befassen.
Mit eigenen Beweiswerterwägungen zum Umstand, dass sich die Angeklagten seit Jugendtagen kennen und zur urteilsfremden Prämisse, dass zwischen ihnen ein großes Vertrauensverhältnis bestanden habe, zeigt die Rüge kein Begründungsdefizit der Feststellungen zur faktischen Geschäftsführung auf.
Der den Verfahrensergebnissen vom Schöffengericht jeweils zuerkannte Beweiswert, mithin auch die dem Zeugen A***** aufgrund der Widersprüchlichkeit seiner Angaben versagte Überzeugungskraft seiner Aussage, kann nicht als unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) bekämpft werden.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).
Zur prozessförmigen Ausführung einer Rechtsrüge genügt es nicht, die angestrebte rechtliche Konsequenz (Schuldspruch statt Freispruch oder umgekehrt oder Änderung der rechtlichen Unterstellung) zu behaupten. Diese ist vielmehr methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (RIS‑Justiz RS0116569).
Welcher zusätzlichen Feststellungen es zur Annahme der finanzstrafrechtlichen Verantwortung des Beschwerdeführers als faktischem Geschäftsführer (vgl dazu US 8 und 12 ff) oder zur Annahme der subjektiven Tatseite bedurft hätte (US 9), legt die nicht am Urteilssachverhalt orientierte Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar. Einer Erwiderung ist ein solches Vorbringen nicht zugänglich.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass ‑ wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt ‑ zum Nachteil beider Angeklagter das Strafgesetz vom Erstgericht mehrfach unrichtig angewendet wurde (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
1. Zu den Schuldsprüchen A/I bis III und dort angelasteter Verkürzung von Kapitalertragsteuer:
a) Die angefochtene Entscheidung konstatiert Verkürzungen an Kapitalertragsteuer, trifft aber zu zugeflossenen Kapitalerträgen, also zu den Umständen, die Steuerpflicht nach § 93 EStG idF BGBl I 2006/100 und idF BGBl I 2009/52 ausgelöst haben sollen, keine Feststellungen (US 8 f). Damit fehlt den Schuldsprüchen die Subsumtionsbasis.
b) In Finanzstrafsachen ist im Bereich der Kapitalertragsteuer selbständige Tat das Unterlassen der auf einen bestimmten Ertragszufluss bezogenen Kapitalertragsteuer‑Abfuhr (§ 96 Abs 1 EStG) unter Verletzung der korrespondierenden (§ 96 Abs 3 EStG) Anmeldungspflicht (13 Os 8/15y; 13 Os 107/14f, RIS‑Justiz RS0124712 [T1, T3 und T4]). Mit der bloßen Feststellung von nach Kalenderjahren zusammengefassten Verkürzungen an Kapitalertragsteuer schafft das Urteil daher keine taugliche Subsumtionsgrundlage.
2. Zum Schuldspruch A/III des Genadij A***** in Bezug auf Verkürzungen von Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer hinsichtlich des Veranlagungsjahres 2010:
Der eine Verkürzung von Umsatz- und Körperschaftsteuer betreffende Vorwurf zu A/III besteht in der unrichtigen Abgabe einer Steuererklärung (US 8 f iVm US 3). Dass eine solche erfolgte, ist den Feststellungen hinreichend deutlich zu entnehmen, näheres dazu findet sich im Urteil aber nicht. Gemäß § 134 Abs 1 BAO idF BGBl I 2009/20 sind die Abgabenerklärungen für die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Umsatzsteuer sowie für die Feststellung der Einkünfte (§ 188 BAO) bis zum Ende des Monats April, bei elektronischer Übermittlung bis Ende Juni jeden Folgejahres einzureichen. Die abgabenrechtlichen Pflichten einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, also einer juristischen Person, haben gemäß § 80 Abs 1 BAO die zu deren Vertretung berufenen Personen zu erfüllen. Eine solche Stellung als faktischer Geschäftsführer kam Genadij A***** nach den Feststellungen des Erstgerichts aber lediglich bis Ende 2010 zu, danach schied er aus dem Unternehmen aus (US 9). Zum Zeitpunkt des Ausscheidens waren die Jahressteuererklärungen für die Umsatz- und Körperschaftsteuer noch nicht abzugeben. Ab Beginn 2011 trafen die abgabenrechtlichen Pflichten der G***** GmbH die geschäftsführende Alleingesellschafterin Inna K***** allein. Die Annahme der Mittäterschaft trägt der konstatierte Sachverhalt somit nicht. Die vom Erstgericht festgestellte und auch Genadij A***** zugeschriebene Verletzung von Aufzeichnungs‑ und Buchführungspflichten (vgl § 124 BAO iVm §§ 189 f UGB) im Jahr 2010 mag zwar der Vorbereitung der Abgabenhinterziehung gedient haben, ist aber als solche kein Tatbestandselement (RIS‑Justiz RS0087191 [T11]). Feststellungen zu allfälligen Bestimmungs- oder Beitragshandlungen des Genadij A***** sind dem Urteil auch in subjektiver Hinsicht nicht zu entnehmen.
3. Zu den Schuldsprüchen B/:
Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG werden durch dort pönalisiertes Verhalten in Bezug auf Voranmeldungszeiträume begangen, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich jedes solchen Zeitraums und jeder Abgabenart (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) eine selbständige Tat im materiellen Sinn (zum Begriff: RIS‑Justiz RS0113754; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 517) vorliegt (RIS‑Justiz RS0118311, RS0124712; Lässig in WK² FinStrG Vorbem Rz 10 mwN).
Die
von § 33 Abs 2 lit a FinStrG angesprochenen Umsatzsteuervoranmeldungen sind ‑ wie im Spruch richtig angeführt, aber ohne Sachverhaltsbezug geblieben - grundsätzlich spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag)
des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats bei dem für die Einhebung
der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen (§ 21 Abs 1 erster Satz UStG). Durch das hier erfolgte pauschale Nennen von Gesamt‑Hinterziehungsbeträgen für den Zeitraum Jänner bis August 2011 durch Nichtabgabe von Erklärungen (US 9) werden die einzelnen Taten nicht hinreichend konkretisiert (zuletzt
13 Os 107/14f), sodass die Feststellungen die Schuldsprüche B./ nicht tragen.
Aufgrund der dargelegten Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) war die angefochtene Entscheidung somit aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wie aus dem Spruch ersichtlich schon bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO). Die Aufhebung der genannten Schuldsprüche hatte die Aufhebung der Strafaussprüche zur Folge.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte Genadij A***** auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung, die sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht ( Lendl , WK‑StPO § 390 Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein:
1. Wird der Gewinn einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ganz oder teilweise an die Gesellschafter ausgeschüttet (Dividenden), ist vom Ausschüttungsbetrag die Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen (§ 93 Abs 1 und 2 Z 1 lit a Einkommensteuergesetz idF BGBl I 2006/100 und idF BGBl I 2009/52). Zu den kapitalertragsteuerpflichtigen Bezügen zählen auch verdeckte Gewinnausschüttungen. Das sind Vermögensvorteile (jedweder Art), die ein Gesellschafter aufgrund seiner Gesellschafterstellung ohne ordnungsgemäßen Gewinnverteilungsbeschluss bezieht (zB 13 Os 125/11y). Auch solche Zuflüsse sind gemäß § 93 Abs 2 Z 1 lit a EStG idF BGBl I 2006/100 und idF BGBl I 2009/52 kapitalertragsteuerpflichtig und gemäß § 96 Abs 1 Z 1 EStG idF BGBl I 2006/100 und BGBl I 2010/9 binnen einer Woche nach dem Zufließen vom zum Abzug Verpflichteten (nämlich hier der GmbH) unter der Bezeichnung „Kapitalertragsteuer“ abzuführen.
Mit Blick auf die Beweiswerterwägungen der Tatrichter, wonach es unglaubwürdig sei, dass die Alleingesellschafterin Inna K***** (US 7) kein Geld aus dem Unternehmen bekommen habe, liegen Indizien für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung vor (siehe US 16). Zur Beurteilung einer allfälligen Verkürzung an Kapitalertragsteuer werden im zweiten Rechtsgang daher Feststellungen darüber zu treffen sein, ob, gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt, Kapitalerträge geflossen sind.
Werden Kapitalflüsse konstatiert, werden die Person des Schuldners und des Empfängers der Kapitalerträge festzustellen und auf dieser Basis anhand der zu den Tatzeitpunkten geltenden Bestimmungen der §§ 95 und 96 EStG zu prüfen sein, wen die darauf bezogene Pflicht zum Abzug und zur Abfuhr der Kapitalertragsteuer traf (hiezu eingehend Lässig in WK² FinStrG § 33 Rz 32).
In diesem Zusammenhang ist klar zu stellen, dass Personen, die keine Anteile an der Gesellschaft mit beschränkter Haftung halten, keine Kapitalerträge im obgenannten Sinn in Empfang nehmen können.
Im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs wegen Finanzvergehen der (gewerbsmäßigen) Abgabenhinterziehung werden die einzelnen Taten unter Zugrundelegung des dargelegten finanzstrafrechtlichen Tatbegriffs zur Kapitalertragsteuer (13 Os 104/10h, AnwBl 2011, 488; RIS‑Justiz RS0124712 [T3 und T4]) durch entsprechende Feststellungen voneinander abzugrenzen sein.
2. Die Teilrechtskraft der nicht von der Urteilsaufhebung erfassten Schuldsprüche besteht nur für den Fall, dass im zweiten Rechtsgang ein gerichtliche Zuständigkeit begründender strafbestimmender Wertbetrag erreicht wird (§ 53 Abs 1 und Abs 2 FinStrG). Sie ist solcherart auflösend bedingt (RIS‑Justiz
RS0121978; Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 8).
3. Mit Blick auf die FinStrG‑Novelle 2010 wird im Fall neuerlicher Schuldsprüche zu beachten sein, dass gemäß § 4 Abs 2 FinStrG ‑ anders übrigens als nach § 61 StGB ‑ grundsätzlich das Tatzeitrecht zur Anwendung gelangt, sofern das im Urteilszeitpunkt geltende Recht ‑ ausgehend vom Urteilssachverhalt ‑ in seiner konkreten Gesamtauswirkung nicht günstiger ist.
Gemäß § 265 Abs 1p zweiter Satz FinStrG ist § 38 FinStrG idF vor der FinStrG‑Novelle 2010 auf vor deren Inkrafttreten begangene Finanzvergehen weiterhin anzuwenden.
Nach der mit der FinStrG‑Novelle 2010 BGBl I 2010/104 vorgenommenen Änderung des § 33 Abs 5 FinStrG wäre das Urteilszeitrecht dann günstiger als das Tatzeitrecht, wenn sich der Vorsatz eines Angeklagten nicht auf alle den Verkürzungen zugrunde liegenden Unrichtigkeiten (hiezu Lässig in WK² FinStrG § 33 Rz 47 f) beziehen sollte.
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