European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00021.17F.0518.000
Spruch:
Die hier zu lösende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob § 28a Abs 3 SMG den Strafsatz und damit die Subsumtion berührt oder eine Strafrahmenvorschrift darstellt, ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht einheitlich beantwortet worden.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Sascha Z*****, Manuel B*****, Andreas S***** und Tristan H***** jeweils mehrerer Vergehen nach § 4 Abs 1 NPSG (I./) und Alessandro M***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 sechster Fall SMG (VII./A./), der Vergehen nach § 4 Abs 1 NPSG (VII./B./) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (VII./C./) schuldig erkannt.
Danach haben in G***** und an anderen Orten
I./ Sascha Z***** von Sommer 2014 bis Dezember 2015 zunächst allein, von Anfang Dezember 2014 bis Dezember 2015 in einverständlichem Zusammenwirken mit Manuel B*****, Andreas S*****, Tristan H***** sowie dem gesondert verfolgten Gerold Ha***** „018‑JWH, somit eine mit Verordnung gemäß § 3 [zu ergänzen: NPSG] bezeichnete oder von gemäß § 3 [zu ergänzen: NPSG] definierten chemischen Substanzklassen umfasste Neue Psychoaktive Substanz, mit dem Vorsatz, daraus einen Vorteil zu ziehen sowie, dass sie von dem anderen oder einem Dritten zur Erreichung einer psychoaktiven Wirkung im menschlichen Körper angewendet werde“, den im Urteil genannten Abnehmern in dort bezeichneten Mengen überlassen;
VII./ Alessandro M***** von Anfang September 2014 bis 27. Dezember 2015
A./ mit von vornherein auf eine kontinuierliche Tatbegehung sowie den daran geknüpften Additionseffekt gerichtetem Vorsatz vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich zumindest 103 Gramm amphetaminhältiges „Speed“ mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 24,37 % (25,10 Gramm Reinsubstanz), zumindest 120 Gramm Delta‑9‑THC‑hältiges Marihuana, davon 80 Gramm mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 14,67 % (5,87 Gramm Reinsubstanz) sowie zumindest 20 Stück MDMA‑hältige Ecstasy‑Tabletten mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 48,10 % (zumindest 9,62 Gramm MDMA), anderen verschafft, indem er für die im Urteil bezeichneten Personen den Kontakt zu Sascha Z*****, Manuel B*****, Tristan H***** und Andreas S***** zum Zweck des Ankaufs von Suchtgift herstellte;
B./ „018‑JWH, mithin eine mit Verordnung gemäß § 3 [zu ergänzen: NPSG] bezeichnete oder von gemäß § 3 [zu ergänzen: NPSG] definierten chemischen Substanzklassen umfasste Neue Psychoaktive Substanz, mit dem Vorsatz, daraus einen Vorteil zu ziehen sowie, dass sie von dem anderen oder einem Dritten zur Erreichung einer psychoaktiven Wirkung im menschlichen Körper angewendet werde“ den im Urteil genannten Abnehmern in den dort bezeichneten Mengen überlassen;
C./ vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich amphetaminhältiges „Speed“ (Amphetamin), Marihuana und Haschisch (Delta‑9‑THC) sowie Ecstasy-Tabletten (MDMA) zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alessandro M*****.
Mit Subsumtionsrüge (Z 10) macht der Beschwerdeführer geltend, das Schöffengericht habe die Anwendbarkeit des § 28a Abs 3 SMG zu Unrecht verneint, weil es die Suchtmittelgewöhnung des Angeklagten nicht daran gemessen habe, ob dieser die verbotenen Substanzen ohne besonderen Anlass, gewissermaßen mit Selbstverständlichkeit, gebraucht habe (vgl dazu RIS‑Justiz RS0124621).
Die im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens zu behandelnde Frage, ob § 28a Abs 3 SMG eine den Strafsatz bestimmende und damit die Subsumtion berührende (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) Privilegierung oder eine die Strafbefugnis betreffende Strafrahmenvorschrift (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) darstellt, ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht einheitlich beantwortet worden.
Der Oberste Gerichtshof hat zu 13 Os 151/07s (SSt 2008/2) zunächst ausgesprochen, dass § 28a Abs 3 SMG bei Vorliegen der genannten privilegierenden Umstände nur den „Strafsatz“ reduziere, wogegen sich die Vorgängerbestimmung des § 28 Abs 3 zweiter Satz SMG idF vor BGBl I 2007/110 auf die „Subsumtion“ auswirke. Der im Rechtsinformationssystem des Bundes zu dieser Entscheidung ergangene Rechtssatz (RIS‑Justiz RS0123175) enthält die Anmerkung, dass das Höchstgericht dabei offenbar den Begriff „Strafrahmen“ gemeint habe.
Ungeachtet dessen hat der Oberste Gerichtshof in zahlreichen Folgeentscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei § 28a Abs 3 SMG um eine – sich auf die Subsumtion auswirkende – Privilegierung handle. Dementsprechend hat er darauf bezogene Nichtigkeits-einwände aus § 281 Abs 1 Z 5 (nicht iVm Z 11) und Z 10 StPO erledigt (statt vieler 11 Os 75/16p; 11 Os 62/15z; 11 Os 30/14t; 12 Os 112/15k; 12 Os 83/15w; 13 Os 57/13a; 14 Os 90/15i; 15 Os 22/16y; 15 Os 182/15a; explizit 13 Os 102/12t; 14 Os 89/08g; vgl auch 14 Ns 41/14m).
Im Gegensatz dazu hat der Oberste Gerichtshof zu 13 Os 63/15m (unter Berufung auf 13 Os 151/07s, SSt 2008/2, RIS‑Justiz RS0123175; Bohé , Nebenstrafrecht, 257; Fabrizy , Suchtmittelrecht 5 § 28a SMG Rz 12) – und in weiterer Folge auch zu 14 Os 107/16s, zu 13 Os 117/15b und zu 13 Os 138/16t – betont, dass § 28a Abs 3 SMG eine Strafrahmenvorschrift sei, die die Subsumtion unberührt lasse. Die Vorschrift sei daher nicht in den Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) aufzunehmen, sondern zähle zu den von § 260 Abs 1 Z 4 StPO genannten Bestimmungen (vgl erneut 13 Os 138/16t).
Zur Beseitigung dieser Rechtsprechungsdivergenz ist daher die Befassung eines verstärkten Senats geboten (§ 8 Abs 1 Z 2 OGHG).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)