OGH 11Os62/15z

OGH11Os62/15z7.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juli 2015 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zechner als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Dominik V***** und Tibor K***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Februar 2015, GZ 71 Hv 145/14h‑155, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00062.15Z.0707.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Dominik V***** und Tibor K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden ‑ soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung ‑ Dominik V***** und Tibor K***** jeweils der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (I/1/A), V***** darüber hinaus nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 (richtig:) fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Z 3 SMG (I/1/C), K***** ferner nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (I/1/B) schuldig erkannt.

Danach haben in Wien und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift

(I) in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar

(1) am 3. Oktober 2014 1.036 Gramm „Speed“, enthaltend 228,65 Gramm Amphetamin,

(A) Dominik V***** und Tibor K***** in einverständlichem Zusammenwirken aus Ungarn aus‑ und nach Österreich eingeführt;

(B) Tibor K***** in einverständlichem Zusammenwirken mit weiteren Angeklagten einem verdeckten Ermittler durch Verkauf überlassen;

(C) Dominik V***** zu der vom Schuldspruch I/1/B erfassten strafbaren Handlung beigetragen, indem er Tibor K***** und das Suchtgift mit seinem Pkw zum Ort der Übergabe fuhr, wobei er die Tat gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war.

Rechtliche Beurteilung

Ihre dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen Dominik V***** auf Z 5 und 10, Tibor K***** auf Z 9 lit b jeweils des § 281 Abs 1 StPO.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Dominik V*****:

Dem Urteilssachverhalt zufolge beging der (an den Konsum von Suchtgiften gewöhnte) Nichtigkeitswerber die von den Schuldsprüchen I/1/A und C erfassten Taten „primär“, um seinen „Lebensunterhalt und nicht [seinen] eigenen Suchtgiftkonsum [zu] finanzieren“ (US 26).

Diese Feststellung leitete das Schöffengericht nicht nur aus den (vom Beschwerdeführer selbst angegebenen [vgl US 15, 27]) tristen finanziellen Verhältnissen dieses Angeklagten, sondern ‑ von der Mängelrüge (Z 5) prozessordnungswidrig vernachlässigt (RIS‑Justiz RS0119370) ‑ auch aus den Bekundungen des Mitangeklagten Tibor K*****, V***** habe ihm Verdienstmöglichkeiten durch Suchtgiftgeschäfte in Aussicht gestellt, der „professionellen Abwicklung“ des Schmuggels und Verkaufs einer derart großen Suchtgiftmenge sowie der Höhe des daraus zu erzielenden Erlöses ab (US 33 ff).

Die dem entgegenstehende Verantwortung des Rechtsmittelwerbers hat es dabei ‑ dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider ‑ gar wohl erwogen, jedoch als unglaubwürdig verworfen (US 33 ff).

Soweit die Beschwerde anhand eigenständig entwickelter Überlegungen davon abweichende Schlüsse zieht, stellt sie bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in Frage, ohne damit einen (formellen) Begründungsmangel aufzuzeigen.

Indem sie sich (nominell aus Z 10) mit der Behauptung des Vorliegens privilegierender Umstände im Sinn des § 28a Abs 3 zweiter Fall iVm § 27 Abs 5 SMG (vgl RIS‑Justiz RS0123175) über die eingangs wiedergegebene Urteilsannahme hinwegsetzt, verlässt sie den Anfechtungsrahmen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 584, 593).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Tibor K*****:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) des Tibor K***** reklamiert ‑ unter Hinweis auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR 23. 10. 2014, 54648/09, Furcht/Deutschland) ‑ Straflosigkeit infolge Verletzung des Art 6 MRK, weil „eine Tatprovokation durch einen verdeckten Ermittler“ vorliege.

Nach den Feststellungen des Schöffengerichts trat aber (nur) der Mitangeklagte Christian S***** mit einem verdeckten Ermittler (und nicht etwa dieser mit jenem) „in Kontakt“, bot diesem die Beschaffung und Lieferung der Suchtgiftquantität an und verabredete sich daraufhin mit den weiteren Angeklagten (so auch dem Beschwerdeführer) zur Begehung der von den Schuldsprüchen I/1/A bis C erfassten Taten (US 21 ff [ON 7]); demgemäß konstatierte es ‑ ungeachtet der im Übrigen diesen Feststellungen zuwiderlaufenden Heranziehung des obgenannten Milderungsgrundes beim Erstangeklagten ‑ eine lediglich passive Rolle des staatlichen Organs. Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen (RIS‑Justiz RS0099810; Ratz, WK‑STPO § 281 Rz 581). Durch den bloßen Hinweis auf die Entscheidung des EGMR ohne Bezugnahme auf die Konstatierungen des Erstgerichts gelangt der geltend gemachte (materielle) Nichtigkeitsgrund von vornherein nicht zu prozessförmiger Darstellung (Ratz, WK‑StPO Rz 584, 593).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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