Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen (A und B), demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im Einziehungserkenntnis sowie der zugleich gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der diesbezüglichen Probezeit aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Graz verwiesen.
Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Stefan H***** jeweils mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG (A) und nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 3 SMG (B) schuldig erkannt.
Danach hat er in G***** gewerbsmäßig vorschriftswidrig Suchtgift
(A) vom Februar 2011 bis zum 8. Juni 2011 in mehreren Angriffen anderen überlassen, nämlich Mephedron sowie insgesamt rund 15 Gramm Kokain (mit einem Reinheitsgrad von ca 20 %), und
(B) vom Februar 2011 bis zum 17. Jänner 2012 erworben und besessen, nämlich Cannabis, Mephedron, Speed und zumindest 65 Gramm Kokain.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5, 10, 10a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist im Recht.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) zeigt zutreffend auf, dass die angefochtene Entscheidung keine Feststellungen zur zeitlichen Komponente der Intention des Beschwerdeführers, sich durch wiederkehrende Delinquenz eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (dazu eingehend Jerabek in WK² StGB § 70 Rz 7), enthält, und solcherart insoweit den unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion gebotenen Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090) nicht herstellt.
Weshalb auch in Bezug auf den Erwerb und den Besitz von Suchtgift (§ 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG) ein Schuldspruch wegen gewerbsmäßigen Handelns (§ 27 Abs 3 SMG) erfolgte (US 2), lässt sich dem bekämpften Urteil überhaupt nicht entnehmen. Ausschließlich auf Eigenkonsum gerichtete Absicht (vgl US 4) scheidet insoweit als Verurteilungsbasis aus (hiezu eingehend Schwaighofer in WK² SMG § 27 Rz 64).
In Ansehung dieser Defizite war auf die Mängelrüge (Z 5), welche die Begründung der ‑ wie dargelegt gar nicht hinreichend getroffenen ‑ Konstatierungen zur Qualifikationsnorm des § 27 Abs 3 SMG bekämpft, nicht einzugehen.
Aufgrund der mit Blick auf den aufgezeigten Rechtsfehler unumgänglichen Aufhebung des angefochtenen Urteils in der Subsumtion nach § 27 Abs 3 SMG waren im Sinn des § 289 StPO die Schuldsprüche (A und B) ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort (§ 285e StPO) zur Gänze zu beheben, um für den nächsten Rechtsgang die Möglichkeit einer allenfalls gebotenen Diversion (§§ 35, 37 SMG) zu eröffnen (RIS‑Justiz RS0119278).
Dabei war mit Verweisung an den Einzelrichter des Landesgerichts vorzugehen, weil die ‑ nach dem rechtskräftigen Teilfreispruch (US 3) ‑ verbleibenden Anklagevorwürfe in dessen Zuständigkeit (§ 31 Abs 4 Z 1 StPO) ressortieren (RIS‑Justiz RS0100271).
Trotz der daraus resultierenden Aufhebung des Strafausspruchs sei zwecks Vermeidung weiterer Fehler im (nunmehr bereits) dritten Rechtsgang auf die Argumentation der Sanktionsrüge (Z 11, nominell verfehlt auch Z 10a) eingegangen:
Die Prämisse des Einwands eines ‑ gegebenenfalls aus Z 11 dritter Fall relevanten (RIS‑Justiz RS0099980) ‑ Verstoßes gegen das Verbot der reformatio in peius (hier § 293 Abs 3 StPO iVm § 290 Abs 2 StPO), wonach im ersten Rechtsgang die privilegierende Norm des § 28a Abs 3 SMG (bzw des § 27 Abs 2 SMG oder des § 27 Abs 5 SMG) zur Anwendung gelangt sei, trifft nicht zu (siehe ON 72 S 2).
Selbst wenn man (hypothetisch) von dieser Prämisse ausginge, würde aber § 293 Abs 3 StPO ‑ der Beschwerde zuwider ‑ einer Verurteilung ohne Anwendung der bezughabenden Privilegierungsnorm nicht entgegenstehen, weil das in § 290 Abs 2 StPO normierte Verschlechterungsverbot nach ständiger Judikatur und herrschender Lehre nur für den Sanktionsbereich gilt (SSt 56/79, RIS‑Justiz RS0100565; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 31 mwN).
Da auch § 16 StPO in der (geltenden) Fassung des StPRG BGBl I 2004/19 (soweit hier von Interesse) ausdrücklich genau dies aussagt (arg „in der Straffrage“), geht der Verweis auf die ursprünglichen Gesetzesmaterialien zu dieser in der Regierungsvorlage weiter als entsprechend dem Justizausschussbericht (406 BlgNR 22. GP 13) gefassten Bestimmung (EBRV 25 BlgNR 22. GP 39) ‑ die insoweit im Übrigen nicht zwischen der Tat als historischem Ereignis und der strafbaren Handlung als normativer Kategorie unterscheiden (hiezu Ratz in WK² StGB Vorbem §§ 28 bis 31 Rz 1) und sich mit der angeführten (einhelligen) Judikatur‑ und Lehrmeinung nicht auseinandersetzen ‑ ins Leere.
Mit seiner Berufung und seiner gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtenden Beschwerde war der Angeklagte auf die Aufhebung des Sanktionsausspruchs und des zugleich mit dem Urteil gefassten Beschlusses auf (Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und) Verlängerung der (diesbezüglichen) Probezeit zu verweisen.
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