OGH 14Os90/15i

OGH14Os90/15i15.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Shahzad F***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Shahzad F***** sowie die Berufung des Angeklagten Shahzad Q***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 22. Juni 2015, GZ 12 Hv 74/15y‑212, weiters die Beschwerden der beiden Angeklagten gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsichten sowie einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00090.15I.0915.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Shahzad F***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde ‑ soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung ‑ Shahzad F***** eines Verbrechens (richtig: mehrerer Verbrechen) des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (I/A), mehrerer Verbrechen des Suchgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter (zu ergänzen: und dritter) Fall SMG (I/B) und mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (I/C) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift

(I/A) in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er von Sommer 2014 bis Ende Februar 2015 wiederholt zumindest 2.500 Gramm Cannabiskraut (175 Gramm Reinsubstanz Delta‑9‑THC) großteils alleine, teils gemeinsam mit Shahzad Q*****, an zahlreiche namentlich nicht bekannte Abnehmer gewinnbringend verkaufte, wobei er gewerbsmäßig handelte und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war;

(I/B) in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge aus‑ und eingeführt, indem er kurze Zeit vor dem 25. Juli 2014 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Muhammad I***** den abgesondert verfolgten Abdel S***** aufforderte, 3.000 Gramm Cannabiskraut (202,2 Gramm Reinsubstanz Delta‑9‑THC) von Tschechien nach Österreich einzuführen, und Letzterem zu diesem Zweck 4.500 Euro in bar übergab;

(I/C) ausschließlich zum persönlichen Gebrauch besessen, indem er von Mai 2014 bis 15. März 2015 Cannabiskraut, Kokain und Amphemtamin kaufte und konsumierte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Schuldsprüche aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Shahzad F***** ist nicht im Recht.

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde das Urteil ohne Einschränkung bekämpft, inhaltlich jedoch ausschließlich zu den Schuldsprüchen I/A und I/B argumentiert, war auf sie im gegen den Schuldspruch I/C gerichteten Umfang keine Rücksicht zu nehmen (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden die vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge zu Recht abgewiesen.

Dass ein Teil des beim Beschwerdeführer sichergestellten Bargelds im Ausmaß von 5.000 Euro aus einem Darlehen seiner Lebensgefährtin stamme, hat das Erstgericht ohnehin zu seinen Gunsten für möglich gehalten (US 10; ON 211 S 19), eine Gewöhnung des Beschwerdeführers an Suchtgift hat es als erwiesen angenommen (US 9). Zu diesen Themen brauchte das Schöffengericht demnach keine Beweise aufzunehmen (RIS‑Justiz RS0099135 [T4]). Soweit die Rüge neben dem behaupteten Darlehen ein weiteres Beweisthema für die Befragung von Yvonne R***** als Zeugin nennt, entfernt sie sich vom Inhalt des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags (ON 211 S 18) und missachtet solcherart das aus dem Wesen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot (RIS‑Justiz RS0099618).

Der Antrag auf Vernehmung des (namentlich genannten) „erhebenden Kriminalbeamten“, „der im Zuge der Einvernahme zu befragen sein wird, welche Geldmittel schlussendlich dem Angeklagten aus dem Suchtmittelverkauf zuzubilligen sind, insbesondere aufzuklären, inwieweit die Angaben der noch einzuvernehmenden Zeugin“ Yvonne R***** „in allfälligen Widerspruch stehen zu den entsprechenden Erhebungsergebnissen der Exekutive“ (ON 211 S 18), ließ nicht erkennen, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis habe erwarten lassen und war demnach auf im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 330).

Die Mängelrüge behauptet in Bezug auf den Schuldspruch I/B gar keine unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln, weshalb die nominell angesprochene Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) nicht in Betracht kommt (RIS‑Justiz RS0099431).

Dass die Tatrichter ‑ im Einklang mit den Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen ‑ der Verantwortung des Beschwerdeführers hinsichtlich des Schuldspruchs I/A (teilweise) Glauben schenkten, im Zusammenhang mit dem vom Schuldspruch I/B erfassten Vorwurf hingegen nicht, verwirklicht keinen Begründungsmangel (RIS‑Justiz RS0098372). Mit dem darauf bezogenen Vorbringen bekämpft die Mängelrüge lediglich die Überzeugung der Tatrichter von der (teilweisen) Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Ebenso wenig wird mit Berufung auf den strafprozessualen Zweifelsgrundsatz (§ 14 StPO) ein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 dargetan (RIS‑Justiz RS0117445).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) bekämpft die Nichtannahme der Privilegierung nach § 28a Abs 3 SMG, ohne jedoch von den ‑ in Auseinandersetzung mit der diesbezüglich leugnenden Verantwortung getroffenen (US 13 f) ‑ Feststellungen auszugehen (RIS‑Justiz RS0099810), nach welchen der Beschwerdeführer Suchtgift gerade nicht vorwiegend „zur Finanzierung der eigenen Sucht“ verkauft habe (US 9 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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