OGH 12Os107/19f

OGH12Os107/19f23.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Kontr. Gsellmann in der Strafsache gegen Andreas L* wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Jugendschöffengericht vom 16. April 2019, GZ 38 Hv 81/18a‑56, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, und des Verteidigers Dr. Köllensperger sowie der Privatbeteiligtenvertreterin MMag. Dr. Stadler zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E128943

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,

a./ im Schuldspruch 4./,

b./ im Schuldspruch 8./ in Ansehung der zum Nachteil der B* L* begangenen Taten,

c./ im Schuldspruch 6./ in Ansehung der vor dem 1. Jänner 2016 liegenden Taten,

d./ in der Subsumtion der vom Schuldspruch 6./ umfassten, nach dem 31. Dezember 2015 liegenden Taten (auch) nach § 218 Abs 1 StGB ersatzlos,

demzufolge auch im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche der B* L* aufgehoben.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird verworfen.

Die Berufung gegen den Ausspruch über die Schuld wird zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung (mit Ausnahme von Punkt d./) wird in der Sache selbst erkannt:

Andreas L* wird gemäß § 259 Z 3 StPO von der wider ihn erhobenen Anklage freigesprochen, er habe in E*

I./ von November 1996 bis zum Jahr 1999, mit seiner am 10. November 1985 geborenen Schwester B* L* in einer Unzahl von Angriffen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung, nämlich vaginale Penetration mit mehreren Fingern sowie der Faust, unternommen, und damit „teilweise mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person“, teilweise mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen oder an sich vornehmen lassen,

II./ von Anfang 2009 bis 31. Dezember 2015 in wiederholten Angriffen an seiner am 19. Februar 2002 geborenen Nichte S* L* eine geschlechtliche Handlung vorgenommen bzw diese durch intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in deren Würde verletzt.

Die Privatbeteiligte B* L* wird mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung verwiesen.

Zur Strafneubemessung wird die Sache an das Landesgericht Wels verweisen.

Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche der B* L* wird der Angeklagte auf die Aufhebung und die Verweisung auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Der Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche der I* H* und der S* L* wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas L* „der“ (vgl aber 14 Os 172/11t [verstärkter Senat]) Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 (1./), der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (2./), der „Verbrechen der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBL 1974/60 bzw. der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242“ (3./a./), der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 (3./b./), der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (4./), des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (5./), der „Vergehen der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1 und 1a StGB“ (6./), der Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 und Abs 3 StGB idF BGBl 1988/599 (7./), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 und Z 2 StGB (8./), der Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Satz StGB (9./) und des Vergehens der Entziehung von Energie nach § 132 Abs 1 StGB (10./) schuldig erkannt.

Danach hat er „in A* und E*

1.) in der Zeit zwischen Anfang 1988 bis Mitte 1993 in E* in einer Unzahl von Angriffen mit der am 17. 01. 1980 geborenen I* H* den Beischlaf unternommen, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 StGB), nämlich eine akute Belastungsreaktion und posttraumatische Belastungsstörung verbunden mit einer instabilen Persönlichkeitsstörung, zur Folge hatte;

2.) in der Zeit zwischen Anfang 1988 bis Mitte 1993 in E* in einer Unzahl von Angriffen mit der am 17. 01. 1980 geborenen I* H* dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen, nämlich Oralverkehr sowie vaginale Penetrationen mit dem Finger und einem Dildo, unternommen;

3.a) durch die zu 1.) geschilderten Handlungen I* H* mit Gewalt gegen ihre Person oder durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89), indem er sie niederdrückte, festhielt, und würgte, bzw. ihr ein Messer hinhielt bzw. mit einem Messer drohte, widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf missbraucht;

3.b) durch die zu 1.) und 2.) geschilderten Handlungen I* H* durch Gewalt bzw. Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem er sie niederdrückte, festhielt, ihren Kopf zu seinem Genitalbereich drückte, sie würgte und ihr ein Messer hinhielt bzw. mit einem Messer drohte, zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt;

4.) zwischen November 1996 bis zumindest Ende September 1998 in E*, mit der am 10. 11. 1985 geborenen B* L* in einer Unzahl von Angriffen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung, nämlich vaginale Penetration mit mehreren Fingern bzw. der Faust, unternommen;

5.) zwischen 01. 05. 2009 und 30. 09. 2009 in einem nicht mehr näher feststellbaren Ort in Oberösterreich an der am 19. 02. 2002 geborenen S* L* außer dem Fall des § 206 eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er dieser das T‑Shirt hochzog und sie an ihren Brüsten betastete;

6.) zwischen Anfang 2009 und Ende 2017 in E* in wiederholten Angriffen an der am 19. 02. 2002 geborenen S* L* eine geschlechtliche Handlung vorgenommen bzw diese durch intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in deren Würde verletzt;

7.) durch die zu 1.) und 3.a) geschilderten Tathandlungen an seiner Schwester den Beischlaf vollzogen;

8.) durch die zu 2.), 3.b) und 4.) geschilderten Tathandlungen teilweise mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person, teilweise mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen oder an sich vornehmen lassen;

9.) Im Zeitraum Anfang 2011 bis Ende 2016 in E* pornographische Darstellungen einer unmündigen Person verschafft bzw. besessen, nämlich die in der Beilage 1.a und 2.a enthaltenen Bilder zeigend reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen der Genitalien bzw. Schamgegend Minderjähriger bzw. eine wirklichkeitsnahe Abbildung einer geschlechtlichen Handlung einer unmündigen Person an einer anderen Person;

10.) zwischen 20. 05. 2018 und 29. 05. 2018 in E* mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, aus einer Anlage, die der Zuführung von Energie dient, Energie entzogen, indem er ein Stromkabel im Zählerschrank des Dr. Heinz S* steckte und sein Entfeuchtungsgerät ansteckte“.

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, „9“ und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Diese ist – wie auch die Generalprokuratur aufzeigt – teilweise berechtigt:

Zutreffend führt der Beschwerdeführer aus, dass die Nichtannahme von Verjährung (Z 9 lit b) der dem Schuldspruch 4./ – und dem Schuldspruch 8./, soweit dieser sich auf die zu Schuldspruch 4./ dargestellten Taten bezieht – zugrunde liegenden Taten auf Basis des Urteilssachverhalts unschlüssig ist (RIS‑Justiz RS0122332 [T1]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 602).

Die Frage der Verjährung ist auf der Basis des im Entscheidungszeitpunkt geltenden Gesetzes zu beantworten, nach einer früheren Rechtslage hingegen nur dann, wenn unter deren Geltung die Verjährung bereits eingetreten war, der Täter also bereits unter dem früheren Recht straflos wurde (RIS‑Justiz RS0072368 [T1]).

Die nach verschiedenen Gruppen von Strafdrohungen gestaffelte Dauer der Verjährungsfrist richtet sich jeweils nach dem Strafrahmen (vgl zu diesem Begriff Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 666), bei Idealkonkurrenz nach dem höchsten Strafrahmen der zusammentreffenden strafbaren Handlungen (RIS‑Justiz RS0113960; Marek in WK2 StGB § 57 Rz 11).

Nach den Feststellungen wurden die von den genannten Schuldsprüchen umfassten Taten von November 1996 bis September 1998 gesetzt und einer mit sechs Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung (§ 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60) sowie einer mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedrohten strafbaren Handlung (§ 212 Abs 1 „Z 1 und“ Z 2 StGB; siehe aber zur Idealkonkurrenz beim Günstigkeitsvergleich RIS‑Justiz RS0119085 [T5]) subsumiert. Die Verjährungsfrist beträgt daher nach dem (insoweit unverändert geblieben) § 57 Abs 3 dritter Fall StGB fünf Jahre und lief somit grundsätzlich mit Ende September 2003 ab.

Allerdings sah § 58 Abs 3 Z 3 StGB in der vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. April 2004 in Kraft gestandenen Fassung BGBl I 1998/153 vor, dass die Zeit bis zur Erreichung der Volljährigkeit des Verletzten einer strafbaren Handlung nach – unter anderem – §§ 206 f StGB nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet wird. Gemäß Art V Abs 3 des Strafrechtsänderungsgesetzes 1998 ist die Bestimmung des § 58 Abs 3 Z 3 StGB in der geänderten Fassung auch auf vor dem Inkrafttreten des Gesetzes begangene Taten anzuwenden, sofern – wie hier – die Strafbarkeit in diesem Zeitpunkt noch nicht erloschen ist.

Solcherart lief die Verjährungsfrist fünf Jahre nach Erreichung des 18. Lebensjahres der B* L* am 9. November 2008 ab. Feststellungen zu verjährungshemmenden Ereignissen innerhalb dieser Frist hat das Erstgericht nicht getroffen. Sie sind nach der Aktenlage nicht zu erwarten, weshalb insoweit mit Aufhebung der Schuldsprüche 4./ und 8./ in Ansehung der zum Nachteil der B* L* begangenen Taten (§ 288 Abs 2 StPO) und sofortigem Freispruch vorzugehen war (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO).

Zufolge Kassation der genannten Schuldsprüche war der Ausspruch über die Strafe sowie jener über die privatrechtlichen Ansprüche der B* L* aufzuheben.

Aufgrund des Freispruchs war die genannte Privatbeteiligte mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

Darauf war der Angeklagte mit seiner Berufung gegen das B* L* betreffende Adhäsionserkenntnis zu verweisen.

Der weiteren Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde ist unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO voranzustellen:

A./ Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem angefochtenen Urteil im Schuldspruch 6./ nicht geltend gemachte Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 StPO anhaftet, die zum Nachteil des Angeklagten wirkt und daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Nach den tatrichterlichen Feststellungen berührte der Angeklagte von Anfang 2009 bis Ende 2017 in einer Vielzahl von Angriffen bei Umarmungen im Zuge von Begrüßungen „intensiv das Gesäß“ der S* L*, indem er „beide Hände mittig auf das Gesäß des Opfers legte“ und sich auch nach der Begrüßung immer bewusst neben das Opfer stellte und „dabei eine Hand am Gesäß des Opfers“ behielt (US 7 f). Dabei hielt er es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, bei S* L* „eine negative Gefühlsempfindung [...] hervorzurufen“ und das Opfer „durch die intensiven Berührungen einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle, dem Gesäß, […] in seiner Würde“ zu verletzen (US 8 f).

Eine geschlechtliche Handlung an einer Person im Sinn des § 218 Abs 1 Z 1 StGB nimmt vor, wer diese (sei es über der Kleidung) intensiv im Bereich des Geschlechtsorgans, des Analbereichs oder der weiblichen Brust berührt oder wer seinen Geschlechtsteil derart mit dem Körper des Opfers kontaktiert (Philipp in WK2 StGB § 218 Rz 6). Die angeführten tatrichterlichen Feststellungen vermögen daher die Subsumtion nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB nicht zu tragen, sodass diese ersatzlos zu entfallen hatte.

Allerdings erfüllen sie den Tatbestand des § 218 Abs 1a StGB. Dieser trat jedoch erst am 1. Jänner 2016 in Kraft (BGBl I 2015/112), sodass die vom Erstgericht in Ansehung des Zeitraums von Anfang 2009 bis 31. Dezember 2015 vorgenommene Subsumtion nach § 218 Abs 1a StGB gegen den Grundsatz nullum crimen, nullapoena sine lege (§ 1 StGB) verstößt (Z 9 lit a). In diesem Umfang war daher der Schuldspruch aufzuheben (§ 288 Abs 2 StPO) und mit Freispruch vorzugehen (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO).

B./ Überdies haften der angefochtenen Entscheidung weitere, vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachte Subsumtionsfehler (Z 10) an:

I./ Das Erstgericht hat den Beschwerdeführer zum Schuldspruch 1./ mehrerer Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 schuldig erkannt (US 3). Unabhängig von der anzuwendenden Rechtssphäre (siehe dazu III./) ist eine mehrfache Unterstellung unter den Qualifikationstatbestand (§ 206 Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60) im Hinblick auf das Gebot der Vermeidung der doppelten Anlastung ein und desselben Taterfolgs nicht vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0120828).

II./ Die zum Schuldspruch 7./ vorgenommene Subsumtion (auch) nach § 211 Abs 1 StGB idF BGBl 1988/599 und zum Schuldspruch 8./ (auch) nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB erfolgte schon deshalb zu Unrecht, weil der Beschwerdeführer mit seiner Schwester nicht in gerader oder absteigender Linie verwandt ist (vgl dazu Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 72 Rz 5, 8).

III./ Strafgesetze sind auf Taten anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten begangen wurden. Auf früher begangene Taten sind sie dann anzuwenden, wenn die Gesetze, die zur Tatzeit gegolten haben, für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger waren (§ 61 StGB).

Anknüpfungspunkt des nach dem zweiten Satz des § 61 StGB vorzunehmenden Günstigkeitsvergleichs ist die Tat, also der im Urteil festgestellte Lebenssachverhalt. Dabei wird die Anordnung, zu prüfen, ob die Gesetze, die im Tatzeitpunkt gegolten haben, für den Täter „in ihrer Gesamtauswirkung“ nicht günstiger waren als die jeweils aktuellen (RIS‑Justiz RS0118096 und RS0119085, Höpfel in WK2 StGB § 61 Rz 13), einhellig dahin verstanden, dass eine Kombination aus den in Rede stehenden Rechtsschichten unzulässig ist. Dies hat zur Folge, dass auch im Fall der Idealkonkurrenz eine solche Kombination nicht möglich ist, somit der zu beurteilende Lebenssachverhalt – nach Maßgabe des § 61 zweiter Satz StGB – entweder dem Urteilszeit‑ oder dem Tatzeitrecht zu unterstellen ist (RIS‑Justiz RS0089011 [T3], RS0119085 [T5]). Zwischengesetze, also Normen, die zum Zeitpunkt der Tat noch nicht und bei Urteilsfällung erster Instanz nicht mehr dem Rechtsbestand angehörten, haben bei diesem Vergleich außer Betracht zu bleiben (RIS‑Justiz RS0114587). Bei Änderung der Rechtslage nach der erstinstanzlichen Entscheidung ist weiters zu berücksichtigen: Beschränkt sich – wie hier – im Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde die Kompetenz des Obersten Gerichtshofs auf eine Richtigkeitskontrolle des erstinstanzlichen Urteils, kommt es für den Günstigkeitsvergleich nur darauf an, welches Recht im Entscheidungszeitpunkt erster Instanz anzuwenden war (Ratz, WK‑StPO § 288 Rz 34 f mwN; vgl RIS‑Justiz RS0087462 und RS0088808).

Der Günstigkeitsvergleich hat nicht abstrakt, sondern streng fallbezogen zu erfolgen (RIS‑Justiz RS0119085 [T1]), weil nach dem Gesetz das für den Täter günstigere Recht anzuwenden ist. Auch wenn dabei Fragen der Strafbemessung innerhalb des Bereichs der gesetzlichen Strafdrohung außer Betracht zu bleiben haben, so sind doch die Bestimmungen der §§ 39, 313, 41, 41a StGB (vgl dazu Höpfel in WK2 StGB § 61 Rz 14) und die privilegierenden Strafrahmenbestimmungen für Jugendliche und junge Erwachsene in die Günstigkeitsprüfung einzubeziehen.

Zu den Schuldsprüchen betreffend die Taten zum Nachteil der I* H* traf das Erstgericht zusammengefasst folgende Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hat in E* in der Zeit zwischen Anfang 1988 bis Mitte 1993 in einer Vielzahl von Angriffen mit entsprechender subjektiver Tatseite seine am 17. Jänner 1980 geborene Schwester I* H*, die zufolge Abwesenheit ihrer Mutter seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung ihr gegenüber zur Duldung des Beischlafs genötigt und an ihr Oralverkehr, vaginale Penetration mit einem oder mehreren Fingern, der Faust und einem Dildo unternommen, indem er sie niederdrückte, festhielt und würgte, ihr ein Messer hinhielt und ihr mit dem Messer drohte, wobei I* H* durch die Taten ein schwerwiegendes komplexes psychisches Krankheits-geschehen von hohem Krankheitswert entwickelte, welches zu einer lebensbegleitenden und somit jedenfalls länger als 24 Tage andauernden Beeinträchtigung führte, nämlich einen Zustand nach akuter Belastungsreaktion, nach posttraumatischer Belastungsstörung und nach Alkoholmissbrauch sowie eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung (US 5 f).

Zu den Schuldsprüchen 1./, 3./, 7./ und 8./ (iVm 1./):

§ 206 StGB sah in der im Tatzeitraum geltenden Fassung BGBl 1974/60 (ebenso wie § 206 StGB idgF) für das Unternehmen des Beischlafs mit einer unmündigen Person einen Strafrahmen von einem bis zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Hatte die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zur Folge, so erhöhte sich der Strafrahmen jeweils auf fünf bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe (§ 206 Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 und § 206 Abs 3 erster Fall StGB idgF).

Mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedrohte der vom 1. Jänner 1975 bis zum 30. Juni 1989 in Kraft gestandene § 201 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 („Notzucht“) den Täter, der eine Person weiblichen Geschlechts mit Gewalt gegen ihre Person oder durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) widerstandsunfähig machte und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf missbrauchte. Hatte die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zur Folge, so sah § 201 Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren vor. Mit 1. Juli 1989 trat § 201 StGB idF BGBl 1989/242 in Kraft, der in Abs 2 eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsah, wenn der Täter eine Person mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs nötigte. Im Fall der Herbeiführung einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) durch die Tat sah § 201 Abs 3 erster Satz letzter Halbsatz StGB idF BGBl 1989/242 eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vor. Im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils sah § 201 StGB idF vor BGBl I 2019/105 – soweit hier von Bedeutung – für das Verbrechen der Vergewaltigung die gleichen Strafrahmen wie § 201 StGB idF BGBl 1974/60 vor.

§ 211 Abs 3 StGB idF BGBl 1974/60, der bis 31. Dezember 1988 in Kraft stand, sah ebenso wie der bis 31. Dezember 2015 in Geltung gestandene § 211 Abs 3 StGB idF BGBl 1988/599 für den Vollzug des Beischlafs mit seinem Bruder oder seiner Schwester eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten vor. § 211 Abs 3 StGB idgF sanktioniert dies nunmehr mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen.

§ 212 StGB bedrohte – soweit hier von Bedeutung – sowohl in der Tatzeitfassung BGBl 1974/60 (in Kraft vom 1. Jänner 1975 bis zum 30. April 2004) den Missbrauch zur Unzucht, als auch in der geltenden Fassung die Vornahme einer geschlechtlichen Handlung an – jeweils – einer der Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person unter Ausnutzung der Stellung dieser gegenüber mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Nach § 1 Z 1 JGG 1961, der bis 31. Dezember 1988 in Kraft stand, war Jugendlicher im Sinn dieses Gesetzes, wer das 14., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte. Mit Inkrafttreten des JGG am 1. Jänner 1989 wurde diese Altersgrenze bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres angehoben (§ 1 Z 2 JGG idF BGBl 1988/599) mit Inkrafttreten des BGBl I 2001/19 am 1. Juli 2001 wieder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres herabgesetzt (§ 1 Z 2 JGG).

§ 11 Z 1 JGG 1961 idF BGBl 1974/425, der ebenfalls bis 31. Dezember 1988 in Kraft stand, sah vor, dass für Jugendliche das Höchst‑ und das Mindestmaß – abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen – aller in den Strafgesetzen sonst angedrohten zeitlichen Freiheitsstrafen auf die Hälfte herabgesetzt wurde.

Unverändert seit 1. Jänner 1989 sieht § 5 Z 4 JGG in der jeweiligen Fassung (BGBl 1988/599, BGBl I 2007/93 und BGBl I 2015/154) – soweit hier von Bedeutung – vor, dass alle durch Freiheitsstrafen bestimmten allgemeinen Strafrahmen für Jugendliche dahingehend verändert werden, dass ein festgelegtes Strafmindestmaß entfällt und die Strafobergrenze halbiert wird.

Sonderregelungen für junge Erwachsene, das sind nach der Legaldefinition des § 1 Z 5 JGG idgF Personen, die das 18. aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben, wurden erst mit Inkrafttreten des BGBl I 2001/19 mit 1. Juli 2001 in § 36 StGB aufgenommen, das heißt also zu einem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer das 21. Lebensjahr bereits vollendet hatte. Gemäß § 19 Abs 1 zweiter Satz JGG in der im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils in Kraft gestandenen Fassung vor BGBl I 2019/105 entfiel für junge Erwachsene das Mindestmaß aller angedrohten zeitlichen Freiheitsstrafen, während die Strafobergrenze gleich blieb.

In Ansehung der in den Entscheidungsgründen festgestellten Taten zum Nachteil der I* H* ist daher auf Basis des anzustellenden Günstigkeitsvergleichs von Anfang 1988 bis zum 30. Juni 1989 Urteilszeitrecht anzuwenden, weil dieses in seiner Gesamtheit für den Angeklagten nicht ungünstiger ist als das Tatzeitrecht. Vom 1. Juli 1989 bis zum 19. Geburtstag des Angeklagten am 4. Oktober 1991 ist hingegen Tatzeitrecht anzuwenden, weil dieses aufgrund der mit 1. Juli 1989 in Kraft getretenen Änderung des § 201 StGB (BGBl 1989/242) sowie der Legaldefinition der Jugendlichen bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres (§ 1 Z 2 JGG idF BGBl 1988/599) für den Beschwerdeführer in seiner Gesamtauswirkung günstiger ist. Ab dem 4. Oktober 1991, also mit Erreichen des 19. Lebensjahres des Beschwerdeführers war wiederum Urteilszeitrecht anzuwenden, weil § 19 Abs 1 JGG idF vor BGBl I 2019/105 günstigere Strafrahmen für junge Erwachsene vorsah.

Da jede der Taten mitkausal für die Herbeiführung der schweren Körperverletzung (§ 84 StGB) der I* H* war und bei gleichartiger (wie ungleichartiger) Realkonkurrenz, ebenso wie bei ungleichartiger Idealkonkurrenz ein und derselbe Erfolg die darauf bezogene Qualifikation nur einmal bei jener strafbaren Handlung mit dem strengen Strafsatz begründet (RIS‑Justiz RS0120828, RS0115550), ist einmal § 206 Abs 3 erster Fall StGB idgF (begangen als junger Erwachsener) anzulasten (siehe dazu näher die Ausführungen im Rahmen der Rechtsrüge unten).

Somit hat der Angeklagte bei rechtsrichtiger Subsumtion

‑ von Anfang 1988 bis zum 30. Juni 1989 sowie vom 4. Oktober 1991 bis Mitte 1993 ein Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB, jeweils mehrere Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB sowie mehrere Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB und der Blutschande nach § 211 Abs 3 StGB, jeweils in der im Urteilszeitpunkt geltenden Fassung,

‑ vom 1. Juli 1989 bis zum 3. Oktober 1991 mehrere Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60, der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 sowie mehrere Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 und der Blutschande nach § 211 Abs 3 StGB idF BGBl 1988/599

zu verantworten.

Zu den Schuldsprüchen 2./, 3./b./ und 8./ (iVm 2./):

In Ansehung des festgestellten erzwungenen Oralverkehrs sowie der vaginalen Penetration mit einem oder mehreren Fingern, der Faust und einem Dildo – also dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen – hat das Erstgericht die Taten einerseits zutreffend nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (2./), andererseits (undifferenziert) nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 (3./b./) subsumiert. Hinsichtlich der zweitgenannten rechtlichen Beurteilung wäre jedoch bezogen auf den Zeitraum von Anfang 1988 bis zum 30. Juni 1989 als Tatzeitrecht rechtsrichtig § 203 StGB idF BGBl 1974/60 („Zwang zur Unzucht“), der eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren für einen Täter vorsah, der außer dem Fall der Notzucht eine Person mit Gewalt gegen ihre Person oder durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) widerstandsunfähig machte und in diesen Zustand zur Unzucht missbrauchte, anzuwenden gewesen.

Auch die idealkonkurrierend verwirklichten Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses sind damit § 212 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 zu unterstellen.

Sämtliche dieser – auch von der Generalprokuratur – aufgezeigten Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10) blieben jedoch – angesichts der im Ergebnis zutreffend erfolgten Strafrahmenbildung („unter Anwendung der §§ 28 StGB und 19 JGG nach dem Strafsatz des § 206 Abs 2 StGB idF BGBl 1974/60“ [US 4]) – für den Beschwerdeführer per se ohne Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 StPO (Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 22 f). Daher sah sich der Oberste Gerichtshof insoweit nicht zu amtswegigem Vorgehen bestimmt.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen:

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung des Dr. Michael M* zum Beweis dafür, dass „bereits im Jahr 1994 ärztlicherseits nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Angaben von Frau I* H* hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs lediglich erfunden sind“ (ON 55 S 13), Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt. Ist doch Zeugnis ein Bericht über sinnliche Wahrnehmung von Tatsachen, die der Vergangenheit angehören. Nur Tatsachenbekundungen stellen eine Aussage dar. Subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen, Schlussfolgerungen, rechtliche Beurteilungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge können daher grundsätzlich nicht Gegenstand einer Zeugenaussage sein, sondern nur die ihnen zugrunde liegenden tatsächlichen Prämissen (RIS‑Justiz RS0097540; Kirchbacher, WK‑StPO § 154 Rz 7 f).

Entgegen dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) hat sich das Erstgericht damit auseinandergesetzt, dass im heilpädagogischen Gutachten vom 18. März 1994 sowie im Schreiben des Gendarmeriepostens E* vom 15. April 1995 (inklusive der Niederschrift über die Aussage von I* H* vom 8. Februar 1995) sowohl qualitativ als auch quantitativ weniger Übergriffe des Angeklagten gegen seine Schwester I* H* angeführt waren (vgl US 14).

Mit dem Einwand, in sämtlichen vom Erstgericht zitierten Beweismitteln fände sich zu den Vergewaltigungsvorwürfen „nicht eine Spur“, verkennt die Rüge unter dem geltend gemachten Aspekt der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall), dass nur ein den Tatrichtern unterlaufenes Fehlzitat im Rahmen der Beweiswürdigung beanstandet, nicht aber geltend gemacht werden kann, dass aus den Beweismitteln andere als die im Urteil gezogenen Schlüsse abzuleiten gewesen wären (RIS‑Justiz RS0099431 [T13]).

Entgegen der Beschwerdeansicht (Z 5 zweiter Fall) stehen die Ausführungen des Sachverständigen Dr. H* (ON 21; ON 44 S 27 ff), wonach bei I* H* bereits aufgrund ihrer (aufgrund der ungünstigen sozialen Verhältnisse sowie genetischer Komponenten) vorliegenden Gesamtsituation ein gewisser Grundstock an Schädigung unabhängig von den verfahrensgegenständlichen Übergriffen bestanden habe, nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch zur Feststellung, wonach die Genannte durch die vom Angeklagten gesetzten Taten ein schwerwiegendes, komplexes psychisches Krankheitsgeschehen von hohem Krankheitswert entwickelte (US 6). Ist doch kausal jede Handlung, die auch nur das Geringste dazu beigetragen hat, dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt eingetreten ist (Burgstaller/Schütz in WK2 StGB § 80 Rz 68 mwN).

Soweit der Beschwerdeführer eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung behauptet, wonach die älteren Geschwister auf die jüngeren aufpassen mussten, wenn die Mutter außer Haus war (US 5), verkennt er, dass das Erstgericht diese unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit zulässig auf die als glaubwürdig und in sich schlüssig beurteilten Aussagen der I* H* stützte (US 12 iVm ON 7 S 84 und ON 13 S 4).

Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer zum Schuldspruch 9./ eine Begründung der Feststellung vermisst, wonach es sich bei den abgebildeten Mädchen um unmündige Minderjährige gehandelt habe (US 9). Verwiesen die Tatrichter doch insoweit auf die – im Rahmen freien Ermessens gewürdigten (§ 258 Abs 2 StPO) – Lichtbildbeilagen ./1a und ./2a zum Abschlussbericht des Landeskriminalamts Oberösterreich vom 7. März 2018 (ON 7, US 9 iVm 18).

Mit Mängelrüge (Z 5) können nur tatsächlich getroffene Festellungen zu entscheidenden Tatsachen (zu diesem Begriff Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 398 f) bekämpft werden. Die Kritik, das Erstgericht habe unbegründet gelassen (Z 5 vierter Fall), weshalb es nicht davon ausgegangen sei, dass die Lichtbilder mit der Zustimmung der Abgebildeten angefertigt worden seien und lediglich dem Gebrauch des Angeklagten gedient hätten (vgl § 207a Abs 5 Z 1 StGB), geht daher schon mangels einer solchen Feststellung in der angefochtenen Entscheidung im Ansatz ins Leere.

Unter dem Aspekt eines Feststellungsmangels (hier Z 9 lit b) verabsäumt es der Beschwerdeführer, auf eine solche Konstatierung indizierende Verfahrensergebnisse hinzuweisen (vgl RIS‑Justiz RS0118580).

Die als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) kritisierte Feststellung, wonach sich I* H* ein Mal in der Schule die Pulsadern aufschnitt (US 6), betrifft keine für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache.

Die erneut ohne Behauptung eines Fehlzitats im Sinn der Z 5 fünfter Fall eine „Aktenwidrigkeit“ in Ansehung der Feststellungen zum Tatzeitraum zum Schuldspruch 5./ (US 7) einwendende Mängelrüge ist darauf zu verweisen, dass Umstände, welche bloß die Individualisierung betreffen, nicht entscheidend sind (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 406). Vorbringen dahingehend, dass die Tat erst nach dem 14. Geburtstag des Opfers begangen worden sei, erstattet der Beschwerdeführer, der lediglich auf Beweisergebnisse hinweist, nach denen S* L* nicht sieben, sondern vielmehr acht oder neun Jahre alt gewesen wäre, nicht.

Entgegen dem Vorbringen zum Schuldspruch 5./ (der Sache nach Z 9 lit a), die Feststellung, wonach der Angeklagte die bereits entwickelten Brüste der S* L* „intensiv [...] mit beiden Händen“ „betastete“ (US 7), sei für eine Subsumtion nach § 207 Abs 1 StGB nicht ausreichend, weil es sich dabei auch um eine bloß flüchtige oder oberflächliche Berührung handeln könnte, ist dies schon nach der Semantik der Worte „intensiv“ und „betasten“ ausgeschlossen.

Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) auf das zur Mängelrüge (Z 5) erstattete Vorbringen verweist, verkennt sie, dass die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen sind, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS‑Justiz RS0115902). Insoweit entzieht sie sich von vornherein einer inhaltlichen Erwiderung.

Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583).

Diesen Anfechtungsrahmen verkennt der Beschwerdeführer, indem er mit eigenen beweiswürdigenden Erwägungen zu den vom Gericht als unglaubwürdig verworfenen Angaben seiner Person (US 10 ff) und der Zeugin Helene L* (vgl US 16) die den Zeuginnen B* L*, I* H* und S* L* attestierte Glaubwürdigkeit (insbesondere US 12) bekämpft.

Gleiches gilt, soweit die Beschwerde eigene Beweiswerterwägungen zu den Aussagen der Zeugen Silvia B*, Cornelia R* und Ewald L*, den Ausführungen des Sachverständigen Dr. H* sowie einer fachärztlichen Stellungnahme Dris. M* anstellt.

Bei dem Umstand, dass sich der Angeklagte „stets der Strafverfolgung gestellt hat“, handelt es sich nicht um ein aktenkundiges Beweisergebnis im Sinn der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO.

Durch die Berufung auf den sogenannten Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) wird ein aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS‑Justiz RS0102162).

Die Verjährung der den Schuldsprüchen 1./ bis 3./, 7./ und 8./ zugrunde liegenden Taten jeweils zum Nachteil der I* H* behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit b) ist nicht im Recht:

Nach den Feststellungen hat der Angeklagte die von den genannten Schuldsprüchen umfassten Taten gegenüber I* H* zwischen Anfang 1988 und Mitte 1993 gesetzt (US 5). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte nach den Feststellungen in Ansehung der Taten nach dem 3. Oktober 1990 bereits 19 Jahre alt und somit nicht mehr Jugendlicher (§ 1 Z 2 JGG idF BGBl 1988/599) war (vgl zu den Auswirkungen Schroll in WK2 JGG § 5 Rz 29, § 19 Rz 3).

Im hier vorliegenden Fall von Realkonkurrenz treten nicht die Taten, sondern die strafbaren Handlungen (vgl Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 14, 16) in Konkurrenz. Verjähren kann die Strafbarkeit von Taten, nicht aber von strafbaren Handlungen als rechtliche Kategorien (RIS‑Justiz RS0090571 [T1, T4]). Bei Tatmehrheit verjähren die einzelnen Taten – abgesehen vom Fall des § 58 Abs 2 StGB – grundsätzlich jeweils für sich (Marek in WK2 StGB § 57 Rz 12, Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 74). Gemäß § 58 Abs 2 StGB tritt die Verjährung aber für den Fall nicht ein, dass der Täter während der Verjährungsfrist neuerlich eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruht, bevor auch für diese Tat die Verjährungsfrist abgelaufen ist.

Rechtsrichtig (siehe dazu die Anmerkungen mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) sind die vom Schuldspruch 1./ umfassten, von Anfang 1988 bis Mitte 1993 begangenen, jeweils für die von I* H* erlittene schwere Körperverletzung (§ 84 StGB; US 6) in ihrer konkreten Ausprägung (mit‑)kausalen Taten für sich gesehen jeweils (auch) § 206 Abs 3 erster Fall StGB idgF (hinsichtlich der Tatzeiträume von Anfang 1988 bis zum 30. Juni 1989 und vom 4. Oktober 1991 bis Mitte 1993) und § 206 Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 (hinsichtlich des Tatzeitraums vom 1. Juli 1989 bis zum 3. Oktober 1991) zu subsumieren, die beide eine Strafdrohung von fünf bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe vorsehen. Ausgehend von den nach Erreichen des 19. Lebensjahres (§ 1 Z 2 JGG idF BGBl 1988/599) gesetzten Tathandlungen ist daher von einem Strafrahmen von bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 19 Abs 1 JGG idF vor BGBl I 2019/105) auszugehen (vgl Schroll in WK2 JGG § 5 Rz 2 ff, 29).

Dies unbeschadet dessen, dass bei gleichartiger (wie ungleichartiger) Realkonkurrenz ebenso wie bei ungleichartiger Idealkonkurrenz ein und derselbe Erfolg die darauf bezogene Qualifikation nur bei einer der zusammentreffenden strafbaren Handlungen begründet, und zwar bei derjenigen mit dem strengsten Strafsatz. Durch die– gerade nicht tatsächliche, sondern (ausschließlich) rechtliche – Annahme materieller Subsidiarität soll nämlich in diesen Fällen (nur) eine mehrfache Anlastung ein und desselben Erfolgs vermieden werden (14 Os 172/11t [verstärkter Senat]).

Für eine ex post vorzunehmende Herabsetzung des tatsächlich im Einzelfall begangenen Unrechts auf eine solcherart unqualifizierte Tatbestandsverwirklichung bei der Prüfung der Frage der Verjährung besteht hingegen keine Veranlassung. Auf die zuvor zu prüfende Frage der Verjährung der einzelnen Tat schlägt die rechtliche Annahme scheinbarer Realkonkurrenz (in Form materieller Subsidiarität) in Ansehung der mehrfach verwirklichten Qualifikation der Zufügung einer schweren Körperverletzung, die dazu führt, dass dieser Taterfolg nur ein Mal zugerechnet wird, nicht durch. Eine solche Vorgangsweise würde im Übrigen den mehrfach delinquierenden Täter ungerechtfertigt privilegieren, indem sie unter Umständen frühere qualifizierte Taten wegen späterer ebenso qualifizierter der Strafbarkeit entzöge (15 Os 52/13f).

Da die Verjährungsfrist für den Fall, dass die Handlung zwar nicht mit lebenslanger Freiheitsstrafe, aber mit mehr als zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, gemäß § 57 Abs 3 erster Fall StGB 20 Jahre beträgt, wäre die Verjährungsfrist für die den Schuldsprüchen 1./, 2./, 3./, 7./ und 8./ unterstellten Taten daher grundsätzlich erst Mitte 2013 abgelaufen.

Schon unter Berücksichtigung der zwischen 1. Mai 2009 und 30. September 2009 zum Nachteil der am 19. Februar 2002 geborenen S* L* begangenen, als das – eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsehende – Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB, subsumierten Tat (Schuldspruch 5./), ist daher Verjährung nicht eingetreten (§ 57 Abs 3 dritter Fall StGB iVm § 58 Abs 3 Z 3 StGB).

Zudem sieht der Mitte 2013 bereits in Kraft gestandene § 58 Abs 3 Z 3 StGB idF BGBl I 2009/142 (vgl Art XIV BGBl I 2009/40) vor, dass die Zeit bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres des Opfers einer strafbaren Handlung – unter anderem – gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet wird, wenn das Opfer zur Zeit der Tatbegehung minderjährig war. Das 28. Lebensjahr hat I* H* mit 17. Jänner 2008 erreicht, Verjährung der Strafbarkeit der Tat wäre daher– auch bei isolierter Betrachtung nur der zum Nachteil der Genannten verübten Taten – erst mit Ablauf des 16. Jänner 2028 eingetreten.

Weshalb über die Feststellung, wonach die siebenjährige S* L* bereits einen Brustansatz hatte (US 7), hinausgehend weitere Feststellungen über die körperliche Entwicklung des Mädchens im Tatzeitpunkt für die rechtsrichtige Subsumtion nach § 207 Abs 1 StGB erforderlich sein sollten, leitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565).

Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer über die Feststellung der intensiven Berührung (US 7) hinaus weitere Konstatierungen über die „zeitliche Dauer der Kontaktierung sowie deren Identität, Präzision und Zielsicherheit bei der Berührung der spezifisch weiblichen Körperpartien“ vermisst.

Die den Entfall der Qualifikation des § 206 Abs 2 (zu ergänzen) erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 (zu 1./) anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) geht einmal mehr nicht von den tatrichterlichen Feststellungen aus, wonach I* H* auf Grund der vom Angeklagten gesetzten Taten ein schwerwiegendes komplexes psychisches Krankheits-geschehen von hohem Krankheitswert entwickelte, welches zu einer lebensbegleitenden (und somit jedenfalls länger als 24 Tage) dauernden Beeinträchtigung führte (US 6).

Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) unter Hinweis auf Passagen des Sachverständigengutachtens Dris. H* die Negativfeststellung begehrt, die Beeinträchtigungen beim Opfer seien nicht auf das Verhalten des Angeklagten zurückzuführen, geht sie daran vorbei, dass ein Feststellungsmangel nur der Verfahrensordnung gemäß geltend gemacht wird, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS‑Justiz RS0118580).

In diesem Umfang war die Nichtigkeitbeschwerde daher – erneut in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zu verwerfen.

Zur Strafneubemessung war die Sache an das Landesgericht Wels zu verweisen, weil der Angeklagte zum Gerichtstag mangels aufrechter Meldeadresse nicht geladen werden konnte und nicht erschienen ist.

Mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung zu verweisen.

Die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (siehe § 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld war als unzulässig zurückzuweisen.

 

Zur Berufung gegen die privatrechtlichen Ansprüche der I* H* und der S* L*:

Entgegen dem Berufungsvorbringen wurde der Angeklagte sehr wohl zu den gegen ihn geltend gemachten Ansprüchen der Privatbeteiligten gehört, hat doch sein Verteidiger diese nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung ausdrücklich nicht anerkannt (ON 44 S 3; RIS‑Justiz RS0101197 [T4, T5]).

Mit Blick auf die Feststellungen, wonach der Angeklagte die Genannten durch strafbare Handlungen zu geschlechtlichen Handlungen missbrauchte (vgl § 1328 ABGB), sowie zu der dabei von I* H* erlittenen Körperverletzung (vgl § 1325 ABGB; US 5) und den von beiden Opfern erlittenen psychischen Beeinträchtigungen (US 6 f; US 8 iVm US 25; vgl dazu RIS‑Justiz RS0031191 [T5]) ist der vom Erstgericht in freier Überzeugung (Spenling, WK‑StPO § 369 Rz 6 mwN) zuerkannte (Teil‑)Betrag von 100 Euro für I* H* und von 1.000 Euro für S* L* nicht zu beanstanden.

 

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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