OGH 10ObS86/23d

OGH10ObS86/23d24.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Hon.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Mag. Schober sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Elisabeth Schmied (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Veronika Bogojevic (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Reisinger, Rechtsanwalt in Mureck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Ausgleichszulage, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Juni 2023, GZ 6 Rs 32/23 g-18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:010OBS00086.23D.0724.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist deutscher Staatsbürger und bezieht aus Deutschland eine Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von 721,92 EUR sowie Pflegegeld von 545 EUR monatlich. In Deutschland ist er auch krankenversichert. Seit 28. Juni 2022 ist er in Österreich gemeldet; zur Zeit bewohnt er mit seiner Lebensgefährtin ein gemietetes Einfamilienwohnhaus. Am 11. August 2022 wurde ihm eine Anmeldebescheinigung nach § 53 NAG ausgestellt, in der der Grund des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts mit „sonstige Angelegenheit (§ 51 Abs 1 Z 2 NAG)“ angegeben ist.

[2] Die Vorinstanzen wiesen das auf Gewährung der Ausgleichszulage gerichtete Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

[3] In seiner außerordentlichen Revisionspricht der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO an.

[4] 1. Zur behaupteten „mangelhaften“ Erledigung der Verfahrensrüge durch das Berufungsgericht zeigt der Kläger nicht auf, inwieweit sich das auf das Ergebnis des Verfahrens ausgewirkt haben soll (RIS-Justiz RS0116273 [insb T1]). Wenn das Berufungsgericht seiner Entscheidung ohnehin die vom Kläger angestrebte Feststellung, wonach er über einen Pkw mit einem Verkehrswert von 5.000 EUR verfüge, zugrunde legt, ist der behauptete Verfahrensmangel schon abstrakt nicht geeignet, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen (6 Ob 106/19k).

[5] 2. Gemäß § 292 Abs 1 ASVG hat der Pensionsberechtigte Anspruch auf Ausgleichszulage, solange er seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat. Durch das Abstellen auf den „rechtmäßigen Aufenthalt“ soll ein Gleichklang der Ausgleichszulagenregelung mit dem europäischen und österreichischen Aufenthaltsrecht hergestellt werden (ErläutRV 981 BlgNR 24. GP  206;10 ObS 159/20k SSV-NF 35/10 ua).

[6] Nach Art 7 Abs 1 RL 2004/38/EG (bzw § 51 Abs 1 Z 2 NAG) steht das Recht auf Aufenthalt wirtschaftlich nicht aktiven Personen zu, die sich länger als drei Monate (aber nicht mehr als fünf Jahre) im Aufenthaltsmitgliedstaat aufhalten und die Voraussetzungen des Art 7 Abs 1 lit b RL 2004/38/EG erfüllen, dh über ausreichende Existenzmittel und einen Krankenversicherungsschutz verfügen, sodass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen (RS0130764). Nur unter dieser Bedingung steht einem Unionsbürger hinsichtlich des Zugangs zur Ausgleichszulage eine Gleichbehandlung mit Inländern zu (10 ObS 53/21y SSV‑NF 35/51; 10 ObS 12/20t SSV-NF 34/11). Ob die Voraussetzungen des Art 7 Abs 1 lit b der RL 2004/38/EG erfüllt sind, kann nur aufgrund der Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden (RS0130764 [T2]).

[7] 2.1. Von diesen Grundsätzenist das Berufungsgericht ausgegangen und zum Ergebnis gelangt, dass der Kläger nicht über ausreichende Einkünfte verfüge, um seine Lebenshaltungskosten ohne staatliche Unterstützung zu decken, weil ihm dafür schon nach Abzug der von ihm selbst angeführten, im Übrigen auch gar nicht vollständigen Fixkosten nur ca 265 EUR monatlich zur Verfügung stünden.

[8] 2.2. Diese Beurteilung bekämpft der Kläger nicht. Er bemängelt nur die weitergehenden Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach für den relevanten Zeitraum von fünf Jahren selbst dann keine ausreichenden Existenzmittel vorlägen, wenn die behauptetermaßen in seinem Eigentum stehenden Fahrzeuge (Pkw und Motorrad) verwertet werden könnten. Er meint dazu, das Berufungsgericht wäre zu einem „anderen Ergebnis“ gelangt, wenn die Verkehrswerte „in concreto“ festgestellt worden wären. Entgegen seiner Ansicht ist das Berufungsgericht aber nicht davon ausgegangen, Fahrzeuge seien für die Prüfung der wirtschaftlichen Situation generell außer Betracht zu lassen. Seine Beurteilung erfolgte vielmehr unter der Prämisse des Verkaufs der Fahrzeuge „zu dem in Ansatz gebrachten Verkehrswert“. Warum das dabei, also unter Zugrundelegung des vom Kläger behaupteten Werts der Fahrzeuge, erzielte Ergebnis unrichtig sein soll, legt der Kläger (überhaupt) nicht dar. Schon aus diesem Grund zeigt er keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0043654 [T15]; RS0043605).

[9] 3. Dass das Beantragen von Sozialleistungen (Ausgleichszulage) nicht schon per se bedeutet, dass keine ausreichenden Existenzmittel vorliegen, trifft zu (VwGH Ra 2018/21/0047g; Ra 2017/21/0132). Dieser Umstand war für das Verneinen der Voraussetzungen des Art 7 Abs 1 RL 2004/38/EG (§ 51 Abs 1 Z 2 NAG) durch die Vorinstanzen aber nicht tragend.

[10] 4. Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ist die Revision zurückzuweisen.

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