OGH 6Ob106/19k

OGH6Ob106/19k27.6.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* OG, *, vertreten durch Dr. Johannes Eltz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. E* P*, vertreten durch Dr. Wolfgang Grogger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 700.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 8. Juni 2018, GZ 12 R 24/18i‑28, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E125575

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

I. Die Schriftsätze der klagenden Partei vom 26. 9. 2018 (Urkundenvorlage und Antrag auf Anzeige gemäß § 78 StPO) und vom 11. 10. 2018 (Urkundenvorlage) werden zurückgewiesen.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Nach Unterbrechung des Prozesses durch Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Klägerin lehnte der Masseverwalter den Eintritt in den Rechtsstreit gemäß § 8 Abs 1 IO ab. Über Antrag des Beklagten fasste das Erstgericht am 22. 5. 2019 den Beschluss, das Verfahren wieder aufzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

I. Die klagende Partei hat zusätzlich zu ihrem Rechtsmittel zwei Schriftsätze eingebracht. Dies verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (RS0041666 [insb T35]; RS0100170). Die Schriftsätze waren daher als unzulässig zurückzuweisen. Zu einem Vorgehen gemäß § 78 StPO besteht kein Anlass.

II.1. Die klagende Gesellschaft ist durch den mit Wirksamkeit vom 12. 7. 2018 über einen ihrer Gesellschafter eröffneten Konkurs aufgelöst, nicht jedoch aus dem Firmenbuch gelöscht (offenes Firmenbuch).

Die Auflösung einer Personengesellschaft und die Löschung ihrer Firma aus dem Firmenbuch beeinträchtigt so lange ihre Parteifähigkeit und Prozessfähigkeit nicht, als ihre Rechtsverhältnisse gegenüber Dritten noch nicht abgewickelt sind (RS0035195 [T1]). Macht die Gesellschaft selbst einen Leistungsanspruch geltend, so kann Vollbeendigung von Vornherein nicht eintreten, umfasst doch dann ihr Gesellschaftsvermögen wenigstens noch den behaupteten Anspruch (RS0062191).

Die Auflösung der Klägerin hat daher keine Auswirkungen auf ihre Partei- und Prozessfähigkeit im vorliegenden Verfahren.

2. Die Klägerin macht Gewährleistungsansprüche aus dem Kauf von Liegenschaftsanteilen vom Beklagten geltend.

3.1. Das Berufungsgericht ging in Erledigung der Beweisrüge der Klägerin davon aus, dass der Beklagte das Klagevorbringen, der verfahrensgegenständliche Vorplatz befinde sich nur zum Teil auf der den Kaufvertragsgegenstand bildenden Liegenschaft, zum Teil aber auf der Nachbarliegenschaft, gemäß § 267 Abs 1 ZPO zugestanden habe.

Die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Lage des Vorplatzes geltend gemachten Verfahrensmängel sind daher nicht geeignet, eine unrichtige Entscheidung des Berufungsgerichts herbeizuführen (vgl RS0043027; RS0043049), hat dieses seiner rechtlichen Beurteilung doch ohnehin die von der Klägerin angestrebte Feststellung zugrunde gelegt. Die Klägerin zeigt mit ihren Verfahrensrügen daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung stellt das Wohnungseigentum auf das Miteigentum an einer einzelnen Liegenschaft ab, wobei unter Liegenschaft stets ein gesamter, einheitlicher Grundbuchskörper (vgl § 3 GBG) zu verstehen ist (RS0082865; 5 Ob 137/17h immolex 2017/100 [Punt] mwN). Das Wohnungseigentumsobjekt muss sich daher zur Gänze auf der selben Liegenschaft befinden (5 Ob 137/17h; 5 Ob 52/14d; RS0060192; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 2 WEG Rz 5; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23§ 2 WEG Rz 4). An einem liegenschaftsübergreifenden Objekt kann Wohnungseigentum nicht wirksam begründet werden; in einem solchen Fall entsteht entgegen dem Grundbuchsstand nicht Wohnungseigentum, sondern schlichtes Miteigentum (5 Ob 60/16h; 5 Ob 61/16f jeweils zu einer liegenschaftsübergreifenden Tiefgarage; vgl 5 Ob 137/17h). Ebenso ist die Begründung von Wohnungseigentum an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, also Teilen, die der allgemeinen Benützung dienen und deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Nutzung entgegensteht, unwirksam (5 Ob 137/17h; RS0082912; RS0082927). Allerdings soll im Fall der Einverleibung von Wohnungseigentum an nicht wohnungseigentumstauglichen Objekten die Begründung von Wohnungseigentum an einer Liegenschaft dann nicht insgesamt und abschließend nichtig sein, wenn eine rechtskonforme Gestaltung keine geänderte Summe der Nutzwerte/Mindestanteile verlangt. Vielmehr bestehe in einem solchen Fall lediglich am betroffenen Raum nicht Wohnungseigentum, sondern schlichtes Miteigentum (5 Ob 4/06h wobl 2007/3 [Call]; vgl 7 Ob 4/16p immolex 2016/62 [Prader]).

4.1. Entgegen den Revisionsausführungen hat der Oberste Gerichtshof in seiner dieselbe Liegenschaft betreffenden Entscheidung 5 Ob 137/17h keineswegs ausgesprochen, dass der Wohnungseigentumsvertrag zur Gänze nichtig sei. Vielmehr konnte eine abschließende Beurteilung, ob entgegen dem Grundbuchsstand rechtlich nicht Wohnungseigentum, sondern nur schlichtes Miteigentum bestehe, in jenem Fall unterbleiben, weil die dort strittige Aktivlegitimation der Eigentümergemeinschaft davon nicht abhing.

Die genannte Entscheidung stellt jedoch klar, dass die Klägerin mit ihrem Vorbringen, die Begründung von Wohnungseigentum an der Liegenschaft sei (zur Gänze) unwirksam, weil ein Teil der Zufahrt zu einem ihrer Wohnungseigentumsobjekte über die Nachbarliegenschaft verlaufe, wobei nach ihren Behauptungen insofern eine Ersitzung vorliege, keinen Fall der rechtlich unmöglichen Wohnungseigentumsbegründung an einer liegenschaftsübergreifenden Anlage, sondern lediglich solche Umstände anspricht, die durch eine der Rechtslage entsprechende Nutzwertfestsetzung bereinigt werden könnten (5 Ob 137/17h).

4.2. Gestützt auf diese Rechtsprechung ging das Berufungsgericht von der wirksamen Begründung von Wohnungseigentum aus, die lediglich die Einfahrt nicht umfasste. An dieser habe der Beklagte der Klägerin aber jedenfalls Miteigentum samt einer Nutzungsbefugnis übertragen.

Abgesehen von dem zu Unrecht monierten Abweichen von der Entscheidung 5 Ob 137/17h setzt sich die Zulassungsbeschwerde mit dieser Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht substantiiert auseinander, sodass insofern keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird (vgl RS0042779; RS0043654).

5.1. Eine Leistung ist mangelhaft iSd § 922 ABGB, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem Geschuldeten, das heißt dem Vertragsinhalt, zurückbleibt (RS0018547). Die Frage, welche Leistung geschuldet wurde, ist nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu beurteilen und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RS0042936 [T48] = 1 Ob 42/11z; vgl RS0044358).

5.2. Im vorliegenden Fall war der Klägerin bekannt, dass sich ein Teil der Zufahrt zu einem ihrer Wohnungseigentumsobjekte auf der Nachbarliegenschaft befand. Angesichts dieser Kenntnis legte das Berufungsgericht den zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag dahin aus, dass die Klägerin nicht habe erwarten können, dass das dort ausgewiesene Zubehörwohnungseigentum am Vorplatz wirksam auf der (gesamten) Fläche der Einfahrt begründet worden sei.

Zu dieser Vertragsauslegung nimmt die außerordentliche Revision nicht Stellung, sodass auch insofern keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird.

5.3. Das Berufungsgericht legte den zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrag dahin aus, dass der Beklagte den tatsächlichen, vom Vertreter der Klägerin besichtigten Zustand der Kellerobjekte schuldete. Angesichts des Umstands, dass es diesem auf den Zustand und die Substanz des Hauses gar nicht ankam, ist diese Auslegung jedenfalls vertretbar.

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