European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00026.16W.0510.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Entscheidungsgründe:
Die Tochter des Klägers und der Mutter Y***** wurde am 17. 1. 2013 geboren.
Nach den Ergebnissen des Vorverfahrens 42 Cgs 33/14m des Erstgerichts beantragte die Mutter anlässlich der Geburt ihrer Tochter Kinderbetreuungsgeld in der Variante 20 + 4. Sie war im Zeitraum der vierten bis siebten Lebenswoche der Tochter und unstrittig auch noch darüber hinaus bis zum 16. 9. 2014 Bezieherin des Kinderbetreuungsgeldes. Das der Mutter gebührende Kinderbetreuungsgeld wurde ab dem 17. 5. 2014 gemäß § 5a Abs 2 KBGG auf die Hälfte reduziert, weil die in § 7 Abs 3 Mutter‑Kind‑Pass‑Verordnung 2002 (MuKiPassV) vorgeschriebene zweite Untersuchung der Tochter in der vierten, fünften, sechsten oder siebten Lebenswoche versäumt und erst am 12. 3. 2013 durchgeführt wurde. Der dafür geltend gemachte Grund ‑ die Sorge vor einer herrschenden besonderen Ansteckungsgefahr in der Ordination eines Kinderarztes infolge einer Grippewelle ‑ wurde nicht als Nachsichtsgrund gemäß § 7 Abs 4 Z 1 KBGG anerkannt (vgl 10 ObS 45/15p).
Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass der Kläger, der sich stets um alle Arzttermine kümmerte und auch wusste, dass die zweite Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchung im genannten Zeitraum erfolgen hätte müssen, für die Versäumung der Frist zur Durchführung dieser Untersuchung verantwortlich war. Vor dem 12. 3. 2013 hatte der Kläger bewusst keinen Untersuchungstermin beim Kinderarzt vereinbart, weil er befürchtete, die Tochter würde sich im Wartezimmer eines Kinderarztes anstecken.
Der Kläger beantragte aus Anlass der Geburt der Tochter am 3. 9. 2014 Kinderbetreuungsgeld in der Variante 20 + 4.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. 5. 2015 kürzte die Beklagte gemäß §§ 5a Abs 2 iVm 7 Abs 3 Z 1 KBGG das Kinderbetreuungsgeld für die Tochter ab dem 17. 5. 2014 auf die Hälfte, weil die zweite Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchung nicht rechtzeitig vorgenommen worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Klage, mit der der Kläger die Zuerkennung des ungekürzten Kinderbetreuungsgeldes aus Anlass der Geburt seiner Tochter ab dem 17. 9. 2014 bis 16. 1. 2015 begehrt. Der Kläger macht, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, im Wesentlichen geltend, dass die Versäumung der zweiten Untersuchung von ihm deshalb nicht zu vertreten sei, weil er zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht Kinderbetreuungsgeld beziehender Elternteil gewesen sei.
Die Beklagte wandte dagegen zusammengefasst ein, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum mit der Mutter zusammengelebt habe, für sämtliche Untersuchungen der Tochter verantwortlich gewesen sei und ihm die verspätete Durchführung der zweiten Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchung daher vorzuwerfen sei.
Das Erstgericht sprach aus, dass dem Kläger ab 17. 9. 2014 Kinderbetreuungsgeld für die Tochter in Höhe von 10,40 EUR täglich gebühre. Das Mehrbegehren „auf Feststellung, dass dem Kläger Kinderbetreuungsgeld für die Tochter in voller Höhe von 20,80 EUR täglich ab 17. 9. 2014 bezahlt werde“, wies es ab. Rechtlich führte es aus, dass das Kinderbetreuungsgeld gemäß § 5a Abs 2 KBGG ab dem 17. Lebensmonat des Kindes 10,40 EUR täglich betrage, wenn die in § 7 Abs 3 KBGG vorgesehenen Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchungen versäumt werden. Im Anlassfall sei die zweite Untersuchung nach § 7 Abs 2 MuKiPassV versäumt worden. Die Verspätung sei vom Kläger zu vertreten, weil die Angst vor Ansteckung im Warteraum eines Kinderarztes keinen Rechtfertigungsgrund iSd § 8 Abs 1 MuKiPassV darstelle. Der Kläger sei „als Teil der Kindeseltern“ in den Kreis derjenigen einzubeziehen, die für die rechtzeitige Vornahme der Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchungen zu sorgen hätten. Daran ändere der Umstand, dass zum Zeitpunkt, in dem die zweite Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchung zu erfolgen gehabt hätte, nicht der Kläger, sondern die Mutter das Kinderbetreuungsgeld bezogen habe, nichts.
Das Berufungsgericht gab der vom Kläger gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung führte es aus, dass im ursprünglichen § 7 Abs 3 KBGG eine Ausnahme von der Kürzung des Kinderbetreuungsgeldes für den Fall angeordnet gewesen sei, dass „die Vornahme der Untersuchungen aus Gründen, die nicht von den Kindeseltern zu vertreten sind, unterbleibt“. Die Änderung der Wortfolge „von den Kindeseltern“ auf „vom beziehenden Elternteil“ mit der Novelle BGBl I 2003/122 sei nach den Gesetzesmaterialien eine Klarstellung, dass die Kindeseltern nicht in allen Fällen gemeinsam für die Durchführung und den Nachweis der Untersuchungen verantwortlich sind.
Dass die Gründe für die Versäumung der rechtzeitigen Durchführung einer Mutter‑Kind‑Pass-Untersuchung nur jener Elternteil zu vertreten hätte, der zum Zeitpunkt, in dem die Untersuchung stattfinden hätte sollen, gerade anspruchsberechtigt war, ergebe sich nicht aus dem Wortlaut des § 7 Abs 4 Z 1 KBGG. Danach sei vielmehr jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob der Elternteil, der Kinderbetreuungsgeld beanspruche, die Versäumung eines Untersuchungstermins ‑ wann auch immer dieser war ‑ zu vertreten habe. Die Gründe, die die rechtzeitige Vornahme der Mutter-Kind-Pass-Untersuchung oder deren Nachweis verhindern, könnten sowohl in der Sphäre des beziehenden Elternteils als auch in der des nicht beziehenden Elternteils oder in beider Sphäre liegen. Maßgeblich sei, dass sie der beziehende Elternteil nicht zu vertreten habe; dies bedeute, dass ihm kein rechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden könne. Die vom Kläger gewünschte Auslegung des § 7 Abs 4 Z 1 KBGG komme nicht in Betracht: Die Formulierung „beziehender Elternteil“ in dieser Bestimmung solle nur eine differenzierte Beurteilung der Verantwortung für die Säumnis im Einzelfall ermöglichen. Danach habe der Kläger aber im Anlassfall die Versäumung der zweiten Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchung zu vertreten, weil er für deren Durchführung verantwortlich gewesen sei und ein Rechtfertigungsgrund nicht vorliege.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision im Hinblick auf die eindeutige Formulierung des § 7 Abs 4 Z 1 KBGG nicht zulässig sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, mit der er erkennbar die Stattgebung seiner Klage anstrebt.
Die Beklagte beantragte in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil Rechtsprechung zur hier zu beurteilenden Frage fehlt und der Wortlaut des § 7 Abs 4 Z 1 KBGG nicht so eindeutig ist, dass nur eine Auslegungsmöglichkeit ernstlich in Betracht zu ziehen ist und Zweifel nicht entstehen können. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Der Kläger hält auch in der Revision an seiner Ansicht fest, dass er nach dem klaren Wortlaut des § 7 Abs 4 Z 1 KBGG die nicht fristgerechte Vornahme der zweiten Mutter-Kind-Pass-Untersuchung nicht zu vertreten habe, weil er im fraglichen Zeitraum nicht Kinderbetreuungsgeld beziehender Elternteil gewesen sei. Für die Durchführung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen sei, wie sich gerade aus der Novellierung des § 7 Abs 4 Z 1 KBGG im Jahr 2003 ergebe, der beziehende Elternteil, und nicht mehr ‑ wie nach der früheren Rechtslage ‑ „die Kindeseltern“ verantwortlich. Der nicht beziehende Elternteil komme auch nicht in den Genuss der krankenversicherungsrechtlichen Regelung des § 28 KBGG, ihn treffe auch keine Rückzahlungsverpflichtung. Diesen Ausführungen kommt keine Berechtigung zu.
1. § 6 ABGB bestimmt, dass einem Gesetz in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden darf, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet. Allgemein ist bei der Gesetzesauslegung von der wörtlichen (sprachlichen, grammatikalischen) Auslegung, die nach dem Wortsinn der Norm und innerhalb des durch den äußerst möglichen Wortsinn abgesteckten Rahmens nach der Bedeutung eines Ausdrucks im allgemeinen Sprachgebrauch oder dem des Gesetzgebers und in seinem Zusammenhang innerhalb der Regelung fragt, auszugehen (Posch in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 6 Rz 5 mwN; vgl auch P. Bydlinski in KBB4 § 6 Rz 3 mwN). Die Gesetzesauslegung darf aber bei der Wortinterpretation nicht stehen bleiben (RIS‑Justiz RS0008788 ua). Der Sinn einer Bestimmung ist unter Bedachtnahme auf deren Zweck zu erfassen (objektiv‑teleologische Interpretation). Die gesetzgeberische Regelung und die darin zum Ausdruck kommenden Wertmaßstäbe sind selbständig weiter und zu Ende zu denken (vgl RIS‑Justiz RS0008836).
2.1 Bereits in der Stammfassung, BGBl I 2001/103, normierte § 7 Abs 3 KBGG eine Nachsichtsregelung für Versäumnisse im Zusammenhang mit den Mutter‑Kind‑Pass-Untersuchungen. Danach bestand der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld in ungekürzter Höhe auch dann, „wenn die Vornahme der Untersuchungen aus Gründen, die nicht von den Kindeseltern zu vertreten sind, unterbleibt“.
Zu dieser Bestimmung wurde in den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 620 BlgNR 21. GP 62) ausgeführt: „Zu Abs 3: Gründe für unterbliebene Untersuchungen, die nicht von den Kindeseltern zu vertreten sind, zB Aufenthalt im Ausland, wo entsprechende Untersuchungen nicht möglich sind, werden nachgesehen. In diesen Fällen soll daher das volle Kinderbetreuungsgeld gebühren.“
2.2 Mit der Einführung eines erhöhten Kinderbetreuungsgeldes für Mehrlingsgeburten in § 3a KBGG mit der 2. Novelle zum KBGG, BGBl I 2003/58, erfolgte lediglich eine diesbezügliche redaktionelle Anpassung in § 7 Abs 3 KBGG.
2.3 Seine heutige Fassung erhielt § 7 Abs 4 KBGG im Wesentlichen mit der Schaffung des ‑ damaligen ‑ Absatzes 3 des § 7 KBGG mit der 3. Novelle zum KBGG, BGBl I 2003/122. Diese Bestimmung lautete:
„(3) Ungeachtet des Abs 2 besteht der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld gemäß § 3 Abs 1 und § 3a Abs 1, wenn
1. die Vornahme oder der Nachweis der Untersuchungen aus Gründen, die nicht vom beziehenden Elternteil zu vertreten sind, unterbleibt oder
2. der Nachweis bis spätestens zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes nachgebracht wird.“
In den Erläuterungen zum Ministerialentwurf (86/ME 22. GP) wird darauf hingewiesen, dass durch die Möglichkeit einer Nachfrist für die Erbringung des Nachweises über die Durchführung der Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchungen Härten beseitigt werden sollen. Mit der neu geschaffenen Ziffer 1 dieser Bestimmung sollte sichergestellt werden, dass nicht nur von der Durchführung von Untersuchungen, sondern auch vom Nachweis von Untersuchungen abgesehen werden kann (zB im Fall höherer Gewalt). Wörtlich heißt es im Ministerialentwurf weiter: „Auch bedarf es einer Klarstellung, dass die Kindeseltern nicht in allen Fällen gemeinsam für die Durchführung und den Nachweis der Untersuchungen verantwortlich sind.“ Diese Formulierung findet sich auch in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (248 BlgNR 22. GP 2).
2.4 Mit der Novelle BGBl I 2007/76 wurde die bis dahin in § 7 Abs 3 KBGG enthaltene Nachsichtsregelung nur unwesentlich verändert (Erweiterung des Anwendungsbereichs auch auf die neu eingeführten Kurzleistungen gemäß §§ 5a, 5b KBGG) in den neu geschaffenen § 7 Abs 4 KBGG übertragen. Seit dieser Novelle hat § 7 Abs 4 Z 1 KBGG seinen auch heute noch geltenden Inhalt. Die Novellen BGBl I 2009/116 und BGBl I 2013/197 brachten diesbezüglich keine Veränderungen.
Die Gesetzesmaterialien zur Novelle BGBl I 2007/76 führen zu dieser Bestimmung aus (ErläutRV 229 BlgNR 23. GP 6):
„Bei allen Leistungsarten kann der Nachweis der Untersuchungen nachgereicht werden bzw ist ein Absehen von der Kürzung/Rückforderung möglich, sofern eine (oder ggf sogar mehrere) Untersuchungen nicht oder nicht korrekt (zB verspätet) durchgeführt wurde und der Grund dafür nicht vom Elternteil zu vertreten ist (Bsp: spätere Adoption des Kindes).“
Einen nahezu wortgleichen Text enthalten die Gesetzesmaterialien zur Novelle BGBl I 2009/116 (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 12).
2.5 Die in § 7 Abs 4 Z 1 KBGG enthaltene Formulierung „... aus Gründen, die nicht … zu vertreten sind“ entspricht § 8 MuKiPassV 2002 in der seit 1. 11. 2013 in Kraft stehenden Fassung BGBl II 2013/420 (§ 15 Abs 4 MuKiPassV). Diese Bestimmung lautet:
„§ 8 Eine Überschreitung der im § 7 Abs 2 bis 6 festgelegten Untersuchungstermine hat zur Weitergewährung des Kinderbetreuungsgeldes in voller Höhe außer Betracht zu bleiben, wenn sie aus einem vom Anspruchsberechtigten nicht zu vertretenden Grund erfolgt (§ 7 Abs 4 KBGG).“
3. Der Wortlaut des § 7 Abs 4 Z 1 KBGG ist ‑ entgegen den diesbezüglich auch konträr begründeten Ansichten des Berufungsgerichts und des Revisionswerbers ‑ nicht so klar und eindeutig, dass er nur ein Auslegungsergebnis zuließe. Die Formulierung „beziehender Elternteil“ kann nämlich sowohl den zum Zeitpunkt der vorgesehenen (und versäumten) Untersuchung beziehenden Elternteil meinen (Standpunkt des Klägers), als auch auf den erst zu einem anderen (hier: späteren) Zeitpunkt Kinderbetreuungsgeld beziehenden Elternteil abstellen. Es bedarf daher einer Auseinandersetzung mit dem Sinn dieser Bestimmung unter Bedachtnahme auf ihren Zweck.
4.1 Mit den §§ 7 und 35 KBGG fanden Bestimmungen über den Mutter‑Kind‑Pass bereits in die Stammfassung des KBGG, BGBl I 2001/103, Eingang. Der Grund dafür war, dass der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld ‑ im Gegensatz zum bisherigen Karenzgeld ‑ teilweise mit der Vornahme bzw dem Nachweis der vorgeschriebenen Untersuchungen verknüpft ist. Dieses sollte ab den im Gesetz näher bestimmten Zeitpunkten nur dann in voller Höhe gebühren, wenn die entsprechenden fünf Untersuchungen während der Schwangerschaft und fünf weitere des Kindes bis zum 14. Lebensmonat durchgeführt bzw fristgerecht nachgewiesen werden. Damit wollte der Gesetzgeber die Wichtigkeit des Mutter‑Kind‑Passes im Zusammenhang mit dem Kinderbetreuungsgeld festschreiben. Mit den Kürzungsregelungen in § 7 Abs 2 und Abs 3 iVm § 3 Abs 2 KBGG sollte eine Sanktion zur Verfügung stehen, falls die vorgesehenen Untersuchungen nicht oder nicht korrekt durchgeführt werden (Ehmer ua, KBGG² 124; 10 ObS 157/14g).
4.2 Zur hier zu beurteilenden Nachsichtsregelung des § 7 Abs 4 Z 1 KBGG nehmen in der Lehre lediglich Ehmer ua (KBGG² 129 ff) näher Stellung. Schober (in: Sonntag/Schober/Konezny, KBGG, § 7 Rz 7) gibt in diesem Zusammenhang lediglich den Text des § 7 Abs 4 Z 1 KBGG wieder.
Ehmer ua führen aus, dass diese Bestimmung eine Ausnahme von den Kürzungsregelungen in § 7 Abs 2 und 3 KBGG darstelle und § 8 MuKiPassV entspreche (aaO 129). Der Anspruch bestehe ungekürzt weiterhin, wenn die Vornahme der Untersuchungen aus Gründen unterbleibt, die nicht „von den Kindeseltern“ (aaO 129), bzw nicht „von der Schwangeren“ (aaO 129), bzw nicht von der „KBG‑Bezieherin“ (aaO 131) zu vertreten seien. Zum ‑ hier nicht zu beurteilenden ‑ Fall der Nichterbringung des Nachweises einer vorgeschriebenen Mutter‑Kind‑Pass-Untersuchung führen Ehmer ua, worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat, aus, dass die Gründe, die den Nachweis verhindern, zweifelsfrei sowohl in der Sphäre des beziehenden Elternteils als auch in der des nicht beziehenden Elternteils liegen könnten. Ausschlaggebend sei, dass sie der beziehende Elternteil nicht zu vertreten habe, dass ihm also kein rechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden könne (aaO 130).
4.3 Der Oberste Gerichtshof hatte sich in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 7 Abs 4 KBGG mit der hier zu beurteilenden Frage nicht auseinanderzusetzen, sondern lediglich Fragen zur Vertretbarkeit der Überschreitung eines Untersuchungstermins (10 ObS 45/15p) oder der Nichterbringung eines Nachweises für eine Untersuchung (10 ObS 157/14g; 10 ObS 140/15h) im Einzelfall (RIS‑Justiz RS0130213) zu beurteilen.
5.1 Das Berufungsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass „beziehender Elternteil“ iSd § 7 Abs 4 Z 1 KBGG jener Elternteil ist, der das Kinderbetreuungsgeld (jeweils) beantragt und aufgrund eines Antrags bezieht und nicht jener, der zu dem Zeitpunkt, in dem die Untersuchung durchzuführen war, gerade Kinderbetreuungsgeld beziehender Elternteil war.
5.2 Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 7 Abs 4 KBGG, der vom „Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld“ spricht. Damit übereinstimmend ist auch in der oben dargestellten Bestimmung des § 8 MuKiPassV ‑ und zwar bereits in der Stammfassung, BGBl II 2001/470 ‑ unter ausdrücklichem Hinweis auf § 7 Abs 4 KBGG ‑ vom „Anspruchsberechtigten“ die Rede. Zu beachten ist dabei, dass es sich beim Kinderbetreuungsgeld um einen einheitlichen, von der Betreuung eines Kindes im gemeinsamen Haushalt abhängigen Anspruch handelt, den die Eltern wahlweise ausüben können, und nicht um getrennte Ansprüche des einen oder anderen Elternteils (10 ObS 151/11w, SSV‑NF 26/3 ua; RIS‑Justiz RS0129826). Es gibt daher im Rahmen dieses einheitlichen Anspruchs je nach Gestaltung zu unterschiedlichen Zeiten „beziehende Elternteile“, die zur Wahrung des (auf sie entfallenden Teils des) Anspruchs einen entsprechenden Antrag (§ 4 Abs 1 KBGG) stellen müssen.
5.2 Gegen die vom Kläger begehrte Auslegung des § 7 Abs 4 Z 1 KBGG spricht auch der dargestellte historische Wille des Gesetzgebers. Schon bei der Schaffung der Nachsichtsbestimmung in § 7 Abs 3 KBGG in der Stammfassung des KBGG ging dieser davon aus, dass beide Eltern des Kindes für die Vornahme der vorgeschriebenen Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchungen verantwortlich sind. Gleichzeitig sahen die §§ 2 und 5 KBGG bereits in der Stammfassung vor, dass beide Elternteile Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld hatten. § 2 Abs 4 KBGG in der Stammfassung schloss den gleichzeitigen Bezug von Kinderbetreuungsgeld durch beide Elternteile aus (§ 2 Abs 2 KBGG idgF). § 5 Abs 3 KBGG in der Stammfassung ermöglichte pro Kind den ‑ maximal zweimaligen ‑ Wechsel des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld durch beide Elternteile. Keinesfalls ging der historische Gesetzgeber daher davon aus, dass nur der jeweils gerade Kinderbetreuungsgeld beziehende Elternteil für die Durchführung der vorgeschriebenen Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchungen verantwortlich sein sollte.
5.3 Das Berufungsgericht hat bereits dargestellt, dass sich an der grundsätzlichen Konzeption des Gesetz‑ (und Verordnungs‑)gebers, wonach für die Durchführung der vorgeschriebenen Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchungen beide Eltern verantwortlich sind, durch die für die heutige Fassung des § 7 Abs 4 Z 1 KBGG maßgebliche 3. KBGG‑Novelle, BGBl I 2003/122, nichts änderte. Durch die Änderung sollte nur klargestellt werden, dass die Eltern des Kindes nicht in allen Fällen gemeinsam für die Durchführung der Untersuchung verantwortlich sind. Daraus kann jedoch gerade nicht der Schluss gezogen werden, dass nur der im Untersuchungszeitpunkt Kinderbetreuungsgeld beziehende Elternteil insofern verantwortlich sein sollte: Vielmehr bleibt es grundsätzlich weiterhin bei der Verantwortlichkeit beider Elternteile. Auch wenn die Versäumung oder nicht rechtzeitige (korrekte) Durchführung einer oder mehrerer Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchungen von dem Elternteil zu verantworten ist, der nicht (oder nicht mehr, oder noch nicht) Kinderbetreuungsgeld bezieht, muss dennoch gemäß § 7 Abs 4 Z 1 KBGG beurteilt werden, ob dies von dem das Kinderbetreuungsgeld beziehenden (anspruchsberechtigten) Elternteil zu vertreten ist. Haben die Eltern ‑ wie auch im vorliegenden Fall ‑ eine Variante gewählt, in der beide zu unterschiedlichen Zeitpunkten beziehen, so ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs 4 KBGG infolge der Anträge der Elternteile für diese jeweils gesondert zu beurteilen.
5.4 Weder in § 7 Abs 4 Z 1 KBGG noch in § 8 MuKiPassV werden Beispiele für vom beziehenden Elternteil nicht zu vertretende Gründe genannt. Beispiele nennen die schon dargestellten Gesetzesmaterialien und der Durchführungserlass zum KBGG (abgedruckt bei Ehmer ua, KBGG² 278 ff). Als nicht zu vertretende Gründe werden dort zu § 7 KBGG die Fälle der Adoption (in diesem Fall seien nur jene Untersuchungen nachzuweisen, die nach der Übernahme des Kindes stattgefunden haben), des längerfristigen Auslandsaufenthalts in einem Land, in welchem derartige Untersuchungen nicht möglich sind, oder der Fall genannt, dass der Vater mangels Kontakt mit der Mutter keinen Einfluss auf die Durchführung der Schwangerschaftsuntersuchungen hatte (Ehmer ua, KBGG² 301). Die Fälle des Auslandsaufenhalts und der Adoption sind auch in den bereits genannten Gesetzesmaterialien enthalten.
5.5 Gerade der Fall des Vaters, der keinen Einfluss auf die Durchführung von Schwangerschaftsuntersuchungen hat, zeigt, dass es nicht darauf ankommt, wer zum Zeitpunkt der vorzunehmenden Untersuchung gerade Kinderbetreuungsgeld bezogen hat: Denn das Kinderbetreuungsgeld gebührt gemäß § 4 Abs 1 KBGG (bereits seit der Stammfassung) auf Antrag frühestens ab dem Tag der Geburt des Kindes oder, bei Adoptiv‑ und Pflegekindern, ab dem Tag, an dem das Kind in Pflege genommen wird. Zum Zeitpunkt der Durchführung der Schwangerschaftsuntersuchungen gab es daher keinen Kinderbetreuungsgeld beziehenden Elternteil, sodass der Vater ‑ folgte man dem Standpunkt des Klägers ‑ in dem im Durchführungserlass genannten Beispielsfall die Nachsichtsregel nicht in Anspruch nehmen könnte, weil es gar keinen „beziehenden Elternteil“ gäbe.
Dies würde auch für andere Fälle gelten, in denen zum Zeitpunkt (im Zeitraum) der vorgesehenen Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchung gerade kein Elternteil Kinderbetreuungsgeld bezieht: Dies kann etwa der Fall sein, wenn für diesen Zeitraum noch kein Kinderbetreuungsgeld beantragt oder auf dieses verzichtet wurde (§ 2 Abs 5 KBGG). Es kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden, dass er in solchen Fällen die Sanktion der Kürzung des Kinderbetreuungsgeldes bei Unterlassung oder verspäteter Durchführung der vorgesehenen Untersuchung entfallen lassen wollte, sodass auch daher der vom Kläger angestrebten Auslegung nicht zu folgen ist.
5.6 Zusammenfassend ergibt sich: „Beziehender Elternteil“ iSd § 7 Abs 4 Z 1 KBGG ist jener Elternteil, der ‑ im Rahmen der jeweils gewählten Gestaltung des Kinderbetreuungsgeldbezugs ‑ Kinderbetreuungsgeld aufgrund eines Antrags beansprucht.
6. Der Kläger, dessen Antrag auf Zahlung von Kinderbetreuungsgeld in ungekürzter Höhe ab 17. 9. 2014 Verfahrensgegenstand ist, hat nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen die Versäumung der Frist für die Durchführung der zweiten Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchung zu verantworten. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Angst vor Ansteckungsgefahr im Wartezimmer eines Kinderarztes die verspätete Durchführung dieser Untersuchung nicht rechtfertigen kann, wird vom Revisionswerber nicht mehr in Zweifel gezogen. Ein ausnahmsweiser Nachsichtsgrund liegt nicht vor, weil der Kläger als beziehender Elternteil iSd § 7 Abs 4 Z 1 KBGG das Unterbleiben der fristgerechten Vornahme der Untersuchung zu vertreten hat.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage (RIS‑Justiz RS0085829 [T1]).
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