European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00140.15H.0119.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 336,82 EUR (darin enthalten 56,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisions-beantwortung zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der auf das Fehlen bzw auf die verspätete Vorlage des Nachweises der zehnten Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchung gegründete Anspruch auf Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld (in der Variante 12 + 2) für den Zeitraum 17. 3. 2011 bis 16. 6. 2011 in der Höhe von 1.518 EUR nicht zu Recht besteht.
Nach dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt führte der bei der Klägerin nach einer Risikoschwangerschaft vorgenommene Kaiserschnitt zu einem Blutgerinnsel und in der Folge zu einem Lungeninfarkt. Im Zuge einer Operation am Kopf stellte sich dann heraus, dass sie an einer Autoimmunerkrankung mit massiv herabgesetzter Lebenserwartung leidet, worauf sie selbst und auch ihre Familie in eine Ausnahmesituation gerieten. Zur zehnten Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchung wurde das Kind vom Ehegatten der Klägerin gebracht.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und ließ die Revision zur Frage zu, nach welchen Kriterien zu beurteilen sei, ob eine Unterlassung einer Mutter-Kind-Pass-Untersuchung oder deren Nachweises von der Leistungsbezieherin iSd § 7 Abs 4 Z 1 KBGG „zu vertreten“ sei und ob dabei eine Differenzierung zwischen der Vornahme und dem Nachweis einer Untersuchung vorzunehmen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Nach § 7 Abs 4 KBGG besteht Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld auch dann, wenn die Vornahme oder der Nachweis der vorgeschriebenen Untersuchungen aus Gründen unterbleibt, die nicht vom beziehenden Elternteil zu vertreten sind (Z 1) oder der Nachweis bis spätestens zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes nachgebracht wird (Z 2). In den Gesetzesmaterialien zu den jeweiligen Fassungen des § 7 Abs 3 bzw 4 KBGG wurde als möglichen Grund für unterbliebene Untersuchungen, der nicht von den Kindeseltern zu vertreten ist, der Aufenthalt im Ausland genannt, wo entsprechende Untersuchungen nicht möglich sind (ErläutRV 620 BlgNR 21. GP 62). Weiters wurde als Grund für das Absehen von Untersuchungen und deren Nachweis höhere Gewalt angeführt (ErläutRV 248 BlgNR 22. GP 2) sowie auch eine spätere Adoption des Kindes (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 12).
2. Nach der bisherigen Rechtsprechung ist der Umstand des bloßen Übersehens der Verpflichtung zur Erbringung eines rechtzeitigen Nachweises einer Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchung nicht ausreichend (10 ObS 157/14g), ebenso nicht das allgemeine Ansteckungsrisiko bei einer Grippewelle im Warteraum eines Kinderfacharztes für eine verspätete Vornahme der Untersuchung (10 ObS 45/15p). Es wurde bereits ausgesprochen, dass die Frage, ob der das Kinderbetreuungsgeld beziehende Elternteil das Überschreiten der vorgeschriebenen Untersuchungstermine zu vertreten hat, nur im Einzelfall beurteilt werden kann (RIS‑Justiz RS0130213). Hängt aber eine Frage von den jeweils gegebenen Umständen ab, entzieht sie sich gerade wegen ihrer Einzelfallbezogenheit grundsätzlich einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0042405).
3. Die Ansicht des Berufungsgerichts, im Hinblick auf die schweren gesundheitlichen Probleme der Klägerin und den bei ihr und ihrer Familie dadurch hervorgerufenen Ausnahmezustand sei das Fehlen des Nachweises der tatsächlich durchgeführten zehnten Mutter-Kind‑Pass‑Untersuchung von ihr nicht zu vertreten, steht mit der bisherigen Rechtsprechung nicht im Widerspruch und ist aufgrund der gegebenen Umstände jedenfalls vertretbar.
4. Mit ihrem Vorbringen, die Umstände des Einzelfalls hätten auch die Entscheidung gerechtfertigt, die Klägerin habe das nicht rechtzeitige Vorlegen des Untersuchungsnachweises aus eigenem Unterlassen und darüber hinaus aus dem Unterlassen ihres Ehemannes zu verantworten, zeigt die Revisionswerberin ebenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen auf (RIS‑Justiz RS0042405 [T6]). Auch die aus der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts ersichtliche Frage, ob bei bloßem Fehlen eines Nachweises bei der Beurteilung der Zumutbarkeit eine großzügigere Nachsicht geboten ist als beim Unterlassen von Untersuchungen, wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil sie nur anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilbar erscheint.
Die Revision der beklagten Partei ist deshalb mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979 [T16]).
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