European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0100OB00085.18Z.1120.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1 Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG setzt das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken und den Mangel eines dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen voraus (RIS‑Justiz RS0070217 [T2]).
1.2 Eine regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken ist gegeben, wenn die Wohnung während eines beachtlichen Zeitraums im Jahr als wirtschaftlicher und familiärer Mittelpunkt genützt wird (RIS‑Justiz RS0079241 [T1]; RS0079240, RS0068679). Selbst die Benützung mehrerer Wohnungen erfüllt nicht den Kündigungstatbestand, solange der Mittelpunkt der Lebenshaltung zumindest zum Teil (RIS‑Justiz RS0079252) oder in mancher Beziehung (RIS‑Justiz RS0068874 [T1]) in der aufgekündigten Wohnung liegt (zu Doppelwohnungen im Sinne eigener Wohnungen des Mannes und dessen Ehegattin RIS‑Justiz RS0068997). Nicht entscheidend ist hingegen, ob dem Mieter im Hinblick auf das Vorhandensein einer Zweitwohnung die Aufgabe der aufgekündigten Wohnung unter Umständen zugemutet werden könnte (RIS‑Justiz RS0068874).
2. Die Beurteilung der Frage, ob iSd § 30 Abs 2 Z 6 MRG von einer regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken gesprochen werden kann, ist von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängig und begründet daher – von Fällen einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden krassen Fehlbeurteilung im Einzelfall abgesehen – regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0079241 [T13, T17], RS0103931 [T5], RS0068874 [T8]).
3. Die Ansicht der Vorinstanzen, der klagenden Partei als Vermieterin sei der ihr obliegende Beweis für das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung der aufgekündigten Wohnung durch den Beklagten nicht gelungen, weicht von der bisherigen Rechtsprechung (etwa 3 Ob 2275/96x) nicht ab und gibt keinen Anlass zu einem korrigierenden Eingreifen des Obersten Gerichtshofs:
Nach den Feststellungen hält sich der Beklagte in der 30 m2 großen aufgekündigten Wohnung (bestehend aus einem Raum samt Küchenzeile und Nebenräumen) unter der Woche täglich ab etwa 9:30 Uhr bis abends auf. Er ist seit 2013 in Pension und nützt die aufgekündigte Wohnung für seine nunmehrige selbständige Erwerbstätigkeit als praktizierender Energetiker, weiters für die mit seiner politischen Funktion verbundenen Arbeiten, zur Vorbereitung auf Vorträge sowie für Tätigkeiten im Zusammenhang mit seinem Engagement als Hausvertrauensmann. All diese Aktivitäten stellen seinen wesentlichen Lebensinhalt dar. Manchmal bereitet sich der Beklagte in der aufgekündigten Wohnung kleine warme Speisen selbst zu, gelegentlich duscht er. Für die anfallende Wäsche benützt er die allgemein zugängliche Waschküche im Haus. Erst zwischen 19:00 Uhr und 22:00 Uhr abends kehrt der Beklagte in die nur zwei Gehminuten entfernt gelegene Ehewohnung zu seiner Frau zurück, wo er nächtigt und auch die Wochenenden verbringt. In der Ehewohnung kann er aufgrund der dortigen räumlichen Verhältnisse seine Tätigkeiten nicht ausüben, weil dort nur zwei Räume vorhanden sind (Wohn- und Schlafraum), die untertags von seiner – ebenfalls in Pension befindlichen – Frau für deren Aktivitäten genutzt werden. Es besteht kein abgetrennter Bereich, in dem der Beklagte ungestört wäre.
Ausgehend von diesen Feststellungen zeigt die Revisionswerberin mit ihrem Vorbringen, die aufgekündigte Wohnung werde vom Beklagten nur aus Bequemlichkeit und ausschließlich für reine Freizeitzwecke genutzt (zumal ein Pensionist ausschließlich Freizeitaktivitäten nachgehen könne), keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
4. Im Übrigen hat der Beklagte den Beweis erbracht, dass sich die klagende Partei bei Abschluss des Mietvertrags im Jahr 1999 mündlich ausdrücklich mit einer Nutzung nicht nur zu Wohnzwecken, sondern auch zur Ausübung seiner damaligen selbständigen beruflichen Tätigkeit als Berater im IT‑Bereich einverstanden erklärt hat. Davon abweichend wurde auf Wunsch der klagenden Partei (im Hinblick auf die Widmung des Hauses als Wohnhaus) im schriftlichen Mietvertrag eine Verwendung zu Wohnzwecken festgehalten. Ist ein Mieter aber nach der getroffenen Vereinbarung berechtigt, das Bestandobjekt sowohl zu Wohnzwecken als auch zu Geschäftszwecken zu benützen, so kann der Vermieter mit einer lediglich auf die nicht regelmäßige Verwendung des Mietobjekts zu Wohnzwecken gestützten Aufkündigung nicht durchdringen. In diesem Fall kann nur der Mangel jeglicher vertragskonformer regelmäßiger Benutzung, nicht aber eine bloß ausschließliche Verwendung des Objekts als Wohnung oder als Geschäftsraum als Kündigungsgrund herangezogen werden (RIS‑Justiz RS0074903 [T1]). Benötigt der Mieter den Mietgegenstand– zumindest zum Teil – nach wie vor für seine geschäftliche Tätigkeit, ist ihm ein dem Wohnbedürfnis gleichwertiges Interesse am Bestandgegenstand zuzubilligen (RIS‑Justiz RS0074903 [T2]).
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