OGH 10Ob297/00z

OGH10Ob297/00z28.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Fellinger, Dr. Hoch und Dr. Neumayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingeborg K*****, vertreten durch Dr. Walter Scherlacher und Dr. Susanne Tichy-Scherlacher, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei DI K*****, vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 496.254,96 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 15. Juni 2000, GZ 15 R 206/99w-61, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Obwohl die Zurückweisung einer außerordentlichen Revision nach § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner Begründung bedarf, ist den Rechtsmittelausführungen kurz zu erwidern:

Der Beklagte führt zur Zulässigkeit seines Rechtsmittels aus, es seien hier zwei rechtlich erhebliche Fragen von allgemeiner Bedeutung zu beantworten. Nämlich die materiellrechtliche Frage, welche Schutz- und Sorgfaltspflichten sich für einen Architekten in Verbindung mit seinen Aufklärungspflichten über eine vertraglich vereinbarte Vorauszahlung gegenüber einer Geschäftsführerin, also einer in geschäftlichen Belangen erfahrenen Person ergeben, und die verfahrensrechtliche Frage, wie "Einwände des Mitverschuldens" im Verfahren erster Instanz vorzubringen sind.

Was die erste als erheblich genannte Rechtsfrage betrifft, hält der Beklagte selbst fest, bei der Prüfung der Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seien der Auftrag und das im Einzelfall betroffene Geschäft zu berücksichtigen (S 2 der ao Revision; RIS-Justiz RS0026584; zuletzt: 2 Ob 67/01v). Nach ständiger Rechtsprechung sind aber auch generelle Aussagen darüber, wann und in welchem Umfang gegenüber dem Vertragspartner eine Aufklärungspflicht besteht, kaum möglich (RIS-Justiz RS0014811 [T7]; RZ 1993/95 mwN; 2 Ob 311/00z; 10 Ob 88/00i mwN uva). Derartige Beratungs- und Aufklärungspflichten sind daher grundsätzlich von den Umständen des Einzelfals abhängig, weshalb erhebliche Rechtsfragen nur bei einer im Interesse der Rechtssicherheit wahrzunehmenden rechtlichen Fehlbeurteilung vorliegen könnten (RIS-Justiz RS0106373; zuletzt: 6 Ob 64/01g).

Der Revisionswerber macht geltend, die Vorinstanzen hätten die Aufklärungspflicht des beklagten Architekten analog der deutschen Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht eines Notars über die Sicherung

der Kaufpreisforderung beurteilt und die Entscheidung 7 Ob 550/86 (=

NZ 1987, 148 = HS 16.728 = HS 16.879) nicht berücksichtigt, wonach

ein Rechtsanwalt darauf vertrauen dürfe, dass ein Kreditinstitut nicht nur "rechtliche Minimalkenntnisse" über Kreditgeschäfte habe. Dass eine auffallende Fehlbeurteilung vorliege, wird mit diesem Hinweis eine Entscheidung "im Einzelfall" (HS 16.728) nicht einmal behauptet. Tatsächlich erscheint es keineswegs unvertretbar, wenn das Berufungsgericht ausführt, der Beklagte hätte die (erklärtermaßen "gänzlich bauunerfahrene" [S 26 des Ersturteils]) Klägerin aufgrund seiner Verpflichtung, ihre Interessen insbesondere in fachlicher, wirtschaftlicher und terminlicher Beziehung zu wahren, auch über die Risken der Vorauszahlung (von rund S 1,000.000) an das (insolvente) Bauunternehmen warnen müssen. Eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt daher nicht vor (Kodek in Rechberger**2 Rz 3 Abs 4 zu § 502 ZPO).

Dies ist der außerordentlichen Revision auch zu erwidern, wenn eine erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechts darin erblickt wird, ob der Beklagte in erster Instanz einen Mitverschuldenseinwand erhoben hat. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist nämlich ebenso eine Beurteilung des Einzelfalls, der im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO keine erhebliche Bedeutung zukommt, wie die Frage, ob das Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht (RIS-Justiz RS0042828 insbes [T5]; 2 Ob 260/98v; 8 Ob 100/00i; 9 Ob 20/01h; 8 Ob 57/01t uva). Die Interpretation des maßgebenden Parteienvorbringens durch das Berufungsgericht begründet daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0044273 [T50]; 9 Ob 318/00f). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist (10 Ob 66/00d; 7 Ob 322/00d; 9 Ob 21/00d mwN).

Eine derartige, vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht ist jedoch nicht gegeben, weil das Vorbringen in der Klagebeantwortung, auf das die außerordentliche Revision Bezug nimmt (die Klägerin hätte sich die Folgen ihrer Entscheidung, deren Tragweite ihr stets bewusst gewesen sei, selbst zurechnen zu lassen [S 5 der ao Revision]), von der in der Berufung vorgetragenen konkreten Behauptung zum Mitverschulden (die Unaktualität des Firmenbuchauszuges [über das insolvente Bauunternehmen] sei zunächst auch von der Klägerin unbeachtet geblieben) jedenfalls so weit abweicht, dass es keineswegs unvertretbar erscheint die neuen Behauptungen, also den erstmals ausdrücklich erhobenen Mitverschuldenseinwand, als unzulässige Neuerung zu behandeln; hat sich doch die Prüfung des Mitverschuldens nach ständiger Rechtsprechung auf jene tatsächlichen Umstände zu beschränken, die der Beklagte eingewendet hat (RIS-Justiz RS0022807; 4 Ob 188/99x mwN).

Da der Revisionswerber insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen konnte, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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