BVwG W226 1421210-4

BVwGW226 1421210-417.1.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W226.1421210.4.00

 

Spruch:

W226 1421209-4/6E

W226 1421208-4/4E

W226 1421210-4/4E

W226 1423771-4/4E

W226 2135270-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX (BF1), geb. XXXX ; 2.) XXXX (BF2), geb. XXXX ; 3.) XXXX (BF3), geb. XXXX ; 4.) XXXX , geb. XXXX (BF4) und 5.) XXXX , geb. XXXX (BF5), alle StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2016 (BF1 und BF2) sowie 26.08.2016 (BF3 bis BF5), Zlen. 1.) 810519801-1359125, 2.) 810519703-1359139, 3.) 810519910-1359112, 4.) 811478703-1435994 und 5.) 1106915210-160309685 zu Recht erkannt:

A)

BF1 bis BF4:

Die Beschwerden werden gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 Abs. 9 iVm. § 50 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

BF5:

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, § 8 Abs. 1 AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 Abs. 9 iVm. § 50 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die verfahrensgegenständlichen Anträge sind untrennbar miteinander verknüpft, weshalb zur besseren Veranschaulichung eine gemeinsame Bearbeitung erfolgt, wobei die Beschwerdeführer in der im Spruch vorgenommenen Reihenfolge als BF1 bis BF5 und alle zusammen als "die Beschwerdeführer" bezeichnet werden.

Die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz wurden am 29.05.2011 (BF1 bis BF3), am 09.12.2011 (BF4) und am 25.02.2016 (BF5) gestellt. Alle BF sind Staatsangehörige der Russischen Föderation (aus Dagestan), gehören der kumykischen Volksgruppe an und sind dem muslimischen Glauben zugehörig.

Im Zuge ihrer Antragstellung erklärten BF1 bis BF3 XXXX sowie XXXX zu heißen.

Zu ihrem Antrag wurde BF1 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 18.07.2011 und am 08.08.2011 vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen und gab dabei an, keine eigenen Fluchtgründe zu haben, sondern nur wegen der Fluchtgründe ihres Ehemannes mitgeflohen zu sein.

Auch gab sie dezidiert an, dass es niemals ein Strafverfahren in der Russischen Föderation gegen sie gegeben habe.

BF2 wurde am 29.05.2011 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt, wo er erklärte, seinen Herkunftsstaat verlassen zu haben, da er seinen PKW seinem Freund XXXX geborgt habe und auf diesen PKW im September XXXX von den Sicherheitsbehörden geschossen und sein Freund dabei getötet worden sei. Er sei daraufhin von der Polizei immer wieder vernommen und auch geschlagen worden. Als dann die Polizeidienststelle im März mittels einer Bombe zerstört worden sei, haben ihn die Sicherheitsbehörden wieder abgeholt und befragt und da er keine Antworten geben habe können, sei er gefoltert worden. Er sei für fünf Tage im Spital gewesen, ehe ein Freund namens XXXX ihn abgeholt und bei sich zuhause versteckt habe. Bei wiederkehrenden Hausdurchsuchungen bei ihm zuhause seien die Inlandsreisepässe beschlagnahmt worden. Es sei von ihm verlangt worden, dass er die Schuld des Anschlages auf sich nehme, was er jedoch verweigert habe.

BF2 wurde am 18.07.2011 vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache niederschriftlich einvernommen und gab unter anderem an, dass er seine Geburtsurkunde zu Hause habe, ebenso wie die Heiratsurkunde. Auch den Führerschein habe man ihm entzogen.

Einen Reisepass habe er niemals besessen. Im September XXXX habe er seinen Lieferwagen einem Bekannten geliehen. Auf diesen Lieferwagen sei irgendwo geschossen worden und sein Bekannter sei dort tot aufgefunden worden. Am Abend desselben Tages sei er von der Polizei, maskierten Männern, abgeholt worden. Ihm seien sofort Handschellen angelegt worden, seine Frau sei geschubst und er sei drei Tage lang eingesperrt worden. Es seien Geheimdienstler und keine richtigen Polizisten gewesen. Es sei ihm unterstellt worden, Terroristen zu unterstützen. Die Verwandtschaft habe ihn für 100.000 Rubel freigekauft. Er sei daraufhin mindestens einmal im Monat von diesen Leuten abgeholt und bedroht worden. Auch sei er gezwungen worden, Blankoformulare zu unterschreiben. Er habe diese Leute beim Bürgermeister und der Polizeizentrale in XXXX angezeigt. Daraufhin habe man ihm gesagt, dass sein Leben nichts mehr wert sei und er habe seine Anzeige zurückgezogen. Nachdem die Polizeizentrale in XXXX gesprengt worden sei, sei er wieder geholt worden. Im März 2011 habe er den Entschluss gefasst das Land zu verlassen. Im Zuge der polizeilichen Einvernahme sei ihm der Inlandspass entzogen worden.

Es folgte eine neuerliche Einvernahme von BF2 am 08.08.2011 durch das Bundesasylamt, Außenstelle Linz, wo BF2 unter anderem Folgendes angab: Er habe die Garage von seinem Vater übernommen, diese als Werkstätte betrieben und dort als selbständiger Schweißer gearbeitet und er habe Arbeiter gehabt, welche schwarz gearbeitet hätten. Im September XXXX habe er seinen Lieferwagen einem Bekannten namens XXXX geliehen, dessen Nachnamen kenne er nicht, aber er kenne dessen Familie. XXXX hätte einige Male den Kastenwagen bekommen, BF2 habe jedoch nie gefragt, was er transportiere. An einem Abend Anfang September XXXX habe es an die Tür geklopft. Als er die Tür geöffnet habe, seien Mitarbeiter vom FSB hereingekommen, hätten ihn festgehalten und gefragt, wie er heiße. Sie hätten ihn am Arm gepackt, geschrien und die Gattin von BF2 geschubst. Er sei nach seinem Auto gefragt und in Handschellen abgeführt und mit einem Dienstfahrzeug zur Polizeistation gebracht worden. Es sei ihm vorgeworfen worden, dass er wissen müsse, was in seinem Transporter transportiert worden sei und wohin.

BF2 habe erst später erfahren, dass sein Freund Widerstandskämpfer mit Lebensmitteln und Waffen versorgt habe. Davon habe er keine Ahnung gehabt. Es sei ihm unterstellt worden, dass er Terroristen unterstütze. Die Verwandtschaft habe ihn für 100.000 Rubel freigekauft. Sie hätten ihm gesagt, dass er die Stadt nicht verlassen dürfe und er den Behörden zur Verfügung stehen müsse. Mitte des Monats September sei er wieder von zu Hause mitgenommen worden, ohne dass ihm Handschellen angelegt worden seien. Es seien ihm Fotos vorgelegt worden und er sei gefragt worden, ob er diese Personen kenne, was er verneinte und er sei am nächsten Tag entlassen worden. Wenn in der Stadt etwas passiert sei, sei er abgeholt worden und meist nach zwei Stunden freigelassen worden. Er hätte jedes Mal etwas bezahlen müssen. Er sei auch einige Male von der Firma oder auf dem Weg nach Hause abgeholt worden, von zu Hause sei er nicht mehr abgeholt worden. Als Mitte März XXXX die Staatsanwaltschaft in XXXX gesprengt worden sei, seien sie nach Mitternacht zu ihm nach Hause gekommen, hätten ihn festgenommen, da er eine Woche vorher in XXXX eine Beschwerde gegen den Leiter des FSB wegen Amtsmissbrauchs einreichen habe wollen.

Er habe die Anzeige zurückgezogen. Dem Bürgermeister hätte er monatlich Geld zahlen sollen, da dieser immer mehr verlangt habe, hätte er nicht mehr bezahlen können. Sie hätten ihn fünf Tage festgehalten, ihm viele Fragen gestellt, hätten ihn ausgelacht und beleidigt und in die Nieren geschlagen und hätten ihm eine Gasmaske angelegt und den Verschluss zugehalten. Nach der Anhaltung sei er von den Beamten in ein Krankenhaus gebracht worden, nachdem er Blankoformulare unterschrieben habe. Er habe Anschwellungen am Gesicht und Abschürfungen an der Nase gehabt. Die Beamten hätten gesagt, er solle später wiederkommen, um Geld zu bringen. Von einem Spitalzimmer aus habe er einen gut bekannten Taxifahrer namens XXXX – den Nachnamen kenne er nicht, die Telefonnummer wisse er auch nicht – angerufen. XXXX habe seine Frau und sein Kind zu BF2 gebracht. Einen Reisepass habe er nie gehabt. XXXX habe alles organisiert, er habe zwei Monate in der Wohnung gelebt, die Gattin habe den Taxifahrer XXXX auch gekannt, deshalb habe die Gattin auch alles Geld und Kleidung mitgenommen, das Geld reiche für die Ausreise. Die Tochter hätte er deshalb zu Hause gelassen, da die Schwiegermutter gesagt habe, dass er die Tochter nachholen könne, sobald er eine Bleibe habe.

Abschließend wurden BF2 Länderberichte zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat zur Kenntnis

gebracht.

Mit Bescheiden vom 19.08.2011 und 22.12.2011 zu den Zlen. 11 05.198-BAL, 11 05.197-BAL sowie 11 05.199-BAL, hat das Bundesasylamt die Anträge auf internationalen Schutz betreffend BF1 bis BF3 bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Anträge gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.).

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurden BF1 bis BF3 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 19.08.2011, wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In der für die gesamte Familie (BF1 bis BF3) verfassten Beschwerde wurde inhaltlich nur auf die Fluchtgründe von BF2 eingegangen, sowie für den Fall einer Aufhebung und Zurückverweisung des Bescheides an das Bundesasylamt ein Befangenheitsantrag gegen den entscheidenden Organwalter gem. § 7 Abs 1 Z 3 AVG gestellt.

Mit Schreiben vom 11.10.2011, eingelangt beim Asylgerichtshof am 07.11.2011, wurde eine Beschwerdeergänzung erstattet, wonach im bisherigen Verfahren nicht die wahre Identität von BF1 bis BF3 angegeben worden sei. Sie hätten sehr große Angst gehabt, dass sie aufgrund eines Strafverfahrens, welches gegen BF1 eingeleitet worden sei, nach Russland ausgeliefert werden könnten. Erst nach mehrmaliger Beratung durch die sie betreuende Organisation hätten sie sich getraut, ihre Fluchtgründe zu sagen, sowie dass sie aus Angst eine falsche Identität angegeben hätten. Die Einvernahme des Bundesasylamtes sei nicht sehr vertrauenerweckend gewesen und habe sich vielmehr der Eindruck erhoben, dass ihnen ohnehin nicht geglaubt würde, weshalb sie sich nicht getraut hätten, die ganze Wahrheit zu erzählen. Tatsächlich handle es sich bei BF1 bis BF3 um XXXX , XXXX , sowie XXXX .

Dazu wurden in russischer Sprache eine Heiratsurkunde, die Geburtsurkunde des Kindes, eine Pensionsversicherungsbestätigung und ein Versicherungsschein des Kindes, sowie der Reisepass von BF2 vorgelegt.

2006 habe BF1 eigene Geschäfte in verschiedenen Städten gehabt, 2008 haben sie zwei Wohnungen gekauft und ein neues Auto. Das seien Geschäfte gewesen, die Türen produziert hätten. Dafür sei aus XXXX importiert worden. Die Geschäfte seien registriert gewesen, sie seien wohlhabend gewesen. Ihr wahrer Fluchtgrund sei, dass Leute vom FSB angefangen hätten sie zu erpressen. Es sei BF1 gedroht worden, dass ihre Geschäfte explodieren oder verbrennen würden, sowie dass man ihr vom FSB etwas anhängen würde, nämlich dass sie Dokumente gefälscht habe. Sie habe sich einen Rechtsanwalt genommen und sei ihr nach vier Monaten gesagt worden, sie müsste noch eine Million Rubel bezahlen, damit dem Geschäft nichts passiere. Es hätte auch eine Anzeige bei der Polizei in XXXX im Oktober XXXX und eine in XXXX im Jänner XXXX gegeben. Es sei dann so gewesen, dass bei einer Geldübergabe die Polizei gekommen sei und die Männer – die vom Chef des FSB geschickt worden seien – festgenommen hätte. Nach einer Intervention durch den FSB seien diese aber wieder freigekommen.

Der Chef des FSB sei durch die Anzeige in XXXX sehr böse geworden und hätte BF1 gedroht, diese einzusperren und ihr die Kinder wegzunehmen. Es sei dann tatsächlich ein Gerichtsprozess gegen BF1 eingeleitet worden, in dem ihr unschuldiger Weise Betrug, Korruption und Dokumentenfälschung vorgeworfen worden sei. Ende April 2011 habe der Rechtsanwalt eine Ladung für BF1 zu Gericht für den XXXX erhalten. Daraufhin habe sie beschlossen zu fliehen. Da sie nicht zum Gericht gegangen sei, werde sie nun in der Heimat gesucht. Ihr Rechtsanwalt habe dazu massenhaft Beweismittel, welche sie in Kopie beilege.

Am 15.11.2011 wurden dem Asylgerichtshof der russische Inlandsreisepass von BF2 mit der Nr. XXXX , lautend auf XXXX , ausgestellt am XXXX , sowie weitere Dokumente (vom gegen BF1 anhängigen Gerichtsverfahren in der Russischen Föderation) übermittelt.

Am XXXX wurde BF4 geboren und für ihn am 09.12.2011 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.12.2011, Zl. 11 14.787-BAL, bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) wurde. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde BF4 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Gegen diesen Bescheid wurde durch seine gesetzliche Vertretung am 29.12.2011 fristgerecht Beschwerde erhoben.

Mit Schreiben vom 26.06.2012 gab BF1 bekannt, dass sie eine Mitarbeiterin von XXXX mit ihrer Vertretung beauftragt habe und legte diesbezüglich eine Vollmacht vor. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Familie auf sämtlichen Dokumenten XXXX heiße und nicht XXXX

.

Schließlich wurde zur Berufstätigkeit von BF1 auf die Auszüge aus dem Internet in der Anlage verwiesen, in welchen jeweils (an der markierten Stelle) BF1 einschließlich Vatersnamen und Passnummer in ihrer Position als Geschäftsführerin genannt sei. Dergleichen gebe es noch zahlreiche andere im Wesentlichen inhaltsgleiche Einträge im Internet. Durch diese gravierende Änderung im Sachverhalt im Vergleich zum Vorbringen in der Erstinstanz sei jedenfalls die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Erörterung der Sachlage unumgänglich.

Mit Schreiben vom 13.07.2012 übermittelte BF2 ein Schreiben des XXXX vom XXXX , wonach BF2 seit November 2011 psychologische Unterstützung in Anspruch nehme. BF2 leide unter Nervosität in Verbindung mit starkem Nikotinkonsum, massiven Schlafstörungen, Angstzuständen, ständiger innerer Unruhe, Grübelzwang und negativen Gedanken, erhöhter Erregbarkeit und Reizbarkeit.

Mit Schreiben vom 27.07.2012 übermittelte BF1 die Bestätigung einer Psychotherapeutin vom 29.06.2012, wonach BF1 in psychotherapeutischer Behandlung stehe, weil sie unter Schlafstörungen, Nervosität und Ängsten leide. Weiters legte sie einen Arztbrief des XXXX , Abteilung für Chirurgie vom 19.05.2012 vor, wonach eine "Laparoskopische Cholezystektomie" durchgeführt worden sei.

Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 02.08.2012, wurden die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

In weiterer Folge beauftragte das Bundesasylamt einen Facharzt für Neurologie mit der Erstellung eines Gutachtens über den psychischen Gesundheitszustand von BF2. Dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 27.10.2012 ist zu entnehmen, dass BF2 an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion leide. Von einer dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit sei nicht auszugehen.

Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 31.10.2012 wurde BF2 das Gutachten übermittelt und eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen eingeräumt. Dem Antwortschreiben von BF2 vom 05.11.2012 war zu entnehmen, dass er mangels konkreter Auswirkungen des Gutachtens auf den Verfahrensausgang darauf verzichte, hierzu Angaben zu machen.

Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 05.12.2012 wurden BF1 und BF2 aktuelle Länderfeststellungen zur Russischen Föderation mit der Aufforderung übermittelt, innerhalb einer Frist von zwei Wochen dazu Stellung zu beziehen.

Am 20.12.2012 wurde BF1 vom Bundesasylamt, Außenstelle Linz, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache niederschriftlich einvernommen und gab sie zu ihrer gesundheitlichen Situation befragt an, dass sie derzeit regelmäßig Beruhigungsmittel einnehme und bei einer Ärztin in Behandlung stehe.

Ihre Kinder seien gesund.

Sie habe – mit Ausnahme ihres Namens – im laufenden Verfahren immer die Wahrheit gesagt. Sie habe keinen Pass, lege aber den Pass ihres Mannes, zwei Geburtsurkunden der Kinder, ihre Scheidungsurkunde, Heiratsurkunde sowie Versicherungsurkunden der Kinder vor.

Im Herkunftsstaat habe sie drei Geschäfte und eine Werkstätte gehabt, wo Türen und Gitter produziert worden seien. Sie habe in der Schule als Psychologin gearbeitet. Das Unternehmen sei in XXXX in Dagestan registriert gewesen. Das Unternehmen habe XXXX geheißen. Ein Geschäft und die Werkstätte würden glaublich noch von dem Mann geführt werden, der sie BF1 weggenommen habe. Das Geschäft und die Werkstätte seien diesem gerichtlich zugesprochen worden. Begonnen hätten die Probleme 2009 mit dem Tod des Vaters. Das Unternehmen habe aber nicht ihrem Vater gehört. Sie seien im Mai 2009 gekommen und hätten BF1 aufgefordert, Abgaben zu zahlen. Sie hätten BF1 reingelegt. Sie hätten eine Frau mit Dokumenten geschickt. Diese Frau habe Dokumente bei BF1 gelassen und sei weggegangen. Dann seien Leute gekommen und hätten ihr Haus durchsucht. Die Frau habe BF1 angezeigt. Daraus sei das Verfahren entstanden. Im Dezember 2010 habe sie dann der Bruder des FSB-Leiters angezeigt, weil BF1 diesem Geld schulde. Nach XXXX sei eine Anzeige geschickt worden. Die Beschwerdeführerin habe in XXXX diese Leute angezeigt. Ihr Rechtsanwalt habe auch nach XXXX geschrieben, es sei aber nicht angekommen. Der Prozess gegen BF1 habe im städtischen Gericht in XXXX stattgefunden. Befragt, wer XXXX sei, sagte BF1, dies sei der XXXX . BF1 wurde vorgehalten, dass sie im Wesentlichen folgende Unterlagen vorgelegt habe:

* Pfändungsordnung vom XXXX , woraus hervorgehe, dass sie einen Kredit nicht bedient habe und dadurch gepfändet werde;

* Beschluss vom XXXX , dass die Verhängung einer Haft unterbleiben soll;

* Beschluss über die Ablehnung der Einleitung eines Strafverfahrens wegen Betrugs vom XXXX ;

* Beschluss vom XXXX , wonach ihre Beschwerde auf Feststellung des Bescheides über Einleitung eines Strafverfahrens als ungesetzlich zu bewerten abgelehnt worden sei sowie

* Beschluss vom XXXX , wonach ein Antrag des Verteidigers abgelehnt werde.

BF1 wurde vorgehalten, dass es sich um eine zivilrechtliche Angelegenheit handle und durch staatliche Stellen ordnungsgemäß bearbeitet worden sei. BF1 entgegnete, dass von diesen Leuten alles gemacht worden sei, damit ihre Schulden größer werden. Sie habe nicht beweisen können, dass sie das nicht gemacht habe. Auf Vorhalt, dass es einen Polizeibericht von Juli 2012 gebe, wonach BF1 verdächtigt werde, andere Leute bedroht zu haben und befragt, wie der Stand des Verfahrens sei, meinte sie, das Verfahren sei vom Staatsanwalt eingestellt worden. BF1 gab an, dass sie selbst bedroht worden sei und dies bei der Polizei angezeigt habe.

BF1 lebe mit ihrem Mann und ihren Kindern zusammen. Sie habe keine Kurse oder Ausbildungen besucht und die Familie sei auch in keinen Vereinen tätig. Sie sei nicht berufstätig. Die Familie lebe von der Grundversorgung.

BF1 legte einen Befund einer Fachärztin für Neurologie vom 23.08.2012 vor, wonach sie an einer depressiven Anpassungsstörung leide.

Am 21.12.2012 langte eine für BF1 und BF2 gleichlautende Stellungnahme zu den Länderberichten beim Bundesasylamt ein.

Zentraler Punkt im nunmehrigen Verfahren sei zu überprüfen, ob sich BF1 bloß einer Strafverfolgung in der Heimat entziehen wolle, oder sie tatsächlich von FSB-Beamten erpresst werde und ein Scheinverfahren gegen sie geführt werde. Den nunmehr zugesandten Länderberichten sei unter den Ausführungen zum Rechtsschutz zu entnehmen, dass dieser mangelhaft sei. Einflussnahmen seien häufig und die Justiz sei nicht von der Exekutive unabhängig. Ein faires Verfahren sei besonders bei politisch unliebsamen Personen nicht zu erwarten. Den Länderberichten sei auch zu entnehmen, dass oft politische Gründe hinter einer strafrechtlichen Verfolgung stehen würden. Da auch im konkreten Fall hinter der Anzeige gegen BF1 Mitarbeiter des FSB stehen würden, sei zum einen weder ein faires Verfahren zu erwarten, da mit einer Einflussnahme auf die Gerichte zu rechnen sei. Zum anderen sei es auch durchaus wahrscheinlich, dass es sich ohnehin um ein fingiertes Verfahren handle, da die Gläubiger von BF1 beim FSB arbeiten und damit sie selbst als "politisch unliebsame Person" zu bezeichnen sei. Dass sie dies aus einer privaten Schwierigkeit mit einer politisch einflussreichen Familie geworden sei, ändere einerseits an der Gefahr der Verfolgung nichts, andererseits auch nicht an der "politischen Unliebsamkeit". Außerdem habe BF1 auch angegeben, dass der Betrag, den sie geschuldet habe, ursprünglich nicht so hoch gewesen sei, wie später von den Anklagebehörden behauptet worden sei, sondern diese durch die Gläubiger fingiert höher gemacht worden sei. Dies stehe in vollem Einklang mit den Länderberichten und sei, da das Vorbringen zudem mit Beweismitteln untermauert worden sei, glaubwürdig. Überdies spreche auch der Umstand, dass es selbst in Österreich noch zu Drohungen gegen die Familie gekommen sei, die auch polizeilich angezeigt worden seien, für eine asylrelevante Verfolgung und gegen eine reguläre Strafverfolgung. Wäre BF1 eine "gewöhnliche" Rechtsbrecherin, so würden sich die Verfolger wohl kaum die Mühe machen, sie auch in Österreich weiter zu bedrohen. Überdies werde dadurch nicht bloß das erhebliche Interesse an BF1 deutlich, sondern auch dass es sich um kein reguläres Strafverfahren handle, sondern Privatpersonen ihre berufliche Stellung ausnützen würden. Dies wiederum lasse ohne Zweifel den Schluss zu, dass sie kein faires Verfahren zu erwarten habe und bereits die Anklage an sich nicht unbedingt zur Gänze den Tatsachen entsprechen müsse.

Mit Bescheiden vom 08.01.2013 zu den Zl. 11 05.198-BAL, 11 05.197-BAL, 11 05.199-BAL, 11 14.787-BAL, hat das Bundesasylamt die Anträge auf internationalen Schutz betreffend BF1 bis BF4 neuerlich bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Anträge gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurden BF1 bis BF4 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Dort wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Verfolgungsgründe von BF1 und BF2 sich als vollkommen unglaubwürdig erwiesen hätten und die Ausreise vielmehr deshalb erfolgt sei, da sich BF1 der Strafverfolgung im Herkunftsstaat entziehen habe wollen.

Dagegen wurde mit für sämtliche Familienmitglieder gleichlautendem Schriftsatz vom 15.01.2013 fristgerecht Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhoben.

BF1 und BF2 verwiesen zur Gänze auf die Argumentation in der Stellungnahme vom 21.12.2012. Bereits dort sei argumentiert worden, dass BF1 tatsächlich von FSB-Beamten erpresst worden sei und sich nicht einer regulären Strafverfolgung entziehen wolle. Trotzdem habe die belangte Behörde festgestellt, dass BF1 keiner Bedrohung ausgesetzt sei und keine Anhaltspunkte vorliegen würden, dass sie im Heimatland von den Gerichten "ungerecht behandelt" würde. Die Basis dieser Annahme decke sich aber weder mit den Länderberichten noch mit den Angaben von BF1 und BF2 im Rahmen ihrer Einvernahmen. Es sei damit völlig unklar, woher die belangte Behörde ihr Wissen beziehe, dass BF1 und BF2 unter keiner "ungerechten Behandlung" zu leiden gehabt hätten bzw. im Fall der Rückkehr erneut hätten. Dass durch die Vorlage der Dokumente bezüglich des Strafverfahrens "mit Sicherheit" feststünde, dass sich BF1 einer regulären Strafverfolgung entziehen wolle, wie die belangte Behörde argumentiere, sei unzutreffend. Bloß weil sie versucht habe, sich mit einem Anwalt gegen die falschen Anschuldigungen zur Wehr zu setzen und den Dokumenten natürlich nicht zu entnehmen sei, dass es sich um ein fingiertes Verfahren handle, bedeute das keineswegs, dass alles mit rechte Dingen zugegangen sei. Insbesondere aus den Länderberichten des Bundesasylamtes selbst ergebe sich ein hohes Ausmaß an Korruptionsanfälligkeit. Es sei damit keineswegs ausgeschlossen, dass auch BF1 davon betroffen sei. Die belangte Behörde beziehe sich schließlich auch auf ein "Eingeständnis in der Stellungnahme vom 21.12.2012", aus welchem ebenso hervorgehen solle, dass es sich um eine rechtmäßige Strafverfolgung handle. In der Stellungnahme sei aber kein derartiges "Eingeständnis" erkennbar, sondern sei dort vielmehr unter Bezugnahme auf die Länderberichte ausgeführt worden, dass die Beschwerdeführerin gerade kein faires Verfahren zu erwarten habe und politische Gründe häufig hinter einer strafrechtlichen Verfolgung stehen würden. Bei einer Person Schulden zu haben sei grundsätzlich kein strafbares Verhalten, das verheimlicht werden müsse. Die Herkunft der Schulden, nämlich Schutzgelderpressung, sei jedoch gleichfalls zu beachten und stelle keinen gültigen Exekutionstitel dar, der Verfahren wie im konkreten Fall rechtfertigen würde. Dass der FSB überdies Drohungen ausspreche deute darauf hin, dass es kein gewöhnliches Verfahren sei. Gerade auch die aktenkundige Fortsetzung der Bedrohung in Österreich belege, dass tatsächlich eine extralegale Verfolgung stattfinde, diese sich jedoch nach außen hin durch ein eingeleitetes Strafverfahren äußere.

Schließlich sei auch zu bemängeln, dass BF2 in diesem zweiten Verfahrensgang überhaupt nicht zu seinen eigenen Wahrnehmungen und Erlebnissen befragt worden sei. Wenn auch BF1 zentrale Person des Verfahrens sei, so bestehen dennoch dadurch, dass es sich um eine Familie handle und die Ereignisse gemeinsam erlebt worden seien, auch Verbindungen zu BF2 und auch sein Vorbringen wäre zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit relevant. Wenn auch durch Stellungnahmen und Anträge ein Rechtsvertreter im Asylverfahren zur Klärung und Ergänzung des asylrelevanten Sachverhalten beitragen könne, so sei eine vollständige Verfahrensführung bzw. Anleitung einer Behörde darüber, wie das Verfahren mängelfrei geführt werden könne, jedenfalls nicht seine Aufgabe, sondern sei vielmehr die Behörde dazu verpflichtet, amtswegig die erforderlichen Schritte zu setzen. Die konkret durch den Asylgerichtshof angeordnete Recherche hinsichtlich des Vorbringens von BF1 über Korruption und Erpressung durch Staatsorgane sei unzureichend durchgeführt worden. Zwar gebe es allgemeine Feststellungen zur Korruption, nicht jedoch Erhebungen zur Erpressung durch Staatsorgane. Damit bleibe in dem Punkt das Verfahren mangelhaft. Hinsichtlich der Widersprüche zwischen der polizeilichen Erstbefragung einerseits und den späteren Einvernahmen andererseits sei anzuführen, das bereits mehrfach durch entsprechende Berichte festgestellt worden sei, dass die Qualität der polizeilichen Erstbefragung so schlecht sei, dass Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit daraus nicht gezogen werden können. Die polizeilichen Erstbefragungen in der PI XXXX würden systematisch und notorisch eine schlechte Qualität aufweisen. Hierzu verweise BF1 auf die UNHCR-Beobachtung polizeilicher Erstbefragungen unbegleiteter Minderjähriger in der EAST Ost vom 25.03.2011 und zitierte daraus Teile. Nachdem nicht davon ausgegangen werden könne, dass die polizeilichen Erstbefragungen für volljährige Personen anders seien, müsse auch im gegenständlichen Fall davon ausgegangen werden, dass die Angaben nur bedingt in der Beweiswürdigung herangezogen werden könnten. Außerdem sei aus Gründen der Einsparung in der PI XXXX eine Firma herangezogen worden, die kostengünstiger sei. Die Qualität der Übersetzungen sei daher schlechter geworden.

Schließlich wurde auch darauf hingewiesen, dass in Bezug auf ein Fluchtvorbringen ein gewisses Ausmaß an Widersprüchen völlig normal sei und hundertprozentige Kongruenz des Vorbringens nicht unbedingt zur Glaubhaftmachung erforderlich sei. Dies ergebe sich auch aus zahlreichen Entscheidungen des Asylgerichtshofes.

Wie im bisherigen Verfahren bereits vorgebracht, würden BF1 und BF2 aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt werden, da sie Opfer von Schutzgelderpressungen seien und da sie den Schutzgelderpressungen nicht Folge geleistet hätten und daraus "Schulden" entstanden seien. Diese seien dann eingeklagt worden, da XXXX über seinen beim FSB tätigen Bruder über derartige Einflussmöglichkeiten verfüge. Dass derartige Geschehnisse prinzipiell denkbar seien, ergebe sich bereits aus den Länderberichten. Dass es sich um keine reguläre Strafverfolgung handle, sei im bisherigen Verfahren hinreichend angeführt worden. Das Ausmaß der Verfolgung sei asylrelevant. BF1 drohe nicht nur ungerechtfertigte Inhaftierung und damit ein Verstoß gegen Art. 5 EMRK, sondern auch eine unrechtmäßige Beschränkung ihres Eigentumsrechtes. Es habe zwar bisher noch keine konkreten Vorfälle gegeben, doch sei dies auch nicht erforderlich, um eine Verfolgungsgefahr geltend zu machen.

Dass die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes von BF1 und BF2 intendiert worden sei, werde durch die vorgelegten Dokumente ersichtlich:

Sie hätten mehrfach versucht, sich auf rechtlichem Weg gegen die Anschuldigungen und die Geldforderungen zur Wehr zu setzen, seien allerdings aufgrund der Übermacht des XXXX damit gescheitert. Dies könne, wie von BF1 bereits geschildert, durch den Anwalt, der sie vertreten habe, auch bewiesen werden. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht, da BF1 bis BF4 weder über Anknüpfungspunkte außerhalb von Dagestan verfügen würden, noch sie an einem anderen Ort vor der Verfolgung sicher wären. BF1 drohe im Fall der Rückkehr Haft. Die Haftbedingungen seien nach den Länderberichten der angefochtenen Bescheide jedoch in mehrfacher Hinsicht menschenrechtswidrig bis hin zu lebensbedrohlich und würden BF1 damit mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine Art. 3 EMRK widerstreitende Lage bringen. Damit wäre zumindest der Status als subsidiär Schutzberechtigte zuzuerkennen.

Überdies sei auch die Sicherheitslage in Dagestan im Entscheidungszeitpunkt zu berücksichtigen und zu beurteilen, ob es unter diesen Umständen zulässig sei, eine Familie mit zwei kleinen Kindern auszuweisen.

Am 08.02.2013 langte eine Mitteilung ein, wonach BF1 am 04.02.2013 wegen § 127 StGB (Diebstahl) beim BG XXXX angezeigt wurde. Laut telefonischer Auskunft wurde die Anzeige zur Zl. XXXX am XXXX per Diversion erledigt, sodass in der Strafregisterauskunft keine Verurteilung aufscheint.

Am 18.06.2013 langt ein Schreiben des Rechtsvertreters ein, indem dieser die Beschuldigteneinvernahme von BF2 übermittelte. BF2 sei am 01.06.2013 in einen Raufhandel verwickelt gewesen. Angeführt wurde, dass dies eine Fortsetzung der Verfolgungshandlungen aus der Russischen Föderation sei, da er bedroht und von ihm Geld gefordert worden sei.

Am 20.06.2013 langte der Abschluss-Bericht des XXXX an die StA XXXX ein, aus diesem geht hervor, dass eine Anzeige wegen des Verdachtes auf Raufhandel gegen drei Personen erstattet wurde.

Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 15.07.2013, zu den Zl. D12 421209-2/2013/4E, D12 421208-2/2013/5E, D12 421210-2/2013/3E und D12 423771-2/2013/3E, wurden die Beschwerden gegen die Bescheide betreffend BF1 bis BF4 vom 08.01.2013 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm. § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 und § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Zur besseren Verständlichkeit gegenständlicher Entscheidung werden die Feststellungen und beweiswürdigenden Überlegungen im Erkenntnis von BF1 vollständig wiedergegeben:

"II. Der Asylgerichtshof hat dazu erwogen:

1. Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in die dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakte der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes sowie der im erstinstanzlichen Verfahren eingeführten Länderdokumente.

2. Der Asylgerichtshof geht von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

Zur Person und den Fluchtgründen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der Volksgruppe der Kumyken. Ihre Identität konnte sie mangels Vorlage eines identitätsbezeugenden Personaldokumentes nicht nachweisen. Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Verfahren namentlich genannt wird, dient dies nicht zur Feststellung ihrer Identität sondern lediglich zur Individualisierung ihrer Person.

Die Beschwerdeführerin reiste am 29.05.2011 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführerin leidet an einer depressiven Anpassungsstörung. Sie leidet aber an keiner akuten oder lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankung, welche ein Hindernis für eine Rückführung in die Russische Föderation darstellen würde.

Nicht festgestellt werden kann unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beschwerdeführerin, dass der Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten drohen würde.

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Gründe nicht gegeben.

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen würde.

Es besteht in Österreich kein schützenswertes Privat- oder Familienleben im Sinne des Artikels 8 EMRK. Der Beschwerdeführerin kam zu keinem Zeitpunkt ihres Aufenthaltes in Österreich ein nicht auf das Asylverfahren gestütztes Aufenthaltsrecht zu.

Wie schon das Bundesasylamt festgestellt hat, liegt ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 vor. Mitglieder der Kernfamilie gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 sind:

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

Zur relevanten Situation in der Russischen Föderation/ Dagestan:

Der Asylgerichtshof schließt sich den Länderfeststellungen der belangten Behörde zur Russischen Föderation/Dagestan (vgl. Seite 17 bis Seite 73 des erstinstanzlichen Bescheides) an. Bis zum Entscheidungsdatum sind dem Asylgerichtshof keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen der Ländersituation bekannt geworden.

3. Die Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin beruhen auf ihren diesbezüglich glaubwürdigen Angaben und ihren Sprach- und Ortskenntnissen. Es sind im Verfahren auch keine Gründe hervorgekommen, wieso an diesen Angaben zu zweifeln wäre.

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Der Asylgerichtshof schließt sich den Feststellungen zur Situation in der Russischen Föderation/Dagestan an, die sich auf verschiedene aktuelle Länderberichte unterschiedlichster Quellen stützen können, an. Im gegenständlichen Fall stellt sich die Situation so dar, dass die österreichischen Asylbehörden im laufenden Verfahren mit zwei gänzlich unterschiedlichen Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes konfrontiert wurden. Von Beginn des Asylverfahrens im Mai 2011, über die Erstbefragung und die zwei Einvernahmen beim Bundesasylamt bis hin zur Beschwerde gegen den ersten Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.08.2011 wurden lediglich Probleme des Ehemannes geltend gemacht. Er sei mehrfach von den russischen Sicherheitsbehörden mitgenommen und befragt worden, nachdem er sein Auto einem Bekannten, der die Rebellen unterstützt haben soll, geborgt habe. Auch nach einem Bombenanschlag auf eine Polizeidienststelle sei der Ehemann wieder geholt worden und man habe ihm unterstellt, dass er Terroristen unterstütze. Er sei von seinen Verwandten freigekauft worden. Die Beschwerdeführerin gab in dieser Phase des Verfahrens explizit an, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe und wegen der Probleme ihres Ehemannes mitausgereist sei. Mit Schreiben vom 07.11.2011 (Beschwerdeergänzung) brachten die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann erstmals vor, dass ihre ursprünglich angegebenen Identitäten nicht der Wahrheit entsprechen. Aus Angst haben sie ihre wahre Identität nicht angeführt.

Die Fluchtgründe würden jedoch der Wahrheit entsprechen. Gleichzeitig präsentierten die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann aber eine völlig neue Fluchtgeschichte, nämlich dass sie erfolgreiche Unternehmer gewesen seien, vom FSB erpresst worden seien, Anzeige dagegen erstattet haben und der Chef des FSB aus Rache einen Gerichtsprozess gegen die Beschwerdeführerin angezettelt habe, indem der Beschwerdeführerin zu Unrecht unter anderem Betrug, Korruption und Dokumentenfälschung angelastet worden sei. Da die Beschwerdeführerin eine Ladung zu Gericht für

den XXXX erhalten habe, habe die Familie beschlossen zu fliehen. Von den ursprünglichen Fluchtgründen des Ehemannes war – abgesehen von der Aussage, dass diese Gründe der Wahrheit entsprechen – im weiteren Verfahren nicht mehr die Rede. Aufgrund dieses neuen Vorbringens wurde der bekämpfte Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.08.2011 mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 02.08.2012 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Das Bundesasylamt hat im nunmehr angefochtenen Bescheid betreffend den Ehemann der Beschwerdeführerin im Wesentlichen die Begründung aus dem ursprünglichen Bescheid wiederholt und das Vorbringen, Probleme mit den Sicherheitsbehörden aufgrund seiner unterstellten Unterstützungshandlungen für Terroristen zu haben, aufgrund von widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Angaben als unglaubwürdig gewertet.

Der erkennende Senat teilt die Ansicht der belangten Behörde, dass dieses Vorbringen – aufgrund von Widersprüchen und Ungereimtheiten, auf welche noch kurz einzugehen sein wird – unglaubwürdig ist. Zu dieser Überzeugung gelangt der erkennende Senat des Asylgerichtshofes vor allem auch dadurch, dass der Ehemann zuletzt im Beschwerdeschriftsatz vom 06.09.2011 Ausführungen zu der ursprünglichen Fluchtgeschichte getätigt hat. Danach erwähnt er diesbezüglich nichts mehr – abgesehen von der bereits geschilderten Aussage in der Beschwerdeergänzung, dass seine Fluchtgründe der Wahrheit entsprechen – und wird lediglich auf das neue Vorbringen der Beschwerdeführerin Bezug genommen. Hätte der Ehemann die zu Beginn des Verfahrens geschilderten Probleme im Herkunftsstaat tatsächlich gehabt und wäre aus Angst vor weiteren Repressalien durch die russischen Sicherheitsbehörden wegen seiner angeblichen Nähe zu Terroristen ausgereist, so hätte er dies auch im weiteren Verfahren geltend gemacht. Die Unterlassung, die ursprünglich geschilderten Probleme weiterhin zu erwähnen und zu konkretisieren, sprechen somit dafür, dass das Vorbringen nicht der Wahrheit entspricht.

Zu dieser Ansicht tragen auch die vom Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid im Rahmen der Beweiswürdigung aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten bei. Beispielsweise bemängelte die belangte Behörde zu Recht, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin den Nachnamen seines Freundes XXXX nicht kennt, obwohl er diesem mehrmals sein Auto geliehen habe, dieser also offenbar ein guter Freund war. Auch zwischen den Aussagen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes gab es nicht unwesentliche Unterschiede. Während der Ehemann angab, dass die Beschwerdeführerin, als er von maskierten Männern abgeholt worden sei, geschubst worden sei, gab die Beschwerdeführerin nicht an, von den Sicherheitskräften geschubst worden zu sein. Auch sollen dem Ehemann – entgegen seiner Aussage – laut der Beschwerdeführerin nicht sofort Handschellen angelegt worden sein, sondern er sei aufgefordert worden, mitzugehen. Die belangte Behörde hält auch die Festnahme des Ehemannes durch Sicherheitsbehörden zu Recht für nachvollziehbar, da ein Terrorist mit dem Auto des Ehemannes angehalten wurde und die Behörden daher verständlicherweise Nachforschungen anstellen.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin tätigte schließlich auch widersprüchliche Angaben hinsichtlich der Mitnahmen und wie er danach in das Krankenhaus gebracht worden sei. Auch die von ihm behaupteten Schwellungen im Gesicht konnte die Beschwerdeführerin nicht bestätigen.

Auch die Angaben bezüglich der Dokumente sind in Übereinstimmung mit der belangten Behörde widersprüchlich.

So wurde am 29.05.2011 angegeben, dass die Inlandspässe beschlagnahmt worden seien, am 18.07.2011 gab der Ehemann jedoch an, die Geburts- und vermutlich auch die Heiratsurkunde seien zu Hause, den Führerschein und den Inlandspass habe man ihm entzogen und am 08.08.2011 gab der Ehemann an, dass ihm die gesamten Dokumente entzogen worden seien.

Das den Ehemann der Beschwerdeführerin betreffende Fluchtvorbringen ist daher auch aus Sicht des erkennenden Senates eine konstruierte Geschichte, die nicht den Tatsachen entspricht.

Weiters ist auf das neue Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin, welches erstmals in der Beschwerdeergänzung vom 07.11.2011 erwähnt wurde, einzugehen. Dieses Vorbringen, nämlich die angebliche Erpressung durch den FSB sowie die angeblich vom FSB angestrengten straf- und zivilrechtlichen Verfahren gegen die Beschwerdeführerin, betrifft im Wesentlichen die Beschwerdeführerin, welche Beschuldigte bzw. Beklagte und somit zentrale Person in diesen Verfahren ist. Der Ehemann der Beschwerdeführerin bzw. seine rechtsfreundliche Vertretung bemängelt in der Beschwerde vom 15.01.2013, dass der Ehemann im gegenständlichen zweiten Verfahrensteil überhaupt nicht zu seinen eigenen Wahrnehmungen und Erlebnissen befragt worden sei. Es handle sich ja um eine Familie und die Ereignisse seien gemeinsam erlebt worden. Der erkennende Senat stimmt dem Ehemann der Beschwerdeführerin insoweit zu, dass eine Befragung des Ehemannes zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin grundsätzlich sinnvoll gewesen wäre, kommt aber nach Durchsicht der vorgelegten Beweismittel (nämlich der Unterlagen der russischen Gerichte), des Einvernahmeprotokolls der Beschwerdeführerin vom 20.12.2012 sowie der Stellungnahme des Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes vom 20.12.2012 zum Ergebnis, dass die Entscheidung des Bundesasylamtes, nämlich eine asylrelevante Verfolgung der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat zu verneinen, korrekt war und eine gesonderte Befragung des Ehemannes der Beschwerdeführerin nicht erforderlich gewesen wäre.

Was das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin angeht, so hat die belangte Behörde die im Erkenntnis vom 02.08.2012, Zl. D12 421209-1/2011/6E, vom Asylgerichtshof in Auftrag gegebenen Schritte im Wesentlichen erfüllt, hat die Beschwerdeführerin erneut zu ihren Fluchtgründen sowie zu allfälligen Rückkehrhindernissen befragt und die von ihr vorgelegten Beweismittel geprüft und gewürdigt. Im angefochtenen Bescheid ist das Bundesasylamt zum Ergebnis gekommen, dass die geschilderte Erpressung durch FSB- Beamte und das vorgebrachte Scheinverfahren gegen sie nicht der Wahrheit entsprechen und sich die Beschwerdeführerin durch ihre Ausreise tatsächlich nur einer rechtmäßigen zivilrechtlichen und strafrechtlichen Verfolgung im Herkunftsstaat entziehen will. Der erkennende Senat schließt sich den Überlegungen der belangten Behörde an.

Auch der erkennende Senat hält es für zutreffend, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat Geschäfte gemacht und die bezogenen Leistungen nicht bezahlt hat, weswegen zivilrechtliche und strafrechtliche Verfahren geführt und die Beschwerdeführerin gepfändet wurde. Dass sie "private Schwierigkeiten" hat, bestätigt die Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 21.12.2012. Ebenso, dass sie einen Geldbetrag geschuldet hat, der aber ihrer Aussage nach ursprünglich nicht so hoch gewesen sei, wie später von den Anklagebehörden behauptet, sondern durch die Gläubiger fingiert höher gemacht worden sei. Folgt man diesen Ausführungen, so besteht

tatsächlich eine zumindest dem Grunde nach gerechtfertigte Forderung gegen die Beschwerdeführerin, die von den Gläubigern der Beschwerdeführerin eingeklagt wurde. Das Gerichtsverfahren wurde somit zu Recht eingeleitet und geführt. Ob die Höhe gerechtfertigt ist, wird sich in Österreich wohl kaum klären lassen. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, der Betrag sei nicht rechtens, dann hätte sie – wie die belangte Behörde zutreffend bemerkt hat – die Möglichkeit gehabt dies während des Gerichtsverfahrens in der Russischen Föderation einzuwenden, weil dort ausgestritten wird, was den Tatsachen entspricht. Widersprüchlich zu den bisherigen Angaben gab die Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde vom 15.01.2013 an, dass die Herkunft der Schulden Schutzgelderpressung sei. Damit sagt sie also im Gegensatz zu ihren vorherigen Aussagen, dass die Forderungen gegen sie nicht gerechtfertigt sind.

Insbesondere ist aber – in Übereinstimmung mit dem Bundesasylamt – auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokumente zu verweisen und auszuführen, dass aus diesen Beweismitteln nicht ersichtlich ist, dass sie von den Gerichten im Heimatland ungerecht behandelt wurde. Den gerichtlichen Unterlagen ist zu entnehmen, dass strafrechtliche und zivilrechtliche Verfahren gegen die Beschwerdeführerin geführt wurden, da sie unter anderem einer Geschäftspartnerin Geld für bereits erhaltene Waren schuldet. Dass alles "mit rechten Dingen zuging", zeigt auch der von der Beschwerdeführerin vorgelegte "Beschluss über die Ablehnung der Verhängung von Sicherungsmaßnahmen in Form von Inhaftnahme" des städtischen Gerichts der Stadt XXXX in der Republik Dagestan vom XXXX . Im Rahmen eines gegen die Beschwerdeführerin geführten Strafverfahrens wurde ein Antrag des Untersuchungsbeamten auf Verhängung der Sicherheitsmaßnahme in Form der Inhaftnahme vom erkennenden Richter – auch nach Bitte des Staatsanwaltes – abgelehnt, da die Beschwerdeführerin zwei kleine Kinder gehabt habe sowie nicht vorbestraft sei und einen ständigen Wohnsitz habe. Wäre diese strafrechtliche Anklage zu Unrecht erfolgt, weil FSB- Leute dahinter stecken, dann wäre der Beschwerdeführerin wohl kaum die U-Haft erspart geblieben. Dieser Beschluss zeigt vielmehr, dass ein ordentliches Verfahren nach rechtsstaatlichen Prinzipien ohne Willkür durchgeführt wurde. Diesem Beschluss ist schließlich auch zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin die Straftaten zugegeben hat und sich verpflichtet hat, die entwendeten Geldsummen zurückzugeben. Ein unter Zwang erfolgtes Geständnis kann ausgeschlossen werden, zumal die Beschwerdeführerin anwaltlich vertreten war. Die vorgelegten Unterlagen zeigen somit nicht anderes als rechtmäßige Schritte in Zivil- und Strafverfahren und es gibt keine Anhaltspunkte für ein von mächtigen Personen beeinflusstes Verfahren.

Wenn die Beschwerdeführerin angibt, die erhaltene Ladung für einen Gerichtstermin im Mai 2011 sei der fluchtauslösende Grund gewesen, so ist dies auch aus Sicht des erkennenden Senates nicht nachvollziehbar. Die Beschwerdeführerin hat bereits über längere Zeit Gerichtsverfahren geführt und war anwaltlich vertreten. Warum ein weiteres Schreiben ihren Ausreiseentschluss bestärkt hat kann nur dahingehend gedeutet werden, dass die Beschwerdeführerin aus Angst vor einer gerechtfertigten strafrechtlichen Verurteilung ausgereist ist. Die Ausreise ist also als Entziehung vor der Strafverfolgung zu verstehen und hat somit keinen asylrelevanten Hintergrund.

In der Beschwerde moniert die Beschwerdeführerin, dass sich insbesondere aus den Länderberichten des Bundesasylamtes selbst ein hohes Maß an Korruptionsanfälligkeit der russischen Behörden ergebe und sie daher kein faires Verfahren zu erwarten habe und politische Gründe häufig hinter einer strafrechtlichen Verfolgung stehen. Dazu ist auszuführen, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass in der Russischen Föderation vereinzelt politisch motivierte Strafverfahren geführt werden und eine gewisse Korruption – wie auch in vielen anderen Staaten – herrscht. Im konkreten Fall der Beschwerdeführerin kann dies aber aufgrund der vorgelegten Gerichtsunterlagen – wie bereits

oben dargestellt – ausgeschlossen werden.

Abschließend muss daher sowohl dem ursprünglichen Fluchtvorbringen des Ehemannes der Beschwerdeführerin als auch den Angaben der Beschwerdeführerin im zweiten Verfahrensteil die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden bzw. festgestellt werden, dass den geschilderten Vorbringen keine Asylrelevanz zukommt. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann sind aus privaten Gründen ausgereist, nämlich um den gerechtfertigten zivilrechtlichen Forderungen gegen die Beschwerdeführerin und drohenden strafrechtlichen Konsequenzen zu entgehen. Die Ausreise erfolgte

somit aus asylfremden Motiven.

Auch der Beschwerde konnte kein weiteres asylrelevantes Vorbringen entnommen werden und war die Beschwerdeführerin nicht in der Lage, ein asylrelevantes Vorbringen glaubhaft zu machen. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass das Bundesasylamt zu Recht von einem nicht glaubwürdigen bzw. nicht asylrelevanten Vorbringen der Beschwerdeführerin ausgegangen ist.

Zur gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin ist Folgendes auszuführen:

Die Beschwerdeführerin leidet an einer depressiven Anpassungsstörung. Dies ist einem Befund einer Fachärztin für Neurologie vom 23.08.2012 zu entnehmen. Die psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin ist daher nicht derart akut oder lebensbedrohlich, dass sie ein Hindernis für eine Rückführung in die Russische Föderation darstellen würde.

In der Russischen Föderation ist die medizinische Versorgung, wenn auch auf einfachem Niveau, gewährleistet.

Sowohl physische als auch psychische Erkrankungen sind - den Länderfeststellungen der belangten Behörde folgend – in der Russischen Föderation behandelbar und wird die Beschwerdeführerin daher bei einer Rückkehr – falls entgegen den Erwartungen notwendig – medizinische Hilfe bekommen."

Betreffend BF2 finden sich im Wesentlichen dieselben Ausführungen und betreffend BF3 und BF4 wurde mangels eigener Verfolgungsgründe auf das Vorbringen der Eltern (BF1 und BF2) verwiesen.

In der rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführte, dass BF1 bis BF4 der Status von Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten im Familienverfahren nicht zuerkannt werden habe können, da weder BF1 noch BF2, BF3 oder BF4 der Status von Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei. Das Vorbringen von BF1 und BF2 sei als nicht glaubwürdig beurteilt worden, weshalb die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vorliege, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe. Es hätten sich auch keine sonstigen Gefahren ergeben, die einer Rückkehr von BF1 bis BF4 entgegengestanden wären und würden sie im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat auch im Zusammenhang mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen bzw. der sie dort treffenden Lebensbedingungen in keine ausweglose Situation geraten.

Mit Schriftsatz vom 30.07.2013, vom Bundesasylamt dem Asylgerichtshof am 30.07.2013 vorgelegt und am 07.08.2013 eingelangt, stellten BF1 bis BF4 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens und begründeten diesen im Wesentlichen wie folgt:

Am 19.07.2013 sei per Fax ein Urteil aus der Russischen Föderation eingelangt, aus welchem sich ergebe, dass BF1 zwischenzeitlich zu einer XXXX Haftstrafe verurteilt worden sei. BF1 hätte dieses Urteil selbst erst bei Gericht abholen müssen und treffe BF1 kein Verschulden, dass dies nicht vorher vorgelegt werden habe können. Der Asylgerichtshof gehe jedoch in seiner Entscheidung vom 15.07.2013 davon aus, dass BF1 bei einer etwaigen Rückkehr in die Russische Föderation in der Lage wäre, den Lebensunterhalt für sich selbst und die Familie bestreiten zu können. Das entspreche angesichts der neu hervorgekommenen Beweismittel nicht den Tatsachen, im Falle einer Rückkehr würde BF1

verhaftet werden und wäre in Haft eben nicht in der Lage weiter für die Familie zu sorgen. Auch sei nicht beurteilt worden, ob die Haftbedingungen in der Russischen Föderation und insbesondere im Nordkaukasus einen Standard erreichen würden, der eine Verletzung durch Art 3 EMRK gewährleisteter Rechte im Fall einer Inhaftierung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ausschließe, da weder das Bundesasylamt noch der Asylgerichtshof von der nun konkret drohenden Haft gewusst hätten.

Angesichts der jüngsten Berichte sei davon auszugehen, dass auch solche Personen Folter und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt werden würden, die nicht wegen politischer Gründe inhaftiert seien. (Ein Bericht vom 18.06.2013 "Freedom House" wurde zitiert).

Der EGMR sei in über 80 Urteilen zu der Erkenntnis gekommen, dass Bedingungen in der Untersuchungshaft derart schlecht seien, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichkommen.

Angesichts dieser Berichte und Tatsachen sei davon auszugehen, dass aufgrund einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK im Fall der Ausweisung durch die dort anzutretende Haft gemäß § 8 AsylG 2005 subsidiärer Schutz zu gewähren sei.

BF1 bis BF4 beantragten demnach die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens.

Dem Antrag wurde nachfolgende Unterlage beigelegt:

Beschluss vom XXXX (Richter XXXX , Stadt XXXX , Republik Dagestan) aus dem einerseits hervorgeht, dass XXXX am XXXX in Abwesenheit, jedoch mit Teilnahme eines Verteidigers, sowie fünf geschädigten Personen, wegen § 159 und 325 des russischen Strafgesetzes zu einer XXXX Freiheitsstrafe verurteilt wurde, andererseits dass im Falle der Festnahme gemäß 313 des Strafverfahrensgesetzes der Vater die Obsorge für das Kind ( XXXX , geb., XXXX ), sowie die Großmutter hinsichtlich des Kindes ( XXXX , geb., XXXX ) zukommt.

Mit Beschlüssen des Asylgerichtshofes vom 05.09.2013, Zlen. D12 421209-3/2013/2E, D12 421208-3/2013/2E, D12 421210-3/2013/2E und D12 423771-3/2013/2E, wurde den Anträgen von BF1 bis BF4 betreffend Wiederaufnahme der mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 15.07.2013 zu den Zlen. D12 421209-2/2013/4E, D12 421208-2/2013/5E, D12 421210-2/2013/3E und D12 423771-2/2013/3E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren insoweit gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG stattgegeben, als die Anträge auf Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt. II), sowie die Ausweisungsentscheidungen (Spruchpunkt III) betroffen sind. Gemäß § 70 Abs. 1 AVG wurde ausgesprochen, dass die Verfahren vom Bundesasylamt im Stadium vor Erlassung der jeweiligen Bescheide des Bundesasylamtes hinsichtlich der angeführten Spruchpunkte wieder aufzunehmen seien.

BF1 bis BF4 sind in der Folge nach Deutschland weitergereist, wo sie internationalen Schutz beantragt haben und im Rahmen von Dublin-Konsultationen am 16.12.2013 nach Österreich rücküberstellt wurden.

Am 07.08.2014 langte eine Mitteilung über die internationale Fahndung von Interpol XXXX nach BF1 bei der Behörde ein.

Am 04.02.2016 übermittelte das Bundesministerium für Justiz eine Anfrage der russischen Polizeibehörden zur BF1.

BF5 wurde am XXXX in Österreich geboren, wobei für ihn durch seine gesetzliche Vertretung am 25.02.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren gestellt wurde, wobei die von österreichischen Behörden ausgestellte Geburtsurkunde vorgelegt wurde.

BF1 und BF2 wurden am 24.06.2016 vor dem BFA, RD OÖ, niederschriftlich befragt.

BF1 erklärte dabei, keine neuen Beweismittel zu haben.

Sie sei gesund

BF1 erklärte, vor der Ausreise in einer Wohnung gewohnt zu haben, die mittlerweile beschlagnahmt worden sei.

Im Herkunftsstaat würden sich ihre Mutter in XXXX , ihr Bruder, zwei Schwestern und ihre Tochter XXXX , geb. XXXX , aufhalten.

Die Mutter lebe in einem Einfamilienhaus und sei immer Hausfrau gewesen. Ihr Vater habe gearbeitet. Ihr Bruder wohne bei der Mutter und unterstütze diese. Dieser sei verheiratet und habe zwei Kinder. Dessen ganze Familie wohne bei ihrer Mutter. Ihr Bruder sei Besitzer einer Tankstelle.

Ihre beiden Schwestern seien verheiratet und hätten jeweils Kinder, wobei eine Schwester in Sibirien und eine in XXXX lebe. Die Schwestern seien zuhause und deren Männer würden arbeiten.

Ihrer Familie in Dagestan gehe es gut.

An Verwandten habe sie im Heimatland eine Tante und einen Onkel väterlicherseits sowie mütterlicherseits zwei Tanten und einen Onkel, die allesamt in XXXX leben würden. Eine Tante mütterlicherseits lebe in XXXX und ein Onkel mütterlicherseits in Tadschikistan.

Sie stehe mit ihrer Tochter fast jeden Tag in Kontakt und telefoniere mit ihrer Mutter ein bis zwei Mal im Monat. Mit den Geschwistern kommuniziere sie sporadisch.

Mit Freunden oder Bekannten im Heimatland habe sie keinen Kontakt mehr.

Mit ihrem Ehemann und ihren drei minderjährigen Kindern halte sie sich in Österreich auf.

Ihre Kinder seien gesund. Ihr Ehemann helfe im Haushalt bei allem mit und könne auch das jüngste Kind versorgen.

Ihre älteste Tochter sei im Jahr 2011 nicht mitausgereist, da sie das Land offiziell aufgrund des laufenden Gerichtsverfahrens nicht verlassen habe dürfen. BF1 sei mit den Papieren bzw. unter dem Namen ihrer Schwester ausgereist. Da BF2 nicht leiblicher Vater ihrer ältesten Tochter sei, die Ausreise eines minderjährigen Kindes aber nur mit einem leiblichen Elternteil möglich sei, hätten sie die älteste Tochter nicht mitnehmen können.

In Österreich oder der EU würden keine weiteren Familienmitglieder oder Verwandte leben.

Sie habe früher einen Deutschkurs besucht, eine Prüfung auf dem Niveau A2 jedoch noch nicht absolviert. Sie habe in Österreich keine Schule besucht und auch keine Ausbildung absolviert.

Im Herkunftsstaat habe sie neun Jahre die Pflichtschule, drei Jahre Gymnasium und drei Jahre die Universität besucht, wobei sie ihr Studium auch abgeschlossen habe und ausgebildete Kinderpsychologin sei. Sie habe im Herkunftsstaat bis zur Ausreise als Psychologin gearbeitet.

Auf Vorhalt, dass ihr Ehemann angegeben habe, sie habe in dessen Firma mitgeholfen, meinte sie, dass sie am Anfang eine kleine Firma gehabt hätten, die immer größer geworden sei. Sie habe zuerst als Psychologin gearbeitet und bei der Firma mitgeholfen. Zum Schluss habe sie nur mehr in der Firma gearbeitet.

In Österreich habe sie nie gearbeitet, zumal ihr das hier auch nicht erlaubt sei.

Sie sei hier mit einer näher bezeichneten Familie befreundet.

Sie sei in keinem Verein tätig, da sie und ihr Ehemann mit den Kindern beschäftigt seien.

Im Bundesgebiet sei sie mit dem Gesetz nicht in Konflikt geraten.

Ihr wurde vorgehalten, dass sie angegeben habe, ihre Mutter habe das BF1 betreffende Urteil vom Gericht abgeholt. Auf Nachfrage, woher sie gewusst habe, dass es ein Gerichtsurteil gegeben habe, meinte sie, dass die Freundin ihrer Schwester beim Gericht arbeite und dieser gesagt habe, dass es ein Urteil betreffend BF1 gebe. Deshalb habe ihre Mutter von der Existenz des Urteils gewusst. Die Mutter sei bei Gericht gewesen, habe das Urteil jedoch nicht sofort erhalten. Diese habe ihre Adresse hinterlassen müssen und sei das Urteil per Einschreiben an die Adresse der Mutter geschickt worden.

Befragt, ob ihre Familie für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat wieder an der Wohnadresse bzw. bei Familienangehörigen leben könnte, meinte sie, dass die Wohnung beschlagnahmt worden sei. Sie erklärte auch, dass mit ihrem Ehemann sicher etwas Schlimmes passieren würde. Dieser würde umgebracht werden und die Kinder würden dann in ein Heim gebracht werden.

Befragt, ob ihre Familienmitglieder ihren Ehemann bei der Betreuung der Kinder unterstützen könnten, meinte sie, dass ihr Mann nicht in Ruhe gelassen und umgebracht werden würde. Wenn die Mutter im Gefängnis und der Vater tot sei, würden die Kinder derartiger Eltern in ein Heim gebracht werden.

Sie erklärte in der Folge, dass sie im Moment am meisten beschäftige, wie sie ihre Tochter hierher bringen könne.

Mit BF1 wurden Länderinformationen zur Russischen Föderation erörtert. Sie erklärte, auf eine schriftliche Stellungnahmefrist zu verzichten. Sie habe am Ländervorhalt kein Interesse. Es würde alles nicht stimmen.

BF2 erklärte am selben Tage im Zuge seiner niederschriftlichen Befragung, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die Einvernahme durchzuführen. Er sei gesund, befinde sich nicht in ärztlicher Behandlung oder Therapie und nehme keine Medikamente.

BF2 verneinte, neue Beweismittel vorlegen zu können.

Vor seiner Abreise habe er sich die letzten Tage in XXXX versteckt, wobei er jedoch in XXXX gemeldet gewesen sei. Er habe dort in einer Eigentumswohnung gelebt, welche ihm und seiner Ehefrau gehört habe. Diese Wohnung sei ihnen vom FSB weggenommen worden. Sie hätten Probleme gehabt, weil sie kein Schmiergeld bezahlen hätten wollen. Der Bruder des Mannes, der sie erpress habe, sei Chef beim FSB gewesen. Der FSB habe ihnen daher das gesamte Vermögen werggenommen.

Im Heimatland würden seine Eltern, drei Schwestern und eine Tochter leben. Er sei bei seinem Stiefvater in XXXX aufgewachsen. Mit seinem leiblichen Vater habe er keinen Kontakt. Seine Stieftochter lebe bei der Mutter seiner Frau in Dagestan. Diese kenne ihren leiblichen Vater nicht und glaube, dass BF2 ihr Vater sei.

Seine Mutter sei Krankenschwester in XXXX und sein Stiefvater arbeite als Elektriker. Seine Eltern würden zu zweit in einer Eigentumswohnung mit zwei Zimmern leben.

Zu seinen drei Schwestern befragt, erklärte er, dass eine Witwe sei, da deren Mann vor kurzem an Krebs gestorben sei. Sie hätten drei Kinder und würden in einem Einfamilienhaus wohnen. Sie sei in Karenz, weil sie ein kleines Kind habe. Sie lebe von staatlicher Unterstützung und wohne in XXXX .

Eine weitere Schwester sei verheiratet, habe ein Kind und wohne in XXXX . Deren Mann habe eine Autowerkstatt.

Die weitere Schwester sei ebenso verheiratet, habe auch ein Kind und lebe in der Nähe von XXXX . Sie sei mit dem zweiten Kind schwanger. Ihr Mann sei LKW-Lenker bei einer Spedition.

Soweit er in der Vergangenheit angegeben habe, dass eine Schwester geschieden sei und wieder bei den Eltern lebe, meine er, dass diese Schwester ein zweites Mal geheiratet habe.

Bei den Familienmitgliedern in Dagestan sei alles normal.

An Verwandten habe er im Herkunftsstaat eine Tante väterlicherseits in XXXX . Mütterlicherseits habe er zwei Tanten in XXXX und XXXX . Mütterlicherseits habe er noch einen Onkel in XXXX , zu dem jedoch kein Kontakt bestehe.

Er stehe in telefonischem Kontakt zu seiner Mutter, seinen drei Schwestern und seiner Tochter.

Zu Freunden und Bekannten im Heimatland gebe es keinen Kontakt mehr.

Im Bundesgebiet halte er sich mit seiner Ehefrau und drei seiner Kinder auf. Seine Kinder seien gesund. Die beiden älteren Kinder würden den Kindergarten besuchen.

Da er und seine Frau drei Kinder hätten, helfe er im Haushalt mit, passe auf die Kinder auf und gehe mit den Kleinen spazieren. Er verrichte auch verschiedene Hausarbeiten.

Das kleinste Kind wickle und füttere er und passe auf diese auf, wenn seine Ehefrau einen Termin habe.

Seine vierte Tochter sei nicht mitausgereist, da seine Ehefrau das Land offiziell nicht verlassen habe dürfen, weshalb seine Ehefrau mit den Dokumenten ihrer Schwester ausgereist sei. Sie hätten damals zwei Kinder gehabt. Ein minderjähriges Kind dürfe jedoch nur mit einem leiblichen Elternteil ausreisen, sei er aber nicht der leibliche Vater der Tochter im Herkunftsstaat. Deshalb hätten er und seine Ehefrau die Tochter im Herkunftsstaat zurücklassen müssen.

Befragt, weshalb die Original-Geburtsurkunde bei der Ausreise mitgenommen worden sei, obwohl die Tochter in Dagestan geblieben sei, meinte er, dass sie ursprünglich zu viert gereist seien. Auf der Zugreise in Russland sei seine Ehefrau auf eine Polizeistation gebracht

worden, da diese schon auf einer Fahndungsliste gestanden sei. Seine Ehefrau sei schwanger gewesen und es sei ihr nicht gut gegangen, weshalb sie von der Polizeistation ins Krankenhaus gebracht worden sei. Die Mutter seiner Ehefrau habe dann die Papiere der Schwester gebracht und die Tochter mitgenommen. Aus dem Krankenhaus hätten sie durch Bestechung des Arztes fliehen können. Bei dieser Gelegenheit hätten sie übersehen, die Geburtsurkunde der Schwiegermutter zu geben, weil alles sehr schnell gehen habe müssen.

Andere Familienangehörige oder Verwandte habe er nicht in Österreich.

Er erklärte, momentan einen Kurs für Deutsch A2 zu besuchen. Er habe in einem Monat eine Prüfung. Darüber hinaus habe er sich in Österreich nicht aus-, fort- oder weitergebildet. Er würde hier eine Beschäftigung als Installateur erhalten. Er benötige dazu aber eine Arbeitserlaubnis. Er könne dazu nächste Woche eine Bestätigung schicken.

Im Herkunftsstaat habe er acht Jahr lang die Schule besucht. Er habe keine Ausbildung, habe aber eine eigene Schweißer-Werkstatt betrieben.

Befragt, ob er in der Heimat bis zur Ausreise gearbeitet habe, meinte er, dass er das erste Jahr nur Schweißerarbeiten gemacht habe, sie dann aber angefangen hätten, Fenster und Türen zu machen und zu verkaufen. Er habe dies bis zur Ausreise gemacht.

Er habe mit seiner Ehefrau gemeinsam eine Firma geführt, die auf seine Ehefrau angemeldet gewesen sei. Deshalb hätten sie ja dann die Probleme gehabt. Die Firma habe XXXX geheißen.

Befragt, ob er für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wieder als Schweißer arbeiten könnte, meinte er, nichts mehr zu haben. Sein gesamtes Vermögen, die Werkstatt und die Wohnung seien beschlagnahmt worden.

In Österreich habe er bislang noch keine offizielle Arbeit gehabt.

In Österreich gebe es eine befreundete Familie, wobei ihm der Nachname nicht einfalle. Eine Bekannte namens XXXX übersetze für ihn. Diese sei Dolmetscherin, sei verheiratet, habe zwei Kinder, kenne er den Beruf deren Mannes aber nicht.

Er sei in keinem Verein aktiv tätig, sondern sei immer mit den Kindern beschäftigt.

Er sei in Österreich nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten.

Befragt, woher die Schwiegermutter vom Gerichtsurteil betreffend seine Ehefrau gewusst habe, meinte er, dass die Schwiegermutter dieses vom Gericht abgeholt habe. Die Freundin seiner Schwägerin arbeite beim Gericht und habe seiner Schwägerin gesagt, dass es ein Urteil gegen seine Ehefrau gebe.

Befragt, ob für den Fall einer Rückkehr ein Wohnsitz bei Eltern oder Verwandten möglich sei, meinte er, es sei unmöglich, zurückzukehren, da seine Ehefrau ins Gefängnis müsse.

Auf Vorhalt, dass seine Frau in Russland zu XXXX Jahren Haft verurteilt worden sei und auf Nachfrage, wie sich eine solche Haft im Falle einer Rückkehr aus sein Leben auswirken würde, meinte er, dass sie kein Haus hätten und die Kinder vom Staat weggenommen werden würden. Er meine damit, dass er verschwinden, also umgebracht werden würde, wenn er sich gegen die Haft seiner Ehefrau beschweren würde. Die Kinder würden dann automatisch vom Staat übernommen werden.

Befragt, ob seine Familienmitglieder ihn bei der Betreuung der Kinder unterstützen könnten, verneinte er dies.

Ihm wurde vorgehalten, dass er bei seinem Antrag auf Wiederaufnahme angegeben habe, dass seine Ehefrau bei einer Rückkehr verhaftet werden würde und daher nicht mehr für die Familie sorgen könnte. Befragt, ob er dies in finanzieller Hinsicht oder im Sinne von den Haushalt führen gemeint habe, erklärte er, dass er weder das eine noch das andere gemeint habe. Er meine damit, dass er verschwinden würde. Seine Ehefrau würde offiziell ins Gefängnis kommen und er würde, damit er nichts unternehme, umgebracht werden.

Nach Erörterung der Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr meinte BF2, dass er auf keinen Fall freiwillig zurückkehren könne, da er seine Familie nicht in Gefahr bringen wolle.

Er erklärte, noch angeben zu wollen, dass seine Familie in Dagestan in großer Gefahr sei. Er wolle, dass seine Kinder mit ihm und seiner Ehefrau aufwachsen.

BF2 wurden Länderinformationen zum Herkunftsstaat vorgehalten. Er erklärte auf eine schriftliche Stellungnahmefrist zu verzichten. Er habe am Ländervorhalt kein Interesse, da alles nicht stimme, was da stehe.

Am 18.07.2016 langte eine Stellungnahme ein, mit der zwei ACCORD Anfragebeantwortungen (vom 31.05.2016, Haftbedingungen für Tschetschenen innerhalb und außerhalb Tschetscheniens und vom 02.06.2016, Haftbedingung in der Russischen Föderation, insbesondere in Nordossetien) übermittelt wurden.

Beide Berichte würden eine Menschenrechtslage in Haft beschreiben, die eine Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte im Fall der zu erwartenden Inhaftierung von BF2 erwarten lasse. Die Voraussetzungen zur Gewährung von subsidiärem Schutz würden sohin vorliegen.

Zur Integration wurden ein Empfehlungsschreiben des Quartiergebers vom 28.06.2016, ein Schreiben der Leitung des Kindergartens betreffend BF3 und BF4 vom 23.06.2016 sowie eine Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs, Niveau A2, vom 31.05.2015 betreffend BF2 vorgelegt.

Am 12.08.2016 wurde ein Schreiben der XXXX vom 11.08.2016 und eine Teilnahmebestätigung vom 03.08.2016 für einen Deutschkurs A2 vorgelegt.

Im Übrigen wurde eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Russischen Föderation, Haftbedingungen in Dagestan für Frauen vom 11.08.2016, eingeholt.

Mit den im Spruch genannten Bescheiden vom 25.08.2016 und 26.08.2016 wurden die Anträge auf internationalen Schutz vom 29.05.2011 (BF1 bis BF3), vom 07.12.2011 (BF4) und vom 25.02.2016 (BF5) hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen und ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gegen die Beschwerdeführer wurde jeweils eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Betreffend den im Bundesgebiet nachgeborenen BF5 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

Betreffend BF5 wurde insbesondere darauf verwiesen, dass dieser keine eigenen Fluchtgründe habe und die Asylverfahren seiner Eltern insoweit rechtskräftig negativ entschieden worden seien, als diesen der Status von Asylberechtigten nicht gewährt worden sei. Weder im Familienverfahren noch aufgrund eigener Gründe habe ihm deshalb der Status eines Asylberechtigten gewährt werden können.

Betreffend subsidiären Schutz stellte das BFA keine schwerwiegenden Erkrankungen der BF fest, auch nicht dass die Beschwerdeführer für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine ausweglose Situation geraten würden.

Das BFA traf insbesondere Feststellungen zu Haftbedingungen in der Russischen Föderation und stellte fest, dass diese sehr verschieden seien, und sehr davon abhängen würden, in welcher Art von Strafanstalt eine Person inhaftiert sei, wo sich die Strafanstalt befinde und welcher Bevölkerungsgruppe eine Person angehöre. Es wurde insbesondere festgestellt, dass es eine systematische Verletzung von Art. 3 EMRK in den Untersuchungsgefängnissen gebe. Festgestellt wurde, dass BF1 nicht nachgewiesen habe, wieso sie persönlich bei Verbüßung Ihrer Haftstrafe im Strafvollzug von Verletzungen der Artikel 2 und 3 EMRK betroffen sein würde.

Auch sonst konnte die belangte Behörde im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Gefährdungssituation für die Beschwerdeführer feststellen.

BF1 sei berufstätig gewesen und habe bis zur Ausreise als Kinderpsychologin und in der eigenen Firma gearbeitet. Sie sei im Herkunftsstaat zu einer XXXX Haftstrafe verurteilt worden und werde nach ihr von Interpol gefahndet. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat müsste sie ihre Haftstrafe verbüßen.

Im Herkunftsstaat würden weitere Familienangehörige und Verwandte leben, welche im Fall der Rückkehr als soziales Auffangnetz zur Verfügung stehen würden.

Auch BF2 sei berufstätig gewesen und habe bis zur Ausreise als Schweißer gearbeitet. In der Zeit der Inhaftierung von BF1 werde es BF2 möglich sein, mit Hilfe von Familie und Verwandte, welche im Fall der Rückkehr als soziales Auffangnetz zur Verfügung stehen würden, die Kindererziehung zu übernehmen.

Auch für BF3 bis BF5 wurden für den Fall einer Rückkehr keine ausweglose Situation und keine Gefahren festgestellt.

Insgesamt betrachtet würden im Fall der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände existieren, welche einer Ausweisung der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet in die Russische Föderation entgegenstehen würden.

Es wurden Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat zitiert und insbesondere eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.08.2016 berücksichtigt.

Die beweiswürdigenden Überlegungen zu den Haftbedingungen in der Russischen Föderation im angefochtenen Bescheid von BF2 werden aufgrund ihrer zentralen Bedeutung im vorliegenden Beschwerdefall vollständig wiedergegeben:

Sie legten in Ihrer Stellungnahme vom 08.07.2016 zwei Anfragebeantwortungen von ACCORD vor. Die Anfragebeantwortung vom 31.05.2016 betrifft die Haftbedingungen für Tschetschenen innerhalb und außerhalb Tschetscheniens. Die Anfragebeantwortung vom 02.06.2016 betrifft die Haftbedingungen in der Russischen Föderation, insbesondere in Nordossetien.

Sie stammen jedoch aus der russischen Republik Dagestan und gehören der Volksgruppe der Kumiken an. Sie wurden in Dagestan zu XXXX Jahren Haft verurteilt.

Wie in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.08.2016 ersichtlich gibt es in Tschetschenien nur eine kleine Strafvollzugsanstalt (IK-2). Deshalb müssen tschetschenische Häftlinge ihre Freiheitsstrafe meist in anderen Landesteilen der Russischen Föderation verbüßen. In Dagestan gibt es 9 Strafvollzugsanstalten: 6 Strafkolonien, davon eine Strafkolonie für Frauen (IK-8 in Kizilyurt), sowie 3 Isolierzellen für Untersuchungsgefangene. Es besteht daher eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass Sie Ihre Freiheitsstrafe nicht in anderen Teilen der Russischen Föderation, sondern in Dagestan verbüßen werden. Es kann daher dieser Punkt in den von Ihnen vorgelegten ACCORD-Anfragebeantwortungen nicht auf Ihre Person umgelegt werden.

Sofern in den von Ihnen vorgelegten Anfragebeantwortungen angeführt wird, dass besonders Tschetschenen und Inguscheten unter der grausamen Behandlung des Gefängnispersonals leiden müssen, muss ebenfalls darauf hingewiesen werden, dass Sie Angehörige von Dagestan und der Volksgruppe der Kumiken sind und daher diese Benachteiligung der erwähnten Volksgruppen ebenfalls nicht auf Ihre Person umgelegt werden kann.

Aus den von Ihnen vorgelegten ACCORD-Anfragebeantwortungen, dem Länderinformationsblatt und der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.08.2016 geht eindeutig hervor, dass die Haftbedingungen in den Untersuchungsgefängnissen besonders schlecht sind. Im Asylländerbericht der Österreichischen Botschaft Moskau zur Russischen Föderation von Oktober 2015 (siehe Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.08.2016, Seite 4) wird sogar angeführt, dass der EGMR in einem Piloturteil-Verfahren zum Verfahren Ananyev und andere v. Russland festgestellt hat, dass die Bedingungen in den Untersuchungsgefängnissen (russ. SIZO) einer unmenschlichen und erniedrigen Behandlung gemäß Art. 3 EMRK entsprechen und das Problem systemischer Natur ist. Es muss hervorgehoben werden, dass es sich bei der angeführten systematischen Verletzung von Artikel 3 EMRK um die Haftbedingungen in den Untersuchungsgefängnissen (SIZO) handelt.

Sie sind bereits rechtskräftig in der Russischen Föderation verurteilt. Sie werden daher bei einer Rückkehr nicht in ein Untersuchungsgefängnis kommen, sondern in den Strafvollzug. Die besonders schlechten Zustände in den Untersuchungsgefängnissen werden Sie daher bei einer Haftverbüßung nach einer Rückkehr nicht treffen.

Seit Ende der 90er Jahre haben sich die Bedingungen in den Haftanstalten kontinuierlich verbessert, entsprechen aber teilweise immer noch nicht den allgemein anerkannten Mindeststandards. Seit 2012 gibt es in der Russischen Föderation einen Aktionsplan zur Bekämpfung der Probleme im Strafvollzug. Die Haftbedingungen sind in den jeweiligen Haftanstalten oder Straflagern sehr unterschiedlich.

Eine Auslieferung kann für den Aufenthaltsstaat eine Verletzung von Art 3 MRK bedeuten, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person der tatsächlichen Gefahr einer Art 3 MRK widersprechenden Behandlung im Empfangsstaat ausgesetzt sein könnte (vgl EGMR 7. 7. 1989, 14038/88, Soering/Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1989, 314; OGH Rechtssatznummer RS0123229; RS0123201; Göth-Flemmich in WK2 ARHG § 19 Rz 7 mwN). Die bloße Möglichkeit von Übergriffen, die in jedem Rechtsstaat vorkommen können, macht die Auslieferung nicht unzulässig (OGH Rechtssatznummer RS0118200).

Die betroffene Person hat die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen, ernsthaften (gewichtigen) Gefahr schlüssig nachzuweisen (OGH Rechtssatznummer RS0123229). Ein solcher Nachweis ist nur dann verzichtbar, wenn der ersuchende Staat eine ständige Praxis umfassender und systematischer Menschenrechtsverletzungen aufweist.

Die systematischen Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation treten in den Untersuchungsgefängnissen auf.

In der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.08.2016 ist angeführt, dass ca. 650.000 Personen in der Russischen Föderation inhaftiert sind. Es gab 6.713 Beschwerden gegen die Haftbedingungen. 2014 gab es 30 Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. 2015 wurde in 109 Fällen zumindest ein Verstoß gegen die EMRK festgestellt, diese Urteile beziehen sich jedoch nicht ausschließlich auf Haftbedingungen in Strafanstalten. Es ist naheliegend, dass viele Verstöße gegen die EMRK in der Russischen Föderation nicht angezeigt bzw. weitergeleitet werden, jedoch müssen die dokumentierten bzw. angezeigten Verstöße gegen die EMRK im Verhältnis zu der enorm hohen Anzahl von 650.000 inhaftierten Personen betrachtet werden.

Sie haben in Ihrer Stellungnahme vom 08.07.2016 nicht angeführt bzw. schlüssig nachgewiesen, wieso gerade bei Ihrer Person die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen, ernsthaften (gewichtigen) Gefahr im Strafvollzug besteht.

Haftbedingungen können eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen, auch wenn sie nicht darauf abzielen, den Gefangenen zu demütigen oder zu erniedrigen. Sie verletzen Art 3 MRK, wenn sie erhebliches psychisches oder physisches Leid verursachen, die Menschenwürde beeinträchtigen oder Gefühle von Demütigung und Erniedrigung erwecken. Zu berücksichtigen sind dabei alle Umstände, so zB Überbelegung, mangelhafte Heizung oder Lüftung, übergroße Hitze, sanitäre Verhältnisse, Schlafmöglichkeit, Ernährung, Erholung und Außenkontakte sowie gegebenenfalls ihr kumulativer Effekt (OGH Rechtssatznummer RS0123229; EGMR 15. 7. 2002, 47095/99, Kalashnikov/Russland; Meyer-Ladewig, EMRK3 Art 3 Rz 29).

Bei einer Auslieferung an einen Konventionsstaat - wie hier an die Russische Föderation - ist die Verantwortlichkeit des ersuchten Staats eingeschränkt, wenn die betroffene Person im Zielstaat Rechtsschutz gegen Konventionsverletzungen erlangen kann. Eine Mitverantwortung des ausliefernden Staates besteht nur dann, wenn Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohen und effektiver Rechtsschutz - auch durch den EGMR - nicht rechtzeitig zu erreichen ist (OGH, 13Os139/12h vom 14.02.2013).

Es gab 2015 in der Russischen Föderation 6.713 Beschwerden gegen die Haftbedingungen. Es gab 2014 30 Urteile des Europäischen Gerichtshofes. Es gibt daher in der Russischen Föderation einen Rechtsschutz gegen Konventionsverletzungen.

Die Haftbedingungen in der Russischen Föderation sind sehr verschieden. Die Situation hat sich seit den 90er Jahren verbessert und es gibt seit 2012 einen Aktionsplan zur Verbesserung der Situation. Sie entsprechen aber zum Teil noch immer nicht den allgemein anerkannten Mindeststandards.

Die Haftbedingungen hängen sehr davon ab, in welcher Art von Strafanstalt eine Person inhaftiert ist, wo sich die Strafanstalt befindet und welcher Bevölkerungsgruppe eine Person angehört. Der Strafvollzug in der Russischen Föderation sieht für Frauen nur eine Art von Straflager vor (siehe Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.08.2016, Seite 7). Gemäß der Strafvollzugsordnung der Russischen Föderation sollten Gefangene ihre Haftstrafen dort verbüßen, wo sie verurteilt wurden oder wo sie leben.

Bezogen auf Ihre Person bedeutet dies, dass Sie als eine zu XXXX Jahren rechtskräftig verurteilte Frau wahrscheinlich in ein Frauen-Straflager kommen werden. Die besonders schlimmen Zustände in den Untersuchungsgefängnissen würden Sie daher nicht treffen. Da Sie aus Dagestan stammen, in Dagestan von einem Gericht verurteilt wurden und es in Dagestan ein Frauen-Straflager gibt, besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass Sie in diesem Frauen-Straflager in Dagestan Ihre Strafe verbüßen werden. Da Sie der Volksgruppe der Kumiken angehören, würde Sie die besonders schlechte Behandlung durch das Gefängnispersonal, welche hauptsächlich Tschetschenen und Inguscheten in anderen Teilen der Russischen Föderation betrifft, wahrscheinlich nicht treffen."

Beweiswürdigend wurde aufgrund der Ausführungen von BF1 und BF2 in ihrer Befragung vor dem BFA sowie dem übrigen Akteninhalt der Schluss gezogen, dass eine Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat zumutbar sei, wobei während der Haft, die BF1 zu verbüßen habe, BF2 die Versorgung der Kinder mit Unterstützung des sozialen Umfeldes bzw. Familienverbandes bewerkstelligen könnte.

Zur getroffenen Rückkehrentscheidung wurde im Wesentlichen festgehalten, dass nach Abwägung aller betroffenen Interessen das Interesse der Republik Österreich am Schutz der öffentlichen Ordnung schwerer als die persönlichen Interessen am Schutz des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführer wiegen würden, weshalb das BFA von der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausging. Zumal keine Gefährdung gemäß § 50 Abs. 1 FPG vorliege, sei die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation zulässig.

Gegen diese Bescheide richtet sich die fristgerecht gemeinsam eingebrachte Beschwerde, mit der diese ihrem gesamten Inhalt nach angefochten wurden.

Geltend gemacht wurden materielle und formelle Rechtswidrigkeit.

In dieser finden sich keine weiteren Ausführungen zur negativen Asylentscheidung betreffend BF5.

Es findet sich eingangs eine ausführliche Zusammenfassung des Verfahrensganges.

Es wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführer eingangs unrichtige Angaben sowohl zu ihrer Identität als auch zu ihren Fluchtgründen gemacht hätten. Dies sei aber von BF1 und BF2 bereits im November 2011 richtiggestellt worden. Dort habe BF1 auch ausgeführt, dass sie polizeilich gesucht, sie vom FSB erpresst und Schutzgeld verlangt werde. Auch sei das gegen sie geführte Strafverfahren fingiert.

BF1 habe auch ein Urteil des Bundesgerichts von XXXX vom XXXX vorgelegt, wonach sie in Abwesenheit zu einer XXXX Haftstrafe verurteilt worden sei.

Aufgrund dieses Urteils wurden die bereits negativ beendeten Asylverfahren hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten wieder aufgenommen.

BF1 bis BF4 hätten sich von Ende Juli 2013 bis 16.12.2013 in Deutschland aufgehalten und seien im Rahmen von Dublin-Konsultationen nach Österreich rücküberstellt worden.

In ihren Befragungen vor dem BFA am 24.06.2016 hätten die Beschwerdeführer die drohende Inhaftierung von BF1 sowie die zu Unrecht erfolgte Verurteilung aufgrund von Schutzgelderpressung durch den FSB angeführt. Die Beschwerdeführer hätten in der Folge auch ACCORD-Anfragebeantwortungen vom 31.05.2016 betreffend Haftbedingungen für Tschetschenen innerhalb und außerhalb von Tschetschenien, sowie Haftbedingungen in der Russischen Föderation, insbesondere in Nordossetien vorgelegt.

Die negativen angefochtenen Bescheide seien im Wesentlichen hinsichtlich § 8 AsylG 2005 deshalb negativ entschieden worden, da laut BFA die Verurteilung von BF1 auf einem rechtsstaatlichen Strafverfahren basiere und die Bedrohung durch den FSB unglaubwürdig sei. Die Verurteilung von BF1 zu einer XXXX Haftstrafe sei unstrittig. Ob diese Verurteilung durch ein rechtsstaatliches Verfahren zustande gekommen sei oder nicht, sei nicht mehr Verfahrensgegenstand. Der damals zuständige Asylgerichtshof habe das Verfahren nämlich ausschließlich hinsichtlich §§ 8, 10 AsylG 2005 wieder aufgenommen und ausdrücklich festgehalten, dass nur die unmenschliche Behandlung durch die schlechten Haftbedingungen für die Gewährung von subsidiären Schutz zu prüfen sei. In besagtem Beschluss des Asylgerichtshofes sei festgehalten worden, dass die schlechten Haftbedingungen grundsätzlich dazu geeignet seien, eine rechtliche Grundlage für subsidiären Schutz darzustellen.

Aus den angefochtenen Bescheiden gehe hervor, dass die Haftbedingungen im Herkunftsstaat prekär seien und regelmäßig in Urteilen des EGMR festgestellt werde, dass die Haftbedingungen eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung iSd. Art. 3 EMRK darstellen würden und es sich hierbei um ein Problem systematischer Natur handle.

Neben mangelnder Hygiene und medizinischer Versorgung, seien Folter, Misshandlungen und Gewalt durch Gefängniskräfte zu nennen.

Spezielle Länderberichte zur Lage von Frauen in Haft, denen eine bessere und damit Art. 3 EMRK nicht widersprechende Behandlung zu entnehmen sei, würden im Verfahrensakt nicht aufliegen.

Aus den im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Länderinformationen, den von BF1 vorgelegten ACCORD-Anfragebeantwortungen sowie der zuvor erwähnten ständigen Judikatur des EMRK ergebe sich, dass auch im konkreten Fall von BF1 aufgrund der ihr in Russland bevorstehenden Haftstrafe von XXXX Jahren eine Verletzung von Art. 3 EMRK drohe, weshalb ihr – sowie ihrer Familie aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens – der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei.

Im Übrigen spreche die im angefochtenen Bescheid aufgezeigte prekäre Sicherheitslage gegen die Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat.

BF1 könne durch die Haft nicht wie früher durch ihre Erwerbstätigkeit zum Familieneinkommen maßgeblich beitragen und sei auch sonst in keinster Weise das Funktionieren des familiären Alltags gewährleistet oder zumindest erleichtert.

Es sei vielmehr aufgrund der prekären Haftbedingungen wahrscheinlich, dass BF1 infolge der mehrjährigen Inhaftierung unter den prekären Verhältnissen psychisch und/oder psychisch erkranken würde.

Die Umstände für die Beschwerdeführer hätten sich seit der Ausreise aus Dagestan derart verändert, dass diese mit der aktuellen Lage nicht mehr vergleichbar seien. Die Familie sei von zwei auf vier Kinder gewachsen. Das jüngste Kind sei erst wenige Monate alt und seien zwei Kinder in Österreich maßgeblich sozialisiert, da sie seit der Geburt bzw. frühesten Kindheit hier aufhältig seien. Eine Anpassung von Kindern an eine dermaßen prekäre Sicherheitslage und eine mehrjährige erzwungene Trennung von der Mutter durch die Haft stehe sicher nicht im Einklang mit Art. 3 EMRK, sondern würde durch diese Gesamtsituation vielmehr eine Traumatisierung entstehen, die aufgrund der besonderen Vulnerabilität und Schutzwürdigkeit von Kindern eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde.

Im Übrigen sei auch eine Rückkehrentscheidung im Fall der Beschwerdeführer dauerhaft unzulässig.

Das BFA habe hier insbesondere die aktuelle Rechtsprechung der Höchstgerichte zu einer Verfahrensdauer von fünf Jahren bei guter Integration nicht berücksichtig. Laut dieser Judikatur würde auch der Umstand in den Hintergrund treten, dass die Fluchtgründe nicht glaubwürdig gewesen seien bzw. die Ausreise aus asylfremden Gründen erfolgt sei.

Es sei aber zu betonen, dass der Antrag keineswegs unbegründet sei, sondern den Beschwerdeführern vielmehr subsidiärer Schutz zu gewähren sei. Bei einer derartigen Sach- und Rechtslage wie im konkreten Fall sei es auch keineswegs subjektiv denkunmöglich, dass internationaler Schutz gewährt werde, sodass die Beschwerdeführer eben nicht von Anfang an mit einer abweisenden Entscheidung rechnen hätten müssen.

Im Übrigen sei das überlange Verfahren auch überwiegend auf das Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen. In den letzten Jahren – 2013 bis 2016 – habe die belangte Behörde keine erkennbaren Schritte gesetzt, um das Verfahren zu einem Abschluss zu bringen. Demgegenüber würden die zunächst falschen Angaben der Identität, die bereits nach rund fünfeinhalb Monaten eigeninitiativ unter Vorlage von Identitätsdokumenten berichtigt worden seien, nicht so schwer wiegen, dass daraus jede Integration an Gewicht verlieren würde.

Die XXXX Haftstrafe, die BF1 zu verbüßen habe, würde auch in das Recht auf Familienleben eingreifen, da im hypothetischen Fall einer Rückkehr dadurch eine Trennung der Mutter von ihren Kindern stattfinden würde. Dass das Familienleben durch Besuche in Haft angemessen aufrechterhalten werden könnte, sei angesichts der Haftbedingungen zweifelhaft. Hier trete auch das Kindeswohl hinzu und wurde höchstgerichtliche Judikatur zitiert, die die Trennung von Kindern von einem Elternteil bei Ausweisung bloß eines Teiles der Familie in den Herkunftsstaat behandeln. In der Beschwerde wird davon ausgegangen, dass diese Judikatur auch für die Beschwerdeführer beachtlich sei, zumal durch die Inhaftierung von BF1 es zu einer mehrjährigen Trennung von den Kindern (BF3 bis BF5) komme. Betont müsse werden, dass es sich nicht um eine Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren handle, woran auch nichts ändere, dass Richter, Staatsanwalt und Anwalt anwesend gewesen seien. Den Länderberichten seien hier insbesondere Informationen über Schauprozesse in der Russischen Föderation zu entnehmen.

Die Kinder seien schließlich in Österreich geboren bzw. würden seit jüngster Kindheit hier leben und teils den Kindergarten bzw. nunmehr auch die Schule besuchen. Sie seien maßgeblich in Österreich sozialisiert. Bei der Möglichkeit der Integration in Dagestan seien sämtliche Umstände, nämlich die prekäre Sicherheitslage, die Trennung von der Mutter und nicht zuletzt auch die kulturellen Unterschiede zwischen Österreich und Dagestan zu berücksichtigen. Bei einer derartigen gravierenden Änderung aller Lebensumstände durch eine hypothetische Rückkehr in die Russische Föderation könne jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Kinder leicht an die geänderten Umstände anpassen könnten.

Auch BF1 und BF2 hätten sich im Verlauf des nun fünf Jahre dauernden Verfahrens im eingeschränkten Rahmen als Asylwerber in Österreich integriert, hätten die deutsche Sprache erlernt und würden soziale Kontakte pflegen. Hiezu wurde in der Beschwerde auf die im Akt befindlichen Nachweise verwiesen.

In einer Gesamtschau dieser Umstände wäre bei den Beschwerdeführern im konkreten Fall bei Nichtzuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten jedenfalls die Erlassung einer Rückkehrentscheidung dauerhaft unzulässig gewesen.

Abschließend wurde auf die formelle Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide verwiesen. So sei die belangte Behörde in der Begründung weder auf die eigenen Länderberichte inhaltlich eingegangen, insbesondere nicht zu den prekären Haftbedingungen und den zahlreichen Verurteilungen Russlands durch den EGMR gemäß Art. 3 EMRK aufgrund eben dieser Haftbedingung. Auch auf die seitens der Beschwerdeführer vorgelegten ACCORD-Anfragebeantwortungen sei nicht eingegangen worden, die ebenfalls die prekären Haftbedingungen thematisieren würden.

Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, Ermittlungen speziell zu den Haftbedingungen von Frauen anzustellen, was einen schweren Ermittlungsmangel darstelle.

Auch ignoriere die belangte Behörde die drohende Trennung der Familie durch die unstrittige XXXX Haftstrafe von BF1. Die belangte Behörde verkenne auch die Rechtslage hinsichtlich der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung bei mehrjähriger Verfahrensdauer in einem einzigen Asylverfahren und berücksichtige die ständige Judikatur sowie die individuellen Umstände unzureichend.

Aus dem Abschluss-Bericht der LPD XXXX vom XXXX ergibt sich, dass sich BF2 während seines Aufenthaltes in Deutschland darum bemüht hat, einen total gefälschten rumänischen Führerschein zu erhalten. Dieser sei ihm nach seiner Dublin-Rücküberstellung nach Österreich übermittelt worden, wo er unter Mitführen des gefälschten Führerscheins auf öffentlichen Straßen ein Fahrzeug gelenkt habe und sich mit diesem gegenüber Exekutivbeamten ausgewiesen habe.

Aus dem Untersuchungsbericht vom 30.08.2016 ergibt sich, dass es sich bei dem von BF1 vorgelegten russischen Führerschein um eine Totalfälschung handelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Anträge auf internationalen Schutz vom 29.05.2011 (BF1 bis BF3), 07.12.2011 (BF4) und 25.02.2016 (BF5), der zahlreichen Einvernahmen vor den Asylbehörden von BF1 und BF2, zuletzt vor dem BFA am 24.06.2016, der im Verlauf des Verfahrens übermittelten Unterlagen, insbesondere zum gegen BF1 geführten Strafverfahren in der Russischen Föderation, der gemeinsamen Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide des BFA, der Einsichtnahme in die zahlreichen im Verlauf der Verfahren übermittelten Unterlagen auch zur Integration und zum Gesundheitszustand von BF1 und BF2 sowie der Einsichtnahme in die seitens der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid berücksichtigten Länderinformationen der Staatendokumentation zur Russischen Föderation (insbesondere Dagestan), der eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.08.2016 sowie der seitens der Beschwerdeführer übermittelten ACCORD-Anfragebeantwortungen vom 31.05.2016 und 02.06.2016 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Zur Person und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation (aus Dagestan), Angehörige der kumykischen Volksgruppe und dem moslemischen Glauben zugehörig.

Betreffend BF1 bis BF4 liegt eine rechtskräftige Entscheidung zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz dahingehend vor, dass ihnen der Status von Asylberechtigten nicht zukommt. Dies wurde insbesondere damit begründet, dass das Fluchtvorbringen von BF1 und BF2 nicht glaubwürdig gewesen ist.

Der im Bundesgebiet nachgeborene BF5 hat keine eigenen Verfolgungsgründe geltend gemacht, sondern sich auf das Vorbringen seiner Eltern (BF1 und BF2) gestützt. Zumal diesen der Status von Asylberechtigten nicht erteilt wurde, war BF5 der Status eines Asylberechtigten im Familienverfahren nicht zu erteilen. Nicht festgestellt werden kann darüber hinaus, dass BF5 in der Russischen Föderation mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität – oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität – droht.

Mit Beschlüssen des Asylgerichtshofes vom 05.09.2013 wurden die mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 15.07.2013 rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren von BF1 bis BF4 betreffend die Anträge auf Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten sowie die Ausweisungsentscheidung wiederaufgenommen.

Diese Entscheidung beruht insbesondere auf den vorgelegten Beschluss eines Richters in XXXX vom XXXX , in dem einerseits hervorgeht, dass BF1 am XXXX in Abwesenheit aufgrund diverser Vermögensdelikte zu einer XXXX Freiheitsstrafe verurteilt wurde, andererseits dass im Fall der Festnahme von BF1 der Vater die Obsorge für BF3 sowie die Mutter von BF1 die Obsorge für das sich in der Russischen Föderation aufhaltende Kind von BF1 erhält.

In besagten Beschlüssen des Asylgerichtshofes wurde einerseits festgehalten, dass das ergangene Urteil gegen BF1 keine politischen Hintergründe hat, sondern es sich um wirtschaftliche Strafdelikte handelt, was im Erkenntnis des Asylgerichtshofes betreffend BF1 vom 15.07.2013 ausführlich begründet wurde. Dort wurde umfassend dargelegt, dass BF1 und BF2 aus privaten Gründen ausgereist sind, nämlich um den gerechtfertigten zivilrechtlichen Forderungen gegen BF1 und den ihr drohenden strafrechtlichen Konsequenzen zu entgehen. Die Ausreise erfolgte somit aus asylfremden Motiven.

Andererseits wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens damit begründet, dass im bisherigen Verfahren keine Prüfung erfolgte, welche Auswirkungen die XXXX Haft auf BF1 bzw. in weiterer Folge im Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 auf die weiteren Familienangehörigen hätte.

BF1 ist in einem in Russland durchgeführten rechtsstaatlichen Strafverfahren infolge krimineller Handlungen zu einer Haftstrafe im Ausmaß von XXXX Jahren verurteilt worden.

Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführer im Fall ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären. Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Aus den Länderfeststellungen in Zusammenhalt mit der individuellen Situation von BF1 ist nicht davon auszugehen, dass BF1 im Zuge einer in der Russischen Föderation zu verbüßenden Haft mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung ausgesetzt wäre.

Es ist auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass BF2 bis BF5 im Lichte der Haft von BF1 in eine ausweglose Situation geraten würden, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde.

Nicht festgestellt werden kann darüber hinaus, dass die Beschwerdeführer an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leiden, welche eine Rückkehr in die Russische Föderation iSd. Art. 3 EMRK unzulässig machen würden. Die Beschwerdeführer sind vielmehr gesund.

BF1 bis BF3 sind im Mai 2011 illegal in das Bundesgebiet eingereist. BF4 wurde im November XXXX geboren und halten sie sich mit einer Unterbrechung von mehreren Monaten (Aufenthalt in Deutschland von Juli bis Dezember 2013, wo Anträge auf internationalen Schutz gestellt wurden) seit diesen Zeitpunkten in Österreich auf.

BF5 hält sich seit seiner Geburt in Österreich im Februar 2016 hier auf.

Sämtliche Beschwerdeführer haben sich aufgrund der Antragsstellung auf internationalen Schutz und der damit verbundenen vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten.

Die Beschwerdeführer beziehen seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung des Bundes und sind nicht selbsterhaltungsfähig.

Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 wurden nicht nachgewiesen, wenn auch Deutschkurse besucht wurden.

Eine Aus-, Fort- oder Weiterbildung haben weder BF1 noch BF2 vorgetragen.

BF3 besucht die Volksschule, BF4 den Kindergarten, BF5 ist im Kleinkindalter.

Ein karitatives Engagement wurde ebenso verneint, wie die Mitgliedschaft der Beschwerdeführer bei einem Verein.

Eine Verpflichtungserklärung für die Beschwerdeführer bzw. eine essentielle Unterstützung oder tiefergehende Freundschaft geht aus den übermittelten Empfehlungsschreiben nicht hervor.

Im Schreiben der XXXX vom 11.08.2016 wurde ersucht, die rechtlichen Möglichkeiten zu schaffen, um BF1 einstellen zu können.

BF1 und BF2 sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

Im Herkunftsstaat halten sich zahlreiche Familienangehörige, insbesondere auch die nächsten Familienangehörigen – Eltern bzw. Elternteile sowie Geschwister von BF1 und BF2 auf. Insbesondere lebt dort auch die älteste Tochter von BF1 bei der Mutter von BF1.

Es ist von intakten Beziehungen zu den Familienangehörigen im Herkunftsstaat auszugehen.

Zur maßgeblichen Situation in der Russischen Föderation (und insbesondere Dagestan) wird Folgendes festgestellt:

1. Politische Lage

Dagestan

Dagestan belegt mit einer Einwohnerzahl von 2,94 Millionen Menschen (2% der Gesamtbevölkerung Russlands) den dritten Platz unter den Republiken der Russischen Föderation. Über die Hälfte der Einwohner (54,9%) sind Dorfbewohner. Die Bevölkerung in Dagestan wächst verhältnismäßig schnell. Im Unterschied zu den faktisch monoethnischen Republiken Tschetschenien und Inguschetien, setzt sich die Bevölkerung Dagestans aus einer Vielzahl von Ethnien zusammen. In der Republik gibt es 60 verschiedene Nationalitäten, einschließlich der Vertreter der 30 alteingesessenen Ethnien. Alle sprechen unterschiedliche Sprachen. Dieser Umstand legt die Vielzahl der in Dagestan wirkenden Kräfte fest, begründet die Notwendigkeit eines Interessenausgleichs bei der Lösung entstehender Konflikte und stellt ein Hindernis für eine starke autoritäre Zentralmacht in der Republik dar. Allerdings findet dieser "Interessenausgleich" traditionellerweise nicht auf dem rechtlichen Wege statt, was in Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Clans münden kann. Der Lebensstandard in der Republik Dagestan ist einer der niedrigsten in der gesamten Russischen Föderation und das Ausmaß der Korruption sogar für die Region Nordkaukasus beispiellos (IOM 6.2014, vgl. ACCORD 16.3.2015).

Was das politische Klima betrifft, gilt die Republik Dagestan im Vergleich zu Tschetschenien noch als relativ liberal. Die Zivilgesellschaft ist hier stärker vertreten als in dem Kadyrow’schen Privatstaat. Ebenso existiert – anders als in der Nachbarrepublik – zumindest eine begrenzte Pressefreiheit. Wie im Abschnitt über Dagestans Völkervielfalt erwähnt, stützt die ethnische Diversität ein gewisses Maß an politischem Pluralismus und steht autokratischen Herrschaftsverhältnissen entgegen. So hatte der Vielvölkerstatus der Republik das Amt eines Präsidenten oder Republikführers lange Zeit verhindert. Erst Anfang 2006 setzte der Kreml den Awaren Muchu Alijew als Präsidenten an die Spitze der Republik. Alijew war in sowjetischer Zeit ein hochrangiger Parteifunktionär und bekleidete danach zehn Jahre lang den Vorsitz im Parlament Dagestans. Er galt als »Mann des Volkes« in einer Republik, in der politische Macht bislang an die Unterstützung durch lokale und ethnische Seilschaften gebunden war. Alijew, so schien es anfangs, stand über diesen Clan-Welten. Doch die Hoffnung auf Korruptionsbekämpfung und bessere Regierungsführung wurde enttäuscht. Moskau ersetzte ihn 2009 durch Magomedsalam Magomedow, einen Sohn des langjährigen Staatsratsvorsitzenden, der als Präsidentenersatz fungiert hatte. Damit verschob sich die politische Macht im ethnischen Spektrum von den Awaren wieder zu den Darginern. Der neue Präsident war mit Hinterlassenschaften der 14-jährigen Herrschaft seines Vaters Magomedali Magomedow konfrontiert, die sein Amtsvorgänger Alijew nicht hatte bewältigen können. Das betraf vor allem Korruption und Vetternwirtschaft. In Dagestan bemühte sich Magomedow vor allem um einen Dialog zwischen den konfessionellen Konfliktparteien der Sufiten und Salafisten und um eine Reintegration der »Waldbrüder«, des bewaffneten Untergrunds also, in die Gesellschaft. Er berief auch einen dagestanischen Völkerkongress mit fast 3000 Teilnehmern ein, der im Dezember 2010 religiösen Extremismus und Terrorismus verdammte und die Bevölkerung aufrief, den Kampf gegen den bewaffneten Untergrund zu unterstützen. Ein Ergebnis des Kongresses war die Schaffung eines Komitees für die Reintegration von Untergrundkämpfern. Doch auch Magomedsalam Magomedow gelang es nicht, die Sicherheitslage in Dagestan zu verbessern. Anfang 2013 ersetzte der Kreml Magomedow durch Ramsan Abdulatipow, den in Moskau wohl bekanntesten Dagestaner. Abdulatipow galt dort als Experte für interethnische Beziehungen und religiöse Konflikte im Nordkaukasus; 1999/2000 hatte er kurzzeitig das ein Jahr später abgeschaffte föderale Ministerium für Nationalitätenbeziehungen geleitet. Damit trat abermals ein Hoffnungsträger an die Spitze der Republik, der als Erstes der Korruption und dem Clanismus den Kampf ansagte. Abdulatipows Kampf gegen Korruption und Nepotismus führte zwar zum Austausch von Personal, doch die Strukturen, die dem Problem zugrunde liegen, wurden kaum angetastet. Es war auch nicht zu erwarten, dass sich ein Phänomen wie das Clan- und Seilschaftsprinzip, das für Dagestan so grundlegende gesellschaftlich-politische Bedeutung hat, ohne weiteres würde überwinden lassen. Dieses Prinzip wird nicht nur durch ethnische, sondern auch durch viele andere Zuordnungs- und Gemeinschaftskriterien bestimmt und prägt Politik wie Geschäftsleben der Republik auf entscheidende Weise. Zudem blieb der Kampf gegen den bewaffneten Untergrund oberste Priorität, was reformpolitische Programme in den Hintergrund rückte. Dabei zeugt die Praxis der Anti-Terror-Operationen in der Ära Abdulatipow von einer deutlichen Stärkung der »Siloviki«, das heißt des Sicherheitspersonals. Zur Bekämpfung der Rebellen setzt der Sicherheitsapparat alte Methoden ein. Wie in Tschetschenien werden die Häuser von Verwandten der Untergrundkämpfer gesprengt, und verhaftete »Terrorverdächtige« können kaum ein faires Gerichtsverfahren erwarten. Auf Beschwerden von Bürgern über Willkür und Straflosigkeit der Sicherheitskräfte reagiert Abdulatipow mit dem Argument, Dagestan müsse sich »reinigen«, was ein hohes Maß an Geduld erfordere (SWP 4.2015).

Laut Swetlana Gannuschkina ist Abdulatipow ein alter sowjetischer Bürokrat. Sein Vorgänger Magomedsalam Magomedow war ein sehr intelligenter Mann, der kluge Innenpolitik betrieb. Er hatte eine Diskussionsplattform organisiert, wo verfeindete Gruppen miteinander gesprochen haben. Es ging dabei vor allem um den Dialog zwischen den Salafisten und den Anhängern des Sufismus. Unter ihm haben auch die außergerichtlichen Hinrichtungen von Seiten der Polizei aufgehört. Er hat eine sogenannte Adaptionskommission eingerichtet. Diese Kommission hatte die Aufgabe, Kämpfern von illegal bewaffneten Einheiten eine Rückkehr ins bürgerliche Leben zu ermöglichen. Diejenigen, die kein Blut an den Händen hatten, konnten mit Hilfe dieser Kommission wieder in der Gesellschaft Fuß fassen. Wenn sie in ihrem bewaffneten Widerstand Gewalt angewendet oder Verbrechen begangen hatten, wurden sie zwar verurteilt, aber zu einer geringeren Strafe. Auch diese Personen sind in die dagestanische Gesellschaft reintegriert worden. Mit der Ernennung Abdulatipows als Oberhaupt der Republik, gab es keine Verhandlungen mehr mit den Aufständischen und er initiierte einen harten Kampf gegen den Untergrund. Dadurch stiegen die Terroranschläge und Gewalt in Dagestan wieder an (Gannuschkina 3.12.2014, vgl. AI 9.2013).

Quellen:

2. Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 1.6.2016b).

Russland hat den IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind – wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).

Das »Kaukasus-Emirat«, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz‘, eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen‘ Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat – also Teufelsstaat – übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen. Aus dem Pankisi-Tal in Georgien, das mehrheitlich von einer tschetschenischen Volksgruppe bewohnt wird, stammen einige Teilnehmer an den Kämpfen in Syrien – so Umar al-Shishani (eigentl. Tarkhan Batiraschwili), der dort prominenteste Milizen-Führer aus dem Kaukasus (SWP 10.2015).

Seit Ende 2014 mehren sich Meldungen über Risse im bewaffneten Untergrund und Streitigkeiten in der damaligen Führung des Emirats, die vor allem mit der Beteiligung nordkaukasischer Kämpfer am Jihad des IS in Syrien zu tun haben. Eine wachsende Zahl von Feldkommandeuren (Emiren) aus Dagestan, Tschetschenien und anderen Teilen des Nordkaukasus haben IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi den Treueid geschworen (SWP 4.2015). Nach Dokku Umarows Tod 2013 wurde Aliaschab Kebekow [aka Ali Abu Muhammad] zum Anführer des Kaukasus Emirates. Dieser ist im Nordkaukasus bei einem Einsatz russischer Spezialkräfte im Frühling 2015 getötet worden (Zeit Online 20.4.2015). Abu Usman Gimrinsky (Magomed Suleimanov) wurde zum Nachfolger (Open Democracy 29.6.2015). Im August 2015 erlitt der Rest des noch bestehenden Kaukasus Emirat einen erneuten harten Rückschlag. Drei der Top-Kommandanten wurden im Untsukul Distrikt in Dagestan von Regierungskräften getötet, darunter der neue Anführer des Emirates Abu Usman Gimrinsky (Magomed Suleimanov) (Jamestown 14.8.2015).

Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad-Regime, die ‚legitime Regierung Syriens‘, bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015 hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands (SWP 10.2015).

Der russische Generalstaatsanwalt erklärte im November 2015, dass 650 Strafverfahren aufgrund der Beteiligung in einer illegalen bewaffneten Gruppierung im Ausland eröffnet wurden. Laut Chef des FSB (Inlandsgeheimdienst) sind davon 1.000 Personen betroffen. Zusätzlich wurden 770 Aufständische und ihre Komplizen inhaftiert und 156 Kämpfer wurden im Nordkaukasus 2015 getötet, einschließlich 20 von 26 Anführern, die dem IS die Treue geschworen hatten. Mehr als 150 Rückkehrer aus Syrien und dem Irak wurden zu Haftstrafen verurteilt. 270 Fälle wurden eröffnet, um vermeintliche Terrorfinanzierung zu untersuchen; 40 Rekrutierer sollen allein in Dagestan verhaftet und verurteilt worden sein. Vermeintliche Rekrutierer wurden verhaftet, da sie Berichten zufolge junge Personen aus angesehenen Familien in Tschetschenien, aber auch aus Moskau, St. Petersburg, Jekaterinburg, der Stavropol Region und der Krasnodar Region für den IS gewinnen wollten (ICG 14.3.2016).

Quellen:

2.1. Nordkaukasus allgemein

Die patriotische Begeisterung, mit der in Russland die Annexion der Krim einherging, rückte die Sicherheitslage im Nordkaukasus in ein trügerisch positives Licht. Dieser Landesteil ragt in der nachsowjetischen Periode aus dem regionalen Gefüge der Russischen Föderation wie kein anderer hervor, bedingt durch die zwei Kriege in Tschetschenien, anhaltende Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und einem bewaffneten islamistischen Untergrund in weiteren Teilen der Region sowie mannigfache sozial-ökonomische Probleme. Bis vor kurzem rangierte der Nordkaukasus in der Gewaltbilanz des gesamten post-sowjetischen Raumes an oberster Stelle, fielen den bewaffneten Auseinandersetzungen doch jährlich mehrere Hundert Menschen zum Opfer – Zivilisten, Sicherheitskräfte und Untergrundkämpfer. 2014 wurde der Nordkaukasus in dieser Hinsicht von der Ostukraine überholt. Zugleich stufen auswärtige Analysen die Sicherheitslage im Nordkaukasus aber weiterhin mit ‚permanent low level insurgency‘ ein. Im Unterschied zum Südkaukasus mit seinen drei unabhängigen Staaten (Armenien, Aserbaidschan, Georgien) haben externe Akteure und internationale Organisationen kaum Zugang zum Nordkaukasus, dessen Entwicklung als innere Angelegenheit Russlands gilt (SWP 4.2015).

2015 wurden aus dem Nordkaukasus weniger Angriffe bewaffneter Gruppen gemeldet als in den Vorjahren. Die Strafverfolgungsbehörden setzten bei der Bekämpfung bewaffneter Gruppen weiterhin vor allem auf Operationen der Sicherheitskräfte. Es bestand nach wie vor der Verdacht, dass diese mit rechtswidrigen Inhaftierungen, Folter und anderen Misshandlungen von Häftlingen sowie Verschwindenlassen einhergingen (AI 24.2.2016).

Während sich die Situation im westlichen Nordkaukasus in den letzten Jahren stabilisiert hat, gibt es immer wieder Meldungen über gewaltsame Vorfälle mit Toten und Verletzten in der Region. Besonders betroffen ist weiterhin die Republik Dagestan. Aber auch in Tschetschenien, Kabardino-Balkarien und Inguschetien kommt es regelmäßig zu gewaltsamen Zwischenfällen, so dass von einer Normalisierung nicht gesprochen werden kann. Anschlagsziele der Aufständischen sind vor allem Vertreter der Sicherheitskräfte und anderer staatlicher Einrichtungen sowie den Extremisten nicht genehme muslimische Geistliche. Auf Gewalt durch islamistische Aufständische oder im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen Ethnien und Clans reagieren die regionalen und föderalen Behörden weiterhin mit Repression. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt dreht sich dadurch weiter, wobei manche Repressalien - etwa gegen Angehörige angeblicher Islamisten, wie z.B. die Zerstörung ihrer Wohnhäuser - zu einer Radikalisierung der Bevölkerung beitragen und damit die Sicherheitslage weiter eskalieren lassen könnten.

Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass im Nordkaukasus Recht und Gesetz auf beiden Seiten missachtet werden und für Täter aus den Reihen der Sicherheitskräfte ein Klima der Straflosigkeit herrsche (AA 5.1.2016).

Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Im Mai 2014 wurde ein neues Ministerium für die Angelegenheiten des Nordkaukasus geschaffen und der bevollmächtigte Vertreter des Präsidenten im Nordkaukasischen Föderalbezirk Alexander Chloponin, durch den früheren Oberbefehlshaber der Vereinigten Truppen des Innenministeriums im Nordkaukasus, Generalleutnant Sergej Melikov, ersetzt. Insbesondere in Dagestan, wo es immer wieder zu blutigen Zusammenstößen zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften kommt, ist die Lage weiterhin kritisch. In Tschetschenien hat Ramzan Kadyrov die Rebellen mit Gewalt und Amnestieangeboten dezimiert bzw. zum Ausweichen auf die Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan gezwungen. Anschläge auf den Expresszug nach St. Petersburg im November 2009, die Moskauer Metro im April 2010, den Moskauer Flughafen Domodedovo im Jänner 2011 (mit zwei österr. Staatsbürgern unter den Opfern) sowie im Oktober und Dezember 2013 in Wolgograd zeigten, dass die Gefahr des Terrorismus auch Zentralrussland betrifft (ÖB Moskau 10.2015).

Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar, sowie die Extremisten im Nordkaukasus, die ihre Loyalität gegenüber dem IS bekundet haben. Der Generalsekretär des russischen Nationalen Sicherheitsrats Nikolai Patrushev sprach von rund 1.000 russischen Staatsangehörigen, die an der Seite des IS kämpfen würden, der Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB Alexander Bortnikov hingegen sprach von mehreren Tausend Kämpfern). Laut einem rezenten Bericht der regierungskritischen Zeitschrift "Novaya Gazeta" nehmen die russischen Sicherheitsdienste diese Abwanderung nicht nur stillschweigend zur Kenntnis, sondern unterstützen sie teilweise auch aktiv, in der Hoffnung, die Chance auf eine Rückkehr der Extremisten aus den Kampfgebieten in Syrien und dem Irak zu reduzieren. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresbeginn 2015 liefen rund 60 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf Art. 58 StGB (Teilnahme an einer terroristischen Handlung), Art. 205.3 StGB (Absolvierung einer Terror-Ausbildung) und Art. 208 StGB (Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme in ihr). Im nordkaukasischen Kreismilitärgericht wurde Ende August 2015 ein 26-jähriger Mann aus Dagestan wegen Absolvierung einer Terror-Ausbildung, Teilnahme an einer illegalen bewaffneten Gruppierung und illegalen Waffenbesitzes zu 14 Jahren Straflager verurteilt. Der Nordkaukasus ist und bleibt trotz anhaltender politischer wie wirtschaftlicher Stabilisierungsversuche ein potentieller Unruheherd innerhalb der Russischen Föderation. Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Extremisten, teils ohne Rücksicht auf Verluste innerhalb der Zivilbevölkerung, trägt zur Bildung neuer Konflikte und Radikalisierung der Bevölkerung bei. Das Risiko einer Destabilisierung steigt darüber hinaus aufgrund der allfälligen Rückkehr von Kämpfern aus Syrien und dem Irak bzw. aufgrund des steigenden Einflusses des IS im Nordkaukasus selbst (ÖB Moskau 10.2015).

Im Jahr 2015 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 258 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2014: 525 Opfer). 209 davon wurden getötet (2014: 341), 49 verwundet (2014: 184) (Caucasian Knot 8.2.2016). Im ersten Quartal 2016 gab es im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 48 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 20 davon getötet, 28 davon verwundet (Caucasian Knot 10.5.2016).

Quellen:

2.2. Dagestan

Die Sicherheitslage in Dagestan bleibt instabil. Den russischen Sicherheitskräften werden schwere Menschrechtsverletzungen bei der Durchführung der Anti-Terror-Operationen in Dagestan vorgeworfen. Diese reichen von der internen Vertreibung von Personen, der Zerstörung von Häusern von Zivilisten, über exzessive Gewaltanwendung bis hin zu Folter und dem Verschwindenlassen von Personen. Das teils brutale Vorgehen der Sicherheitsdienste gekoppelt mit der noch immer instabilen sozialwirtschaftlichen Lage in Dagestan schafft wiederum weiteren Nährboden für die Radikalisierung innerhalb der Bevölkerung. Fast täglich kommt es zu Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Extremisten. Letztere gehörten bis vor kurzem primär zum 2007 gegründeten sogenannten Kaukasus-Emirat, bekunden jedoch vermehrt ihre Loyalität gegenüber dem IS. Die Anhänger des Emirats beanspruchen, den "wahren Islam" in der Region zu vertreten. Die Vertreter des sog. "traditionellen" Islam werden als korrupt angesehen und stehen im Verdacht, der Regierung in Moskau bzw. ihren Repräsentanten in der Region untertan zu sein. Die Erfolge des IS in Syrien und im Irak haben eine starke Anziehungskraft auf die Anhänger des Kaukasus-Emirats – einerseits wandern sie vermehrt in den Nahen Osten ab, um an der Seite des IS zu kämpfen, andererseits haben seit Jahresbeginn 2015 mehrere Kommandeure des Emirats ihre Loyalität gegenüber dem IS in Videos proklamiert. Im Juni 2015 gab der IS die Gründung des sog. Vilayat Kavkaz bekannt. Operativ ist der IS im Nordkaukasus zwar noch nicht in Erscheinung getreten, eine Intensivierung der Propaganda ist jedoch feststellbar. Es bleibt abzuwarten, ob der IS tatsächlich militärische und finanzielle Ressourcen verschieben wird, um im Nordkaukasus operativ tätig zu werden, oder ob der IS das "Vilayat Kavkaz" v.a. zu Propagandazwecken nutzen wird, um seinen globalen Einfluss zu unterstreichen. Die russischen Behörden zeigen sich jedenfalls alarmiert aufgrund dieser Entwicklung (ÖB Moskau 10.2015).

Angesteckt durch die Konflikte in Tschetschenien, hat sich die Sicherheitslage im multiethnischen Dagestan in den letzten Jahren deutlich verschlechtert und bleibt sehr angespannt. Islamistischer Extremismus, Auseinandersetzungen zwischen Ethnien und Clans, Korruption und organisierte Kriminalität führen zu anhaltender Gewalt und Gegengewalt. Die beinahe täglichen Anschläge von Rebellen richten sich gezielt gegen Sicherheits- und Verwaltungsstrukturen, politische Führungskader, Polizeipatrouillen, Bahnlinien, Gas- und Stromleitungen und öffentliche Gebäude. Die Behörden gehen mit harter Repression gegen Rebellen und deren vermeintliche Anhänger in der Bevölkerung vor (AA 5.1.2016).

Gemäß verschiedenen Quellen ist Dagestan aktuell das Zentrum der Gewalt im Nordkaukasus. Sicherheitskräfte werden für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht, darunter illegale Inhaftierungen, gewaltsame Entführungen, außergerichtliche Tötungen, manipulierte Strafprozesse und Folter (SFH 25.7.2014).

2015 gab es in Dagestan 153 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2014: 293), davon 126 Tote und 27 Verwundete (Caucasian Knot 8.2.2016).

Quellen:

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig, allerdings kritisieren sowohl internationale Gremien (EGMR, EuR) als auch nationale Organisationen (Ombudsmann, Menschenrechtsrat) regelmäßig Missstände im russischen Justizwesen. Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen. In Strafprozessen kommt es nur sehr selten (rund 1 %) zu Freisprüchen der Angeklagten. Laut einer Umfrage des Levada-Zentrums über das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen aus Ende 2014 rangiert die Justiz (gemeinsam mit der Polizei) im letzten Drittel. 45% der Befragten zweifeln daran, dass man der Justiz trauen kann, 17% sind überzeugt, dass die Justiz das Vertrauen der Bevölkerung nicht verdient und nur 26% geben an, den Gerichten zu vertrauen. 2010 ratifizierte Russland das 14. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das Änderungen im Individualbeschwerdeverfahren vorsieht. Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist zwar unterschrieben, wurde jedoch nicht ratifiziert. Der russische Verfassungsgerichtshof hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe im Jahr 2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist. Auch das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wurde von Russland nicht ratifiziert. Spannungsgeladen ist das Verhältnis der russischen Justiz zu den Urteilen des EGMR. Moskau sieht im EGMR ein politisiertes Organ, das die Souveränität Russlands untergraben möchte. Im Juli stellte der russische Verfassungsgerichtshof klar, dass wenn der EGMR von einer Konventionsauslegung ausgeht, die der Verfassung der Russischen Föderation widerspricht, Russland in dieser Situation aufgrund der Vorrangstellung des Grundgesetzes gezwungen sein wird, auf die buchstäbliche Befolgung der Entscheidung des Straßburger Gerichtes zu verzichten. Seit Ausbruch der Ukraine-Krise und der daraus resultierenden Konfrontation mit dem Westen laufen in Russland mehrere politisch motivierte Prozesse gegen ausländische Staatsangehörige (z.B. die ukrainische Pilotin Nadja Savchenko), die in einigen Fällen (z.B. ukrainischer Regisseur Oleg Sentsov oder estnischer Sicherheitsbeamter Eston Kohver) bereits zu Verurteilungen geführt haben und an der Unabhängigkeit der russischen Justiz von der Politik zweifeln lassen. Gleichzeitig ist ein Anstieg der Anklagen wegen Hochverrats gegen russische Staatsangehörige zu beobachten. Diese Prozesse finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und nur wenige Informationen geraten in die Medien (ÖB Moskau 10.2015, vgl. AA 5.1.2016).

Mehrere aufsehenerregende Prozesse machten 2015 die gravierenden und weit verbreiteten Mängel der russischen Strafjustiz deutlich. Dazu zählten Verstöße gegen den Grundsatz der "Waffengleichheit" und der Einsatz von Folter und anderen Misshandlungen in der Ermittlungsphase. Außerdem wurden unter Folter erpresste "Geständnisse", Aussagen geheimer Zeugen und andere geheime Beweise, die die Verteidigung nicht anfechten konnte, vor Gericht zugelassen und Angeklagten das Recht auf einen Rechtsbeistand ihrer Wahl verweigert. Weniger als 0,5% der Verfahren endeten mit einem Freispruch (AI 24.2.2016).

Im November 2013 ist in Russland ein neues Gesetz verabschiedet worden, mit denen man die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen erreichen wolle und die darauf abzielen würden, die "harte Form" des Kampfes gegen den Aufstand, die bereits in mehreren Republiken im Nordkaukasus praktiziert wird, zu legalisieren. Die neue Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, die Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien dazu zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, die durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Die durch sie erlaubten Kollektivbestrafungen werden von den Behörden im Nordkaukasus bereits angewendet (CACI 11.12.2013, vgl. US DOS 13.4.2016).

Die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis unterscheidet nicht nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität. Die Strafen in der Russischen Föderation sind generell erheblich höher als für vergleichbare Delikte in Deutschland, besonders im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität. Im März 2011 wurde aber bei 68 eher geringfügigen Delikten Freiheitsentzug als höchste Strafandrohung durch Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeiten ersetzt. Auch wurde das Strafprozessrecht seit April 2010 dahingehend geändert, dass Angeklagte für Wirtschaftsdelikte bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr in Untersuchungshaft genommen werden sollen. In der Praxis werden die neuen Regeln jedoch bisher nur begrenzt angewendet. Bemerkenswert ist die unverändert extrem hohe Verurteilungsquote im Strafprozess. Für zu lebenslange Haft Verurteilte bzw. bei entsprechend umgewandelter Todesstrafe besteht bei guter Führung die Möglichkeit einer Freilassung frühestens nach 25 Jahren. Auch eine Begnadigung durch den Präsidenten ist möglich. Immer wieder legen einzelne Strafprozesse in Russland den Schluss nahe, dass politische Gründe hinter der Verfolgung stehen. Trotz der Entlassung von Michail Chodorkowski und den Mitgliedern der Punk-Aktionsgruppe Pussy Riot aus der Haft – bezeichnenderweise nicht durch die Justiz selbst, sondern durch Amnestie bzw. Begnadigung – bleiben deren Haftstrafen Beispiele für politisch motivierte Urteile. Auch unabhängig von politisch oder ökonomisch motivierten Strafprozessen begünstigt ein Wetteifern zwischen Strafverfolgungsbehörden um hohe Verurteilungsquoten die Anwendung illegaler Methoden zum Erhalt von "Geständnissen". Auffällig bleibt die geringe Zahl aufgeklärter Straftaten gegen Journalisten oder Kritiker bzw. der sehr schleppende Verlauf von Ermittlungen in solchen Fällen. Auch die Morde an Oppositionspolitiker Boris Nemzow (27.02.2015) und Journalistin Politkowskaja können als Beispiel dafür dienen, dass sich Ausführende gegebenenfalls vor Gericht verantworten müssen, die eigentlichen Drahtzieher der Verbrechen häufig jedoch nicht ermittelt werden. Insgesamt sind die Unabhängigkeit von Ermittlungen und Rechtsprechung sowie die Gewaltenteilung in Russland nicht gewährleistet. Weiterhin mangelhaft ist der Vollzug von Gerichtsurteilen. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte werden in Russland in der Sache häufig nicht vollständig umgesetzt, sondern nur in Bezug auf verhängte Entschädigungszahlungen (AA 5.1.2016).

Quellen:

3.1. Änderung Staatsbürgerschaftsgesetz

Mit dem Föderalen Gesetz Nr. 182 vom 12.11.2012 wurde das Gesetz "Über die Staatsbürgerschaft der RF" geändert, wobei die wichtigsten Änderungen in einem neuen Kapitel des Gesetzes "Über die Staatsbürgerschaft der RF" (i.e. Kapitel VIII.1, Artikel 41) enthalten sind. Diese Änderungen bringen vor allem für staatenlose ehemalige Sowjetbürger Erleichterungen bei Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit. Konkret sind Personen, die am 5.9.1991 Staatsbürger der UdSSR waren und sich vor dem 1.11.2002 in der Russischen Föderation niedergelassen haben, die russische Staatsangehörigkeit bislang nicht erworben haben und unter der Voraussetzung, dass sie nicht die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates besitzen oder eine Niederlassungsbewilligung in einem anderen Staat besitzen, beim Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit nunmehr von bestimmten allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen ausgenommen. Nicht erforderlich sind in diesem Fall 5 Jahre dauerhafte Niederlassung in der RF, der Nachweis einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung, der Nachweis eines legalen Einkommens und der Nachweis der Kenntnis der russischen Sprache. Personen, die keine Ausweisdokumente besitzen, wird ein temporäres Ausweisdokument ausgestellt, das für die Dauer der Bearbeitung des Staatsbürgerschaftsantrages gültig ist. Das Gesetz verbessert damit die Situation von staatenlosen Personen, die kein Ausweisdokument und keinen Nachweis einer legalen Niederlassung haben, was in der Vergangenheit zu Problemen beim Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit geführt hatte. Die Bestimmungen von Kapitel VIII.1 des Gesetzes "über die Staatsbürgerschaft der RF" sollen bis 1.1.2017 angewendet werden (ÖB Moskau 29.5.2013).

Quellen:

4. Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium, der Föderale Sicherheitsdienst FSB und die Generalstaatsanwaltschaft sind auf allen Regierungsebenen für den Gesetzesvollzug zuständig. Der FSB ist mit Fragen der Sicherheit, Gegenspionage und der Terrorismusbekämpfung betraut, aber auch mit Verbrechens- und Korruptionsbekämpfung. Die nationale Polizei untersteht dem Innenministerium und ist in föderale, regionale und lokale Einheiten geteilt. Nach dem Gesetz können Personen bis zu 48 Stunden ohne gerichtliche Zustimmung inhaftiert werden, wenn sie am Schauplatz eines Verbrechens verhaftet werden, vorausgesetzt es gibt Beweise oder Zeugen. Ansonsten ist ein Haftbefehl notwendig. Verhaftete müssen von der Polizei über ihre Rechte aufgeklärt werden und die Polizei muss die Gründe für die Festnahme dokumentieren. Der Verhaftete muss innerhalb von 24 Stunden einvernommen werden, davor hat er das Recht, für zwei Stunden einen Anwalt zu treffen. Im Allgemeinen werden die rechtlichen Einschränkungen betreffend Inhaftierungen eingehalten, mit Ausnahme des Nordkaukasus. Die Regierung verabsäumte es angemessene Schritte zu setzen, um die meisten Behördenvertreter, welche Missbräuche begingen, zu verfolgen oder zu bestrafen, wodurch ein Klima der Straffreiheit entstand. Die Rechtsstaatlichkeit ist besonders im Nordkaukasus mangelhaft, wo der Konflikt zwischen Regierungstruppen, Aufständischen, islamischen Militanten und Kriminellen zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen führt, einschließlich Morde, Folter, körperliche Misshandlung und politisch motivierte Entführungen. Die Regierung untersucht und verfolgt Missbräuche nicht adäquat, besonders wenn regionale Behörden involviert waren. Tschetschenische Sicherheitsbehörden unter direkter Kontrolle von Ramzan Kadyrow können mit Straffreiheit rechnen, sogar bei Drohungen gegen russische Sicherheitsbehörden, die versuchen in Tschetschenien tätig zu werden (US DOS 13.4.2016).

Russland wird die bisherigen Truppen des Innenministeriums in eine Nationalgarde umwandeln. Neben den 170.000 Soldaten der Innentruppen sollen auch 40.000 Mann der Sonderpolizeitruppe Omon und andere Spezialkräfte in die Nationalgarde eingegliedert werden. Die Garde solle im Kampf gegen Terror, Drogen und organisiertes Verbrechen eingesetzt werden. Putin stärkte das Innenministerium auch, indem er ihm die bisher eigenständigen Behörden für Drogenbekämpfung und Migration wieder unterstellte. Damit sollten doppelte Zuständigkeiten vermieden werden, sagte ein Vertreter des Sicherheitsapparates der Agentur Interfax. Der Föderale Migrationsdienst ist unter anderem für Passangelegenheiten, Flüchtlinge und Arbeitsmigration zuständig (Standard 6.4.2016). Leiter der künftigen Elitetruppe im Kampf gegen Terror und organisierte Kriminalität wird sein Ex-Leibwächter Wiktor Solotow sein – der Mann also, der Putin jahrelang am nächsten stand. Interessant ist, dass Solotow zugleich als das Bindeglied im Kreml zu Tschetschenenoberhaupt Ramsan Kadyrow gilt (Standard 7.4.2016).

Nach überzeugenden Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden insbesondere sozial Schwache und Obdachlose, Betrunkene, Ausländer und Personen "fremdländischen" Aussehens Opfer von Misshandlungen durch die Polizei und Untersuchungsbehörden. Nur ein geringer Teil der Täter wird disziplinarisch oder strafrechtlich verfolgt. Die im Februar 2011 in Kraft getretene Polizeireform hat bislang nicht zu spürbaren Verbesserungen in diesem Bereich geführt (AA 5.1.2016).

Die im Nordkaukasus agierenden Sicherheitskräfte sind in der Regel maskiert (BAMF 10.2013). Von russischer Seite werden die meisten Operationen im Nordkaukasus gegen Terroristen heute nicht mehr vom Militär, sondern von Einheiten des Innenministeriums und des Geheimdienstes durchgeführt. Diese sind zwar nicht weniger schwer bewaffnet, nur soll so der Eindruck eines Krieges vermieden werden (Zenithonline 10.2.2014). Der Großteil der Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus wird Sicherheitskräften zugeschrieben. In Tschetschenien sind sowohl föderale russische als auch lokale tschetschenische Sicherheitskräfte tätig. Letztere werden bezeichnender Weise oft Kadyrowzy genannt, nicht zuletzt, da in der Praxis fast alle tschetschenischen Sicherheitskräfte unter der Kontrolle Ramsan Kadyrows stehen dürften (Rüdisser 11.2012).

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5. Folter und unmenschliche Behandlung

Im Einklang mit der EMRK sind Folter sowie unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Strafen in Russland gesetzlich verboten. Dennoch werden immer wieder Vorwürfe über polizeiliche Gewalt bzw. Willkür gegenüber Verdächtigen laut. Verlässliche öffentliche Statistiken über das Ausmaß der Übergriffe durch Polizeibeamten gibt es nicht. Innerhalb des Innenministeriums gibt es eine Generalverwaltung der internen Sicherheit, die eine interne und externe Hotline für Beschwerden bzw. Vorwürfe gegen Polizeibeamte betreibt. Der Umstand, dass russische Gerichte ihre Verurteilungen in Strafverfahren häufig nur auf Geständnisse der Beschuldigten basieren, scheint in vielen Fällen Grund für Misshandlungen im Rahmen von Ermittlungsverfahren oder in Untersuchungsgefängnissen zu sein. Foltervorwürfe gegen Polizei- und Justizvollzugbeamte werden laut russischen NGO-Vertretern oft nicht untersucht (ÖB Moskau 10.2015).

Der Folter verdächtigte Polizisten werden meist nur aufgrund von Machtmissbrauch oder einfacher Körperverletzung angeklagt. Physische Misshandlung von Verdächtigen durch Polizisten geschieht für gewöhnlich in den ersten Stunden oder Tagen nach der Inhaftierung. Im Nordkaukasus wird von Folterungen sowohl durch lokale Sicherheitsorganisationen als auch durch Föderale Sicherheitsdienste berichtet. Das Gesetz verlangt von Verwandten von Terroristen, dass sie die Kosten, die durch einen Angriff entstehen übernehmen. Menschenrechtsverteidiger kritisieren dies als Kollektivbestrafung (USDOS 13.4.2016).

Die Strafverfolgungsbehörden setzten bei der Bekämpfung bewaffneter Gruppen weiterhin vor allem auf Operationen der Sicherheitskräfte. Es bestand nach wie vor der Verdacht, dass diese mit rechtswidrigen Inhaftierungen, Folter und anderen Misshandlungen von Häftlingen sowie Verschwindenlassen einhergingen (AI 24.2.2016).

Medien und NGOs berichten über Exekutivkräfte und Gefängnispersonal, die in Folter verwickelt sind. Missbrauch und exzessive Gewaltanwendung sind verbreitet und lassen darauf schließen, dass dies vor allem im Strafsystem regelmäßig vorkommt. Schlechte Ausbildung und eine Kultur der Straffreiheit tragen zu dieser Situation bei. Die russische NGO Committee Against Torture zeigt Folter durch Exekutivkräfte im Nordkaukasus auf und arbeitet daran, dass diese für ihre Vergehen bestraft werden (UK FCO 12.3.2015).

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6. Korruption

Korruption ist sowohl im öffentlichen Leben als auch in der Geschäftswelt weit verbreitet. Aufgrund der zunehmend mangelhaften Übernahme von Verantwortung in der Regierung können Bürokraten mit Straffreiheit rechnen. In einigen Fällen scheint der Kreml Signale an die Beamten auszusenden, dass die Korruption aufgrund der wachsenden wirtschaftlichen Probleme eingeschränkt werden muss (FH 27.1.2016). Das Gesetz sieht Strafen für behördliche Korruption vor, diese bleibt dennoch ein weitreichendes Problem. Die Regierung bestätigte, dass das Gesetz nicht effektiv umgesetzt wird, und viele Beamte sind in korrupte Praktiken involviert. Korruption ist sowohl in der Exekutive, als auch in der Legislative und Judikative und auf allen hierarchischen Ebenen weit verbreitet. Zu den Formen der Korruption zählen die Bestechung von Beamten, missbräuchliche Verwendung von Finanzmitteln, Diebstahl von öffentlichem Eigentum, Schmiergeldzahlungen im Beschaffungswesen, Erpressung, und die missbräuchliche Verwendung der offiziellen Position, um an persönliche Begünstigungen zu kommen. Obwohl es strafrechtliche Verfolgungen von Bestechung gibt, ist der Vollzug im Allgemeinen weiterhin mangelhaft. Behördliche Korruption ist zudem auch in anderen Bereichen weiterhin verbreitet: im Bildungswesen, beim Militärdienst, im Gesundheitswesen, im Handel, beim Wohnungswesen, bei Pensionen und Sozialhilfe, im Gesetzesvollzug und im Justizwesen. Hochrangige Beamte wurden 2015 wegen Korruption angeklagt, darunter zwei Gouverneure von Sachalin und Komi. Medien spekulierten, dass dies eine neue Anti-Korruptionskampagne sein könnte, jedoch Korruptionsvorwürfe auch häufig wegen politischen Gründen vorgebracht werden und es nicht unbedingt darum geht, die Korruption vollständig zu beseitigen (USDOS 13.4.2016).

Eines der zentralen Themen der Modernisierungsagenda ist die Bekämpfung der Korruption und des Rechtsnihilismus. Im Zeichen des Rechtsstaats durchgeführte Reformen, wie die Einsetzung eines Richterrats, um die Selbstverwaltung der Richter zu fördern, die Verabschiedung neuer Prozessordnungen und die deutliche Erhöhung der Gehälter hatten jedoch wenig Wirkung auf die Abhängigkeit der Justiz von Weisungen der Exekutive und die dort herrschende Korruption. Im Februar 2012 erfolgte der Beitritt Russlands zur OECD-Konvention zur Korruptionsbekämpfung (GIZ 4.2016a). Seit seinem Amtsantritt verspricht Wladimir Putin immer wieder aufs Neue konsequente Korruptionsbekämpfung, Jahr für Jahr werden neue Bekämpfungskonzepte vorgelegt, während sich die Eliten ungestört und vor aller Augen bereichern – Korruption gehört eben zum Leben dazu. Ein Drittel der Russen hält sie laut einer Umfrage des Lewada-Instituts generell für unausrottbar (Zeit Online 18.1.2016).

Korruption ist auch im Nordkaukasus ein alltägliches Problem (IAR 31.3.2014, AI 9.2013). Die auf Clans basierte Korruption hält die regionalen Regierungen zusammen und die Zuschüsse haben den Zweck, die Loyalität der lokalen Elite zu erkaufen. Putins System der zentralisierten Kontrolle bevorzugt Loyalität und lässt Bestechung und Gesetzlosigkeit gedeihen (IAR 31.3.2014).

Die Korruption ist in Tschetschenien sogar noch größer als in Russland. Vor allem geht in Tschetschenien die Korruption auch in einer ganz offenen Weise von statten. Während man in Russland noch versucht, dies zu verheimlichen, macht man es in Tschetschenien ganz offen (Gannuschkina 3.12.2014). In Tschetschenien hat die Korruption enorme Ausmaße angenommen (DIS 1.2015). Große Teile der Wirtschaft werden von wenigen, mit dem politischen System eng verbundenen Familien kontrolliert. Es gibt glaubwürdige Berichte, wonach öffentliche Bedienstete einen Teil ihres Gehalts an den nach Kadyrovs Vater benannten und von dessen Witwe geführten Wohltätigkeitsfonds abführen müssen. Der 2004 gegründete Fonds baut Moscheen und verfolgt Charity-Projekte, Kritiker werfen ihm jedoch vor, als Vehikel zur persönlichen Bereicherung Kadyrovs und der ihm nahestehenden Gruppen zu dienen. Selbst die nicht als regierungskritisch geltende Tageszeitung "Kommersant" bezeichnete den Fonds als eine der intransparentesten NGOs des Landes (ÖB Moskau 10.2015)

Der Lebensstandard in der Republik Dagestan ist einer der niedrigsten in der gesamten Russischen Föderation und das Ausmaß der Korruption sogar für die Region Nord-Kaukasus beispiellos (IOM 6.2014).

Quellen:

7. Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Inländische und ausländische NGOs geraten zunehmend unter Druck. Auf Basis des sogenannten NGO-Gesetzes aus 2012 müssen sich russische NGOs, die politisch aktiv sind und aus dem Ausland Finanzmittel erhalten, in ein vom Justizministerium geführtes Register der ausländischen Agenten eintragen. Mehrere Organisationen, die eine Eintragung verweigerten, wurden zu teilweise hohen Geldstrafen verurteilt; andere wiederum lösten sich aus Protest gegen das Gesetz ganz auf, bzw. gründeten nach Auflösung eine neue Organisation. Seit Juni 2014 hat das Justizministerium das Recht, NGOs auch gegen ihren Willen in das Register einzutragen. Ein positiver Schritt wurde im März 2015 gesetzt, als im Zuge einer Abänderung des NGO-Gesetzes die Möglichkeit geschaffen wurde, Organisationen aus dem Register zu streichen, wenn sie nachweisen können, keine ausländischen Finanzmittel mehr zu erhalten (ÖB Moskau 10.2015, vgl. GIZ 4.2016a).

Im Mai 2015 wurde ein Gesetz angenommen, das es erlaubt die Tätigkeit von ausländischen oder internationalen Nichtregierungsorganisationen, die eine Bedrohung für die verfassungsmäßigen Grundlagen der Russischen Föderation, für die Verteidigungsfähigkeit des Landes oder die Sicherheit des Staates darstellen, auf dem Territorium der Russischen Föderation für unerwünscht zu erklären. Die Klassifizierung als unerwünschte Organisation zieht ein Verbot der Gründung bzw. die Liquidierung bereits bestehender Strukturen der ausländischen NGO in Russland nach sich, sowie ein Verbot der Verteilung von Informationsmaterialien bzw. der Durchführung von Projekten der NGO (ÖB Moskau 10.2015, vgl. AI 24.2.2016). Weiters ist es russischen Banken verboten, Finanzoperationen durchzuführen, wenn eine Seite als unerwünschte NGO eingestuft wurde. Die Verbote betreffen nicht nur die NGO selbst, sondern auch Personen, die sich an ihrer Tätigkeit beteiligen. Menschenrechtler gehen daher davon aus, dass das Gesetz indirekt auch gegen die russische Zivilgesellschaft gerichtet ist. Das Gesetz sieht Geldstrafen sowie bei wiederholter Verletzung eine Freiheitsstrafe von 2-6 Jahren vor. Als erste ausländische Organisation wurde die National Endowment for Democracy im Juli 2015 für unerwünscht erklärt (ÖB Moskau 10.2015). Im November und Dezember 2015 waren drei weitere Geber-Organisationen betroffen: die Open Society Foundation, die Open Society Institute Assistance Foundation und die US Russia Foundation for Economic Advancement and the Rule of Law. Zum Jahresende 2015 umfasste das beim Justizministerium geführte Verzeichnis "ausländischer Agenten" 111 NGOs. Sie mussten ihre gesamten Publikationen mit diesem stigmatisierenden Begriff kennzeichnen und aufwendige Berichterstattungspflichten erfüllen. Organisationen, die diesen Anforderungen nicht nachkamen, drohten hohe Geldstrafen. Keine einzige Organisation konnte sich vor Gericht erfolgreich gegen die Aufnahme in das Verzeichnis wehren. Sieben Organisationen wurden von der Liste gestrichen, nachdem sie keine Gelder mehr aus dem Ausland annahmen. 14 Organisationen, die auf der Liste standen, beschlossen, ihre Tätigkeit ganz einzustellen. Gegen das in der Liste der "ausländischen Agenten" verzeichnete Menschenrechtszentrum Memorial wurde im September 2015 eine Geldstrafe von 600.000 Rubel (rund 7.000 Euro) unter dem Vorwurf verhängt, es habe seinen Agentenstatus in Veröffentlichungen nicht deutlich gemacht. Die beanstandete Veröffentlichung stammte jedoch von der juristisch eigenständigen Schwesterorganisation "Gedenk- und Bildungszentrum Memorial", das sich nicht auf der Liste ausländischer Agenten befand und deshalb auch den Hinweispflichten nicht unterlag. Das Menschenrechtszentrum ging gerichtlich gegen die Entscheidung vor, verlor den Prozess jedoch. Nach einer routinemäßigen Überprüfung des Menschenrechtszentrums im November befand das Justizministerium, die von Memorial-Mitgliedern geäußerte Kritik an den Gerichtsverfahren zu den Bolotnaya-Protesten und an der russischen Ukrainepolitik untergrabe das verfassungsrechtliche Fundament des Landes und komme einem "Aufruf zum Sturz der amtierenden Regierung und zum politischen Systemwechsel" gleich. Das Ministerium übergab seine "Erkenntnisse" der Staatsanwaltschaft zu weiteren Ermittlungen (AI 24.2.2016).

Menschenrechtler beklagen staatlichen Druck auf zivilgesellschaftliche Akteure. Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung sind autoritäre, die Grundrechte einschränkende Tendenzen zu beobachten. Jedoch entstehen an vielen Orten neue Formen zivilgesellschaftlichen Agierens: Autofahrer protestieren gegen die Willkür der Verkehrspolizei, Strategie 31 setzt sich für die Versammlungsfreiheit ein, Umweltschützer verhindern Atommülltransporte, die Künstlergruppe Wojna setzt auf spektakuläre Protestaktionen. Die Verbindungen zwischen diesen "Initiativen von unten" und den etablierten russischen NGOs sind aber noch gering (GIZ 4.2016a).

Quellen:

8. Ombudsmann

Die Ombudsfrau (Menschenrechtsbeauftragte) der Russischen Föderation, Ella Pamfilowa, setzt sich in ihrem Jahresbericht 2014 für die Rechte Gefangener ein. Sie, sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des konsultativen "Rats zur Entwicklung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte" beim russischen Präsidenten üben auch öffentlich Kritik an Menschenrechtsproblemen aus und setzen sich für Einzelfälle ein - mit allerdings begrenztem Einfluss. Die Menschenrechtsbeauftragte kritisiert Vorfälle von Folter in den russischen Gefängnissen. (AA 5.1.2016).

Sie kommentiert zahlreiche Menschenrechtsprobleme, wie die "Ausländische Agenten Liste" [NGO-Gesetz], Polizeigewalt, Haftbedingungen, die Behandlung von Kindern und Religionsfreiheit. In den Jahresberichten werden Menschenrechtsthemen angesprochen. Im letzten beispielsweise die Misshandlungen und das Töten von Journalisten, Einschränkungen des Internets, Transparenz bei gerichtlichen Prozessen und die Einhaltung der Menschenrechte in Gefängnissen. Die Leiter von einigen Menschenrechtsorganisationen bezeichneten Pamfilowa als effektiv als offizielle Fürsprecherin für Menschrechte, und sie spreche viele der Sorgen der NGOs an, trotz ihrer eingeschränkten Autorität und der selektiven Herangehensweise an die Themen. Das Büro der Ombudsfrau umfasst mehrere spezialisierte Abteilungen, die für die Untersuchung von Beschwerden zuständig sind. Ihre Effektivität variiert erheblich. Laut Jahresbericht 2014 erhielt das Büro 59.100 Beschwerden von Bürgern, staatlichen Organisationen und NGOs. Das ist ein Anstieg um ca. 44% im Vergleich zum Vorjahr (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

9. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung der Russischen Föderation vom Dezember 1993 orientiert sich an westeuropäischen Vorbildern. Sie postuliert, dass die Russische Föderation ein "demokratischer, föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform" ist. Im Grundrechtsteil der Verfassung ist die Gleichheit aller vor Gesetz und Gericht festgelegt. Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Nationalität, Sprache, Herkunft und Vermögenslage dürfen nicht zu diskriminierender Ungleichbehandlung führen (Art. 19 Abs. 2). Die Einbindung des internationalen Rechts ist in Art. 15 Abs. 4 der russischen Verfassung aufgeführt: Danach "sind die allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts und die internationalen Verträge der Russischen Föderation Bestandteil ihres Rechtssystems." Russland ist an folgende VN-Übereinkommen gebunden:

Rassendiskriminierung (1969)

Zusatzprotokoll (1991)

Zusatzprotokoll (2004)

Behandlung oder Strafe (1987)

Der Europarat äußerte sich mehrmals kritisch zur Menschenrechtslage in der Russischen Föderation. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) waren, so der Jahresbericht 2014, 14,3% der anhängigen Fälle (10.000 Einzelfälle) Russland zuzurechnen. 2014 hat der EGMR 129 Urteile in Klagen gegen Russland gesprochen. Damit führt Russland die Liste der gesprochenen Urteile an (gefolgt von 101 Urteilen 2014 gegen die Türkei). Ein großer Teil der EGMR-Entscheidungen fällt dabei zugunsten der Kläger aus und konstatiert mehr oder weniger gravierende Menschenrechtsverletzungen. Die Umsetzung der Entscheidungen erfolgt vielfach nur mangelhaft: Zwar erbringt Russland in der Regel die Kompensationszahlungen an die Kläger bzw. Opfer; in der Sache selbst wird aber wenig unternommen. Ein russischer Gesetzentwurf, der die Urteile des EGMR unter einen Prüfvorbehalt stellen würde, ist nach deutlicher Kritik aus dem Ausland im Sommer 2011 gestoppt worden. In einem Urteil des russischen Verfassungsgerichts hat sich dieses am 6. Dezember 2013 jedoch die Entscheidung vorbehalten, wie EGMR-Urteile bei einem Widerspruch zur eigenen Auslegung der Grundrechte umgesetzt werden können. Am 14.7.2015 hat das Verfassungsgericht zudem eine grundlegende Entscheidung zum Verhältnis der russischen Verfassung zur EMRK getroffen: Die Umsetzung von Urteilen des EGMR kann danach im Falle eines vermeintlichen Konflikts mit der russischen Verfassung einer weiteren Überprüfung durch das Verfassungsgericht unterzogen werden. Neu ist dabei, dass künftig auch Präsident und Regierung das Verfassungsgericht mit dem Ziel anrufen können, die Nichtanwendung eines EGMR-Urteils in Russland aufgrund des Vorrangs der russischen Verfassung festzustellen (AA 5.1.2016).

Im Nordkaukasus finden die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation statt. Hierzu sind seit 2005 auch zahlreiche Urteile des EGMR gegen Russland ergangen, der insbesondere Verstöße gegen das Recht auf Leben festgestellt hat. Am 14.01.2014 urteilte der EGMR zugunsten der Familien von 36 zwischen 2000 und 2006 verschwundenen Tschetschenen und sprach ihnen 1,9 Mio. Euro Entschädigung zu (AA 5.1.2016).

Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit waren 2015 weiterhin stark beschnitten. Staatliche Stellen herrschten über Presse, Rundfunk und Fernsehen und weiteten die Kontrolle über das Internet aus. NGOs waren aufgrund des sogenannten Agentengesetzes nach wie vor Schikanen und Repressalien ausgesetzt. Ihre Möglichkeiten, finanzielle Mittel aus dem Ausland zu erhalten, wurden durch ein neues Gesetz zum Verbot "unerwünschter" Organisationen drastisch eingeschränkt. Eine steigende Anzahl von Bürgern wurde inhaftiert und angeklagt, weil man ihnen vorwarf, die offizielle Politik kritisiert oder Materialien besessen bzw. in der Öffentlichkeit verbreitet zu haben, die gemäß vage formulierter Sicherheitsgesetze als extremistisch eingestuft wurden oder aus anderen Gründen als rechtswidrig galten. Auf der Grundlage eines Gesetzes aus dem Jahr 2014, das wiederholte Verstöße gegen das Gesetz über öffentliche Versammlungen als Straftat definiert, sahen sich 2015 vier Personen mit Strafverfolgungsmaßnahmen konfrontiert. In mehreren aufsehenerregenden Prozessen traten einmal mehr die gravierenden Mängel des Justizwesens zutage. Flüchtlinge mussten zahlreiche Hürden überwinden, um anerkannt zu werden (AI 24.2.2016).

Menschenrechtsverteidiger beklagen Defizite bei der Umsetzung der in der Verfassung verankerten Rechte. Beklagt werden vor allem die mangelhafte Unabhängigkeit von Justiz und Gerichten, zunehmende Einschränkungen von Presse- und Versammlungsfreiheit, die weiterhin verbreitete Korruption sowie der stetig schwindende Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft. Besonders schwere Menschenrechtsverletzungen werden aus dem Nordkaukasus gemeldet (AA 3 .2016a).

Russland garantiert in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten. Präsident und Regierung bekennen sich zwar immer wieder zur Einhaltung von Menschenrechten, es mangelt aber an der praktischen Umsetzung. Trotz vermehrter Reformbemühungen, insbesondere im Strafvollzugsbereich, hat sich die Menschenrechtssituation im Land noch nicht wirklich verbessert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg kann die im fünfstelligen Bereich liegenden ausständigen Verfahren gegen Russland kaum bewältigen; Russland sperrt sich gegen eine Verstärkung des Gerichtshofs. Menschenrechtler beklagen staatlichen Druck auf zivilgesellschaftliche Akteure. Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung sind autoritäre, die Grundrechte einschränkende Tendenzen zu beobachten (GIZ 4.2016a).

Der Freiraum für die russische Zivilgesellschaft ist in den letzten Jahren schrittweise eingeschränkt worden. Sowohl im Bereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit als auch in der Pressefreiheit wurden restriktive Gesetze verabschiedet, die einen negativen Einfluss auf die Entwicklung einer freien und unabhängigen Zivilgesellschaft ausübten. Inländische wie ausländische NGOs werden zunehmend unter Druck gesetzt. Rechte von Minderheiten werden nach wie vor nicht in vollem Umfang garantiert. Journalisten und Menschenrechtsverteidiger werden durch administrative Hürden in ihrer Arbeit eingeschränkt und erleben in manchen Fällen sogar reale Bedrohungen für Leib und Leben. Im Zuge der illegalen Annexion der Krim im März 2014 und der Krise in der Ostukraine wurde die Gesellschaft v.a. durch staatliche Propaganda nicht nur gegen den Westen mobilisiert, sondern auch gegen die sog. "fünfte Kolonne" innerhalb Russlands. Der Menschenrechtsdialog der EU mit Russland findet derzeit aufgrund prozeduraler Unstimmigkeiten nicht statt (ÖB Moskau 10.2015).

Quellen:

9.1. Dagestan

Berichten zufolge werden den russischen Sicherheitskräften schwere Menschrechtsverletzungen bei der Durchführung der Anti-Terror-Operationen in Dagestan vorgeworfen. Diese reichen von der internen Vertreibung von Personen, der Zerstörung von Häusern von Zivilisten, über exzessive Gewaltanwendung bis hin zu Folter und dem Verschwindenlassen von Personen. Das teils brutale Vorgehen der Sicherheitsdienste gekoppelt mit der noch immer instabilen sozialwirtschaftlichen Lage in Dagestan schafft wiederum weiteren Nährboden für die Radikalisierung innerhalb der Bevölkerung. Fast täglich kommt es zu Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Extremisten (ÖB Moskau 10.2015).

Vollzugs- und Sicherheitsbehörden führten einige erfolgreiche Operationen gegen Untergrundkämpfer aus. Gleichzeitig verließen Hunderte Nordkaukasier Russland, um sich bewaffneten Gruppierungen wie dem sogenannten Islamischen Staat anzuschließen. Als Teil der Aufstandsbekämpfung werden Anhänger des Salafismus mit Aufständischen gleichgesetzt, bzw. als Kollaborateure angesehen. Die Polizei stellt Salafisten auf spezielle Beobachtungslisten, sperrt sie wiederholt ein, befragt sie, fotografiert sie und nimmt Fingerabdrücke und manchmal auch DNA-Proben. Auch salafistische Moscheen wurden gestürmt und Verdächtige verhaftet. Gegen Aktivisten und Journalisten, die über die Behandlung von Salafisten berichten, wird intensiv vorgegangen (HRW 27.1.2016).

Quellen:

9.2. Rebellentätigkeit / Unterstützung von Rebellen

Im August 2014 meldete der Inlandsgeheimdienst FSB Erfolge bei der Bekämpfung von Terrorismus im Nordkaukasus, was in Expertenkreisen jedoch auf Zweifel stieß. Die Rede war von 328 potentiellen Terroristen, die im ersten Halbjahr 2014 verhaftet wurden. Da die Sicherheitskräfte im Nordkaukasus aber nach dem Prinzip kollektiver Bestrafung vorgehen, handelte es sich hierbei möglicherweise weniger um aktive Untergrundkämpfer als um Personen aus deren sozialem und verwandtschaftlichem Umfeld. Im Januar 2015 berichtete das russische Innenministerium, 2014 sind 259 Rebellen, darunter 36 Kommandeure, von Sicherheitskräften getötet und 421 Untergrundkämpfer verhaftet worden (SWP 4.2015).

Die Anzahl der Rebellen in Tschetschenien ist schwer zu konkretisieren, Schätzungen gehen von einem Dutzend bis ca. 120 Personen aus. Die Anzahl der tschetschenischen Rebellen ist sicherlich geringer, als jene z.B. in Dagestan, wo der islamistische Widerstand seinen Hotspot hat. Sie verstecken sich in den bergigen und bewaldeten Gebieten Tschetscheniens. Sie bewegen sich hauptsächlich zwischen Tschetschenien und Dagestan, weniger oft auch zwischen Tschetschenien und Inguschetien. Kidnappings werden von tschetschenischen Sicherheitskräften begangen. In Tschetschenien selbst ist also der Widerstand nicht sehr aktiv, sondern hauptsächlich in Dagestan und auch in Inguschetien. Die Kämpfer würden auch nie einen Fremden um Vorräte, Nahrung, Medizin oder Unterstützung im Allgemeinen bitten, sondern immer nur Personen fragen, denen sie auch wirklich vertrauen, so beispielsweise Verwandte, Freunde oder Bekannte (DIS 1.2015).

Im November 2013 wurden in Russland neue Gesetze verabschiedet, welche die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen vorsehen. Sie legalisieren Kollektivbestrafungen, welche bereits in mehreren Republiken des Nordkaukasus als Form des Kampfs gegen den Aufstand praktiziert werden. Die Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, welche durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Das Gesetz sieht vor, dass Familienangehörige und Verwandte von Terrorverdächtigen belegen müssen, dass ihre Vermögenswerte, Immobilien und weitere Besitztümer nicht durch "terroristische Aktivitäten" erworben wurden. Wenn nicht bewiesen werden kann, dass die Vermögenswerte legal erworben wurden, kann der Staat sie beschlagnahmen. Auch Personen, welche Terrorverdächtigen nahestehen, können mit dem Gesetz belangt werden. Nach Einschätzung von Experten wird das Gesetz weitgehend zur Diskriminierung der Angehörigen Terrorismusverdächtiger führen. Weiter kritisieren Experten, dass das Gesetz durch die unklare Verwendung der Begriffe "Verwandte" und "nahestehende Personen" sich gegen ganze Familienclans in den muslimischen Republiken des Nordkaukasus richten könne. Nach Angaben von Swetlana Gannuschkina werden Familienangehörige von Terrorverdächtigen oft beschuldigt, sie unterstützten auch illegale bewaffnete Gruppierungen auf verschiedenste Art und Weise. Insbesondere kritisiert die Menschenrechtsaktivistin, dass bereits der bloße Verdacht für eine Anschuldigung reiche und kein Beweis notwendig sei. Die Verfolgung von Verwandten und Freunden von Aufständischen ist seit 2008 im Nordkaukasus weit verbreitet und geht oft mit der Zerstörung des Besitzes und Hauses einher. Nach übereinstimmenden Angaben verschiedener Quellen kommt es zu Übergriffen und Kollektivstrafen durch Sicherheitskräfte, die gegen Familien von vermuteten Terroristen gerichtet sind (SFH 25.7.2014).

Kollektivstrafen wie das Niederbrennen von Häusern von Personen, die man verdächtigt, Kontakte zum terroristischen Widerstand zu haben, werden weitergeführt (Caucasian Knot 9.12.2014). Nach der Terrorattacke auf Grosny am 4.12.2014, hat Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow die Verwandten der Attentäter in Sippenhaft genommen. Kadyrow verlautbarte auf Instagram kurz nach der Tat, dass wenn ein Kämpfer in Tschetschenien einen Mitarbeiter der Polizei oder einen anderen Menschen töte, die Familie des Kämpfers sofort ohne Rückkehrrecht aus Tschetschenien ausgewiesen werde. Ihr Haus werde zugleich bis auf das Fundament abgerissen. Tatsächlich beklagte einige Tage später der Leiter der tschetschenischen Filiale des "Komitees gegen Folter" Igor Kaljapin, dass den Angehörigen der mutmaßlichen Täter die Häuser niedergebrannt worden seien (Standard 14.12.2014).

Quellen:

10. Haftbedingungen

Die Bedingungen in den Haftanstalten haben sich seit Ende der 90er Jahre langsam aber kontinuierlich verbessert, die Haftbedingungen entsprechen aber zum Teil noch immer nicht den allgemein anerkannten Mindeststandards. In dem Piloturteil-Verfahren des EGMR zum Fall Ananyev und andere v. Russland hat das Gericht festgestellt, dass die Bedingungen in den Untersuchungsgefängnissen (russ. SIZO) einer unmenschlichen und erniedrigen Behandlung gemäß Art. 3 EMRK entsprechen und das Problem systemischer Natur ist. 2012 legte Russland einen Aktionsplan zur Bekämpfung der Probleme im Straffvollzug vor, der vom Ministerkomitee des EuR positiv aufgenommen wurde. Konkrete Schritte zur Verbesserung der Situation, insbesondere in den Untersuchungsgefängnissen, werden jedoch nur schleppend umgesetzt. Allein im Jahr 2014 stellte der EGMR in fast 30 Urteilen gegen Russland fest, dass die Haftbedingungen noch immer gegen Art. 3 EMRK verstoßen. Die häufigsten Vorwürfe betrafen die schlechten hygienischen Zustände (unzureichende Sanitäreinrichtungen, kein ausreichendes Ventilationssystem, Unterbringung mit Häftlingen mit Infektionskrankheiten), akuter Platzmangel (zu viele Häftlinge in zu kleinen Zellen) und Mangel an medizinischer Betreuung. Die russische Regierung versucht u.a. durch regelmäßige Amnestien gegen den Platzmangel in den Gefängnissen und Haftkolonien anzukämpfen. Von der letzten Amnestie anlässlich des Tags des Sieges am 9. Mai 2015 profitierten bislang rund 127.000 Menschen. Im August 2015 waren laut offiziellen Daten 649.500 Personen in Haft (über 22.000 weniger als zu Beginn des Jahres). Damit nimmt Russland weltweit Platz 3 der größten Häftlingspopulationen ein (nach den USA und China). Dies entspricht einer Rate von 450 pro 100.000 Einwohner (Platz 11 weltweit) (ÖB Moskau 10.2015).

Die Situation im Strafvollzug ist unbefriedigend. Die Lage in russischen Gefängnissen wurde auch in mehreren Fällen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als "unmenschlich und entwürdigend" verurteilt (Verletzung von Art. 3 EMRK). Die Regierung ist allerdings bestrebt, die Zahl der Gefängnisinsassen weiter zu verringern. So gibt es Ansätze, vermehrt alternative Sanktionen (wie beispielsweise im Bereich der Drogendelikte ein Gesetzentwurf zu freiwilliger Entziehungstherapie oder Arbeitseinsatz statt Freiheitsstrafe) zu verhängen, um die Anzahl der Strafgefangenen zu verringern. Die Lage in den Strafkolonien (in Russland Oberbegriff für Haftanstalten, in denen eine gerichtlich verhängte Freiheitsstrafe verbüßt wird) und die Bedingungen des Strafvollzugs bleiben sehr schwierig. Die meisten Strafanstalten und Untersuchungsgefängnisse sind veraltet und überbelegt. Bausubstanz und sanitäre Bedingungen in den russischen Haftanstalten entsprechen nicht westeuropäischen Standards. Die Unterbringung der Häftlinge erfolgt oft in Schlafsälen von über 40 Personen und ist häufig sehr schlecht. Duschen ist vielfach nur gelegentlich möglich. Das Essen ist einseitig und vitaminarm. Die medizinische Versorgung ist ebenfalls unbefriedigend. Ein Großteil der Häftlinge bedarf medizinischer Versorgung. Sowohl von TBC- als auch HIV-Infektionen in bemerkenswertem Umfang wird berichtet. Problematisch ist ebenso die Zahl der drogenabhängigen oder psychisch kranken Inhaftierten. Besonders schlecht ist die Lage in den Untersuchungshaftanstalten. Im Vergleich zu den Strafkolonien berichten Insassen von deutlich schlechteren Haftbedingungen (z.B. Überbelegungen) und viel geringerem Schutz gegenüber ungerechten Behandlungen. Die Untersuchungshaft wird in Einzelfällen über Jahre verlängert. Nach offiziellen Angaben ist die Zahl der Untersuchungshäftlinge jedoch rückläufig. Die unter Präsident Medwedew erfolgte Liberalisierung des Strafrechts für Wirtschaftsvergehen (u.a. teilweise Abschaffung der Untersuchungshaft) wird in vielen Fällen von Gerichten und Strafvollzugsbehörden nicht umgesetzt und dient manchmal korrupten Ermittlern als Mittel zur Erpressung von Geldzahlungen durch Unternehmer. In den Strafkolonien schützt die Unterbringung in Gruppen den einzelnen Häftling effektiver vor schikanöser Behandlung durch das Gefängnispersonal. Laut Menschenrechtsorganisationen kann jedoch in allen Strafkolonien gegen Häftlinge, denen Verstöße gegen die Anstaltsregeln vorgeworfen werden, sogenannte Strafisolierhaft (Schiso) angeordnet werden. Häftlinge seien dort oft besonders üblen Haftbedingungen und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt. Nadeschda Tolokonnikowa von der Aktionsgruppe Pussy Riot beschrieb in einem offenen Brief zudem ein System der Zwangsarbeit, in dem auf die Häftlinge u.a. durch Mitgefangene psychischer und physischer Druck zur "Disziplinierung" ausgeübt werde (AA 5.1.2016).

Medien und NGOs berichten über Exekutivkräfte und Gefängnispersonal, die in Folter verwickelt sind. Missbrauch und exzessive Gewaltanwendung sind verbreitet und lassen darauf schließen, dass dies vor allem im Strafsystem regelmäßig vorkommt. Schlechte Ausbildung und eine Kultur der Straffreiheit tragen zu dieser Situation bei. Die russische NGO Committee Against Torture zeigt Folter durch Exekutivkräfte im Nordkaukasus auf und arbeitet daran, dass diese für ihre Vergehen bestraft werden (UK FCO 12.3.2015).

Quellen:

11. Todesstrafe

Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist noch nicht ratifiziert. Das russische Verfassungsgericht hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe am 19.11.2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist (ÖB Moskau 10.2015, vgl. GIZ 4.2016a).

Quellen:

12. Religionsfreiheit

12.1. Dagestan

In Dagestan ist der "extremistische islamische Wahabismus" durch lokale Gesetze verboten (USDOS 14.10.2015). Unter Abdulatipow ist der unter seinem Vorgänger Magomedsalam Magomedow erfolgreich installierte Dialog zwischen traditionellen Sunniten und einem gemäßigten Flügel der Salafisten zum Erliegen gekommen. Stattdessen nimmt die staatliche Repression zu (AI 10.2013, vgl. Gannuschkina 3.12.2014).

Als Teil der Aufstandsbekämpfung werden Anhänger des Salafismus mit Aufständischen gleichgesetzt, bzw. als Kollaborateure angesehen. Die Polizei stellt Salafisten auf spezielle Beobachtungslisten, sperrt sie wiederholt ein, befragt sie, fotografiert sie und nimmt Fingerabdrücke und manchmal auch DNA-Proben. Auch salafistische Moscheen wurden gestürmt und Verdächtige verhaftet. Gegen Aktivisten und Journalisten, die über die Behandlung von Salafisten berichten, wird intensiv vorgegangen (HRW 27.1.2016). Die Aktivitäten von Salafisten in Dagestan wurden in den Untergrund gedrängt. Es kam zur Schikanierung moderater Anführer der Salafisten, woraufhin einige von ihnen Dagestan verließen und man die von ihnen initiierten Projekte beendete. Die salafistische Menschenrechtsgruppe Prawosaschtschita (Rechtsschutz) wurde zum Ziel von Angriffen, ihre Führungspersonen wurden inhaftiert oder unter Überwachung gestellt und die Wohnungen von AktivistInnen durchsucht. Seit Ende des Jahres 2013 wurde eine große Anzahl SalafistInnen in Cafés, Moscheen und ihren eigenen Wohnungen festgenommen. Festnahmen von Männern mit Bärten und Frauen, die einen Hidschab tragen, sind inzwischen zu etwas Alltäglichem geworden. Diese Personen werden üblicherweise befragt und nach Überprüfung der Ausweispapiere und Abnahme von Fingerabdrücken wieder freigelassen. Ramasan Abdulatipow, das dagestanische Oberhaupt, hat die Bildung von Bürgerwehren zur Bekämpfung des Extremismus angeregt. In manchen Fällen bestanden diese aus Sufis, die Berichten zufolge an Vorfällen interkonfessioneller Gewalt beteiligt waren (ICG 30.1.2014).

Quellen:

13. Ethnische Minderheiten

Russland ist ein multinationaler Staat, in dem Vertreter von mehr als hundert Völkern leben. Neben den Russen, die mit 79,8 % die Mehrheit der Bevölkerung stellen, leben noch mehr als hundert andere Völker auf dem Gebiet des Landes. Größere Minderheiten sind die Tataren (4,0 %), die Ukrainer (2,2 %), die Armenier (1,9 %), die Tschuwaschen (1,5 %), die Baschkiren (1,4 %), die Tschetschenen (0,9 %), die Deutschen (0,8 %), die Weißrussen und Mordwinen (je 0,6 %), Burjaten (0,3 %) und andere. Vielfach ist die Verflechtung zwischen den nichtrussischen und russischen Bevölkerungsteilen durch Mischehen und interethnische Kommunikation recht hoch, ebenso der Russifizierungsgrad der nichtrussischen Bevölkerungsteile. Nur wenige nationale Gebietseinheiten, wie Tschetschenien, Dagestan, Tschuwaschien und Tuwa, sind stärker vom namensgebenden Ethnos geprägt (GIZ 3.2016c).

Die Verfassung garantiert gleiche Rechte und Freiheiten unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität, Sprache und Herkunft. Entsprechend bemüht sich die Zentralregierung zumindest in programmatischen Äußerungen um eine ausgleichende Nationalitäten- und Minderheitenpolitik, inklusive der Förderung von Minderheitensprachen im Bildungssystem. Fremdenfeindliche und rassistische Ressentiments sind in der Bevölkerung und in den Behörden weit verbreitet. Sie richten sich insbesondere gegen Kaukasier und Zentralasiaten. Wiederkehrende Medienberichte zu Übergriffen zeigen, dass Ressentiments in Gewalt umschlagen können. Die Menschenrechtsorganisation SOVA verzeichnete für das Jahr 2014 einen Rückgang der offiziell bekannt gewordenen Gewaltverbrechen gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen. Waren 2013 noch 235 Verbrechen unter Anwendung von Gewalt gegen Minderheiten gemeldet worden, wurden 2014 164 solche Taten verzeichnet. Über 20% der Anzeigen auf dem Moskauer Wohnungsmarkt richten sich explizit nur an "Russen" oder "Slawen" (AA 5.1.2016).

Im Nordkaukasus ist die ethnische, kulturelle und sprachliche Vielfalt beeindruckend groß. Deshalb, sowie hinsichtlich der räumlichen Gliederung und der politischen, kulturellen und religiösen Geschichte seiner Volksgruppen stellt der Nordkaukasus die ethnisch am stärksten differenzierte Region der Russischen Föderation dar. Gerne wird sie als "ethnischer Flickenteppich" bezeichnet (Rüdisser 11.2012).

Quellen:

14. Frauen

Artikel 19 der russischen Verfassung garantiert die Gleichstellung von Mann und Frau. Zudem hat die Russische Föderation mehrere internationale und regionale Konventionen ratifiziert, die diese Gleichstellung festschreiben, darunter die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und ihr Zusatzprotokoll. Grundsätzlich gibt es in der Russischen Föderation keine systematische Diskriminierung von Frauen. Laut einer rezenten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts VZiOM glaubt eine Mehrheit der Bevölkerung, dass Männer und Frauen in der Gesellschaft gleich gestellt sind, insbesondere im Bildungsbereich (90%), in der Arbeit (76%), beim Gehalt (75%) und bei der Möglichkeit, am öffentlichen und politischen Leben teilzunehmen (74%). Einem rezenten Bericht der Weltbank zufolge steht Russland jedoch an vorderer Stelle, was die Verhinderung des Zugangs von Frauen zu gewissen Berufsgruppen betrifft; 456 Berufe dürfen von Frauen nicht ausgeübt werden. Ein ernstes Problem, das von Politik und Gesellschaft weitgehend ausgeblendet wird, stellt häusliche Gewalt dar. Ein Großteil der Unterstützung und Betreuung von Opfern häuslicher Gewalt wird durch gesellschaftliche Organisationen und Privatinitiativen übernommen. Im Nationalen Netzwerk gegen Gewalt sind über 150 regionale und lokale NGOs aktiv. Laut Dem Nationalen Zentrum zur Vorbeugung von Gewalt ANNA wird jede dritte russische Frau im Laufe ihres Lebens Opfer von physischen Übergriffen von Seiten eines Mannes. Jährlich sterben in Russland ca. 14.000 Frauen aufgrund von Gewaltanwendung von Seiten ihrer Ehemänner oder Lebenspartner, fast zwei Drittel aller Morde sind auf häusliche Motive zurückzuführen. Laut Statistiken der Organisation ANNA wenden sich 60% der Frauen, die die Nationale Hotline für Opfer von häuslicher Gewalt anrufen, nicht an die Polizei. 76% jener Frauen, die bei der Polizei um Unterstützung suchen, sind damit unzufrieden. Trotz der weiten Verbreitung des Problems gibt es grobe Mängel bei der Bewusstseinsbildung darüber, auch innerhalb der politischen Elite. So betonte der Ombudsmann für Kinderrechte Pawel Astakhov im Mai 2015, dass ein Großteil der Gewalt im öffentlichen Raum stattfindet und dass die Familie der sicherste Ort in der Gesellschaft sei. Er verwehrte sich gegen "die konstante Benützung des Begriffs ‚häusliche Gewalt‘, die lediglich dafür sorgen würde, dass Familien und Eltern eingeschüchtert werden". Positiv zu vermerken ist, dass bis Jahresende ein vom Arbeits- und Sozialministerium ausgearbeiteter Gesetzesentwurf zur Vorbeugung häuslicher Gewalt in die Staatsduma eingebracht werden soll, der insbesondere der Polizei mehr Verpflichtungen zum Kampf gegen häusliche Gewalt auferlegt und einen besseren Opferschutz vorschreibt (ÖB Moskau 10.2015).

Frauen stellen in Russland traditionell die Mehrheit der Bevölkerung. Der weibliche Bevölkerungsanteil beträgt seit den 1920er Jahren zwischen 53% und 55% der Gesamtbevölkerung. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist in der Verfassung garantiert. Durch die Transformationsprozesse und den Übergang zur Marktwirtschaft sind die Frauen in besonderer Weise betroffen. Davon zeugt der erhebliche Rückgang der Geburtenrate. Die Veränderungen in den Lebensverhältnissen von Frauen betreffen auch den Arbeitsmarkt, denn das Risiko von Ausfallzeiten durch Schwangerschaft, Erziehungsurlaub und Pflege von Angehörigen führt oft dazu, dass Frauen trotz besserer Ausbildung seltener als Männer eingestellt werden. Das im Durchschnitt deutlich geringere Einkommen von Frauen bedeutet niedrigere Pensionen für ältere Frauen, die damit ein hohes Risiko der Altersarmut tragen. Die politische Sphäre in Russland ist von Männern dominiert (GIZ 3.2016c). Frauen sind in Politik und Wirtschaft unterrepräsentiert. Sie halten weniger als 14% der Sitze in der Duma und ca. 17% der Sitze im Föderationsrat. Nur zwei von 31 Kabinettsmitgliedern sind Frauen (FH 27.1.2016). Rund 40% der Frauen arbeiten in allgemeinen Bereichen im Management und weitere 20% auf der Führungsebene. Überwiegend arbeiten sie in diesen Berufen in Medienunternehmen und PR-Agenturen, aber auch in Banken, Börsen, Bauindustrien etc. (GIZ 3.2016c).

Ein Gesetzentwurf des Menschenrechtsrats, der Opfer häuslicher Gewalt schützen soll, stieß auf heftigen Widerstand in "konservativen" Kreisen, die darin einen Versuch der Einmischung des Staates in familiäre Angelegenheiten sehen. Es gibt in Russland lediglich 21 Krisenzentren für Frauen. Beim Menschenhandel gehören russische Frauen zu den Haupt-Opfergruppen. Russland gilt zugleich als Ursprungs-, Transit- und Empfangsland im Menschenhandel. Sexuelle Ausbeutung bzw. Prostitution betrifft vor allem Frauen aus dem Nordkaukasus, die in anderen Landesteilen als Zwangsprostituierte arbeiten. Durch internationale Zusammenarbeit wird versucht, die Rotlicht-Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Trotz der Verankerung des Straftatbestandes Menschenhandel im russischen Strafgesetzbuch bleiben die Strafverfolgungszahlen niedrig. Nur in seltenen Fällen wird berichtet, dass Strafverfolgungsbehörden gegen Menschenhandel vorgehen. Die Reaktion des russischen Staates wird im "World Slavery Report" der "Walk Free Foundation" als "sehr schwach" beschrieben. Insbesondere fehle es an einem wirksamen Schutz der Opfer. Die Strukturen des Menschenhandels zur Ausbeutung der Arbeitskraft werden durch Korruption und Verbindungen von Angehörigen der Strafverfolgungsbehörden mit der organisierten Kriminalität begünstigt (AA 5.1.2016).

Häusliche Gewalt bleibt für Frauen weiterhin ein Problem und die Polizei ist oft zögerlich beim Einschreiten, da dies als familiäre Angelegenheit gesehen wird (FH 27.1.2016).

Vergewaltigung ist illegal und das Gesetz sieht dieselbe Strafe für einen Täter vor, egal ob er aus der Familie stammt oder nicht. Während medizinische Angestellte Opfer von Übergriffen unterstützen und gelegentlich helfen, Fälle von Körperverletzung oder Vergewaltigung zu identifizieren, sind Ärzte oft nachlässig, als Zeugen vor Gericht aufzutreten. Laut NGOs würden Exekutivbeamte und Staatsanwälte Vergewaltigung keine Priorität einräumen. NGOs berichten außerdem, dass lokale Polizisten sich weigern würden, auf Anrufe in Bezug auf Vergewaltigung und häusliche Gewalt zu reagieren, solange das Opfer nicht unter Lebensbedrohung steht. Weiters würden viele Frauen Vergewaltigungen und andere Gewaltvorfälle aufgrund der sozialen Stigmata und der mangelhaften staatlichen Unterstützung nicht melden. Das Strafmaß für Vergewaltigung sind drei bis sechs Jahre Haft für einen Einzeltäter und vier bis zehn Jahre bei einer Gruppenvergewaltigung. Wenn das Opfer zwischen 14 und 18 Jahre alt ist bekommt der Täter eine Strafe zwischen acht und 15 Jahre und zwölf bis 20 Jahre, wenn das Opfer verstorben ist oder unter 14 Jahre alt ist (US DOS 13.4.2016).

Quellen:

14.1. Nordkaukasus insbesondere Tschetschenien

Die Situation von Frauen im Nordkaukasus unterscheidet sich zum Teil von der in anderen Regionen Russlands. Berichte von Ehrenmorden, Brautentführungen und "Sittenwächtern" haben im Vergleich zu den Vorjahren jedoch abgenommen. Aus NGO-Kreisen war zu erfahren, dass sich die Situation von alleinstehenden Frauen bzw. Frauen mit Kindern bei ihrer Rückkehr nach Tschetschenien nach und nach verbessert. Die zugrunde liegende Problematik existiert jedoch nach wie vor. Im Frühjahr 2015 hatte ein Fall in Tschetschenien für Aufregung gesorgt, bei dem ein 17jähriges Mädchen vermutlich gegen ihren Willen und dem ihrer Familie mit einem weitaus älteren lokalen Polizeichef verheiratet wurde. Einerseits ist das Mindestalter für Hochzeiten in Russland 18 Jahre (abgesehen von wenigen Ausnahmen), andererseits war der betroffene Polizeichef zu dem Zeitpunkt bereits verheiratet. Die Heirat wurde von dem Republikoberhaupt Ramzan Kadyrov ausdrücklich unterstützt (ÖB Moskau 10.2015, vgl. HRW 27.1.2016). Eine prominente investigative Journalistin erhielt Todesdrohungen nachdem sie über diese Story geschrieben hat. Behörden versagten bei einer effektiven Untersuchung wegen ihrer Beschwerde (HRW 27.1.2016).

Unter sowjetischer Herrschaft waren tschetschenische Frauen durch die russische Gesetzgebung geschützt. Polygamie, Brautentführungen und Ehrenmorde wurden bestraft. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion löste sich der Schutz durch russisches Recht für Frauen allmählich auf und gleichzeitig kam es zu einem stärkeren Einfluss von Adat und Scharia. Unter Kadyrow ist die tschetschenische Gesellschaft traditioneller geworden. Swetlana Gannuschkina (Vorsitzende der Flüchtlingshilfsorganisation "Zivile Unterstützung" (auch "Bürgerbeteiligung") und Leiterin des "Netzwerks juristischer Beratungsstellen für Flüchtlinge und Vertriebene") ist der Meinung, dass die Behandlung von Frauen, wie sie heute existiert, nie eine Tradition in Tschetschenien war. Ein tschetschenischer Anwalt berichtet, dass Frauen sowohl unter islamischem Recht, als auch Adat hoch geschätzt sind. Allerdings ist die Realität in Tschetschenien, dass Gewalt gegen Frauen weit verbreitet und die Situation im Allgemeinen für Frauen schwierig ist. Andere Quellen berichten auch, dass die Religion ein Rückschlag für die Frauen ist und sie in eine den Männern untergeordnete Position stellt. Diese Entwicklungen erfolgten in den letzten Jahren (EASO 9.2014b, S. 9f). Für die Quellen des EASO Berichtes ist nicht klar, ob Scharia oder Adat wichtiger für die tschetschenische Gesellschaft ist. Jedoch könne nur das Russische Recht Frauen effektiv schützen. Es wird auch berichtet, dass die Scharia immer wichtiger wird und auch Kadyrow selbst – obwohl er sowohl Adat, als auch Scharia betont – sich in letzter Zeit eher auf die Scharia bezieht. Adat dürfte aber besonders bei Hochzeitstraditionen eine dominante Rolle spielen (EASO 9.2014b, S. 9f). Tschetschenische Behörden verlangen weiterhin, dass Frauen auf öffentlichen Plätzen Kopftücher tragen (HRW 27.1.2016).

Vergewaltigung:

Vergewaltigung ist laut Artikel 131 des russischen Strafgesetzbuches ein Straftatbestand. Das Ausmaß von Vergewaltigungen in Tschetschenien und anderen Teilen der Region ist unklar, da es im Allgemeinen so gut wie keine Anzeigen gibt. Vergewaltigung in der Ehe wird nicht einmal als Vergewaltigung angesehen. Laut Swetlana Gannuschkina ist Vergewaltigung in Tschetschenien und im gesamten Nordkaukasus weit verbreitet. Vergewaltigungen würden auch in Polizeistationen passieren. Vergewaltigung ist ein Tabuthema in Tschetschenien. Einer vergewaltigten Frau haftet ein Stigma an und sie wird an den Rand der Gesellschaft gedrängt, wenn die Vergewaltigung publik wird. Auch die Familie würde isoliert und stigmatisiert werden und es ist nicht unüblich, dass die Familie eine vergewaltigte Frau wegschickt. Die vorherrschende Einstellung ist, dass eine Frau selbst schuld an einer Vergewaltigung sei. Bei Vergewaltigung von Minderjährigen gestaltet sich die Situation etwas anders. Hier wird die Minderjährige eher nicht als schuldig an der Vergewaltigung gesehen, wie es einer erwachsenen Frau passieren würde. Insofern ist die Schande für die Familie auch nicht so groß (EASO 9.2014b, S. 21).

Waisenhäuser:

Wenn Kinder sich selbst überlassen bleiben, nachdem beide Eltern verstorben sind, sorgt der Tradition zufolge die Familie ihres Vaters für sie. Wenn die Großeltern nicht für die Kinder sorgen können, werden sie in die Obhut der Familie ihrer Mutter übergeben. Wenn es niemanden gibt, der sich um die Kinder kümmern kann, kommen sie in ein Waisenhaus. In Tschetschenien und dem übrigen Nordkaukasus setzen Familien alles daran, um zu vermeiden, dass Kinder in ein Waisenhaus kommen. Es ist nicht üblich, Kinder in Waisenhäuser zu bringen, und normalerweise leben in Waisenhäusern nur Kinder, die ihre gesamte Familie verloren haben. Im Allgemeinen vertreten Behörden die Auffassung, dass es in Tschetschenien keine Waisenhäuser geben sollte, da es Aufgabe der Familie ist, für die Kinder zu sorgen. 2009 ordnete Präsident Kadyrow an, dass alle Waisenhäuser in Tschetschenien geschlossen werden und die Kinder wieder zu ihren Verwandten zurückkehren sollten. Nach Auskunft eines Vertreters einer internationalen Organisation im Nordkaukasus lag dieser Initiative von Kadyrow der Wunsch zugrunde, deutlich zu machen, dass Familien einen starken Verbund darstellen und sie für sich selbst sorgen können. Nur wenige wollten jedoch entfernte Verwandte zu sich nehmen, zu denen sie kaum Kontakt hatten. Aufgrund des Wohnungsmangels und finanzieller Zwänge waren die Menschen nicht bereit, noch ein weiteres Mitglied in ihren Haushalt aufzunehmen und zu unterstützen. Kadyrow möchte den Eindruck vermitteln, dass die familiären Bande noch genauso stark sind wie früher, doch ist dies nach Angaben der Organisation nicht der Fall. Landinfo hat keinen Überblick über die Zahl der Waisenhäuser in Tschetschenien, doch nach Angaben eines tschetschenischen Rechtsanwalts gibt es eines in Grosny, ein weiteres im Bezirk Nadteretschny. Laut einer NGO in Moskau gibt es in Tschetschenien fünf oder sechs Waisenhäuser. In dem größten sind 200-300 Kinder untergebracht. Waisenhäuser sind öffentliche Einrichtungen (EASO 6.2014a, S. 31).

Quellen:

14.2. Mutterschaftskapital und Kindergeld

2007 stellte die russische Führung einen Maßnahmenkatalog vor, der mit Zuschüssen und Betreuungsplätzen zum einen den Frauen die Mutterschaft ans Herz legt und zum anderen durch bessere medizinische Infrastruktur die Lebensdauer der Russen verlängern soll. Für Mütter ist seither ab dem zweiten Kind das sogenannte Mutterschaftskapital vorgesehen. Umgerechnet rund 7500 € erhalten die Frauen, Mittel die zweckgebunden vom vierten bis zum 25. Geburtstag des Kindes eingesetzt werden müssen. Mit den nicht bar auslösbaren Zertifikaten können Familien in die Ausbildung des Nachwuchses investieren, die eigene Wohnsituation verbessern oder medizinische Versorgung in Anspruch nehmen. Mit den Zertifikaten kann auch die Altersvorsorge der Mutter aufgestockt werden. Darüber hinaus bezahlt der Staat Geburtsprämien, bezuschusst Kindergartenplätze und hat das Elterngeld erhöht. Flankierend hat Moskau den Mutterschutz im Arbeitsmarkt ausgebaut (Wirtschaftsblatt 8.9.2014, vgl. IOM 6.2014; MDZ 17.8.2013). Mütter bekommen eine Zusatzzahlung, das sogenannte Mütterkapital. Dieses Geld ist für bestimmte Zwecke bestimmt, z.B. für die medizinische Behandlung oder die Versorgung von Kindern. Dieses Geld ist vor allem für kinderreiche Frauen, in Tschetschenien gibt es viele davon. Um dieses Geld zu bekommen, müssen tschetschenische Frauen ungefähr Drei Viertel des Geldes als Bestechungsgeld zahlen. Es gibt aber auch Frauen, die überhaupt nichts von diesem Mütterkapital sehen (Gannuschkina 3.12.2014). Das Mutterschaftskapital war zunächst bis Ende 2016 geplant, aufgrund des Erfolgs wird jetzt darüber diskutiert, die zeitliche Beschränkung ganz aufzuheben. Auch soll das Geld für die Geburt des dritten und weiterer Kinder ausgezahlt, sowie alleinerziehende Väter in gleichem Maße gefördert werden, wie Mütter. Wladimir Putin erklärte zum bisher bestehenden Gesetz, das Programm "Mutterschaftskapital" hätte seine Effektivität bewiesen. Allerdings müsse es nach 2016 runderneuert werden, um zielgerechter wirken zu können (MDZ 17.8.2013, vgl. Pension Fund o.D.).

Mutter, Vater oder ein anderer Erziehungsberechtigter kann monatliches Kindergeld erhalten. Kindergeld berechnet sich aus 40% des durchschnittlichen Elterngehaltes, sollte aber nicht unter dem festgesetzten Mindestwert liegen. Seit Januar 2014 beträgt das monatliche Kindergeld (für Kinder jünger als 1,5 Jahre) während des Mutterschaftsurlaubs beim ersten Kind mindestens 2.576 RUB (ca. USD 75) und 5.153 RUB (ca. USD 150) für weitere Kinder. Für arbeitslose Eltern beträgt das monatliche Kindergeld das festgesetzte Minimum. Im September 2013 ist ein neues Bildungsgesetz in Kraft getreten. Laut dem neuen Gesetz ist die Regelung außer Kraft getreten, dass die Kindergartengebühren nicht 20% der laufenden Kosten pro Kind überschreiten dürfen. Dies führte zu einem Anstieg der Kindergartengebühren. In unterschiedlichen Regionen kosten städtische oder staatliche Kindergärten zwischen 3.500 RUB und 9.000 RUB (ca. 102-262 USD). Familien mit einem Kind erhalten mindestens 20% Ausgleich, Familien mit zwei Kindern erhalten eine 50%ige Rückerstattung, Familien mit drei und mehr Kindern eine Kompensation in Höhe von mindestens 70%. Dieses Geld wird auf das Konto eines Elternteils überwiesen. Familien, in denen ein Kind eine Verhaltensstörung aufweist, zahlen keine Gebühren für den Besuch eines staatlichen oder städtischen Kindergartens (IOM 6.2014).

Mutterschaft:

Quellen:

15. Bewegungsfreiheit

Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Jedoch wird der legale Zuzug an vielen Orten durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert. Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort und ihren Wohnsitz melden müssen. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und nachweisbarer Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Es ist grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen und sich innerhalb der Republik zu bewegen. An den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor Kontrollposten, die gewöhnlich eine nicht staatlich festgelegte "Ein- bzw. Ausreisegebühr" erheben (AA 5.1.2016, vgl. US DOS 13.4.2016, FH 27.1.2016).

Personen, die innerhalb des Landes reisen, müssen ihre Inlandspässe zeigen, wenn sie Tickets kaufen wollen für Reisen via Luft, Schienen, Wasser und Straßen (US DOS 13.4.2016).

Bei der Einreise werden die international üblichen Pass- und Zollkontrollen durchgeführt. Personen ohne reguläre Ausweisdokumente wird in aller Regel die Einreise verweigert. Russische Staatsangehörige können grundsätzlich nicht ohne Vorlage eines russischen Reisepasses wieder in die Russische Föderation einreisen. Russische Staatsangehörige, die kein gültiges Personaldokument vorweisen können, müssen eine administrative Strafe zahlen, erhalten ein vorläufiges Personaldokument und müssen bei dem für sie zuständigen Meldeamt die Ausstellung eines neuen Inlandspasses beantragen. Der Inlandspass ermöglicht die Abholung der Pension vom Postamt, die Arbeitsaufnahme, die Eröffnung eines Bankkontos, aber auch den Kauf von Bahn- und Flugtickets (AA 5.1.2016).

Nach Angaben des Leiters der Pass- und Visa-Abteilung im tschetschenischen Innenministerium haben alle 770.000 Bewohner Tschetscheniens, die noch die alten sowjetischen Inlandspässe hatten, neue russische Inlandspässe erhalten (AA 5.1.2016).

Quellen:

15.1. Meldewesen

Eine dauerhafte Registrierung wird durch einen Stempel im Inlandspass vermerkt, eine temporäre Registrierung durch einen in den Inlandspass eingelegten Zettel. Für einen Aufenthalt bis zu 90 Tage ist keine Registrierung verpflichtend, jedoch kann es notwendig werden bei einer Dokumentenkontrolle nachzuweisen, dass man sich noch nicht länger als 90 Tage in dem Gebiet aufhält, beispielsweise durch Vorweisen der Busfahrkarte. Wenn jemand ausreist um im Ausland zu leben, so wird dies registriert und in seinem Reisepass vermerkt. Umgangssprachlich wird die Registrierung nach wie vor so genannt, wie das Meldesystem zu Sowjetzeiten: "Propiska" (Russisch:

?????????). Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und ein nachweisbarer Wohnraum (ggf. Bescheinigung des Vermieters). Eine Arbeitsstelle oder Einkommen müssen nicht nachgewiesen werden. Die Registrierung und damit einhergehende Aufgaben fallen in den Zuständigkeitsbereich des Föderalen Migrationsdienstes (FMS), seiner territorialen Behörden (UFMS) und weiterer Behörden für innere Angelegenheiten. 2010 kam es zu einer Vereinfachung des Registrierungsprozesses, insbesondere für temporäre Registrierungen. Für eine solche muss man nunmehr lediglich einen Brief an die lokale Stelle des FMS, also den jeweiligen UFMS, schicken, in dem die vorübergehende Adresse angegeben wird. Man muss nicht mehr persönlich beim UFMS erscheinen. Eine Registrierung ist wie ausgeführt für einen legalen Aufenthalt in der Russischen Föderation unabdingbar. Diese ermöglicht außerdem den Zugang zu Sozialhilfe und staatlich geförderten Wohnungen, zum kostenlosen Gesundheitssystem, sowie zum legalen Arbeitsmarkt. Beim FMS in Moskau wurde bestätigt, dass alle Staatsbürger der Russischen Föderation, auch Rückkehrer, am Aufenthaltsort registriert werden. Gesetzlich ist vorgesehen, dass die Registrierung ab Einlangen der Unterlagen bei der zuständigen Behörde drei Tage dauert. Staatsbürger können bei Verwandten unterkommen oder selbstständig einen Wohnraum organisieren. Die föderal-gesetzlichen Regeln für die Registrierung gelten in der gesamten Russischen Föderation einheitlich, werden jedoch regional unterschiedlich angewendet. Korruption soll auch im Bereich der Registrierung in nicht unbeträchtlichem Ausmaß vorkommen, insbesondere in der Hauptstadt Moskau (BAA 12 .2011, vgl. AA 5.1.2016).

Laut einer westlichen Botschaft ist eine Registrierung für alle Personen in Moskau und St. Petersburg im Vergleich zu anderen russischen Städten am schwierigsten zu erlangen. Auch die Korruptionszahlungen sind in Moskau höher. Ebenso ist es in Moskau schwieriger, eine Wohnung zu mieten, die Mieten sind zudem hoch. Auch UNHCR geht davon aus, dass die Registrierung in Moskau für jeden schwierig ist, nicht nur für Tschetschenen. In Mietanzeigen werden Zimmer oft nur für Slawen angeboten. Gemäß einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence ist es für Tschetschenen leichter, in kleineren Orten als Moskau und St. Petersburg zu leben, jedoch ist es in großen Städten leichter, unterzutauchen. Personen, die Kadyrow fürchten, würden ihren Aufenthalt nicht registrieren lassen. Auch in St. Petersburg werden in Mietanzeigen Wohnungen oft nur für Russen angeboten. Tschetschenen nutzen aber ihre Netzwerke, um Wohnungen zu finden. Einer internationalen Organisation zufolge ist es für jemanden, der einen Machtmissbrauch von lokalen Behörden in einem Föderationssubjekt fürchtet schwierig, einen sicheren Ort in einer anderen Region in Russland zu finden. Ist die Person registriert, ist es für die Behörden leichter, sie zu finden. Laut einem Vertreter des Committee Against Torture sind tschetschenische Familien, die in andere Regionen Russlands kommen, nicht automatisch schweren Rechtsverletzungen ausgesetzt. Öffentlich Bedienstete haben kein Recht, einem Tschetschenen die Registrierung zu verweigern, weshalb im Endeffekt jeder registriert wird. Tschetschenen könnten Diskriminierung durch die Behörden ausgesetzt sein, nicht aber Gewalt. Laut einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence und einer westlichen Botschaft zufolge könnten aber temporäre Registrierungen nur für drei Monate anstatt für ein Jahr ausgestellt werden, weshalb dann die betroffene Person öfter zum Amt kommen muss. Memorial geht davon aus, dass der FMS die Polizei über die Registrierung eines Tschetschenen informieren muss. Zudem verheimlichen Tschetschenen oft ihre Volksgruppenzugehörigkeit, da Annoncen Zimmer oft nur für Russen und Slawen anbieten. Mehrere Quellen gaben an, dass im Zuge der Registrierung vermutlich Bestechungsgeld zu zahlen ist. Es kann vorkommen, dass Personen aus dem Nordkaukasus eine höhere Summe zu zahlen angehalten werden (DIS 8.2012). Im aktuellen FFM Bericht des Danish Immigration Service vom Jänner 2015 wird berichtet, dass es keine größeren Änderungen in Bezug auf die Registrierung gibt. Es gibt eine Neuheit, nämlich dass eine Person in dem Apartment wohnen muss, wo sie registriert ist. Wenn die Person woanders wohnt, könnte der/die Eigentümer/in bestraft werden. Aufgrund dessen könnte es schwieriger sein, den Wohnort zu registrieren. Einige Vermieter möchten auch keine Mieter registrieren, da sie Steuerabgaben vermeiden wollen (DIS 1.2015).

Quellen:

15.2. Gefälschte Dokumente

In Russland kann man jegliche Art von Dokumenten kaufen. Auslandsreisepässe sind schwieriger zu bekommen, aber man kann auch diese kaufen. Es handelt sich bei den Dokumenten oft um echte Dokumente mit echten Stempeln und Unterschriften, aber mit falschem Inhalt. Die Art der Dokumente hierbei können z.B. medizinische Protokolle (medical journals), Führerscheine, Geburtsurkunden oder Identitätsdokumente sein. Ebenso ist es möglich, echte Dokumente mit echtem Inhalt zu kaufen, bei der die Transaktion der illegale Teil ist. Für viele Menschen ist es einfacher, schneller und angenehmer, ein Dokument zu kaufen, um einem zeitaufwändigem Kontakt mit der russischen Bürokratie zu vermeiden. Es soll auch gefälschte "Vorladungen" zur Polizei geben (DIS 1.2015).

Die von den staatlichen Behörden ausgestellten Dokumente sind in der Regel echt und inhaltlich richtig. Dokumente russischer Staatsangehöriger aus den russischen Kaukasusrepubliken (insbesondere Reisedokumente) enthalten hingegen nicht selten unrichtige Angaben. In Russland ist es darüber hinaus auch möglich, Personenstands und andere Urkunden zu kaufen, wie z.B. Staatsangehörigkeitsausweise, Geburts- und Heiratsurkunden, Vorladungen, Haftbefehle, Gerichtsurteile. Häufig sind Fälschungen primitiv und leicht zu identifizieren. Es gibt aber auch Fälschungen, die mit chemischen Mitteln auf Originalvordrucken professionell hergestellt wurden und nur mit speziellen Untersuchungen erkennbar sind (AA 5.1.2016).

Quellen:

16. Grundversorgung/Wirtschaft

Im August 2015 betrug die Zahl der Erwerbstätigen in Russland 75,9 Millionen, somit ungefähr 53 % der Gesamtbevölkerung. Die Arbeitslosenrate liegt bei 5,3%. Der Durchschnittslohn im Juni 2015 lag bei 31.100 RUB (EUR 425) (IOM 8.2015).

Die hohen internationalen Energiepreise sorgten 2012 für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum. Die Industrieproduktion stieg, allerdings lag der Zuwachs unter den Vorjahreswerten. Die Arbeitslosenrate sank zwischen 2010 und 2012 von 7,2% auf 5,4% und die Durchschnittslöhne lagen 2011 und 2012 deutlich höher als vor der Finanzkrise 2008/9. Während 2012 für Russland insgesamt also zufriedenstellend verlief, war 2013 wegen der Konjunkturschwäche im Euro-Raum und der weltweit gesunkenen Rohstoffpreise schwach. Nach einem Plus von 3,4% im Jahr 2012, kam es für 2013 nur noch zu einem leichten Wachstum von 1,3%. Das Land ist in eine Phase anhaltender wirtschaftlicher Stagnation getreten. Gleichzeitig stieg Russland im Ranking von "Doing Business" von Platz 112 in 2012 über Platz 92 in 2013 und Platz 64 in 2014 auf Platz 51 in 2016. Die Staatsverschuldung in Russland ist mit rund zehn Prozent des BIP weiterhin vergleichsweise moderat. Sowohl hohe Gold- und Währungsreserven als auch die beiden durch Rohstoffeinnahmen gespeisten staatlichen Reservefonds stellen eine Absicherung des Landes dar. Strukturdefizite, Finanzierungsprobleme und Handelseinschränkungen durch Sanktionen seitens der USA, Kanadas, Japans und der EU bremsten das Wirtschaftswachstum. Insbesondere die rückläufigen Investitionen und die Fokussierung staatlicher Finanzhilfen auf prioritäre Bereiche verstärken diesen Trend. Das komplizierte geopolitische Umfeld und die Neuausrichtung der Industrieförderung führen dazu, dass Projekte vorerst verschoben werden. Wirtschaftlich nähert sich Russland der VR China an. Im Index of Economic Freedom nimmt Russland 2016 den 153. Platz unter 178 Ländern ein. Das schlechte Investitionsklima schlägt sich in einer niedrigen Rate ausländischer Investitionen nieder. Bürokratie, Korruption und Rechtsunsicherheit bremsen die wirtschaftliche Entwicklung aus. Seit Anfang 2014 hat die Landeswährung mehr als ein Drittel ihres Wertes im Vergleich zum Euro verloren, was unter anderem an den westlichen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise und dem fallenden Ölpreis liegt. Durch den Währungsverfall sind die Preise für Verbraucher erheblich gestiegen, die Inflationsrate betrug Ende 2015 ca 15%. 2015 gerät die russische Wirtschaft in eine schwere Rezession. Nach dem BIP-Rückgang um 3,7% 2015 prognostiziert die russische Zentralbank für 2016 einen weiteren BIP-Rückgang um 1,0%. (GIZ 4.2016b).

Quellen:

16.1. Nordkaukasus

Die nordkaukasischen Republiken ragen unter den Föderationssubjekten Russlands durch einen überdurchschnittlichen Grad der Verarmung und der Abhängigkeit vom föderalen Haushalt hervor. Die Haushalte Dagestans, Inguschetiens und Tschetscheniens werden zu über 80% von Moskau finanziert (GIZ 4.2016a).

Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Im Mai 2014 wurde ein neues Ministerium für die Angelegenheiten des Nordkaukasus geschaffen und der bevollmächtigte Vertreter des Präsidenten im Nordkaukasischen Föderalbezirk Alexander Chloponin, durch den früheren Oberbefehlshaber der Vereinigten Truppen des Innenministeriums im Nordkaukasus, Generalleutnant Sergej Melikov, ersetzt (ÖB Moskau 10.2015).

Der Kreml verfolgt seit einigen Jahren einen Ansatz, der auf regionale wirtschaftliche Entwicklung setzt und viele der Republiken im Nordkaukasus – allen voran Tschetschenien – haben durch zahlreiche Verwaltungs- und Finanzreformen heute mehr Unabhängigkeit als Anfang der 1990er Jahre jemals anzunehmen gewesen wäre. Auch der Tourismus soll in der landschaftlich attraktiven Region helfen, die Spirale aus Armut und Gewalt zu durchbrechen, wie insbesondere in der Entscheidung, die olympischen Winterspiele 2014 im unweit der Krisenregion gelegenen Sotschi auszutragen, deutlich wird. Zudem profitieren einige Teilrepubliken von Rohstoffvorkommen und so lassen sich auch einige sichtbare Zeichen von wirtschaftlichem Aufschwung und Wiederaufbau im Nordkaukasus ausmachen. Als beispielhaft dafür steht unter anderem die tschetschenische Hauptstadt Grosny, die nach ihrer fast völligen Zerstörung heute durchaus auflebt. Die schlechte Sicherheitslage und ein weit gestricktes Netzwerk aus Korruption, die zu einem wesentlichen Teil von den Geldern des russischen Zentralstaats lebt, blockieren aber eine umfassende und nachhaltige Entwicklung des Nordkaukasus. Das grundlegende Problem liegt in der russischen Strategie, den Konflikt durch die Übertragung der Verantwortung an lokale Machtpersonen mit zweifelhaftem Ruf zu entmilitarisieren. Deren Loyalität zu Moskau aber basiert fast ausschließlich auf erheblichen finanziellen Zuwendungen und dem Versprechen der russischen Behörden, angesichts massiver Verstrickungen in Strukturen organisierter Kriminalität beide Augen zuzudrücken. Ein wirksames Aufbrechen dieses Bereicherungssystems jedoch würde wiederum die relative Stabilität gefährden. Nachhaltige Entwicklungsfortschritte bleiben deshalb bislang weitgehend aus und insbesondere die hohe regionale Arbeitslosigkeit bildet einen Nährboden für neue Radikalisierung. Um dem zu begegnen und den islamistischen Militanten den ideologischen Nährboden zu entziehen, hat die russische Regierung Initiativen in Medien gestartet und in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden Programme zur De-Radikalisierung und zum interkulturellen Dialog entwickelt. Der langfristige Erfolg solcher Maßnahmen bleibt dabei abzuwarten, in jedem Fall aber wird seitens Moskau versucht dem Nordkaukasus eine Perspektive zu schaffen (Zenithonline 10.2.2014).

Quellen:

17. Sozialbeihilfen

Russland hat ein grundlegendes Sozialsystem, welches Renten verwaltet und Hilfe für gefährdete Bürger gewährt (IOM 8.2015). Das soziale Sicherungssystem wird von vier Institutionen getragen: dem Rentenfonds, dem Sozialversicherungsfonds, dem Fonds für obligatorische Krankenversicherung und dem Staatlichen Beschäftigungsfonds. Aus dem 1992 gegründeten Rentenfonds werden Arbeitsunfähigkeits- und Altersrenten gezahlt. Das Rentenalter wird mit 60 Jahren bei Männern und bei 55 Jahren bei Frauen erreicht. Die Rentenreform sieht die Gründung der nichtstaatlichen Rentenfonds vor, die neben der Grundversicherung einen zusätzlichen privaten Teil der Rente ermöglichen. Der Sozialversicherungsfonds finanziert das Mutterschaftsgeld (bis zu 18 Wochen), Kinder- und Krankengeld. Das Krankenversicherungssystem umfasst eine garantierte staatliche Minimalversorgung, eine Pflichtversicherung und eine freiwillige Zusatzversicherung. Vom staatlichen Beschäftigungsfonds wird das Arbeitslosengeld (maximal ein Jahr lang) ausgezahlt. Alle Sozialleistungen liegen auf einem niedrigen Niveau (GIZ 3.2016c).

Das Ministerium für Gesundheit und Soziales setzt die staatliche Unterstützung für sozial bedürftige Gruppen in der Praxis um. Vor allem die soziale Fürsorge für Familien, alte Menschen, Invaliden und Waisen soll gefördert werden. Personen, die soziale Unterstützung erhalten können:

Es gibt weitere Kategorien, die auf verschiedenen Rechtsgrundlagen oder unter bestimmten Programmen, die von regionalen Behörden geleitet werden, anspruchsberechtigt sind. Personen der o.g. Kategorien erhalten eine monatliche Zahlung und soziale Beihilfe, einschließlich:

Invaliden zahlen nur die Hälfte der öffentlichen Nebenkosten und haben die Möglichkeit, in besonderen Ausbildungseinrichtungen zu lernen. Um die oben aufgeführten Leistungen erhalten zu können, müssen Personen, die den genannten Kategorien angehören, Dokumente vorlegen, die die Zugehörigkeit zur entsprechenden Gruppe offiziell bestätigen (IOM 6.2014).

MedCOI erwähnt weitere Kategorien von Bürgern, denen unterschiedliche Arten von sozialer Unterstützung gewährt wird:

Renten

Familienhilfe:

Die Regierung will die Bevölkerungszahl erhöhen. Daher erhalten

Familien mit drei oder mehr Kindern folgende Begünstigungen:

Behinderung

Wohnungswesen

Bürger ohne Unterkunft oder mit unzumutbarer Unterkunft und sehr geringem Einkommen können kostenfreie Apartments beantragen

Arbeitslosenhilfe

Im Nordkaukasus besteht die höchste Arbeitslosenquote des Landes. Arbeitslose (mit Ausnahme von Schülern, Studenten und Rentnern) können sich bei den Arbeitsagenturen arbeitslos melden und Arbeitslosenhilfe beantragen. Die Arbeitsagentur wird innerhalb von zehn Tagen einen Arbeitsplatz anbieten. Lehnt der Bewerber die Stellen ab, wird er als arbeitslos eingetragen. Die Arbeitslosenhilfe basiert auf Durchschnittslohn der letzten Arbeit und ist auf ein Minimum und Maximum von der russischen Gesetzgebung begrenzt. Seit 2009 ist das Minimum RUB 850 (USD 15) pro Monat und das Maximum RUB 4.900 (USD 82). Die Förderung wird monatlich ausgezahlt, sofern der Begünstigte die notwendigen Verfahren der Neubewerbung (gewöhnlich zweimal im Monat) nach den Bedingungen der Arbeitsagentur durchläuft. Notwendige Unterlagen und Dokumente sind ein Reisepass oder ein gleichwertiges Dokument und ein Arbeitsbuch oder eine Kopie, die Lohnbescheinigung des letzten Jahres, die Steueridentifikationsnummer (INN certificate), der Rentenversicherungsausweis und Dokumente zum Nachweis der Ausbildung und Berufserfahrung (IOM 8.2015).

Unterbrechung der Arbeitslosenhilfe in folgenden Fällen:

Quellen:

17.1. Krankenversicherung

Seit dem 1. Januar 2011 gibt es ein neues Gesetz über die Krankenpflichtversicherung. Vor dem 1. Mai 2011 gab es in den verschiedenen Regionen unterschiedliche Krankenversicherungen, danach traten neue Regeln für den Abschluss einer universellen Krankenversicherung in Kraft. Die Änderung der Krankenversicherungen tritt nach und nach in den einzelnen Regionen in Kraft. Die versicherten Personen sollen medizinische Versorgung in Gesundheitszentren kostenfrei erhalten mit sowohl den alten als auch den neuen Krankenversicherungen. Die alten Krankenversicherungen bleiben so lange in Kraft, bis sie durch die neue Versicherung ersetzt werden, egal welche Gültigkeitsdauer auf der alten Krankenversicherung angegeben ist. Es gibt keine Richtlinie, die die Dauer des Austausches der Krankenversicherungen festlegt. Wenn jetzt ein Versicherungsnehmer seinen Job wechselt oder verlässt, bleibt die Versicherung gültig und es ist nicht notwendig, eine neue Versicherung abzuschließen. Im Rahmen der Krankenpflichtversicherung (OMS) können russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen, die durch staatliche Finanzmittel, Versicherungsbeiträge und andere Quellen finanziert wird (IOM 6.2014).

Kostenfreie Versorgung umfasst folgendes:

* Notfallbehandlung

* Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken

* Stationäre Behandlung

* Teilweise kostenfreie Medikamente (IOM 8.2015)

Jede OMS-registrierte Person hat eine Krankenversicherung mit einer individuellen Nummer, wodurch ihnen der Zugang zur kostenfreien medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation garantiert wird; unabhängig von ihrem Wohnort. Bei der Anmeldung in einer Klinik muss zunächst die Versicherungsbescheinigung vorgelegt werden, es sei denn, es handelt sich um einen Notfall. Die Notfallbehandlung kann von allen russischen Staatsbürgern kostenlos in Anspruch genommen werden, unabhängig davon ob sie krankenversichert sind oder nicht. Um eine Krankenversicherung zu erhalten, müssen die Bürger an eine der Krankenversicherungen einen Antrag stellen und die folgenden Dokumente vorlegen: Antrag, Identifikationsdokument (für Erwachsene über 14 Jahre ein Reisepass oder vorläufiger Ausweis, für Kinder die Geburtsurkunde und den Pass bzw. vorläufigen Ausweis des Erziehungsberechtigten) und u.U. die Versicherungspolice der Rentenpflichtversicherung. Die Aufnahme in die Krankenversicherung sowie die Erneuerung sind kostenfrei. Für Kinder bis einschließlich 14 Jahren existiert ein gesondertes System der kostenlosen medizinischen Versorgung, sofern eine Registrierung in der Krankenpflichtversicherung (OMS) vorliegt. Kinder, die älter als 14 sind werden in der Regel in medizinischen Einrichtungen für Erwachsene behandelt. Einige Kliniken (staatliche und private) bieten kostenlose medizinische Konsultationen über das Internet an. Ausländische Staatsbürger haben in Russland nur Zugang zur medizinischen Grundversorgung, d.h. zur notfallmedizinischen Behandlung. Darüber hinausgehende Behandlungen werden in Rechnung gestellt und sind entweder durch direkte Zahlung an die jeweilige Klinik oder gegebenenfalls über die Krankenversicherung des Ausländers zu begleichen. Medizinische Versorgung gegen Bezahlung wird von privaten Gesundheitseinrichtungen unabhängig von der jeweiligen Staatsangehörigkeit angeboten. Umfragen zufolge haben 35% der Bevölkerung eine medizinische Serviceleistung gegen Bezahlung bereits in Anspruch genommen. Aufgrund der hohen Kosten kann der Großteil der Bevölkerung von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch machen. Neben der geschilderten Krankenpflichtversicherung können sowohl russische Staatsbürger als auch Ausländer gegen Bezahlung eine Freiwillige Krankenversicherung (DMS) abschließen, die immer weiter verbreitet ist. Ein Netz von Versicherungsgesellschaften bietet die entsprechenden Dienstleistungen an, wobei die Kosten für eine Versicherung - je nach Ruf der Versicherung und des gebotenen Servicepakets - zwischen 400 und mehreren tausend USD liegen können. Die meisten Versicherungsgesellschaften bevorzugen die Zusammenarbeit mit juristischen Personen. In den vergangenen zehn Jahren sind jedoch zunehmend Versicherungsprogramme für Privatpersonen aufgelegt worden (IOM 6.2014).

Quellen:

18. Medizinische Versorgung

Das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger ist in der Verfassung verankert. Russland weist zwar im internationalen Vergleich eine vergleichsweise hohe Anzahl der Ärzte und der Krankenhäuser pro Kopf der Bevölkerung auf, das noch aus der Sowjetzeit stammende Gesundheitssystem bleibt aber ineffektiv (GIZ 3.2016c). Die Einkommen des medizinischen Personals sind noch immer vergleichsweise niedrig. Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist. Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und insbesondere HIV/AIDS, breiten sich weiter aus. In den letzten Jahren wurden in die Modernisierung des Gesundheitswesens erhebliche Geldmittel investiert. Der aktuelle Kostendruck im Gesundheitswesen führt aber dazu, dass viele Krankenhäuser geschlossen werden (AA 3 .2016a, vgl. GIZ 3.2016c). In Moskau, St. Petersburg und einigen anderen Großstädten gibt es einige meist private Krankenhäuser, die hinsichtlich der Unterbringung und der technischen und fachlichen Ausstattung auch höheren Ansprüchen gerecht werden. Notfallbehandlungen in staatlichen Kliniken sind laut Gesetz grundsätzlich kostenlos. Die Apotheken in den großen Städten der Russischen Föderation haben ein gutes Sortiment, wichtige Standardmedikamente sind vorhanden. Medikamentenfälschungen mit unsicherem Inhalt kommen allerdings vor (AA 25.5.2016b).

Im Bereich der medizinischen Versorgung von Rückkehrern sind der Botschaft keine Abweichungen von der landesweit geltenden Rechtslage bekannt. Seit Jänner 2011 ist das "Föderale Gesetz Nr. 326-FZ über die medizinische Pflichtversicherung in der Russischen Föderation" vom November 2010 in Kraft und seit Jänner 2012 gilt das föderale Gesetz Nr. 323-FZ vom November 2011 über die "Grundlagen der medizinischen Versorgung der Bürger der Russischen Föderation". Laut Gesetz hat jeder Mensch Anrecht auf kostenlose medizinische Hilfestellung in dem gemäß "Programm der Staatsgarantien für kostenlose medizinische Hilfestellung" garantierten Umfang. Von diesem Programm sind alle Arten von medizinischer Versorgung (Notfallhilfe, ambulante Versorgung, stationäre Versorgung, spezialisierte Eingriffe) erfasst. Kostenpflichtig sind einerseits Serviceleistungen (Einzelzimmer u.Ä.), andererseits jene medizinischen Leistungen, die auf Wunsch des Patienten durchgeführt werden (z.B. zusätzliche Untersuchungen, die laut behandelndem Arzt nicht indiziert sind). Staatenlose, die dauerhaft in Russland leben, sind bezüglich ihres Rechts auf medizinische Hilfe russischen Staatsbürgern gleichgestellt. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder die Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation gewährleistet ist. Personen haben das Recht auf freie Wahl der medizinischen Anstalt und des Arztes, allerdings mit Einschränkungen. Für einfache medizinische Hilfe, die in der Regel in Polikliniken erwiesen wird, haben Personen das Recht die medizinische Anstalt nicht öfter als einmal pro Jahr, unter anderem nach dem territorialen Prinzip (d.h. am Wohn-, Arbeits- oder Ausbildungsort), zu wechseln. Davon ausgenommen ist ein Wechsel im Falle einer Änderung des Wohn- oder Aufenthaltsortes. In der ausgewählten Organisation können Personen ihren Allgemein- bzw. Kinderarzt nicht öfter als einmal pro Jahr wechseln. Falls eine geplante spezialisierte medizinische Behandlung im Krankenhaus nötig wird, erfolgt die Auswahl der medizinischen Anstalt durch den Patienten gemäß der Empfehlung des betreuenden Arztes oder selbständig, falls mehrere medizinische Anstalten zur Auswahl stehen. Das territoriale Prinzip sieht vor, dass die Zuordnung zu einer medizinischen Anstalt anhand des Wohn-, Arbeits-, oder Ausbildungsorts erfolgt. Das bedeutet aber auch, dass die Inanspruchnahme einer medizinischen Standardleistung (gilt nicht für Notfälle) in einem anderen, als dem "zuständigen" Krankenhaus, bzw. bei einem anderen, als dem "zuständigen" Arzt, kostenpflichtig ist. Selbstbehalte sind nicht vorgesehen. Die Versorgung mit Medikamenten ist grundsätzlich bei stationärer Behandlung, sowie bei Notfallbehandlungen kostenlos. Es wird aber berichtet, dass in der Praxis die Bezahlung von Schmiergeld zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und Behandlungen teilweise durchaus erwartet wird (ÖB Moskau 10.2015).

Das Gesundheitswesen wird im Rahmen der "Nationalen Projekte", die aus Rohstoffeinnahmen finanziert werden, modernisiert. So wurden landesweit sieben föderale Zentren mit medizinischer Spitzentechnologie und zwölf Perinatalzentren errichtet, Transport und Versorgung von Unfallopfern verbessert sowie Präventions- und Unterstützungsprogramme für Mütter und Kinder entwickelt. Schrittweise werden die Gehälter für das medizinische Personal angehoben sowie staatliche Mittel in die Modernisierung bestehender Kliniken investiert (GIZ 3.2016c).

Medizinische Versorgung gibt es bei staatlichen und privaten Einrichtungen. Staatsbürger haben im Rahmen der staatlich finanzierten, obligatorischen Krankenversicherung (OMS) Zugang zu kostenfreier medizinischer Versorgung. Vorausgesetzt für OMS (OMS-Karte) sind gültiger Pass, Geburtsurkunde für Kinder unter 14 Jahren; einzureichen bei der nächstliegenden Krankenversicherungsfirma. Sowohl an staatlichen, wie auch privaten Kliniken bezahlte medizinische Dienstleistungen verfügbar; direkte Zahlung an Klinik oder im Rahmen von freiwilliger Krankenversicherung (Voluntary Medical Insurance DMS) (IOM 8.2015).

Kostenfreie Versorgung umfasst folgendes:

* Notfallbehandlung

* Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken

* Stationäre Behandlung

* Teilweise kostenfreie Medikamente (IOM 8.2015)

Quellen:

18.1. Dagestan

In Dagestan stehen der Bevölkerung 36 zentrale Bezirkskrankenhäuser (3979 Betten), drei Bezirkskrankenhäuser (215 Betten), 102 Lokalkrankenhäuser (1970 Betten), vier Dorfkrankenhäuser (180 Betten), fünf zentrale Bezirkspolykliniken, 175 ärztliche Ambulanzen und 1076 ambulante Versorgungspunkte zur Verfügung. Spezialisierte medizinische Hilfe erhält man in zehn städtischen und 48 republikanischen Prophylaxe- und Heileinrichtungen. Es gibt fünf Sanatorien für Kinder, zwei Kinderheime, drei Bluttransfusionseinrichtungen, sowie sieben selbstständige Notdienste und 50 Notdienste, die in andere medizinische Einrichtungen eingegliedert sind (IOM 6.2014).

Quellen:

- IOM – International Organisation of Migration (6.2014):

Länderinformationsblatt Russische Föderation

18.2. Behandlungsmöglichkeiten von psychiatrischen Krankheiten (z.B. PTBS, Depressionen, akutes Stresssyndrom, Panische Störungen, Schizophrenie etc.)

Psychiatrische Behandlungen für diverse psychische Behandlungen durch einen Psychologen/Psychiater sind in der gesamten Russischen Föderation verfügbar. Es gibt auch psychiatrische Krisenintervention bei Selbstmordgedanken z.B. im Psychiatric Clinical Hospital #1 in Moskau (BMA 7754).

Posttraumatische Belastungsstörung ist in der gesamten Russischen Föderation behandelbar. Z.B. im Alexeevskaya (Kacshenko) hospital, Zagorodnoye shosse 2, Moscow (BMA 6051). Dies gilt unter anderem auch für Tschetschenien z.B. im Republican Psychoneurological Dispenser, Verkhoyanskaya Str. 10, Grosny (BMA 6551, vgl. BMA 7979).

Wie in anderen Teilen Russlands werden auch in Tschetschenien mentale Krankheiten hauptsächlich mit Medikamenten behandelt, und es gibt nur selten eine Therapie. Die Möglichkeiten für psychosoziale Therapie oder Psychotherapie sind aufgrund des Mangels an notwendiger Ausrüstung, Ressourcen und qualifiziertem Personal in Tschetschenien stark eingeschränkt. Es gibt keine spezialisierten Institutionen für PTBS, jedoch sindt follow-up und Psychotherapie möglich. Ambulante Konsultationen und Krankenhausaufenthalte sind im Republican Psychiatric Hospital of Grozny für alle in Tschetschenien lebende Personen kostenlos. Auf die informelle Zuzahlung wird hingewiesen. Üblicherweise zahlen Personen für einen Termin wegen psychischen Problemen zwischen 700-2000 Rubel. Bei diesem Krankenhaus ist die Medikation bei stationärer und ambulanter Behandlung kostenfrei (BDA 31.3.2015).

Während es in Moskau unterschiedliche Arten von Therapien gibt (kognitive Verhaltenstherapie, Desensibilisierung und Aufarbeitung durch Augenbewegungen (EMDR) und Narrative Expositionstherapie), um PTSD zu behandeln (BMA 7980), gibt es in Tschetschenien nur Psychotherapie und diese in eingeschränktem Maß (BMA 7979). Diverse Antidepressiva sind aber in der gesamten Russischen Föderation verfügbar (BMA 7754, BMA 7979).

Quellen:

18.3. Medikamente

Ambulante Patienten und zu Hause Behandelte müssen Medikamente bezahlen; ausgenommen sind solche, die vom Staat gedeckt sind. In 24-Stunden- und Tageskliniken gibt es kostenfreie Medikamente für Bürger, die von der OMS profitieren. Bei Notfällen sind Medikamente kostenfrei. Gewöhnlich kaufen Russen ihre Medikamente auf eigene Kosten. Bürger mit gewissen Krankheiten wird Unterstützung gewährt, u. a. kostenfreie Medikamente, Sanatorium Behandlung und Transport. Kosten für Medikamente variieren, feste Preise bestehen nicht (IOM 8.2015).

Im Allgemeinen gilt, dass alle russischen Staatsbürger - sowohl im Rahmen einer Krankenpflichtversicherung als auch anderweitig versicherte - für etwaige Medikamentenkosten selbst aufkommen. Ausnahmen von dieser Regelung gelten nur für besondere Personengruppen, die an bestimmten Erkrankungen leiden und denen staatliche Unterstützung zuerkannt worden ist (einschließlich kostenloser Medikation, Sanatoriumsbehandlung und Transport (Nahverkehr und regionale Züge). Die Behandlung und die Medikamente für einige Krankheiten werden auch aus regionalen Budgets bestritten. Die Liste von Erkrankungen, die Patienten berechtigen, Medikamente kostenlos zu erhalten, wird vom Ministerium für Gesundheit erstellt. Sie umfasst: Makrogenitosomie, multiple Sklerose, Myasthenie, Myopathie, zerebrale Ataxie, Parkinson, Glaukom, geistige Erkrankungen, adrenokortikale Insuffizienz, AIDS/HIV, Schizophrenie und Epilepsie, systemisch chronische Hauterkrankungen, Bronchialasthma, Rheumatismus, rheumatische Gicht, Lupus Erythematosus, Morbus Bechterew, Diabetes, Hypophysen-Syndrom, zerebral-spastische Kinderlähmung, fortschreitende zerebrale Pseudosklerose, Phenylketonurie, intermittierende Porphyrie, hämatologische Erkrankungen, Strahlenkrankheit, Lepra, Tuberkulose, akute Brucellose, chronisch-urologische Erkrankungen, Syphillis, Herzinfarktnachsorge (6 Monate nach dem Infarkt), Aorten- und Mitralklappenersatz, Organtransplantationen, Mukoviszidose bei Kindern, Kinder unter drei Jahren, Kinder unter sechs Jahren aus sehr kinderreichen Familien, im Falle bettlägeriger Patienten erhält ein Angehöriger oder Sozialarbeiter die Medikamente gegen Verschreibung. Die Medikamentenpreise sind von Region zu Region und, teilweise auch in Abhängigkeit von der Lage einer Apotheke unterschiedlich, da es in der Russischen Föderation keine Fixpreise für Medikamente gibt (IOM 6.2014).

Quellen:

19. Behandlung nach Rückkehr

Die Rückübernahme russischer Staatsangehöriger aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme (im Folgenden: Rückübernahmeabkommen). Der Rückübernahme geht, wenn die betroffene Person in Österreich über kein gültiges Reisedokument verfügt, ein Identifizierungsverfahren durch die russischen Behörden voraus. Wird dem Rücknahmeersuchen stattgegeben, wird für diese Person von der Russischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Wenn die zu übernehmende Person im Besitz eines gültigen Reisedokuments ist, muss kein Rücknahmeersuchen gestellt werden. Bei Ankunft in der Russischen Föderation müssen sich alle Rückkehrer beim Föderalen Migrationsdienst (FMS) ihres beabsichtigten Wohnortes registrieren. Dies gilt generell für alle russische Staatsangehörige, wenn sie innerhalb von Russland ihren Wohnort wechseln. Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach dem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, wird die ausschreibende Stelle über die Überstellung informiert und, falls ein Haftbefehl aufrecht ist, kann diese Person in Untersuchungshaft genommen werden. Im November 2012 wurde etwa ein per Sammelflug aus Österreich rücküberstellter Tschetschene auf Grundlage eines Haftbefehls wegen KFZ-Diebstahls unmittelbar nach seiner Ankunft am Flughafen in Moskau verhaftet. Wenige Tage später wurde ein weiterer, mit demselben Flug rücküberstellte Tschetschene in Grozny in Haft genommen und zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt. Über beide Fälle wurde in den österreichischen Medien intensiv berichtet. Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern, insbesondere im Nordkaukasus, kann festgestellt werden, dass sie vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Dies betrifft vor allem die im Vergleich zum Rest Russlands hohe Arbeitslosigkeit im Nordkaukasus, die landesweit hohe Inflation sowie das durch die Wirtschaftskrise ausgelöste Sinken der Realeinkommen. Hinzu kommen bürokratische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Dokumenten, die oft nur mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen überwunden werden können (ÖB Moskau 10.2015).

Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland allein deshalb staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Russen mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt sind. Solange die Konflikte im Nordkaukasus, einschließlich der Lage in Tschetschenien, nicht endgültig gelöst sind, ist davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagiert haben bzw. denen ein solches Engagement unterstellt wird, oder die im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren. Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen ständen unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt (AA 5.1.2016).

Zahlreiche russische Staatsbürger, die sich im Ausland aufhalten, stehen in Opposition zur russischen Führung. Im Jahr 2013 hat etwa der ehemalige Schachweltmeister und Regimekritiker Garri Kasparow Russland vorerst verlassen. Der Ende 2013 nach zehnjähriger Haft amnestierte ehemalige Jukos-Eigner Michail Chodorkowskij lebt ebenfalls außerhalb Russlands. Auslieferungsersuchen der russischen Regierung in Bezug auf asylberechtigte Tschetschenen, wie z.B. den "Exilaußenminister" Achmed Sakajew, sind von der britischen Justiz abgelehnt worden. Apti Bisultanow, der ehemalige "Sozialminister" der tschetschenischen Separatistenregierung, sowie der ehemalige "Präsidentenberater" der Separatistenregierung Said-Hassan Abumuslimow leben in Deutschland. Russische Behörden werfen ihnen vor, Terrorismus zu propagieren oder zu verharmlosen. Es ist jedoch nach Kenntnis des Auswärtigen Amts zu keiner Anklageerhebung gegen diese Personen gekommen (AA 5.1.2016).

Quellen:

Das BFA hat fallbezogen eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.08.2016, zur Russischen Föderation, Haftbedingungen in Dagestan für Frauen, eingeholt, die im angefochtenen Bescheid als Beweismittel angeführt wurde und deren entscheidungswesentlichen Passagen sich im angefochtenen Bescheid auch wiederfinden:

Darin wird insbesondere dargelegt, dass es in Dagestan 9 Strafvollzugsanstalten gibt: 6 Strafkolonien, davon eine Strafkolonie für Frauen (IK-8 in Kizilyurt), sowie 3 Isolierzellen für Untersuchungsgefangene. Dort wird auch angeführt, dass der EGMR in einem Piloturteil-Verfahren zum Verfahren Ananyev und andere v. Russland festgestellt hat, dass die Bedingungen in den Untersuchungsgefängnissen (russ. SIZO) einer unmenschlichen und erniedrigen Behandlung gemäß Art. 3 EMRK entsprechen und das Problem systemischer Natur ist.

Weiters wurde in dieser Anfragebeantwortung festgehalten, dass ca. 650.000 Personen in der Russischen Föderation inhaftiert sind. Es gab 6.713 Beschwerden gegen die Haftbedingungen. 2014 gab es 30 Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. 2015 wurde in 109 Fällen zumindest ein Verstoß gegen die EMRK festgestellt, diese Urteile beziehen sich jedoch nicht ausschließlich auf Haftbedingungen in Strafanstalten.

Die Haftbedingungen hängen sehr davon ab, in welcher Art von Strafanstalt eine Person inhaftiert ist, wo sich die Strafanstalt befindet und welcher Bevölkerungsgruppe eine Person angehört. Der Strafvollzug in der Russischen Föderation sieht für Frauen nur eine Art von Straflager vor.

2. Beweiswürdigung:

Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die allgemeinen Feststellungen zur Russischen Föderation sind einem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation entnommen, die nicht nur für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sondern insbesondere auch für das Bundesverwaltungsgericht (§ 5 Abs. 6 BFA-G) zuständig ist, in dem auch die Bezug habenden Primärquellen genauestens aufgelistet sind. Da diese Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichten aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Das BFA hat BF1 und BF2 die Möglichkeit gegeben, zu diesen Länderfeststellungen Stellung zu beziehen, wobei keine substantiierte Stellungnahme abgegeben wurde und auf eine schriftliche Stellungnahme verzichtet wurde.

Soweit die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.08.2016 nicht dem Parteiengehör unterzogen wurde, war darauf zu verweisen, dass dieser Berichts sowohl in die Entscheidung des BFA eingeflossen, dort als Beweismittel angeführt und in den entscheidenden Passagen – wie im Verfahrensgang und den Feststellungen dargelegt – wiedergegeben wurde. Da den Beschwerdeführern sohin die Anfragebeantwortung vom 11.08.2106 in ihren für die Entscheidung wesentlichen Passagen im Bescheid zur Kenntnis gebracht wurde und sie in der Beschwerde die Möglichkeit hatten, dazu Stellung zu beziehen, wurde das Parteiengehör gewahrt. Zur Verlässlichkeit der Quellen gilt das zuvor Gesagte, stammt die Anfragebeantwortung doch auch von der Staatendokumentation.

Soweit seitens der Beschwerdeführer zwei ACCORD-Anfragebeantwortung vom 02.06.2016 und 31.05.2016 übermittelt wurden, hat das BFA vollkommen zu Recht darauf verwiesen, dass sich die Anfragebeantwortungen einerseits speziell mit den Haftbedingungen in Nordossetien und andererseits konkret mit den Haftbedingungen für Tschetschenen innerhalb und außerhalb von Tschetschenien befassen.

Das BFA hat hier vollkommen zu Recht eingewandt, dass BF1 nicht aus Nordossetien stammt und auch keine tschetschenische Volksgruppenzugehörige aus Tschetschenien ist. Die in den ACCORD-Anfragebeantwortungen dargelegte erschwerten Haftbedingungen für Personen, die in Nordossetien inhaftiert sind bzw. die der tschetschenischen Volksgruppe aus Tschetschenien angerhören, treffen auf BF1 nicht zu.

BF1 stammt vielmehr aus Dagestan und gehört der kumykischen Volksgruppe an.

Zusammenfassend ergibt sich aus den zitierten Länderfeststellungen, dass die Haftbedingungen in der Russischen Föderation sehr verschieden sind und sich die Situation seit den 90er Jahren verbessert hat, wobei es seit 2012 einen Aktionsplan zur Verbesserung der Situation gibt. Sie entsprechen aber zum Teil noch immer nicht den allgemein anerkannten Mindeststandards, wobei dies insbesondere für die Untersuchungshaft gilt.

Die Haftbedingungen hängen sehr davon ab, in welcher Art von Strafanstalt eine Person inhaftiert ist, wo sich die Strafanstalt befindet und welcher Bevölkerungsgruppe eine Person angehört. Der Strafvollzug in der Russischen Föderation sieht für Frauen nur eine Art von Straflager vor.

Gemäß der Strafvollzugsordnung der Russischen Föderation sollten Gefangene ihre Haftstrafen dort verbüßen, wo sie verurteilt wurden oder wo sie leben.

Geht man von dieser Prämisse aus, muss vorweg festgehalten werden, dass BF1 für den Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation nicht in Untersuchungshaft kommen würde, weshalb die gerade in der Untersuchungshaft in Haftanstalten der Russischen Föderation dargelegten Bedingungen, die regelmäßig Art. 3 EMRK verletzen, im vorliegenden Fall nicht schlagend werden.

Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei der BF auch um keine Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe. Sie und BF2 werden auch nicht im Zusammenhang mit dem tschetschenischen Widerstand gesucht, was in den Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 15.07.2013 (BF1 und BF2) ausführlich dargelegt wurde. Spruchpunkt I. bzw. der negative Abspruch über die Erteilung des Status von Asylberechtigten ist in Rechtskraft erwachsen. In diesen Erkenntnissen wurde das Vorbringen von BF2 im Zusammenhang mit der Widerstandsbewegung als vollkommen unglaubwürdig enttarnt und wird um ständige Wiederholungen zu vermeiden, auf die beweiswürdigenden Überlegungen, die im Verfahrensgang vollständig wiedergegeben sind, verwiesen.

Eine politisch motivierte Verfolgung wurde in den Erkenntnissen vom 15.07.2013 (BF1 und BF2) für die Beschwerdeführerin ebenso verneint. Vielmehr kam der Asylgerichtshof in diesem Erkenntnis nach umfassender Beweiswürdigung zum Schluss, dass BF1 ein kriminelles Verhalten gesetzt hat und dahingehend rechtmäßige Schritte in Zivil- und Strafverfahren gesetzt wurden und sich keine Anhaltspunkte für ein von mächtigen Personen beeinflusstes Verfahren finden. Auch hier war auf die im Verfahrensgang vollständig wiedergegebenen beweiswürdigenden Überlegungen in den Erkenntnissen vom 15.07.2013 (BF1 und BF2) zu verweisen.

Auch im Beschluss des Asylgerichtshofes über die Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren vom 05.09.2013 erfolgte die Wiederaufnahme lediglich betreffend den subsidiären Schutzstatus und die Ausweisungsentscheidung. Auch dort wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Beschwerdeführer aus privaten Gründen ausgereist sind, nämlich um den gerechtfertigten zivilgerichtlichen Forderungen gegen BF1 und den drohenden strafrechtlichen Konsequenzen zu entgehen.

In seinen Entscheidungen hat der Asylgerichtshof insbesondere herausgearbeitet, dass die Vorwürfe von BF1 hinsichtlich eines ungerechtfertigt gegen sie fabrizierten Verfahrens in das höchste FSB-Kreise involviert sein sollen, vollkommen unglaubwürdig sind und auch an der Verfahrensführung sowie dem gewährten Rechtsschutz im Herkunftsstaat nichts auszusetzen ist.

Eine politische Dimension der strafrechtlichen Verurteilung war demnach zu verneinen und handelt es sich bei den Straftatbeständen, die BF1 verwirklich hat, um Wirtschaftskriminalität jedoch insbesondere nicht um politische Delikte, was sich aus dem von BF1vorgelegten Unterlagen, insbesondere dem Beschluss des Richters aus XXXX vom XXXX , aber auch aus den Fahndungsunterlagen von XXXX ergibt.

BF1 ist demnach eine russische Staatsangehörige, die aufgrund ihrer kriminellen Energie (Vermögens- bzw. Wirtschaftsdelikte) zu einer XXXX Haftstrafe verurteilt wurde. Erschwerende bzw. benachteiligende Elemente in der Strafhaft wie eine politische Dimension oder eine tschetschenische Volksgruppenzugehörigkeit liegen nicht vor und handelt es sich bei der zu verbüßenden Haft um eine Straf- und keine Untersuchungshaft.

Zum Ort der Verbüßung der Haftstrafe war festzuhalten, dass diese gemäß der Strafvollzugsordnung der Russischen Föderation dort verbüßt werden soll, wo der Straftäter verurteilt wurde oder lebt.

Auch wenn es im Lichte der Länderfeststellungen immer wieder zur Verbüßung von Haftstrafen an einem weit entfernten Ort kommt, kann dies im vorliegenden Fall nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, gibt es laut Länderinformationen in Dagestan doch neun Strafvollzugsanstalten: 6 Strafkolonien, davon eine Strafkolonie für Frauen (IK-8 in Kizilyurt), sowie 3 Isolierzellen für Untersuchungsgefangene.

Hier war auch auf die besonderen Rücksichtnahmen durch das Gericht im Herkunftsstaat in Bezug auf die Lebensumstände von BF1 zu verweisen.

So wird auf den bereits erwähnten Beschluss des Richters aus der Stadt XXXX vom XXXX über die Bestimmung des Wohnortes der minderjährigen Kinder verwiesen. In diesem Beschluss wird die Obsorge betreffend BF3 an BF2 und betreffend die in der Russischen Föderation aufhältige Tochter von BF1 an deren Mutter übertragen. In diesem Beschluss wurde auch insbesondere berücksichtigt, dass BF1 verheiratet und für zwei minderjährige Kinder unterhaltspflichtig ist.

Aber auch bereits zuvor im laufenden Verfahren wurden die persönlichen Lebensumstände von BF1 – insbesondere ihre familiäre Situation – entsprechend berücksichtigt.

So wurde in einer Pfändungsanordnung vom XXXX auf die Verhängung einer Sicherheitsmaßnahme in Form der Inhaftnahme von BF1 verzichtet und dies umfassend insbesondere damit begründet, dass BF1 minderjährige Kinder hat. Dort wird gleichzeitig festgehalten, dass BF1 verdächtigt wird, eine Straftat des mittleren Grades verübt zu haben. Auch wurde darauf Bezug genommen, dass die BF1 einen Säugling hat.

Es wurde demnach im Verfahren gegen BF1 unter Rücksichtnahme auf ihre familiäre Situation insbesondere im Hinblick auf ihre minderjährigen Kinder von einer Sicherungshaft abgesehen und selbst nach der strafrechtlichen Verurteilungen gerichtliche Vorkehrungen zum Verbleib ihrer minderjährigen Kinder getroffen, weshalb im individuellen Fall von BF1 und deren Familie nicht erkannt werden kann, inwieweit im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat bei ihrer Inhaftierung nicht weiterhin das Wohl ihrer minderjährigen Kinder im Vordergrund stehen soll.

Zumal es demnach mehrere Haftanstalten in Dagestan und sogar eine speziell für Frauen geben soll und bislang in ihrem Fall die Gerichte berücksichtigt haben, dass sie Mutter minderjähriger Kinder ist, kann nicht erkannt werden, weshalb dieser Umstand für den Fall einer Rückkehr nicht weiterhin entsprechend berücksichtigt werden sollte.

Es war hier im Übrigen noch einmal festzuhalten, dass BF1 in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren zu einer mehrjährigen Haftstrafe rechtskräftig verurteilt wurde und Teil der Strafrechtspflege eines jeden Staates die Effektuierung von Zwangsmaßnahmen darstellt.

Im konkreten Fall von BF1 ist nach all dem Gesagten in Zusammenschau mit den Länderinformationen zu den Bedingungen während der Strafhaft in der Russischen Föderation nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Umstand, dass BF1 in der Russischen Föderation ihre Strafhaft aufgrund ihres kriminellen Verhaltens verbüßen muss, eine Verletzung von Art. 3 EMRK mit sich bringt.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit von BF1 und BF2 ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellung, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation die notdürftigste Lebensgrundlage zur Verfügung steht bzw. sie in keine ausweglose Situation geraten würden, ergibt sich aus den Ausführungen von BF1 und BF2 vor dem BFA am 24.06.2016.

Sowohl BF1 als auch BF2 verfügen im Herkunftsstaat über Eltern bzw. Elternteile sowie mehrere Geschwister, die selbst verheiratet sind bzw. Kinder haben.

Die Tochter von BF1 lebt bei der Mutter von BF1, wo auch ihr Bruder wohnt, der die Familie unterstützt. Die Familienmitglieder haben teils gute Berufe und können die Familienmitglieder im Herkunftsstaat den lebensnotwendigen Unterhalt erwirtschaften.

Insbesondere mit der Familie von BF1 und hier insbesondere mit der Tochter von BF1 besteht intensiver Kontakt.

BF2 konnte ebenso wie BF1 vor dem BFA genaue Auskünfte über den Verbleib seiner Angehörigen im Herkunftsstaat geben. Auch dessen Familie lebt finanziell abgesichert im Herkunftsstaat und schilderte BF2, dass seine Eltern in der Vergangenheit eine Schwester nach der Scheidung vorübergehend bei sich aufgenommen hätten.

Soweit BF2 Unterstützungsmöglichkeiten durch seine Familie verneint, muss dies im Lichte des Akteninhalts als bloße Schutzbehauptung gewertet werden.

Im Lichte des amtsbekannten familiären und im vorliegenden Fall in der Vergangenheit bereits gelebten familiären Zusammenhalts der Großfamilie im Kaukasus, können die Beschwerdeführer für den Fall einer Rückkehr evidentermaßen auf Unterstützung durch den Familienverband zählen.

BF1 und BF2 konnten bis zur Ausreise ihren Lebensunterhalt aus eigenem erwirtschaften, wobei eine Versorgung des BF2 und der minderjährigen Kinder (BF3 bis BF5) im Lichte des sozialen Rückhalts durch die Familie auch im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat möglich sein wird.

Während BF1 in Haft ist, wird BF2 mit Unterstützung der Familie den lebensnotwendigen Unterhalt für die Familie erwirtschaften können, zumal BF2 im Herkunftsstaat stets berufstätig gewesen ist und auch vor dem BFA zuletzt als arbeitswillig und -fähig in Erscheinung getreten ist.

BF2 ist auch mit der Haushaltsführung und Betreuung der Kinder – auch der Kleinkinder – vertraut, was sowohl von BF1 als auch von BF2 bestätigt wurde.

Im Lichte der bereits getroffenen gerichtlichen Regelung betreffend die beiden ältesten Kinder, ist davon auszugehen, dass BF2 während der Haft von BF1 auch die Obsorge seiner leiblichen Kinder (BF4 und BF5) übertragen wird.

Es wurde bereits dargelegt, dass im Lichte der Länderinformationen und der individuellen Umstände von BF1 davon auszugehen ist, dass sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ihre Haftstrafe in Dagestan verbüßen müssen wird und dabei keiner Verletzung von Art. 2 bzw. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Was die Rückkehrbefürchtung von BF2 betrifft, die er am 24.06.2016 als maßgeblichen Grund nannte, warum er nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren könne, war wiederum auf die entsprechenden Ausführungen im rechtskräftigen Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 15.07.2013 zu verweisen, wonach eine individuelle staatliche oder private Verfolgung von BF2 im Herkunftsstaat vollkommen unglaubwürdig ist. Eine Verfolgung durch den FSB oder sonstiger staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure, die nach dem Leben von BF2 trachten, war infolge des durchgeführten umfassenden Verfahrens vor dem Asylgerichtshof und der in diesem Verfahren getroffenen rechtskräftigen Entscheidung betreffend das Nichtvorliegen von Asylgründen zu verneinen.

Nach dem Gesagten steht auch die Strafhaft von BF1 der Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat nicht entgegen.

Was die in den Länderinformationen genannte allgemeine schlechte Lage in Dagestan betrifft, die auch in der Beschwerde releviert wurde, war im Fall der Beschwerdeführer festzuhalten, dass sowohl die Familie von BF1 als auch von BF2 dort aufhältig ist und offenbar finanziell abgesichert und ohne Probleme lebt und durch die Möglichkeit der Rückkehr in den Großfamilienverband von keiner Art. 3 EMRK verletzenden Situation für den Fall einer Rückkehr aufgrund der allgemeinen Lage in Dagestan auszugehen ist.

Es war schließlich unter Verweis auf die Länderinformationen die allgemeine Gefährdung von allen Rückkehrern wegen des Faktums ihrer Rückkehr zu verneinen.

Letztendlich lässt sich aus allgemeinen Berichten zur Russischen Föderation keine sonstige Gefährdungslage im Fall der Rückkehr feststellen.

Schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen bzw. ein akuter Behandlungsbedarf wurden nicht vorgetragen, sondern erklärten BF1 und BF2 – auch für die minderjährigen BF3 bis BF5 – gesund zu sein. Aus dem Akteninhalt sind auch keine aktuellen Erkrankungen der Beschwerdeführer erkennbar und wurden solche auch in der Beschwerde nicht vorgetragen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A)

Zur Nichtgewährung des Status eines Asylberechtigten betreffend BF5:

Stellt gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 ein Familienangehöriger (§ 2 Abs. 1 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist; einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen (§ 34 Abs. 4 AsylG 2005).

Familienangehöriger iSd. § 2 Z 22 AsylG 2005 ist, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, ist.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Der Status eines Asylberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach einer Prognose zu erstellen ist. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom E 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).

Glaubhaftmachung bedeutet, die Behörde davon zu überzeugen, dass der behauptete Sachverhalt wahrscheinlich verwirklicht oder nicht verwirklicht worden ist (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I², Anm 1 zu § 45, S. 640). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (VwGH 29.04.1992, 90/13/0201; 22.12.1992, 91/04/0019; 11.06.1997, 95/01/0627; 19.03.1997, 95/01/0466).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie bereits oben dargestellt wurde, sind Anträge von BF1 und BF2 – was den Status von Asylberechtigten betrifft mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 15.07.2013 rechtskräftig negativ entschieden worden. Nach dieser rechtskräftigen Entscheidung kommt dem Vorbringen von BF1 und BF2 zu den behaupteten Fluchtgründen keine Glaubwürdigkeit zu, weshalb es BF1 und BF2 – BF5 hat keine eigenen Fluchtgründe – insgesamt nicht gelungen ist, eine konkret und gezielt gegen ihre Personen gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation und insbesondere zu Dagestan sowie der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens kann daher nicht erkannt werden, dass BF5 im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

Die Beschwerde von BF5 gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

Zur Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes betreffend alle Beschwerdeführer:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Der (vormalige) § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 verwies auf § 57 Fremdengesetz (FrG), BGBl. I 75/1997 idF BGBl. I 126/2002, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vormaligen § 57 FrG – welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 übertragen werden kann – ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028).

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH jeweils vom 31.03.2005, 2002/20/0582, 2005/20/0095).

Die Anerkennung des Vorliegens einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person, die als Zivilperson die Gewährung von subsidiärem Schutz beantragt, setzt nicht voraus, dass sie beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Eine solche Bedrohung liegt auch dann vor, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH 17.02.2009, Elgafaji, C-465/07 , Slg. 2009, I-0000, Rn 45).

Wie bereits oben ausgeführt wurde, haben die Beschwerdeführer keine ihnen konkret drohende aktuelle, an asylrelevante Merkmale iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität bzw. keine für eine aktuell drohende unmenschliche Behandlung oder Verfolgung sprechende Gründe glaubhaft vorgebracht und es kann daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass den Beschwerdeführern in der Russischen Föderation eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.

Dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation (Dagestan) die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, 2003/01/0059, zur dargestellten "Schwelle" des Art. 3 EMRK), kann im Beschwerdefall nicht angenommen werden. Vor dem Hintergrund der getroffenen Länderfeststellungen kann im Zusammenhalt mit dem genannten Vorbringen von BF1 und BF2 daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführer in der Russischen Föderation (Dagestan) in ihrer Existenz bedroht wären.

Beweiswürdigend wurde bereits umfassend unter Berücksichtigung der individuellen Situation von BF1 und den Länderinformationen festgehalten, dass eine Verbüßung der Haftstrafe im Herkunftsstaat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Art. 2 und 3 EMRK verletzt. Es konnte nicht erkannt werden, dass BF1 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Haftbedingungen ausgesetzt ist, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK mit sich bringen.

Im Übrigen wurde beweiswürdigend dargelegt, dass auch unter Berücksichtigung der Strafhaft von BF1 davon auszugehen ist, dass BF2 mit den übrigen minderjährigen Kindern bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat in keine ausweglose Situation gerät, zumal sich dort die Familien von BF1 und BF2 aufhalten, die unterstützend zur Seite stehen können.

Im Lichte dieses familiären bzw. sozialen Umfeldes sowie einer möglichen Arbeitsaufnahme des gesunden, arbeitswilligen und arbeitsfähigen BF2 konnten die Beschwerdeführer nicht darlegen, für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Auch dahingehend war auf die umfassenden beweiswürdigenden Überlegungen zu verweisen.

Zudem leiden die Beschwerdeführer – wie in der Beweiswürdigung ausgeführt – an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, sodass auch ihre gesundheitliche Verfassung einer Abschiebung nicht entgegen steht (zur Judikatur hinsichtlich der Abschiebung kranker Fremder vgl. VfSlg. 18.407/2008).

Es sind weiters keine Umstände amtsbekannt, dass in der Russischen Föderation (in Dagestan) aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, ist die Situation in der Russischen Föderation (Dagestan) auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr der Beschwerdeführer für diese als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde; in Tschetschenien ist aktuell eine Zivilperson nicht alleine aufgrund ihrer Anwesenheit einer solchen Bedrohung ausgesetzt.

Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann daher ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden und ist daher die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. de angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abzuweisen.

Auch aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens der Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 4 iVm. § 2 Z 22 AsylG 2005 war kein anderes Ergebnis begründbar, da keinem der Beschwerdeführer Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt worden ist.

Zur Rückkehrentscheidung:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

BF1 bis BF3 befinden sich seit ihrer illegalen Einreise im Mai 2011, BF4 seit seiner Geburt im November XXXX (mit mehrmonatiger Unterbrechung) im Bundesgebiet und BF5 seit seiner Geburt im Februar 2016. Ihr Aufenthalt ist nicht im Sinne der genannten Bestimmung geduldet. Keiner der Beschwerdeführer ist Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen oder Opfer von Gewalt geworden. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in den Beschwerden auch nur behauptet wurde.

Im vorliegenden Verfahren erfolgten die Abweisungen der Anträge auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status von subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die Beschwerdeführer sind keine begünstigten Drittstaatsangehörigen und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

Wie vom BFA zutreffend ausgeführt, bedeutet die Rückkehrentscheidung im konkreten Fall keinen Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführer, und zwar aus folgenden Gründen:

Die Beschwerdeführer verfügen in Österreich über keine relevanten familiären Beziehungen zu einer zum dauernden Aufenthalt berechtigten Person. Sie führen zwar als Eltern und minderjährige Kinder ein schützenswertes Familienleben, doch sind sie allesamt Asylwerber und ihre Asylverfahren sind allesamt negativ entschieden worden.

Die Beschwerdeführer, die unzweifelhaft ein Familienleben miteinander führen, sind daher allesamt im selben Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen, weswegen im Falle einer gemeinsamen Rückkehr in den Herkunftsstaat diesbezüglich kein Eingriff in das Familienleben iSd. Art 8 EMRK vorliegt.

Soweit in der Beschwerde Judikatur zitiert wird, wonach es bei der Ausweisung eines Elternteiles mit den minderjährigen Kindern in den Herkunftsstaat zu einer Verletzung des Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK unter Berücksichtigung des Kindeswohles kommt, war festzuhalten, dass die Judikate asyl- und fremdenrechtliche Fälle betreffen und gegenständliche Entscheidung vollkommen anders gelagert ist.

Alle Beschwerdeführer sind als Familie von einer Rückkehr in den Herkunftsstaat betroffen. Soweit BF1 im Herkunftsstaat ihre Strafhaft zu verbüßen hat und es dort zu einer vorübergehenden Trennung von BF1 und den minderjährigen Kindern kommt, war festzuhalten, dass beweiswürdigend insbesondere festgehalten wurde, dass die staatlichen Behörden im Herkunftsstaat in den gegen BF1 geführten Verfahren insbesondere ihre familiäre Situation und hier insbesondere das Kindeswohl berücksichtigt haben und sie deshalb beispielsweise nicht in Sicherungshaft genommen wurde. Beweiswürdigend wurde auch darauf verwiesen, dass BF1 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ihre Haftstrafe in Dagestan verbüßen wird und davon auszugehen ist, dass BF1 mit den minderjährigen Kindern entsprechend Kontakt halten können wird.

Für BF3 und die im Herkunftsstaat seit vielen Jahren getrennt lebende Tochter gibt es im Übrigen bereits eine Regelung der Obsorge und ist davon auszugehen, dass BF2 – als leiblicher Vater – bei einer Rückkehr die alleinige Obsorge für BF4 und BF5 für die Dauer der Haft von BF1 übertragen erhält.

Im vorliegenden Fall liegt die vorübergehende Trennung der Mutter von ihren minderjährigen Kindern in ihrem kriminellen Verhalten begründet, das – wie in jedem anderen Rechtsstaat auch – entsprechende strafrechtliche Konsequenzen in Form einer Haftstrafe nach sich gezogen hat.

Ist im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben iSd. Art. 8 EMRK zu verneinen, bleibt noch zu prüfen, ob mit der Rückkehrentscheidung in das Privatleben der Beschwerdeführer eingriffen wird und ob ein derartiger Eingriff gerechtfertigt ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

Allerdings ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH vom 17.12.2007, 2006/01/0126, mit weiterem Nachweis).

BF1 bis BF3 halten sich seit Mai 2011, BF4 seit seiner Geburt im November XXXX , also über fünf und unter sechs Jahre, im Bundesgebiet auf. BF5 hält sich seit seiner Geburt im Februar XXXX , also ca. ein Jahr, im Bundesgebiet auf. All Beschwerdeführer haben ihren Aufenthalt auf letztlich unbegründet gebliebene Asylanträge gestützt.

Gemäß der aktuellen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist die Integration von Asylwerbern stärker zu berücksichtigen, wenn – anders als in Fällen, in denen die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basierte – diese während eines einzigen Asylverfahrens erfolgt ist und von den Asylwerbern nicht schuldhaft verzögert wurde (vgl. VfGH 07.10.2010, B 950/10 u.a., wonach es die Verantwortung des Staates ist, die Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren so effizient führen zu können, dass nicht bis zur ersten rechtskräftigen Entscheidung – ohne Vorliegen außergewöhnlich komplexer Rechtsfragen und ohne, dass den nunmehrigen Beschwerdeführer die lange Dauer des Asylverfahrens anzulasten wäre – 7 Jahre verstreichen). Diese Judikatur wurde durch die Einführung der lit. I in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 im Rahmen der Novelle BGBl. I Nr. 38/2011 umgesetzt und findet sich nunmehr in § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG.

Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeverhandlung, kann nicht erkannt werden, inwieweit die Dauer des bisherigen Aufenthaltes der Beschwerdeführer in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet sein soll. Vielmehr wurden die Anträge von BF1 bis BF4 mit Entscheidungen des Asylgerichtshofes vom 15.07.2013 rechtskräftig negativ entschieden. Während BF1 bis BF4 einen Wiederaufnahmeantrag stellten, reisten sie nach Deutschland weiter. Der Beschluss des Asylgerichtshofes über die Wiederaufnahme eines Teiles des Verfahrens datiert mit 05.09.2013 und wurden BF1 bis BF4 nach erfolgloser Antragstellung in Deutschland im Rahmen von Dublin-Konsultationen im Dezember 2013 nach Österreich rücküberstellt. Es wurden Unterlagen betreffend BF1 in Zusammenhang mit ihrer strafrechtlichen Verurteilung im Herkunftsstaat vorgelegt. Es ist schließlich auch XXXX an die österreichischen Behörden in Bezug auf die zu verbüßende Haftstrafe von BF1 in die Russische Föderation herangetreten. In den ersten Monaten des Verfahrens sind BF1 bis BF3 schließlich unter falschen Identitäten und mit falschen Fluchtgründen im Asylverfahren aufgetreten. Auch wenn demnach nicht unmittelbar nach der Rücküberstellung von BF1 bis BF4 eine neuerliche Entscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren getroffen wurde, kann insgesamt keine derart lange schuldhafte Verzögerung seitens der belangten Behörde erkannt werden, der in der vorliegenden Fallkonstellation eine hervorgehobene Bedeutung zukommen könnte. Im Übrigen handelt es sich um ein höchst umfangreiches Verfahren.

Zur mehr als fünfjährigen Aufenthaltsdauer war auch festzuhalten, dass BF1 bis BF4 im Juli 2013 offensichtlich trotz gestelltem Wiederaufnahmeantrag kein Interesse gehabt haben, sich weiterhin in Österreich aufzuhalten, sondern es vorzogen, nach Deutschland zu reisen, um dort Anträge auf internationalen Schutz zu stellen. Dort haben sie sich auch mehrere Monate aufgehalten und sind erst Ende des Jahres 2013 zurückgekehrt.

Hier war zur Abrundung auf die deutsche Rechtsprechung und zwar einen Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 10.05.2006, 11 s 2354/05 zu verweisen, der sich mit der aufenthaltsrechtlichen Stellung während eines langjährigen Aufenthaltes und der Berücksichtigung bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK auseinandergesetzt und sich dabei auf EGMR-Judikatur stützt: "Der EGMR hat in seiner grundlegenden Entscheidung zur Bedeutung der EMRK im Rechts des Aufenthalts von Ausländern vom 28.05.1985 (<Abdulaziz>, NJW 1986, 3007 ff.) betont, dass zum einen die Vertragsstaaten im Bereich des nicht klar umrissenen Begriffs der "Achtung" des Familien- und Privatlebens über einen weiten Ermessensspielraum verfügen und sie zum anderen das Recht haben, die Einwanderung von Personen, die nicht ihre Nationalität haben, in ihr Staatsgebiet zu kontrollieren. In seinen Entscheidungen vom 16.09.2004 (<Ghiban>, NVwZ 2005, 1046 ff.) und vom 07.10.2004 (<Dragan>, NVwZ 2005, 1043) hat der EGMR nochmals darauf verwiesen, dass die Konvention nicht das Recht eines Ausländers garantiere, in einen bestimmten Staat einzureisen oder sich dort aufzuhalten oder nicht ausgewiesen zu werden. Die Vertragsstaaten hätten vielmehr nach allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsätzen das Recht, über die Einreise, den Aufenthalt und die Abschiebung fremder Staatsangehöriger zu entscheiden. Auch wenn die Frage, welche rechtliche Qualität ein Aufenthalt haben muss, um Grundlage eines i.S.v. Art. 8 Abs. 1 EMRK schützenswerten Privat- oder Familienlebens sein zu können, in der Rechtsprechung des EGMR soweit ersichtlich noch nicht eindeutig geklärt ist (offen gelassen z. B. im Urteil vom 16.09.2004 <Ghiban>, a. a.O.), ist jedenfalls festzuhalten, dass allein ein langdauernder faktischer Aufenthalt auch aus der Sicht des EMRK nicht ausreichend ist. In der o.g. Entscheidung Ghiban heißt es ausdrücklich, Art. 8 Abs. 1 EMRK dürfe nicht so ausgelegt werden, als verbiete er allgemein die Abschiebung eines fremden Staatsangehörigen nur deswegen, weil dieser sich eine bestimmte Zeit im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates aufgehalten habe (im Ergebnis ebenso EGMR vom 07.10.2004 in der Sache Dragan, a.a.O.). In beiden Verfahren hatten sich die Beschwerdeführer zwar viele Jahre in Deutschland aufgehalten, jedoch einen Aufenthaltstitel nicht oder nur für sehr kurze Zeit erlangt. Auf dieses fehlende Aufenthaltsrecht hat der EGMR bei seinen Entscheidungen jeweils maßgeblich abgestellt. Eine rechtsgrundsätzliche Festlegung im Sinne der Entbehrlichkeit eines rechtmäßigen Aufenthalts dürfte auch der Entscheidung des EGMR vom 16.06.2005 (<Sisojeva>, a.a.O.), nicht zu entnehmen sein. Zwar wird darin ein auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 1 EMRK begründeter Anspruch auf dauerhafte Legalisierung des Aufenthalts anerkannt. Der Fall ist indessen von der Besonderheit geprägt, dass die Beschwerdeführer zum einen lange Zeit ordnungsgemäß im Vertragsstaat gewohnt hatten und ihr aufenthaltsrechtlicher Status erst im Anschluss an politische Umwälzungen – die Auflösung der Sowjetunion und die Unabhängigkeit Lettlands – aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit in Frage gestellt worden ist und ihnen zum anderen jedenfalls die rechtliche Möglichkeit eröffnet war, einen befristeten legalen Aufenthaltsstatus zu erlangen. Eine vergleichbare Situation ist bei den Antragstellern nicht gegeben."

Im Fall Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich erachtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Ausweisung einer ugandischen Asylwerberin aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK als zulässig, obwohl die Beschwerdeführerin, die erfolglos Asyl begehrt hatte, in der Zwischenzeit bereits fast 10 Jahre in Großbritannien aufhältig gewesen war: Ihrem Hinweis auf ihr zwischenzeitlich begründetes Privatleben, nämlich dass sie sich mittlerweile an einer Kirchengemeinschaft beteiligt habe, berufstätig geworden und eine Beziehung zu einem Mann entstanden sei, hielt der Gerichtshof entgegen, dass die Beschwerdeführerin keine niedergelassene Einwanderin und ihr vom belangten Staat nie ein Aufenthaltsrecht gewährt worden sei. Ihr Aufenthalt im Vereinigten Königreich während der Anhängigkeit ihrer verschiedenen Asylanträge und Menschenrechtsbeschwerden sei immer prekär gewesen, weshalb ihre Abschiebung nach Abweisung dieser Anträge durch eine behauptete Verzögerung ihrer Erledigung durch die Behörden nicht unverhältnismäßig werde (EGMR 8.4.2008, 21.878/06, NL 2008, 86, Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich).

Im Fall Omoregie u.a. gegen Norwegen, der die Ausweisung eines ehemaligen (nigerianischen) Asylwerbers betraf, erkannte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ebenfalls keine Verletzung von Art. 8 EMRK, obwohl der Beschwerdeführer während seines Asylverfahrens eine Lebensgemeinschaft mit einer norwegischen Staatsangehörigen gegründet hatte und Vater einer gemeinsamen Tochter geworden war, da sich der Beschwerdeführer, der seine Lebensgefährtin (nach Abweisung des Asylantrages) geehelicht hatte, über die Unsicherheit seines fremdenrechtlichen Aufenthaltsstatus in Norwegen bereits zu Beginn der Beziehung im Klaren sein habe müssen (EGMR 31.7.2008, 265/07, Darren Omoregie u.a. v. Norwegen). In derartigen Fällen könne die Ausweisung eines Fremden nach Ansicht des Gerichtshofes (wie er im Fall da Silva und Hoogkamer gegen Niederlande hervorhob) nur unter außergewöhnlichen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen (EGMR 31.1.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer gegen Niederlande mwN).

Unter Berufung auf diese Judikatur hatte der Verfassungsgerichtshof etwa in VfSlg. 18.224/2007 keine Bedenken gegen die Ausweisung eines kosovarischen Staatsangehörigen trotz seines 11-jährigen Aufenthaltes, da sich der Aufenthalt (zunächst) auf ein für Studienzwecke beschränktes Aufenthaltsrecht gegründet hatte und vom Beschwerdeführer nach zwei Scheinehen schließlich durch offenkundig aussichtslose bzw. unzulässige Asylanträge verlängert wurde.

Keine Verletzung von Art. 8 EMRK erblickte auch der Verwaltungsgerichtshof in der Ausweisung eines ukrainischen (ehemaligen) Asylwerbers, der im Laufe seines rund sechseinhalbjährigen Aufenthaltes durch den Erwerb der deutschen Sprache, eines großen Freundeskreises sowie der Ausübung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungen (sowie mit seiner Unbescholtenheit) seine Integration unter Beweis gestellt hatte, da – wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. ausführte – die integrationsbegründenden Umstände während eines Aufenthaltes erworben wurden, der "auf einem (von Anfang an) nicht berechtigten Asylantrag" gegründet gewesen sei (VwGH 8.7.2009, 2008/21/0533; vgl. auch VwGH 22.1.2009, 2008/21/0654). Auch die Ausweisung eines unbescholtenen nigerianischen (ehemaligen) Asylwerbers, der beinahe während seines gesamten und mehr als 9-jährigen Aufenthaltes in Österreich einer legalen sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen war, über sehr gute Deutschkenntnisse verfügte und nie öffentliche Unterstützungsleistungen in Anspruch genommen hatte, beanstandete der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK nicht, wobei er auch dem Argument des Beschwerdeführers, dass über seine Berufung in seinem Asylverfahren ohne sein Verschulden erst nach 7 Jahren entschieden worden war, keine entscheidende Bedeutung zugestand: Vielmehr vertrat er die Ansicht, dass der Fremde spätestens nach der erstinstanzlichen Abweisung seines Asylantrages – auch wenn er subjektiv berechtigte Hoffnungen auf ein positives Verfahrensende gehabt haben sollte – im Hinblick auf die negative behördliche Beurteilung des Antrages von einem nicht gesicherten Aufenthalt ausgehen habe müssen (VwGH 29.4.2010, 2010/21/0085). Keine außergewöhnlichen Umstände iSd Art. 8 EMRK, die es unzumutbar machen würden, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen, erkannte der Verwaltungsgerichtshof auch bei der Ausweisung eines (ehemaligen) chinesischen Asylwerbers, der in den letzten sieben Jahren seines rund achteinhalb Jahre andauernden Aufenthaltes in Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen war und über eine österreichische Lebensgefährtin verfügte (VwGH 29.6.2010, 2010/18/0209; vgl. ähnlich auch VwGH 13.4.2010, 2010/18/0087). Zum selben Ergebnis gelangte der Verwaltungsgerichtshof bei der Ausweisung eines georgischen (ehemaligen) Asylwerbers, der sich schon fast 8 Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hatte, über gute Deutsch-Kenntnisse verfügte und selbständig erwerbstätig war: Der Verwaltungsgerichtshof wies darauf hin, dass eine Reintegration des Beschwerdeführers (nicht zuletzt auch aufgrund seines Schulbesuchs in seiner Heimat) trotz behaupteter Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche in Georgien weder unmöglich noch unzumutbar erscheine (VwGH 6.7.2010, 2010/22/0081).

Unter Berücksichtigung der mit der Beschwerde und im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen ergibt sich Folgendes:

Die Beschwerdeführer haben in der Zeit ihres Aufenthaltes kaum Ansätze einer Integration, jedoch keinesfalls eine fortgeschrittene Integration dargelegt. BF1 bis BF4 haben es während ihres anhängigen Wiederaufnahmeverfahrens vorgezogen, nach Deutschland weiterzureisen, um auch dort einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, anstatt das Wiederaufnahmeverfahren abzuwarten. Bis zu diesem Zeitpunkt ist es offenbar zu keiner nennenswerten Integration gekommen und ist eine solche auch seit dem neuerlichen Aufenthalt im Bundesgebiet ab Dezember 2013 nicht passiert. In den letzten drei Jahren ihres durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet haben sich BF1 bis BF4 durchgehend in Grundversorgung befunden und sind auch im Rahmen der Grundversorgung in einem Quartier für Asylwerber untergebracht.

BF1 und BF2 legten zwar Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen vor, ein Deutschzertifikat auf dem Niveau A2 wurde jedoch weder von BF1 noch von BF2 vorgelegt, wobei dies bei einem über fünfjährigen Aufenthalt im deutschsprachigen Raum verwundert.

Zum vorgelegten Schreiben der Firma XXXX aus August 2016, wonach BF2 dort eine Arbeit für den Fall der Erfüllung der rechtlichen Voraussetzungen erhalten könnte, war auszuführen, dass dieses Schreiben insbesondere nicht die Anforderungen an einen Vorvertrag erfüllt und vollkommen oberflächlich gehalten ist. Es wird dort weder erklärt, für welche Tätigkeit BF2 angestellt werden sollte, noch dargelegt, welchen Lohn/welches Gehalt BF2 erhalten würde. Das Schreiben kann demnach nicht als verbindlicher arbeitsrechtlicher Vorvertrag gewertet werden. Im Zusammenhang mit einer Arbeitssuche muss jedoch unabhängig vom vorgelegten Schreiben festgehalten werden, dass BF2 über keine ausreichenden Deutschkenntnisse und keine abgeschlossene Ausbildung verfügt, auch wenn er sich im Herkunftsstaat selbst ein Handwerk beigebracht hat und dort ohne Ausbildung arbeiten konnte. Eine Ausübung dieses Handwerks ist ohne Ausbildung – im Vergleich zum Herkunftsstaat – nur erschwert möglich und ist bei der geringen Qualifikation und den geringen Sprachkenntnissen von BF2 lediglich die Aufnahme einer Hilfstätigkeit im Bundesgebiet absehbar. Mit einer derartigen Tätigkeit ist aber nicht erkennbar, wie es BF2 möglich sein soll, das Gehalt/den Lohn zur Erwirtschaftung des Lebensunterhalts für eine fünfköpfige Familie zu erzielen.

BF2, die drei minderjährige Kinder zu versorgen hat, ist in absehbarer Zeit die Aufnahme einer legalen Beschäftigung verwehrt.

Es muss demnach festgehalten werden, dass von einer baldigen Selbsterhaltungsfähigkeit der fünfköpfigen Familie in absehbarer Zeit nicht auszugehen ist.

Es war schließlich auf die Judikatur zu verweisen, wonach die Integration als stark gemindert erachtet wird, wenn Unterstützungszahlungen karitativer Einrichtungen oder bloße Gelegenheitsarbeiten den Unterhalt gewährleisten oder erst gegen Ende des mehrjährigen Aufenthalts die Tätigkeit als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter ins Treffen geführt werden kann und bis dahin Sozialhilfe bezogen wurde (vgl. VwGH 11. 10. 2005, 2002/21/0124; VwGH 22. 6. 2006, 2006/21/0109; VwGH 5. 7. 2005, 2004/21/0124 u.a.).

Tatsache ist, dass im gegenständlichen Fall BF1 und BF2 bislang keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sind. Es mag im Übrigen zwar sein, dass sich der Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber schwierig darstellt, dennoch gibt es bei entsprechenden Anstrengungen auch für Asylwerber die Möglichkeit, im Bundesgebiet wirtschaftlich tätig zu sein. Derartiges hat sich im Fall von BF1 und BF2 jedoch nicht ergeben, was beim dargelegten Aufenthalt von mehr als fünf Jahren schwer nachvollziehbar ist.

Soweit Unterstützungsschreiben vorgelegt wurden, leisten die verfassenden Personen keine nachhaltigen finanziellen Leistungen für die Beschwerdeführer oder haben eine Verpflichtungserklärung für diese übernommen.

Eine Mitgliedschaft in einem Verein oder einer karitativen Organisation wurden von BF1 und BF2 auch verneint.

Eine Integration in die österreichische Gesellschaft ist demnach in keinem ausgeprägten Ausmaß erfolgt.

BF3 besucht mittlerweile die Volksschule im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht, der im Bundesgebiet geborene BF4 besucht den Kindergarten.

Obzwar BF3 und BF4 den überwiegenden Teil bzw. ihr gesamtes Leben in Österreich und für ein paar Monate in Deutschland verbracht haben, befinden sich diese mit ihrem Alter von sechs und fünf Jahren in einem anpassungsfähigen Alter. Mangels entsprechender Deutschsprachkenntnisse der Eltern und des bisherigen überwiegenden Aufenthalts im Familienverband ist auch von entsprechenden Sprachkenntnissen von BF3 und BF4 der Sprache des Herkunftsstaates auszugehen.

Zumal BF3 gerade am Beginn ihrer Schullaufbahn ist und BF4 mit dieser noch nicht einmal begonnen hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihnen eine Resozialisierung im Herkunftsstaat trotz damit verbundener Anstrengungen nicht möglich und zumutbar ist.

Es besteht nach den Ausführungen von BF1 und BF2 ein intakter Kontakt zur Familie im Herkunftsstaat, wobei eine Tochter von BF1 dort von der Mutter von BF1 versorgt wird, und muss in diesem Zusammenhang insbesondere der notorisch bekannte familiäre Zusammenhalt innerhalb der kaukasischen Großfamilie hervorgehoben werden.

Es wurde bereits auf die Besonderheiten des aktuellen Falles hingewiesen, wonach BF1 nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine mehrjährige Haftstrafe verbüßen muss, wobei der lebensnotwendige Unterhalt bzw. eine Wiedereingliederung in die Gesellschaftsstrukturen von Dagestan durch die vor Ort aufhältige Großfamilie gesichert erscheint.

BF5 ist zwar im Bundesgebiet geboren, jedoch mit seinem Alter von knapp einem Jahr, in keinem Alter in dem von der Möglichkeit der Setzung integrativer Maßnahmen gesprochen werden kann. Vielmehr hält sich BF5 altersgemäß primär bei BF1 und BF2 auf.

BF3 und BF4 sind im Volksschul- bzw. Kindegartenalter und BF5 ist gerade einmal knapp ein Jahr alt.

Wie zuvor dargelegt, stellt sich die Situation bei einer Rückkehr dergestalt dar, dass davon auszugehen ist, dass für sie – mit Hilfe der Eltern und Familie – eine Relokation im Herkunftsstaat möglich sein wird, zumal sie sich in einem anpassungsfähigen Alter befinden.

Es ist zu berücksichtigen, dass aufgrund des noch sehr jungen, mit einer hohen Anpassungsfähigkeit verbundenen Alters von BF3 bis BF5 davon ausgegangen werden kann, dass für diese der Übergang zu einem Leben im Herkunftsstaat – nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – nicht mit unzumutbaren Härten verbunden wäre (vgl. etwa EGMR 26.01.1999, 43.279/98, Sarumi gegen Vereinigtes Königreich: In dieser Zulässigkeitsentscheidung attestierte der Europäische Gerichtshof Kindern im Alter von 7 Jahren und 11 Jahren eine Anpassungsfähigkeit, die eine Rückkehr mit ihren Eltern aus England, wo sie geboren wurden, nach Nigeria als keine unbillige Härte erschienen ließ; vgl. auch VwGH 25.03.2010, Zl. 2009/21/0216; 31.03.2008, Zl. 2008/21/0081; 17.12.2007, Zl. 2006/01/0216). Aufgrund der altersgemäßen Anpassungs- und Lernfähigkeit ist davon auszugehen, dass BF3 bis BF5, die die Volksschule im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht, den Kindergarten bzw. noch nicht einmal den Kindergarten besuchen, auf lange Sicht gesehen nicht mit unüberwindbaren Schwierigkeiten konfrontiert wären. Zudem bedürfen alle drei aufgrund ihres Alters weiterhin der Unterstützung ihrer Eltern, welche wiederum ebenfalls von einer Rückkehr in die Russische Föderation betroffen sind, da die in deren Verfahren durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zugunsten einer Aufenthaltsbeendigung ausgegangen ist, woraus wiederum eine beträchtliche Relativierung der privaten Interessen der Minderjährigen an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet resultiert. Eine Resozialisierung im Herkunftsstaat erscheint demnach möglich und zumutbar und ist von keiner Entwurzelung vom Herkunftsstaat auszugehen ist.

Allfällige ungünstigere Entwicklungsbedingungen im Ausland begründen hingegen für sich allein noch keine Gefährdung des Kindeswohls, vor allem dann, wenn die Familie von dort stammt (OGH 08.07.2003, Zl. 4Ob146/03d unter Verweis auf Coester in Staudinger, BGB13 § 1666 Rz 82 mwN). Zudem gehören die Eltern und deren soziookönomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (ebd.).

Es wurde bereits eingangs ausgeführt, dass eine Rückkehr von BF3 bis BF5 nur gemeinsam mit den Eltern – BF1 und BF2 – möglich ist, da sie ein Familienleben iSd. Art. 8 EMRK begründen. Gesonderte Überlegungen im Falle einer alleinigen Rückkehr von BF3 bis BF5 müssen demnach nicht angestellt werden.

Bereits eingangs der Rückkehrentscheidung wurde dargelegt, dass die vorübergehende Trennung von BF1 und ihren Kindern (BF3 bis BF5) durch die Strafhaft, die sie aufgrund ihres kriminellen Verhaltens im Herkunftsstaat zu verbüßen hat, keine wesentliche Änderung der zu treffenden Rückkehrentscheidung auch unter Berücksichtigung des Kindeswohles begründen kann.

Zur Abrundung war in diesem Zusammenhang wiederum auf Ausführungen im Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 10.05.2006, 11 s 23547/05 zu verweisen, der sich mit der Berücksichtigung von minderjährigen Kindern im Rahmen einer Prüfung nach Art. 8 EMRK auseinandersetzt und zum Ergebnis kommt, dass die Sozialisation minderjähriger Kind nicht losgelöst von der Sozialisation der Eltern betrachtet werden kann. "Allfällige ungünstigere Entwicklungsbedingungen im Ausland begründen hingegen für sich allein noch keine Gefährdung des Kindeswohls, vor allem dann, wenn die Familie von dort stammt (OGH 08.07.2003, Zl. 4Ob146/03d unter Verweis auf Coester in Staudinger, BGB13 § 1666 Rz 82 mwN). Zudem gehören die Eltern und deren soziookönomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (ebd.).

Im Rahmen der gebotenen Gesamtschau ist nach Auffassung des Senats bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs bei minderjährigen Kindern regelmäßig nicht nur deren Integration isoliert in den Blick zu nehmen und festzustellen, inwieweit sie selbst - etwa im Hinblick auf Sprachkenntnisse, Schulbesuch und persönlichen Umgang - in der Bundesrepublik Deutschland verwurzelt sind. Vielmehr kommt auch der Frage Bedeutung zu, in welchem Umfang sich ihre Familie in die bundesdeutschen Lebensverhältnisse integriert hat. Bei dieser familienbezogenen Gesamtbetrachtung sind auch solche Gesichtspunkte berücksichtigungsfähig, welche (etwa im Hinblick auf die unterbliebene Ausreise aus dem Bundesgebiet, die mangelnde wirtschaftliche oder soziale Integration, die Beachtung der bundesdeutschen Rechtsordnung etc.) auf das Verhalten der Eltern zurückzuführen sind (ebenso VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.01.2006, a. a.O.). Dafür, dass ein minderjähriges Kind sich das Verhalten seiner Eltern bei der Prüfung, ob der Eingriff in sein Privatleben durch legitime Ziele der Einwanderungskontrolle gerechtfertigt ist, "zurechnen" lassen muss, sprechen neben der Bezugnahme auf das "Familienleben" als paralleles Schutzgut des Art. 8 Abs. 1 EMRK auch folgende Erwägungen: Für die Beurteilung der Verwurzelung von minderjährigen Kindern kommt es auch darauf an, inwieweit ihre innerfamiliären Lebensverhältnisse von der nationalen Herkunft der Gesamtfamilie geprägt sind. Darüber hinaus sind bei der für die aufenthaltsrechtliche Entscheidung relevanten Frage, ob eine (Re)Integration in das Land der Staatsangehörigkeit möglich ist, bei der beabsichtigten Rückführung minderjähriger Kinder die Fertigkeiten und möglichen Unterstützungsleistungen der Eltern sowie deren Verbindungen im Heimatland in Rechnung zu stellen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02.11.2005, a.a.O., und Hess. VGH, Beschluss vom 15.02.2006, a.a.O). Ferner würde ein allein aus der Integration des minderjährigen Kindes hergeleitetes Aufenthaltsrecht dazu führen, dass den Eltern (und im weiteren auch den minderjährigen Geschwistern) ohne nähere Prüfung ihrer Integration unter Bezugnahme auf Art. 6 GG, Art. 8 EMRK in der Regel zumindest Abschiebungsschutz zu gewähren wäre, was einwanderungspolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland in ganz erheblichem Maße berühren und zu einer einseitigen Gewichtung der privaten Belange des betroffenen Ausländers führen würde. Auch die Tatsache, dass minderjährige Kinder ihren Lebensunterhalt in der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig nicht alleine sichern können, sondern hierfür auf die Unterstützung ihrer Familie angewiesen sind, spricht dafür, deren wirtschaftliche Integration in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Die Konzeption des Aufenthaltsgesetzes geht schließlich ebenfalls davon aus, dass minderjährige Kinder grundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Eltern teilen (vgl. § 27 Abs. 1 i.V.m. §§ 29 Abs. 1 - 4, 32 Abs. 1 und 3, 34 AufenthG). Erst volljährige Kinder sind aufenthaltsrechtlich grundsätzlich selbständig zu behandeln, weil zwischen ihnen und ihren Eltern - anders als bei Minderjährigen - regelmäßig keine Beistands-, sondern eine bloße Begegnungsgemeinschaft besteht."

Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Herkunftsstaat letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiären Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich – im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055).

Die Unbescholtenheit von BF1 und BF2 fällt bei der vorzunehmenden Abwägung nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht ins Gewicht. Laut Judikatur bewirkt die strafrechtliche Unbescholtenheit weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen. (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten eines Fremden ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

Sehr wohl zu berücksichtigen ist schließlich, dass sowohl BF1 als auch BF2 über einen gefälschten Führerschein verfügt haben und BF2 sich mit diesem gefälschten Führerschein vor den staatlichen Behörden in Österreich ausgewiesen hat und ein Fahrzeug auf öffentlichen Straßen gelenkt hat. Mit diesem Verhalten sind jedenfalls verwaltungsrechtliche Verstöße verbunden. Dieses Verhalten wurde auch nicht unmittelbar nach der Einreise sondern erst nach mehrjährigem Aufenthalt gesetzt.

Im Übrigen sind BF1 bis BF3 illegal eingereist und haben unbegründete Anträge auf internationalen Schutz unter vorerst falschen Identitäten gestellt.

Im vorliegenden Fall kommt erschwerend hinzu, dass BF1 und BF2 den Herkunftsstaat erkennbar deshalb verlassen haben, um einem begründeten Strafverfahren gegen BF1 und mittlerweile einer gegen BF1 ausgesprochenen Haftstrafe aufgrund des im Herkunftsstaat gesetzten kriminellen Verhaltens zu entgehen. Im gegenständlichen Verfahren wurde auch festgestellt, dass die zu verbüßende Haft von BF1 im Herkunftsstaat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer Verletzung von Art. 3 EMRK einhergeht.

Den privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH v. 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, u. v.a.).

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes überwiegen daher derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes des österreichischen Arbeitsmarktes die privaten Interessen der Beschwerdeführer am Verbleib im Bundesgebiet (vgl. dazu VfSlg. 17.516/2005 sowie ferner VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf (vgl. dazu im Allgemeinen und zur Gewichtung der maßgeblichen Kriterien VfGH 29.9.2007, B 1150/07), wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen der Beschwerdeführer am Verbleib in Österreich.

Zusammengefasst ist deshalb davon auszugehen, dass die Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, jedenfalls in den Hintergrund treten.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie die Beschwerdeführer erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrages unterlassen, bzw. nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ihrer Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes entsprechen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme der Verhängung seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

Im Ergebnis verfügen die Beschwerdeführer über keine relevanten familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Die Beschwerdeführer konnten auch keine hinreichenden eigenen Existenzmittel in Österreich nachweisen. Der persönliche, familiäre und berufliche Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführer lag bislang in der Russischen Föderation. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende außergewöhnliche Integration in Österreich liegen nicht vor.

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe dass der angefochtene Bescheid einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstellt.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Umstände, welche das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung begründen würden, kamen nicht hervor. Ebenso ergibt sich aus den umfassenden beweiswürdigenden Überlegungen sowie den rechtlichen Ausführungen zur Nichtgewährung von subsidiären Schutz, dass keine Umstände vorliegen, welche gegen eine Abschiebung in die Russische Föderation sprechen.

Unter Berücksichtigung sämtlicher individuellen Umstände der Beschwerdeführer steht eine Abschiebung Art. 3 EMRK demnach nicht entgegen und konnten die Beschwerdeführer – wie umfassend dargelegt – keine Gründe darlegen, die gegen ihre Rückkehr in den Herkunftsstaat sprechen würden.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) - folgend: GRC - hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge Abs. 2 leg.cit. hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, Zl. U 466/11 ua. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.

Der VwGH hat sich mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017, mit der Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung unter Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG befasst, wobei dem Grunde nach die zuvor zitierte Judikaturlinie der Höchstgerichte beibehalten wird. Daraus resultierend ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Projiziert auf den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet dies, dass aus dem Akteninhalt des Verwaltungsaktes die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Es hat sich auch in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit BF1 und BF2 zu erörtern.

In der Beschwerde finden sich auch keine Hinweise, wonach eine weitere mündliche Verhandlung notwendig ist, zumal sich dort – wie beweiswürdigend hinreichend dargelegt – keine substantiierten Ausführungen finden, die dies erforderlich machen würden.

Auch die dem Bescheid des BFA zugrunde gelegten Länderinformationen waren – wie bereits in den Feststellungen und der Beweiswürdigung dargelegt – derart gestaltet, um den entscheidungswesentlichen Sachverhalt vollständig erheben zu können.

Dem Bundesverwaltungsgericht liegt sohin kein Beschwerdevorbringen vor, das mit BF1 und BF2 mündlich zu erörtern gewesen wäre, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unterbleiben konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu

A) wiedergegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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