AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W142.2146780.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2015, Zl.1053616102/150265813, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.03.2017 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Somalia, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.12.2016, Zl. 1136747207/161617880, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.03.2017 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) ist die Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2). Beide sind somalische Staatsangehörige. Die BF2 wurde amXXXX in Österreich geboren. Die BF1 reiste illegal und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 13.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Verlauf der Erstbefragung am 14.03.2015 gab die BF1 im Beisein eines Dolmetschers im Wesentlichen an, traditionell verheiratet und muslimischen Glaubens zu sein. Sie gehöre der Volksgruppe der Isaak an, habe keine Ausbildung und sei Analphabetin. Zuletzt habe sie als Hilfsarbeiterin gearbeitet. Ihre Muttersprache sei Somali. Sie habe in Somalia im Bezirk XXXX, in der Stadt Mogadischu gelebt. In Somalia habe sie noch ihre Mutter, zwei Brüder sowie vier Schwestern. Ihr Vater sei bereits verstorben. Zu ihrem Reiseweg führte sie aus etwa vor einem Jahr von Somalia aus, über Äthiopien, den Sudan und Libyen mit dem Boot nach Italien und dann mit dem Zug nach Österreich gelangt zu sein.
Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab sie an, dass in Somalia Krieg herrsche. Die Sicherheitslage sei sehr schlecht, sie habe dort nicht in Frieden leben können. Befragt, was sie bei einer Rückkehr befürchten würde, gab sie an, dass sie Angst habe im Krieg getötet zu werden.
3. Am 15.09.2015 wurde die BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich im Beisein eines beigegebenen Dolmetschers, welcher für die BF1 in die Sprache Somali übersetzte, niederschriftlich einvernommen Diese gab anfangs an, dass ihr Ehemann (XXXX) in Salzburg lebe. Sie hätten am XXXX in Somalia geheiratet. Ihr Ehemann sei vor ihr in Österreich gewesen. Weiters gab sie an, in Somalia mit einer anderen Frau einen Teeladen gehabt zu haben. In Somalia habe sie alleine gewohnt. Am 25.06.2015 habe sie Somalia verlassen.
Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die BF1 an, dass sie ihren Ehemann heimlich geheiratet habe, da dieser der Volksgruppe der Gabooye und sie den Isaak angehöre. Als ihre Leute davon erfahren hätten, hätten diese sie beleidigt, geschlagen und in ein Zimmer gesperrt. Ein Bruder habe sie fast täglich geschlagen. Ihr Mann sei wo anders gewesen. Als der Bruder, der sie geschlagen habe, eines Tages nicht zu Hause gewesen sei, habe sie einen Nachbarsjungen gebeten die Tür zu öffnen. Die Tür sei nicht verschlossen gewesen. So habe sie entkommen können und sei zur Arbeitskollegin in den Teeladen geflüchtet. Die Mutter der Frau habe sie versteckt und ein Auto organisiert, welches die BF1 heimlich nach Hargeysa brachte. Dort habe sie ca. 1,5 Jahre mit einer Bekannten ihres Mannes gelebt. Ihr Bruder habe dann erfahren, dass sie in Hargeysa sei und sei auch dorthin gekommen. Als die BF1 erfahren habe, dass ihr Bruder sie suche und umbringen wolle, hätten die Leute ihres Mannes Geld gesammelt und sie nach Addis Abeba gebracht. Dort habe sie dann einen Schlepper getroffen. Nachgefragt, gab sie an, ihren Mann ca. ein Jahr vor der Hochzeit in ihrem Teeladen kennengelernt zu haben. Er sei fast täglich gekommen. Welchem Clan er angehöre, habe er ihr erst erzählt, als sie schon richtig verliebt gewesen sei. Er habe gesagt, dass er sie deswegen nicht heiraten könne. Es sei ihre Schuld gewesen. Sie habe ihren Mann überredet, sie doch zu heiraten, da sie geglaubt habe, dass ihre Eltern nichts dagegen hätten. Die Eheschließung sei versteckt an einem kleinen Ort (XXXX), vor einer Art "Priester" gewesen. Anwesend sei auch ein guter Freund des Mannes gewesen. Die Familie des Mannes lebe auch in Mogadischu (Bezirk XXXX) und habe nichts gegen die Heirat gehabt. Es sei nur ihre Familie dagegen gewesen, wobei sich die Mutter und ein Bruder an den Schlägen beteiligt hätten. Ihre Familie habe etwa 10 Tage nach der Heirat durch einen Bekannten, der die Information aus dem Teeladen gehabt habe, davon erfahren. Ihre Mutter und der Bruder seien dann in den Teeladen gekommen, hätten sie mitgenommen und ohnmächtig geschlagen. Sie sei dann im Zimmer der Mutter aufgewacht. Der Bruder habe sie drei Tage lang geschlagen. Sie habe Narben auf den Rippen davongetragen. Befragt, ob ihrem Mann etwas passiert sei, gab sie an, dass man auf ihn geschossen habe und ihn umbringen habe wollen. Ihm sei aber bis auf eine kleine Verletzung nichts passiert. Gefragt, wie sie ihren Mann zur Heirat überreden konnte, gab sie an, dass sie sei sehr verliebt gewesen sei und "alles Mögliche darauf gesetzt habe", dass er sie heirate. Mit dieser Reaktion ihrer Familie habe sie nicht gerechnet. Sie habe alles vor ihrer Familie geheim gehalten und habe mit ihrem Mann Mogadischu verlassen wollen. Zur Frage, wo sie gewohnt habe, gab sie an, dass sie im Teeladen ein Zimmer gehabt habe. Da sie früh zu arbeiten angefangen habe, sei es so einfacher gewesen. Ab und zu habe sie bei ihrer Familie geschlafen. Befragt, ob sie dann nicht mehr nach draußen gehen habe dürfen, gab sie an, dass man sie sie zwei Tage beobachtet habe. Am dritten Tag sei der Bruder nicht zu Hause gewesen und die Mutter habe einen Mittagsschlaf gehalten. Ein Nachbarskind habe die Tür aufgesperrt. Dann sei sie nach draußen gerannt, habe sich versteckt und sei zur Kollegin gegangen. Die Mutter der Kollegin habe auf sie aufgepasst und einen LKW organisiert, der sie nach Hargeysa gebracht habe. Bezüglich ihres Ehemannes führte sie aus, dass sie von seinen Leuten erfahren habe, dass auf ihn geschossen worden sei. Zuerst habe sie nicht gewusst, dass er überlebt habe. Sie hätten den Plan gehabt, zu den Verwandten des Ehemannes zu gehen. Ihren Ehemann habe sie bis jetzt nicht gesehen. Sie habe ihn das letzte Mal an dem Tag gesehen, als ihre Mutter und der Bruder in den Teeladen gekommen seien und sie geholt hätten. Sie sei aber in ständigem Kontakt über ein Handy mit ihm gewesen. Sie habe ihren Ehemann 5 Jahre und 5 Monate nicht gesehen. Befragt, warum sie Hargeysa verlassen habe, führte sie aus, dass sie von der Frau, die auf sie aufgepasst habe, erfahren habe, dass ihr Bruder unterwegs nach Hargeysa sei. Sie habe Hargeysa dann am 02.01.2012 verlassen. Die Frau habe es von einer Freundin der Mutter erfahren. Woher der Bruder ihren Aufenthaltsort gewusst habe, wisse sie nicht. Ihr Mann sei nicht nach Hargeysa gekommen, da er schon in Addis Ababa gewesen sei. Er habe Somalia an dem Tag, als sie eingesperrt worden sei, verlassen. Ihr Mann sei seit etwa 1,5 Monaten in Österreich. Er sei am 17. Juli angekommen. Abschließend gab die BF1 an, dass sie auf eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen verzichte.
4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 23.09.2015, Zahl:
1053616102/150265813, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte der BF1 gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 23.09.2016 (Spruchpunkt III.).
Die belangte Behörde begründete im angefochtenen Bescheid ihre abweisende Entscheidung hinsichtlich Spruchpunkt I. im Wesentlichen damit, dass die von der BF1 behauptete Verfolgung durch die eigene Familie nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Sie habe ihr Fluchtvorbringen gesteigert, keine genauen Angaben machen können und sich in Widersprüche verstrickt.
5. Gegen den Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. erhoben und ausgeführt, dass die behördliche Entscheidung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten werde. Die Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Auch seien die Länderfeststellungen mangelhaft, da sich diese nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen der BF1 befassen würden. Zudem habe es die belangte Behörde unterlassen, sich näher mit der Verfolgung aufgrund einer Mischehe mit einem Angehörigen eines Minderheitenclans auseinanderzusetzen. Die belangte Behörde hätte Feststellungen zur Clanzugehörigkeit des Gatten treffen müssen und Länderrecherchen dazu anstellen müssen. Es werde auf Berichte verwiesen, wonach die Gabooye zu einem Minderheitenclan in Somalia zählen würden. Zudem werde auf Urteile des BVwG zu gleichgelagerten Fällen verwiesen. Bei Berücksichtigung dieser Berichte bzw. Urteile, hätte die belangte Behörde zur Feststellung kommen müssen, dass Mischehen zwischen Minderheitenclans bzw. Hauptclans weiterhin gesellschaftlich verpönt sind und Frauen, welche sich selben Verboten widersetzen würden, gesellschaftlicher und familiärer Verfolgung ausgesetzt seien. Ein Minderheitenclan sei auch nicht in der Lage, eine Person vor Verfolgung zu schützen. Die BF1 habe ihr Vorbringen sehr wohl detailliert und lebensnah gestaltet. Ihre Angaben seien auch nicht widersprüchlich. Die BF1 sei wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen, welche eine Mischehe mit einem Mann "niederen" Clans eingegangen seien, verfolgt. Der BF1 sei somit internationaler Schutz gemäß § 3 AsylG zu gewähren gewesen.
6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.12.2015 wurde das Beschwerdeverfahren der BF1 gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt. Als Grund dafür wurde angeführt, dass eine Durchführung einer Verhandlung zum Zwecke der Befragung der BF1 notwendig sei, die BF1 aber laut ZMR über keine aktuelle Meldeadresse verfüge.
7. Am 10.08.2016 brachte die BF1 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ein. Begründend wurde darin ausgeführt, dass die Lage in Somalia nach wie vor politisch instabil und unsicher sei.
8. Mit Bescheid vom 29.09.2016, Zahl: 1053616102/150265813 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der BF1 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 23.09.2018.
9. Die BF2 wurde am XXXX im Bundesgebiet geboren, für diese wurde durch die BF1 am 01.12.2016 ein Antrag auf Familienverfahren eingebracht. Angegeben wurde, dass die BF2 keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen habe. Der Antrag beziehe sich ausschließlich auf die Gründe der Eltern.
10. Mit Bescheid vom 30.12.2016, Zahl: 1136747207/161617880 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der BF2 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AyslG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte der BF2 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.12.2017 (Spruchpunkt III.).
Die belangte Behörde begründete im angefochtenen Bescheid ihre abweisende Entscheidung hinsichtlich Spruchpunkt I. im Wesentlichen damit, dass der BF1 in ihrem Asylverfahren die Glaubwürdigkeit bezüglich ihres Fluchtvorbringens abgesprochen worden sei. Es sei daher nicht zu befürchten, dass der BF2 im Falle einer Rückkehr eine Verfolgung drohen würde. Die Gefahr einer FGM sei auszuschließen, da diese Art der Genitalverstümmelung in Somalia durch Familienangehörige durchgeführt werde und daher die Eltern die Verantwortung dafür tragen würden diese zu verhindern. Umstände, welche es ihren Eltern nicht ermöglichen würden, die BF2 vor FGM zu schützen, können nicht angenommen werden, da die Eltern bei Antragstellung keine Rückkehrbefürchtungen vorgebracht hätten und sich lediglich auf deren Gründe bezogen hätten. Es würde ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG vorliegen.
11. Mit dem am 01.02.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebrachten Schriftsatz beantragte die BF1 die Fortsetzung des mit Beschluss eingestellten Beschwerdeverfahrens. Gleichzeitig wurde bezüglich der BF2 fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides, Zl. 1136747207/161617880 vom 30.12.2016 erhoben. In der Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die BF1 zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens im Rahmen einer mündlichen Befragung zu den Fluchtgründen der BF2 einvernommen worden sei. Die BF1 habe so keine Fluchtgründe für die BF2 vorbringen können. Diese habe entgegen der Annahme der belangten Behörde sehr wohl eigenständige Fluchtgründe. So würde der BF2 bei einer Rückkehr nach Somalia eine Genitalverstümmelung sowie Verfolgung aufgrund der Mischehe ihrer Eltern drohen. Es werde auf Berichte zur Genitalverstümmelung in Somalia verwiesen, wonach junge Mädchen dieser praktisch nicht entkommen könnten. Zudem werde auf diesbezügliche Entscheidungen des VfGH und des VwGH verwiesen. Der BF2 sei daher der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen.
12. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.02.2017 wurde das eingestellte Verfahren der BF1 gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 fortgesetzt. Für die BF1 sei eine neue Zustelladresse bekanntgegeben worden und die Feststellung des Sachverhalts sei nunmehr möglich.
13. Am 13.03.2017 fand eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Somali statt. Das Bundesamt nahm an der Verhandlung entschuldigt nicht teil. Die BF1 gab an, dass sie 15 Jahre lang in Somalia, in der Stadt Mogadischu, Bezirk XXXX, XXXX, gelebt habe. 2012 habe sie Somalia verlassen. Sie habe keine Schule besucht. Zu ihren Fluchtgründen befragt, gab sie an, dass sie Somalia wegen Diskriminierung verlassen habe. Da ihr Ehemann dem Stamm der Gabooye angehöre, seien sie diskriminiert worden. Ein Gabooye dürfe keine Angehörige des Stammes der Isaaq heiraten. Die BF1 sei von ihrer Familie diskriminiert worden. Sie sei von ihrer Familie eingesperrt und geschlagen worden. Die BF1 lebe gemeinsam mit ihrem Ehemann in Österreich. Ihr Ehemann habe dieselben Probleme. Die BF1 sei vier Jahre lang am Weg nach Europa gewesen. Im Jahr 2015 sei sie in Österreich angekommen. Im Jahr 2010 habe sie Somalia verlassen. In Somalia habe sie gemeinsam mit ihrem Ehemann im Bezirk XXXXgelebt. Sie hätten heimlich geheiratet. Sie habe nur ungefähr 7 Tage mit ihrem Ehemann zusammengelebt. Danach hätten sie Somalia verlassen. Der Ehemann sei glaublich am 21.06.2010 weggegangen. Die BF1 sei drei Tage später nach Hargeysa gegangen. Sie sei dort 1,5 Jahre alleine mit einer Freundin gewesen. Ihr Bruder habe dann gehört, dass sie in Hargeysa sei und sei dorthin gekommen. Die Mutter ihrer Freundin habe die BF1 darüber informiert, dass der Bruder am Weg nach Hargeysa sei. Die BF1 sei dann zur Familie des Ehemannes in Hargeysa (Bezirk XXXX) gezogen. Dort sei sie ca. 10 Tage lang geblieben. Danach sei sie nach Adis Abeba gefahren. Der Onkel aus der Familie ihres Mannes habe in Hargeysa gelebt. Die Eltern des Ehegatten hätten in Mogadischu gelebt. Der Ehemann der BF1 habe in Österreich die "grüne Karte". Er habe auch einen Asylantrag in Österreich gestellt. Auf die Frage, wer die BF1 geschlagen habe, gab sie an, dass dies ihr Bruder und ihre Mutter gewesen seien. Es sei unmöglich wo anders in Somalia zu leben. Sie habe versucht in Hargeysa zu leben, aber es sei nicht möglich gewesen. Bei einer Rückkehr befürchte sie dieselben Probleme zu haben. Sie traue sich nicht zurück. Befragt, ob sie nicht zur Polizei gehen könne, gab sie an, dass es dort keine richtige Polizei gegeben habe. Die BF2 habe dieselben Fluchtgründe. Zudem würde ein Mädchen, welches nach Somalia zurückkehre, beschnitten werden. Das wolle die BF1 nicht. Befragt, wann ihre Familie von der Heirat erfahre habe, gab sie an, dass dies nach ungefähr 5 Tagen gewesen sei. Sie habe einen kleinen Kiosk gehabt, in dem Zigaretten, Tee etc. verkauft worden seien. Dort seien viele Männer gewesen, welche von der Heirat erfahren hätten und dies der Familie der BF1 erzählt hätten. Sie habe in XXXX geheiratet und ihre Familie habe auch den Ehemann geschlagen und diesen erschießen wollen. Vor der Heirat habe die BF1 mit ihrer Familie zusammengelebt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF1 und die BF2 sind Staatsangehörige von Somalia. Die BF1 stellte am 13.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die BF2 wurde am XXXX im Bundesgebiet geboren. Für die BF2 wurde am 01.12.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt.
Die BF1 gehört dem Stamm der Isaaq an und hat in Somalia zuletzt in der Stadt Hargeysa gelebt. Die BF1 hat keine Schule besucht und zuletzt in einem Kiosk gearbeitet. Die BF2 ist noch nicht beschnitten.
Die BF1 ist strafrechtlich unbescholten.
Die BF1 und die BF2 sind in Österreich subsidiär schutzberechtigt. Die BF1 verfügt über eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 23.09.2018. Die BF2 verfügt über eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.12.2017.
Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 vor.
Es wird festgestellt, dass der minderjährigen Beschwerdeführerin (BF2) in Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit landesweit eine an ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität in Form der Gefahr einer Genitalverstümmelung droht, wogegen sie vom somalischen Staat keinen effektiven Schutz erwarten kann. Aufgrund der landesweit üblichen Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung kommt der minderjährigen Beschwerdeführerin auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zu.
2. Relevante Länderberichte zur Situation in Somalia:
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation, Länderinformationsblatt Somalia, 25.04.2016, Stand 13.02.2017, Auszüge:
1. Frauen/Kinder
Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär. Frauen und Mädchen bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen sexuellen Versklavung ausgesetzt. Wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe, insbesondere in den Lagern der Binnenvertriebenen, ist mangels staatlicher Autorität bisher nicht gewährleistet (AA 1.12.2015).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
1.1. Weibliche Genitalverstümmelung (FGM)
Die Übergangsverfassung verbietet zwar weibliche Genitalverstümmelung (FGM) (USDOS 25.6.2015), diese ist in Somalia aber weit verbreitet (USDOS 13.4.2016; vgl. LI 11.6.2015; AA 1.12.2015). Betroffen sind mehr als 90% aller Mädchen (LI 11.6.2015; vgl. UNHRC 28.10.2015). In der Regel erleiden FGM dabei Mädchen im Alter von zehn bis 13 Jahren (AA 1.12.2015); nach anderen Angaben findet die Verstümmelung bei mehr als 80% im Alter zwischen fünf und neun Jahren statt; bei 10% zwischen neun und vierzehn Jahren; und bei 7% zwischen null und vier Jahren (EASO 8.2014). Nach wieder anderen Angaben wurde die Verstümmelung bei 80% der Mädchen im Alter zwischen fünf und 14 Jahren vorgenommen (USDOS 13.4.2016). Quellen im jüngsten Bericht des Danish Immigration Service (DIS) erklären wiederum, dass die große Mehrheit vor dem achten Geburtstag einer Verstümmelung unterzogen wird. Eine Quelle des DIS gab an, dass Mädchen, welche die Pubertät erreicht haben, nicht mehr beschnitten werden. Dies wäre gesundheitlich zu riskant. Hat ein Mädchen die Pubertät erreicht, fällt auch der Druck durch die Verwandtschaft weg (DIS 1.2016).
63% der Beschnittenen erlitten die weitreichendsten Form (pharaonische Beschneidung/Infibulation/WHO Typ III) (EASO 8.2014). Eine andere Quelle schätzt die Zahl von Infibulationen auf 80% (DIS 1.2016). Verbreitet sind die hieraus resultierenden Gesundheitsprobleme der Betroffenen. Viele überleben die Verstümmelung nicht (AA 1.12.2015).
Bei den Bendiri und den arabischen Gemeinden in Somalia ist nicht die Infibulation sondern die Sunna (WHO Typen I und II) verbreitet. Bei diesen Gruppen scheint die Beschneidung bei der Geburt stattzufinden, möglicherweise auch nur als symbolischer Schnitt. Auch in anderen Teilen Somalias wird zunehmend die Sunna verwendet (DIS 1.2016).
Landesweit bemühen sich die Regierungen, diese Praxis einzuschränken (AA 1.12.2015). UNICEF arbeitet mit der somalischen Regierung, mit Puntland und anderen Akteuren zusammen, um die Menschen gegen FGM zu mobilisieren und die Praktik auszurotten (UNHRC 28.10.2015). In Puntland ist FGM verboten und es gibt Zeichen einer Reduzierung. Laut einer Untersuchung von UNICEF in Zusammenarbeit mit den Regierungen von Somaliland und Puntland sind in Nordsomalia 25% der Mädchen zwischen 1-14 Jahren von FGM betroffen. Im Gegensatz dazu sind es bei den über 15jährigen 99% (UKHO 3.2.2015).
In den Gebieten der al Shabaab ist FGM verboten (LIFOS 24.1.2014). Auch die Gruppe al Islah und andere Islamisten setzen sich gegen FGM ein (C 18.6.2014). Es gibt allerdings keine Behörden oder Organisationen für Mütter, die hinsichtlich der Verhinderung einer FGM Unterstützung oder Schutz bieten (DIS 1.2016).
Um eine Verstümmelung zu vermeiden, kommt es auf die Standhaftigkeit der Mutter an. Auch der Bildungshintergrund, der soziale Status sowie die kulturelle und geographische Zugehörigkeit spielen eine Rolle. Es gibt sowohl in urbanen als auch in ländlichen Gebieten Eltern, die ihre Töchter nicht verstümmeln lassen. Leichter ist es aber in den Städten, wo die Anonymität eher gegeben bzw. die enge soziale Interaktion geringer ist (DIS 1.2016).
Generell stößt eine Mutter, die ihre Tochter nicht beschneiden lassen will, in ländlichen Gebieten auf erhebliche Probleme. Auch in urbanen Gebieten kann es zu großem sozialen (LIFOS 24.1.2014) und psychischem Druck kommen, damit die Tochter beschnitten wird. Der psychische Druck kann auch extreme Formen annehmen, derartige Fälle sind aber außergewöhnlich. Spricht sich auch der Kindesvater gegen eine Verstümmelung aus, und bleibt dieser standhaft, dann ist es leichter, dem psychischen Druck standzuhalten (DIS 1.2016).
Dass Mädchen ohne Einwilligung der Mutter von Verwandten einer FGM unterzogen werden, ist zwar nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Keine Quelle des Danish Immigration Service konnte einen derartigen Fall berichten. Ohne das Wissen der Mutter kann eine FGM aufgrund der gesundheitlichen Folgen nicht von statten gehen (DIS 1.2016).
United Kingdom Upper Tribunal:
"Female genital mutilation
16) The incidence of FGM in Somalia is universally agreed to be over 90%. The predominant type of FGM is the "pharaonic", categorised by the World Health Organisation as Type III. The societal requirement for any girl or woman to undergo FGM is strong. In general, an uncircumcised, unmarried Somali woman, up to the age of 39, will be at real risk of suffering FGM.
17) The risk will be greatest in cases where both parents are in favour of FGM. Where both are opposed, the question of whether the risk will reach the requisite level will need to be determined by reference to the extent to which the parents are likely to be able to withstand the strong societal pressures. Unless the parents are from a socio-economic background that is likely to distance them from mainstream social attitudes, or there is some other particular feature of their case, the fact of parental opposition may well as a general matter be incapable of eliminating the real risk to the daughter that others (particularly relatives) will at some point inflict FGM on her."
Unbeschnittene Frauen sind in der somalischen Gesellschaft sozial stigmatisiert (EASO 8.2014). Allerdings kommt es zu keinen körperlichen Untersuchungen, um den Status hinsichtlich einer vollzogenen Verstümmelung bei einem Mädchen festzustellen. Dies gilt auch für Rückkehrer aus dem Westen. In ländlichen Gebieten wird wahrscheinlich schneller herausgefunden, dass ein Mädchen nicht verstümmelt ist. Eine Möglichkeit ist, dass eine Mutter vorgibt, dass ihre Tochter einer Sunna unterzogen worden ist (DIS 1.2016).
Quellen:
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--AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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--C - Experte C (18.6.2014): Dieser Experte arbeitet seit mehreren Jahren zu Somalia.
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--DIS - Danish Immigration Service (1.2016): South Central Somalia - Female Genital Mutilation/Cutting, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1455786226_fgmnotat2016.pdf , Zugriff 4.4.2016
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--EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf , Zugriff 14.4.2016
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--LI - Landinfo (11.6.2015): Barn og unge , http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1436864948_3151-1.pdf , Zugriff 4.4.2016
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--LIFOS - Lifos/Migrationsverket (24.1.2014): Kvinnor i Somalia. Rapport från utredningsresa till Nairobi, Kenya i oktober 2013, http://lifos.migrationsverket.se/dokument?documentSummaryId=31539 , Zugriff 4.4.2016
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--UKHO - UK Home Office (3.2.2015): Country Information and Guidance
--Somalia: Women fearing gender-based harm / violence, http://www.refworld.org/docid/54d1daef4.html , Zugriff 14.4.2016
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--UNHRC - UN Human Rights Council (28.10.2015): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Bahame Tom Nyanduga,
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx , Zugriff 23.3.2016
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--USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2015&dlid=252727 , Zugriff 14.4.2016
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation, Länderinformationsblatt Somalia-Somaliland, 25.04.2016, Stand 13.02.2016, Auszüge:
2. Frauen
Die Gesundheitsbehörden in Somaliland, UN Organisationen und NGOs bekämpfen die Verbreitung von FGM; diese ist auch gesetzlich verboten. Allerdings hat sich die Tradition in der Gesellschaft kaum verändert - sie ist dort tief verwurzelt. Allerdings hat sich die Schwere des Eingriffs verändert: In vielen Fällen wird nur noch die sogenannte Sunna (WHO Typ II) angewendet (WHO 2012). Die Sunna ist gesetzlich erlaubt (LIFOS 24.1.2014). Einige Familien - vor allem gebildete städtische - haben die FGM-Tradition überhaupt aufgegeben (WHO 2012; vgl. DIS 1.2016). Das Network Against Female Genital Mutilation In Somaliland, in welchem zwanzig Gruppen der Zivilgesellschaft Kampagnen gegen Genitalverstümmelung organisieren, hat u.a. drei Zentren für Betroffene eingerichtet. Das Netzwerk arbeitet mit den somaliländischen Behörden zusammen. Auch mit religiösen Führern wird zusammengearbeitet, damit diese eine fatwa gegen FGM in Somaliland erlassen (UNHRC 28.10.2015).
Quellen:
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--DIS - Danish Immigration Service (1.2016): South Central Somalia - Female Genital Mutilation/Cutting, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1455786226_fgmnotat2016.pdf , Zugriff 4.4.2016
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--LIFOS - Lifos/Migrationsverket (24.1.2014): Kvinnor i Somalia. Rapport från utredningsresa till Nairobi, Kenya i oktober 2013, http://lifos.migrationsverket.se/dokument?documentSummaryId=31539 , Zugriff 4.4.2016
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--UNHRC - UN Human Rights Council (6.11.2015): Summary prepared by the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights in accordance with paragraph 15 (c) of the annex to Human Rights Council resolution 5/1 and paragraph 5 of the annex to Council resolution 16/21; Somalia [A/HRC/WG.6/23/SOM/3], http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1455718419_g1525228.pdf , Zugriff 4.4.2016
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--UNHRC - UN Human Rights Council (28.10.2015): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Bahame Tom Nyanduga,
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx , Zugriff 23.3.2016
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--WHO - World Health Organization (2012): Child Health in Somalia - Situation Analysis,
http://applications.emro.who.int/dsaf/EMROPUB_2012_EN_734.pdf , Zugriff 1.4.2016
3. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person, der Herkunft sowie zu den vorgebrachten Fluchtgründen der Beschwerdeführer ergeben sich aus den niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht.
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtssprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das Bundesverwaltungsgericht der Ansicht, dass kein hinreichender Grund vorliegt, die Glaubwürdigkeit des Vorbringens in Zweifel zu ziehen.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit der BF1 ergibt sich aus einem Auszug aus dem Strafregister vom 12.09.2017. Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
4. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen, weswegen gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl.I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchpunkt A):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt mithin nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde.
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.
Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2003, Zl. 2001/20/0011).
Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH vom 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; vom 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH vom 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0097), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können jedoch im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).
Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes befindet.
Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH vom 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).
Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 28.03.1995, Zl. 95/19/0041; VwGH vom 27.06.1995, Zl. 94/20/0836; VwGH vom 23.07.1999, Zl. 99/20/0208; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN; VwGH vom 12.09.2002, Zl. 99/20/0505 sowie VwGH vom 17.09.2003, Zl. 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. In beiden Fällen ist es der Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf ihre wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes ihres Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann mithin nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2003, Zl. 99/01/0256 mwN).
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status der Asylberechtigten oder der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Diese Bestimmungen gelten sinngemäß auch für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (§ 34 Abs. 5 AsylG 2005).
Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegattin oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland (richtig: Herkunftsstaat) bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partnerinnen, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:
Die Länderinformationen stellen fest, dass mehr als 90% der Mädchen und Frauen in Somalia Opfer einer weiblichen Genitalverstümmelung geworden sind, wobei 63% der Frauen und Mädchen der weitreichendsten Beschneidung, der Infibulation, unterzogen werden.
Daher geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass in Somalia aktuell und landesweit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit (siehe VwGH, 24.06.2010, 2007/01/1199) die Gefahr für unbeschnittene Mädchen und Frauen gegeben ist, Opfer eines Eingriffs von massiver Intensität in ihre körperliche und sexuelle Integrität, nämlich einer weiblichen Genitalverstümmelung, zu werden.
Dass weibliche Genitalverstümmelung an Mädchen in Somalia sogar ohne Einverständnis der Eltern vorgenommen werden kann, wurde in der mündlichen Verhandlung in einem hg. anhängigen Verfahren bestätigt (siehe BVwG, 05.06.2015, Zl. W221 1425725-1).
Erst kürzlich führte der Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland, in einem Aufruf zur Unterzeichnung und Ratifizierung der sog. "Istanbul Konvention" ("The Council of Europe's Convention on Preventing and Combatting Violence Against Women and Domestic Violence") an, dass "harming girls in the way of FGM is an act of terrible violence and a serious abuse of a child¿s right to control her own body" (30.07.2015, http://www.coe.int/en/web/portal/-/thorbj-rn-jagland-women-s-safety-in-europe-has-been-strengthened-by-the-success-of-the-istanbul-convention- ).
Die zuständige Richterin wertet eine FGM als eine schwere Misshandlung und schwere Körperverletzung mit lebenslangen Folgen für die betroffenen Mädchen und Frauen.
Die BF2 ist eine weibliche Staatsangehörige Somalias, die in Österreich geboren wurde und noch nicht beschnitten ist. Sie fällt daher in jene bestimmte soziale Gruppe von Frauen und Mädchen, die in Somalia einem entsprechend hohen Risiko ausgesetzt ist, Opfer dieser Misshandlung zu werden.
Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht nicht, da diese Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung landesweit praktiziert wird. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Praxis in Somaliland oder Puntland weniger weit verbreitet sei, geht aus den Berichten nicht ausreichend klar hervor, dass die BF2 dort tatsächlich keinem maßgeblichen Risiko ausgesetzt wäre, Opfer einer solchen Misshandlung zu werden. Eine abschließende Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann jedoch insbesondere vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil § 11 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 13.11.2014, RA 2014/18/0011 bis 0016).
Das Bundesverwaltungsgericht geht im Einklang mit den Länderberichten außerdem nicht davon aus, dass zur Vermeidung einer solchen Misshandlung auf die Schutzwilligkeit oder -fähigkeit der somalischen Regierungskräfte zurückgegriffen werden könnte.
Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG 2005 ergeben haben, ist der BF2 nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Im Einklang mit der Bestimmungen des § 34 Abs. 2 und 4 AsylG 2005 ist der Mutter (BF1) gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ebenfalls der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 auch für diese auszusprechen, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben. Insoweit die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
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