BVwG W104 2134902-1

BVwGW104 2134902-126.6.2019

B-VG Art. 133 Abs4
TNSchG 2005 §29
UVP-G 2000 §1 Abs1 Z1
UVP-G 2000 §12
UVP-G 2000 §17 Abs1
UVP-G 2000 §17 Abs2
UVP-G 2000 §17 Abs4
UVP-G 2000 §17 Abs5
UVP-G 2000 §19 Abs10
UVP-G 2000 §19 Abs3
UVP-G 2000 §19 Abs4
UVP-G 2000 §3 Abs3
UVP-G 2000 §40 Abs1
UVP-G 2000 §5 Abs6
UVP-G 2000 §6
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
WRG 1959 §104a
WRG 1959 §105
WRG 1959 §21a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W104.2134902.1.00

 

Spruch:

W104 2134902-1/203E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian Baumgartner als Vorsitzenden und die Richter Dr. Werner Andrä und Mag. Karl Thomas Büchele als Beisitzer über die Beschwerden

 

1. des Tiroler Landesumweltanwalts,

 

2. der XXXX , vertreten durch XXXX und des XXXX , vertreten durch

XXXX ,

 

3. des XXXX sowie des XXXX , vertreten durch die RAe Dr. Andreas König, Dr. Andreas Ermacora, Dr. Christian Klotz, MMag. Mathias Demez, BSc, Mag. Claudia Lantos, LL.M., Dr. Simon Gleirscher,

 

4. der Bürgerinitiative XXXX , vertreten durch RA Dr. Erwin Köll, und

 

5. der Gemeinde XXXX , vertreten durch die RA Dr. Michael Sallinger sowie RA Dr. Lothar Stix,

 

gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 24.6.2016, Zl. U-UVP-6/7-32-2016, mit dem der XXXX die Genehmigung zu Errichtung und Betrieb des Vorhabens Speicherkraftwerk (SKW) Kühtai erteilt wurde, zu Recht:

 

A)

 

I. Der angefochtene Bescheid wird aufgrund der Beschwerden wie folgt geändert:

 

I.1. Die in Pkt. A.XII.11.8 ("Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume, Naturhaushalt, Zusätzliche Vorgaben zur Maßnahme A-Bet-16"), unter "Allgemeine Maßnahmen" vorgesehenen Nebenbestimmungen werden durch folgende Maßnahmen ergänzt:

 

* Die mit standortangepasstem Saatgut eingesäten Flächen sind so lange 1 x je Almsaison zu düngen und nachzusäen, bis eine geschlossene Grasnarbe entstanden ist. Dabei sind insbesondere die Vorgaben zur Düngung und zu den speziellen Pflegemaßnahmen der Richtlinie für standortgerechte Begrünungen einzuhalten.

 

* Sämtliche durch Rekultivierungsmaßnahmen betroffenen Flächen und neu geschaffenen Almweideflächen sind durch Pflegemaßnahmen so lange zu betreuen, bis sich eine dichte Grasnarbe gebildet hat und die Rekultivierungen im Sinne der Richtlinie für die sachgerechte Bodenrekultivierung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen, 2. Auflage (2012), herausgegeben vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Sektion III, Abteilung III/9 und Sektion VI, Abteilung VI/6, Stubenring 1, 1010 Wien (Bodenrekultivierungsrichtlinie) und der Richtlinie für standortgerechte Begrünungen als gesichert gelten. Dies ist von der landwirtschaftlichen/bodenkundlichen Baubegleitung zu prüfen und zu dokumentieren, die Dokumentation ist in einem jährlichen Zwischenbericht und in einem Schlussbericht darzustellen und der Behörde vorzulegen.

 

I.2. Die Auflage A.XII.11.10 ("Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume, Naturhaushalt, Präzisierung der Maßnahme A-Bet-08 [Ausgleichsfläche hinteres Längental]") lautet wie folgt:

 

"Die Niedermoorflächen sind nicht auf naturschutzfachlich hochwertigen Flächen (Braunseggen-Niedermoore, Quellfluren, artenreiche Borstgrasrasen, Bachbereiche) umzusetzen.

 

Initialbepflanzung mit Kleinseggenried-Soden und Kleinseggenried-Umpflanzungen: Für die Detailplanung, die Vorbereitung, die Umsetzung und die Kontrolle der Verpflanzung von Kleinseggenried-Soden sind Experten/Firmen zu beauftragen, welche auf Pflanzensoden-Umsiedlungen im Gebirge spezialisiert sind und erfolgreiche Verpflanzungen vorweisen können."

 

I.3. Die Auflage A.XII.11.11 ("Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume, Naturhaushalt, Hubschrauberflüge") wird als Auflage A.XII.11.5a der Bauphase zugeordnet, die nachfolgende Auflage A.XII.11.12 erhält die neue Bezeichnung "A.XII.11.11".

 

I.4. Im Kapitel "Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume, Naturhaushalt" wird eine neue Auflage A.XII.11.12 eingefügt, die wie folgt lautet:

 

"12. Ausgleich für den Verlust von Feuchtlebensräumen im Längental:

 

Auf den Grundstücken 1593 und 1592 ("Maßnahme 202a"), sowie 1589 ("Maßnahme 202b"), alle KG Zöblen, Gemeinde Zöblen, Bezirk Reutte, sind auf einer Fläche von 1,18 ha (Gst. 1593), 1,20 ha (Gst. 1592), sowie 1,75 ha (Gst. 1589), insgesamt sohin 4,13 ha, die landwirtschaftlich überwiegend intensiv genutzten Flächen in hochwertige Feuchtlebensräume mit vegetationsökologisch naturnahem Zustand und biotoptypischen hydrologischen Verhältnissen durch Wiedervernässung und Extensivierung inkl. Nährstoffentzug überzuführen. Ziel ist die Entwicklung eines Mosaiks aus nährstoffarmer, artenreicher Feuchtwiese (Nasswiese bis Pfeifengraswiese) und Kleinseggenrieden, in Kombination mit Großseggen- und Hochstaudenbeständen in den Geländesenken bzw. entlang der wasserführenden Gräben.

 

Zu diesem Zweck ist die landwirtschaftliche Nutzung zu extensivieren (Mahd 1 x pro Jahr), die Eutrophierung durch Nährstoffentzug zu vermindern und eine Wiedervernässung der durch Entwässerungsgräben trockengelegten Abschnitte durchzuführen. Die Düngung ist einzustellen. Auf den Flächen ist die Entwässerung mittels Einbau von Balkenverschlüssen am Haupt-Entwässerungsgraben oder mittels Verschluss der Entwässerungsgräben zu stoppen. Die Maßnahmenumsetzung hat in Teilschritten zu erfolgen, die teilweise zeitlich parallel abzuwickeln sind:

 

Maßnahmenteilfläche 202a:

 

* Vorarbeiten:

 

Biotopkartierung: Durchführung einer Biotopkartierung im Maßstab 1:1000 zur Abgrenzung kleinflächig vorhandener Biotoptypen inkl. Artenliste auf der gesamten Maßnahmenfläche und Plandarstellung. Die Vegetation ist nach der beim vegetationsökologischen Monitoring beschriebenen Methodik (siehe unten) knapp vor der 1. Mahd zu kartieren und mittels Fotos zu dokumentieren.

 

Vermessung: Terrestrische Vermessung des an der Südgrenze liegenden Haupt-Entwässerungsgrabens (Böschungsober- und -unterkante, Wasserspiegel), der Rohrlage/-ausdehnung und der deutlich sichtbaren, seitlich in den Haupt-Entwässerungsgraben einmündenden Drainagegräben.

 

Bodenuntersuchung, Errichtung von Grundwasserpegeln: Auf der Maßnahmenfläche sind mittels Bodenbohrer (zB Erdbohrstöcke nach Dr. Pürckhauer) in planungsrelevanten Geländeabschnitten (z.B. Entwässerungsgraben, ehemalige Wegtrasse, ehemalige Gräben, etc.) Bodenuntersuchungen zur Erkundung der Mächtigkeit des Stauhorizonts (entwässerter, kalkhältiger Gley aus feinem Schwemmmaterial) auszuführen bzw. wahlweise schmale Schürfgruben auszuheben. Die Ergebnisse sind entsprechend der Richtlinie für sachgerechte Bodenrekultivierung zu dokumentieren. Entsprechend dem Ergebnis dieser Bodenuntersuchungen sind im Dreieckverband (1 Pegel oberstrom, 2 Pegel unterstrom, aufgeteilt auf Gst. 1592, 1593 und 1589) 2" Rammbrunnen zu schlagen und mit Datenloggern zur Grundwasserstandsmessung auszubauen. Bei Sondierung von standortsfremdem Untergrundmaterial mit dränagierender Wirkung (zB Frostkoffer, Schotter, etc) im Bereich der ehemals bestehenden Wegtrasse, welches eine Wiedervernässung dieser Teilbereiche erschwert, ist dieses im Bereich der geplanten Geländeabsenkungen unter Einhaltung der Richtlinie für sachgerechte Bodenrekultivierung abzutragen und zu entsorgen. Zu untersuchen ist auch der Nährstoffhaushalt des Bodens, da neben dem Feuchtegehalt des Bodens der Nährstoffentzug eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung zu einem hochwertigen Moorlebensraum (artenreiche, nährstoffarme Nasswiese bzw. Pfeifengraswiese oder Kleinseggenried) ist. Gem. den L-Normen und der Empfehlungen aus der Richtlinie für die sachgerechte Düngung im Ackerbau und Grünland, Anleitung zur Interpretation von Bodenuntersuchungsergebnissen in der Landwirtschaft (BMLFW, 2017), sind daher Bodenproben (Beobachtungsstellen) mittels Bodenbohrer in entsprechendem Umfang zu entnehmen und bzgl. Nährstoffgehalt, Bodenfeuchte, Bodenart, -reaktion zu analysieren. Die hydrochemische Ist-Situation des Haupt- Entwässerungsgrabens ist mittels pH-Wert-Messung, Bestimmung der elektr. Leitfähigkeit und des Abflusses sowie einer händischen Einmessung des Wasserstandes vor Ort festzustellen. Ergänzend dazu ist am Haupt-Entwässerungsgraben eine Wasserprobe zu ziehen und bzgl. möglicher Nährstoffbelastung/-eintrag aus dem Einzugsgebiet (Ammonium, Nitrat, Kalium, Phosphat) zu analysieren. Die Bodenuntersuchungen und der GW-Pegelausbau haben nach der Vegetationsaufnahme zu erfolgen.

 

* Aushagerung:

 

Alle Düngungen sind mit Umsetzungsbeginn einzustellen. Die Flächen sind in Zukunft händisch oder mittels Balkenmäher zu mähen und das Schnittgut ist aus der Fläche zu entfernen. Die Mahd soll hierbei vom Zentrum der Fläche aus beginnend nach außen und erst ab Mitte September (nach Vollblüte und Absamung) erfolgen. Um einen raschen und hohen Nährstoffentzug zu erreichen, ist die Mahd zumindest in den ersten beiden Jahren aufwuchsorientiert (ab Mitte Juli) durchzuführen und sukzessive auf einen jährlich nur 1-maligen Schnitt (ca. ab Mitte September) zu reduzieren.

 

Da aus der östlich angrenzenden Landwirtschaftsfläche ein oberflächiger Nährstoffeintrag möglich ist, ist an der Ostgrenze ein ca. 3m breiter Pufferstreifen zu belassen, welcher nur bei Aufkommen von Neophyten oder Gehölzen zu mähen ist. Bei allen Mahddurchgängen ist auch darauf zu achten, dass diese bei möglichst tiefliegenden Wasserständen ausgeführt werden, um Bodenverwundungen zu vermeiden.

 

* Wiedervernässung:

 

Aufgrund der Geländeneigung und Entwässerungsrichtung sowie des ca. 3,5m tiefer liegenden Gewässerbetts der Vils ist die Wiedervernässung der Flächen nur über den ca. wegparallel verlaufenden Haupt-Entwässerungsgraben an der Südgrenze des Gst. 1592 sinnvoll.

 

Die Wiedervernässung ist mit 2 variablen Balkenverschlüssen des Haupt-Entwässerungsgrabens zu steuern, welche einerseits knapp vor der Verrohrungsstrecke an der Wegkreuzung und andererseits knapp unterstromig der Einmündung eines seitlichen Drainagegrabens eingebaut werden. Die Wiedervernässung hat Zug um Zug (zuerst Einbau des westlichen Balkenverschlusses, Überprüfung der Entwicklung zumindest über 1 Jahr; dann weitere Einbauten von Balkenverschlüssen bzw. Erhöhung der eingelegten Balken) entsprechend der hydrologischen und floristischen Entwicklung der Fläche zu erfolgen.

 

Der Soll-Zustand ist hier auf die Etablierung der Charakterarten der Moorlebensräume sowie auf eine möglichst großflächige Ausdehnung einer permanent vernässten Fläche zu richten.

 

Die Höhe der Dammbalken ist im 1. Jahr zuerst auf Höhe des bestehenden Wasserspiegels des Haupt-Entwässerungsgrabens einzustellen, sodass eine Reduzierung der Fließgeschwindigkeit und Einfließen in das Gst. 1593 gefördert wird. Die Staukontrollen sind turnusmäßig auszuführen, im 1. Jahr monatlich sowie nach stark ergiebigen Niederschlagsereignissen sowie nach längeren sommerlichen Trockenperioden mit händischen Messungen des Wasserspiegels im Haupt-Entwässerungsgraben (ca. 1m östlich des Balkenverschlusses sowie an der östlichen Grundgrenze) und den Seitengräben (bei sichtbarem Wasserspiegel) inkl. Fotodokumentation, Messung des pH-Wertes und der elektrischen Leitfähigkeit. Die Ergebnisse sind in einem Formdatenblatt inkl. Fotodokumentation (Verortung des Standplatzes sowie der Blickrichtung) festzuhalten.

 

Die Wiedervernässung des Gst. 1593 ist nur dann möglich, wenn Wasser aus dem Haupt-Entwässerungsgraben über die tiefsten Entwässerungsgräben des Gst. 1592 Richtung Norden bis ins Gst. 1593 rückstaut bzw. einfließen kann. Im Bedarfsfall sind daher auch Balkenverschlüsse in den seitlichen Drainagegräben einzuziehen, bzw. sind alternativ diese Gräben einzutiefen, wobei das Sohlniveau des Haupt-Entwässerungsgrabens das Mindestmaß der Eintiefung bestimmt.

 

Der Haupt-Entwässerungsgraben ist innerhalb des Gst. 1593 nicht mehr zu räumen bzw. sind nur im Falle eines HQ-Ereignisses mit Rückstau auf das östlich liegende Gelände die Abflusshindernisse zu entfernen.

 

Ergänzend zu diesen Maßnahmen ist zusätzlich zu überprüfen, ob im Untergrund noch Reste von Richtung Vils verlaufenden Entwässerungsgräben vorhanden sind; diese sind ggfs. zu verschließen (Anmerkung: bei den Vor-Ort-Begehungen wurden keine Einmündungen gesichtet).

 

Die Wiedervernässung hat zeitparallel mit der Aushagerung zu erfolgen, wobei sich aufgrund der bestehenden Geländesituation dieser lediglich in cm-Schritten erhöhen wird.

 

Ein Rückstau in die östlich angrenzenden Flächen bzw. eine Auswirkung auf diese Flächen ist einerseits aufgrund der höheren Lage dieser Flächen unwahrscheinlich, ist aber auch durch die Staukontrolle laufend zu überprüfen und auszuschließen.

 

Maßnahmenteilfläche 202b:

 

* Vorarbeiten: wie 202a

 

Ergänzend Abtrag der lw. Gebäude und Abgrenzungen an der Nordostgrenze und Planieren deren Grundfläche. Diese Flächen sind der natürlichen Sukzession zu überlassen, sofern kein Neophytenbefall festgestellt wird. Bei Neophytenbefall sind diese sachgerecht zu entfernen und zu entsorgen. Die Feldgehölzgruppe ist im Bestand zu erhalten.

 

Bei Sondierung von standortsfremdem Untergrundmaterial mit dränierender Wirkung (zB Frostkoffer, Schotter, etc) oder Schadstoffbelastung im Bereich des ehemals vorhandenen U-förmigen Grabens im nördlichen Flächenabschnitt, welches eine Wiedervernässung dieser Teilbereiche erschwert bzw. Ursache d. Eutrophierung ist, ist dieses im Bereich der geplanten Geländeabsenkungen unter Einhaltung der Richtlinie für sachgerechte Bodenrekultivierung abzutragen und zu entsorgen.

 

* Aushagerung: wie 202a.

 

Da an der Ostgrenze der Zufahrtsweg bzw. die Maßnahmenteilfläche 202a angrenzt, ist ein Pufferstreifen zur Verhinderung eines etwaigen Nährstoffeintrags nicht notwendig.

 

* Wiedervernässung:

 

Aufgrund der Geländeneigung und Entwässerungsrichtung sowie des ca. 3,5 m tiefer liegenden Gewässerbettes der Vils ist eine Wiedervernässung nur über den ca. wegparallel verlaufenden Haupt-Entwässerungsgraben an der Südgrenze des Gst. 1589 möglich.

 

Die Wiedervernässung hat wie bei 202a beschrieben zu erfolgen, wobei wieder zuerst ein Balkenverschluss ca. an der westlichen Grundgrenze im Haupt-Entwässerungsgraben zur Verminderung der Fließgeschwindigkeit und zur Förderung des Einfließens in die nördlich anschließende Grundfläche zu errichten ist. Je nach Entwicklung des GW-Standes und der Flora sind weitere Maßnahmen (Balkenverschlüsse im Hauptentwässerungsgraben, in den Seitengräben, Geländeeintiefungen im Bereich der Seitengräben oder deren Verlängerung nach Norden bzw. Anschluss dieser Gräben an den Haupt-Entwässerungsgraben) zu setzen.

 

Der Haupt-Entwässerungsgraben ist innerhalb der Maßnahmenfläche nicht mehr zu räumen bzw. sind nur im Falle eines HQ-Ereignisses die Abflussshindernisse zu entfernen. Mit Aufnahme des Einbaus der Balken bleiben der Gerinneverlauf sowie die anschließenden Großseggenbestände unverändert, d.h. im Bestand erhalten.

 

Ergänzend zu diesen Maßnahmen ist zusätzlich zu überprüfen, ob im Untergrund noch Reste von Richtung Vils verlaufenden Entwässerungsgräben vorhanden sind; diese sind ggfs. zu verschließen (bei einer Vor-Ort-Begehung wurden keine Einmündungen gesichtet).

 

Mit der Maßnahmenumsetzung ist zeitgleich mit der Baufeldfreimachung im Längental zu beginnen (siehe Vorarbeiten und Aushagerung).

 

Beide Maßnahmenflächen sind wie folgt zu pflegen:

 

* Entwicklungspflege:

 

Die Entwicklungspflege umfasst im Wesentlichen die unter Aushagerung festgelegte Mahd sowie die Überprüfung und Steuerung der gem. Soll-Zustand festgelegten Artentwicklung, im Bedarfsfall mit Festlegung zusätzlicher Pflegedurchgänge/-maßnahmen wie Entbuschen, Neophytenbeseitigung sowie die Überprüfung, Regulierung der Stauhöhen am Balkenverschluss in zumindest turnusmäßigen Abständen inkl. monatlich auszuführender Wasserstandsmessungen im Haupt-Entwässerungsgraben. Die Festlegung weiterer Pflegemaßnahmen hat durch die fachkundige Begleitung der Projektwerberin zu erfolgen.

 

* Erhaltungspflege:

 

Wird der Soll-Zustand bezüglich Wiedervernässung und Zusammensetzung der Artengarnitur erreicht, so sind die Pflegemaßnahmen zu reduzieren auf eine Mahd ca. Mitte September inkl. Abtransport des Mähgutes sowie eine halbjährliche Überprüfung der Funktionalität und des Bauzustandes der Dammbalkenbauwerke und der Grundwasserpegel, welche im Bedarfsfall zu sanieren sind. Die Datenlogger sind im Halbjahresrhythmus vor Ort auszulesen sowie der Wasserstand im Haupt-Entwässerungsgraben und in den Seitengräben händisch zu messen, die Entwicklung des pH-Wertes und der Nährstoffbelastung gem. Monitoring sind zu überprüfen sowie die Begehungsergebnisse in einem Formdatenblatt festzuhalten.

 

Durch ein Monitoring und daraus abgeleiteten Adaptierungen der Staueinrichtungen ist die Entwicklung beider Maßnahmenflächen bis zur Erreichung des Soll-Zustandes zu überwachen und zu steuern:

 

* Hydrologisches Monitoring, Bodenuntersuchungen:

 

Methodik: Dauerregistrierung des Grundwasserstandes mittels 2" Rammbrunnen mit Datenlogger (z.B. Orpheus mini). Bestimmung des Nährstoffgehalts, der Bodenfeuchte und -reaktion an den Beobachtungsstellen innerhalb der ersten 5 Jahre jährlich, danach bis zur Erreichung des Soll-Zustandes in 5-Jahresrhythmus. Händische Wasserstandsmessungen und hydrochemische Untersuchungen des Haupt-Entwässerungsgrabens im 1. Jahr 1 x monatlich (frostfreie Zeit), um den Jahresgang möglicher Eutrophierungen aus dem Haupt-Entwässerungsgraben zu ermitteln. Ab dem 2. bis zum 5. Beobachtungsjahr sind die Wasserstandsmessungen auf 2x jährlich (zu Beginn und am Ende der Vegetationsperiode) zu reduzieren, danach bis zum Erreichen des Soll-Zustandes jährlich auszuführen.

 

Zeitpunkt/Zeitraum: Bodenuntersuchungen und Installation der Grundwasserpegel nach Abschluss der Vegetationskartierung (siehe Biotoptypenkartierung sowie Vegetationsökologisches Monitoring).

 

Dokumentation: Über die Datenloggeraufzeichnungen und turnusmäßig ausgeführten Hand-Wasserstandsmessungen im Haupt-Entwässerungsgraben sowie den Seitengräben (Dokumentation mittels Formdatenblatt). Die Ergebnisse der Bodenanalyse sind über das Formdatenblatt und/oder die Laboranalyseergebnisse und in Zwischenberichten festzuhalten. Die Beobachtungsstellen sind geodätisch einzumessen (ebenso die GW-Pegel und die Standorte der händischen Wasserstandsmessstellen), in einem Lageplan darzustellen und im Falle der Beobachtungsstellen der Bodenproben mittels Eisenpflöcken o.ä. (eingesenkt bis max. 5cm über GOK) zu markieren.

 

* Vegetationsökologisches Monitoring:

 

Beim Monitoring ist zu überprüfen, ob der in der Maßnahmenplanung formulierte Soll-Zustand erreicht wird. Darüber hinaus ist zu beobachten und zu dokumentieren, ob die Zielerreichung gefährdet ist. Im Fall einer solchen Gefährdung ist die Anstauung bzw. die Zufuhr des Oberflächengewässers entsprechend anzupassen bzw. durch geeignete Maßnahmen (u.a. Geländeabsenkung) zu lenken. Das Monitoring hat grundsätzlich mittels Vegetationsaufnahmen innerhalb der Maßnahmenflächen auf den Dauerbeobachtungsflächen zu erfolgen, abgewickelt in mehreren Schritten:

 

Anlegung von Dauerbeobachtungsflächen: Je 2.500m² ist 1 Dauerbeobachtungsfläche im Ausmaß von 1m² anzulegen, wobei die räumliche Verteilung innerhalb des Grundstückes die angestrebten Standortsverhältnisse zu berücksichtigen hat, d.h. eine Dauerbeobachtungsfläche soll auch innerhalb des Pufferstreifens, im Bereich eines Entwässerungsgrabens, auf einem trockeneren Bereich im Nordteil der Flächen sowie auf einem Standort mit höherem Feuchtegrad (unterschiedliche Biotoptypen vorausgesetzt) liegen. Für die Dauerbeobachtung der Flächen soll ein stabiler 1m² großer, vorgefertigter Rahmen auf je 2 dauerhaft im Boden markierten, diagonalen ausgerichteten Eckpunkten (eingesenkte, geodätisch eingemessene Pflöcke) aufgelegt werden.

 

Methodik: Die Vegetationsaufnahmen sind nach BRAUN-BLANQUET (1964) durchzuführen. Dies beinhaltet Aufnahme der Deckung der einzelnen Vegetationsschichten (Moos-, Kraut- sowie allenfalls Strauchschicht) sowie jener der einzelnen Pflanzenarten (inkl. Moose infolge deren hohen Indikatorwerts), wobei der Deckungsgrad der BRAUNBLANQUET-Skala um den Schätzwert 2 (Deckung 5-25%) gem. Vorschlag nach REICHELT & WILMANNS (1973) verfeinert wird. Für jede Fläche hat eine standardisierte Fotodokumentation (1x Übersichtsfoto von Plot nach Norden, 1x Plot senkrecht von unten - Horizontalaufnahme) zu erfolgen. Bei der Auswertung können für jeden Plot die Zeigerwerte nach LANDOLT (1977) und jeder Plot einer Pflanzengesellschaft zugeordnet werden. Idealerweise werden die Artenlisten durch die Ergebnisse der Bodenproben ergänzt bzw. diesen Ergebnissen gegenübergestellt. Die Festlegung der Beobachtungsstandorte der Bodenproben wird daher die Standorte der Dauerbeobachtungsstellen des vegetationsökologischen Monitorings berücksichtigen. Bei der Erstaufnahme sind folgende Parameter in einem Formdatenblatt festzuhalten: Detaillierte Beschreibung der Plots inkl. Übersichtsfoto und Detailfoto der Beobachtungsfläche (Horizontalaufnahme), Angabe der GPS Daten von 2 diagonalen Eckpunkten des Aufnahmerahmens, temporäre Vermarkung und Kennzeichnung der beiden Eckpunkte (Holzpflock), Angaben typischer Headerdaten (Kartierer, Erhebungszeitpunkt...) und Angaben zur naturräumlichen Situation innerhalb des Plots (Kleinrelief, Neigung, Exposition, etc), Erfassung des Biotoptyps, Erhebung sämtlicher Pflanzenarten inkl. Moose (Auswertung: Pflanzengesellschaft und Zeigerwerte).

 

Zeitpunkt/Zeitraum: Die Dauerbeobachtung hat mit Erstaufnahme (siehe Biotopkartierung im Rahmen der Vorarbeiten) und Verortung der Dauerbeobachtungsflächen knapp vor der ersten Mahd bevorzugt im Hochsommer, vor Ausführung der Bodenuntersuchung und Abteufung der GW-Pegel zu beginnen. In den nächsten, dem Beginn des Aufstaus folgenden 5 Jahren sind Vegetationsaufnahmen in gleicher Weise zum Zeitpunkt derselben Vegetationsentwicklung (knapp vor Mahd) fortzuführen, anschließend im 5-Jahresrhythmus bis zur Erreichung des Soll-Zustandes.

 

Dokumentation: Kartierungen, Vor-Ort-Aufnahmen und Überprüfungen sind in Formdatenblättern und mittels Fotodokumentation festzuhalten und in Jahresberichten inkl. Gegenüberstellung zu den Vorjahresdaten mit folgenden Inhalten zusammenzufassen: Ergebnisse, Entwicklung, Vorschläge zur Adaptierung/Regulierung des Anstauvorganges, Maßnahmenvorschläge zur Verbesserung der Entwicklung bzw. Hintanhaltung einer negativen Bestandsentwicklung.

 

* Berichterstattung:

 

Bis zur Abnahmeprüfung sind der zuständigen Behörde die ersten Monitoringergebnisse schriftlich vorzulegen, wobei folgende Mindestangaben zu machen sind:

 

 

 

 

 

Nach der Abnahmeprüfung sind die Monitoringergebnisse (Mindestangaben siehe oben) der zuständigen Behörde schriftlich spätestens am Jahresende des Monitoringjahres vorzulegen.

 

Die Flächen sind entweder in uneingeschränktem Eigentum zu erwerben oder im Wege eines Dienstbarkeitsvertrags auf Bestanddauer zu sichern. Der Rechtserwerb ist der Behörde vor dem Beginn der Vorhabensrealisierung nachzuweisen."

 

I.5. Im Kapitel "Gewässerökologie" werden nach der Auflage A.XII.12.27 folgende neue Auflagen samt Überschrift eingefügt:

 

"Zusätzliche verwaltungsgerichtliche Auflagen (Bau- und Betriebsphase):

 

A.XII.12.27a: Am Inn zwischen Stams und Rietz sind zwischen Flkm 334,8 und Flkm 329,0 auf Grundstücken des öffentlichen Wassergutes folgende Revitalisierungsmaßnahmen zu setzen:

 

1. Ermöglichung einer eigendynamischen Flussentwicklung im Bereich Flkm 332,38 - Flkm 331,25 rechts (A1) durch

 

 

Im Maßnahmenbereich A1 befinden sich zwischen Flkm 331,70 und Flkm 331,57 rund 9.500 m³ Abfall. Rund 1/3 des Abfalls ist auf einer Restmülldeponie zu entsorgen, 2/3 des Abfalls auf eine Baurestmassendeponie zu verführen. Ggf. ist eine Materialsortierung (Siebung) durchzuführen, um die Kosten für die Deponierung möglichst zu minimieren.

 

Die entstandenen Geländesenken sind nicht wieder aufzufüllen, sondern der Flussdynamik bzw. der natürlichen Sukzession zu überlassen. Vor der vollständigen Räumung der Abfälle ist vorgängig die Ufersicherung zum Schutz der vorhandenen Infrastruktur herzustellen (siehe unten).

 

 

Eine Fläche von rd. 5,2 ha ist zu roden, darüber eine Geländeabsenkung vorzunehmen. Die Flächen sind auf HQ5-Niveau abzusenken, wobei zwei Inseln auf dem ursprünglichen Geländeniveau verbleiben. Eine weitere Fläche mit rd. 11.500 m² Fläche ist auf HQ1-Niveau abzusenken.

 

Zwei Inseln haben als Strukturelemente auf dem jetzigen Geländeniveau zu verbleiben. Hier sind lediglich allfällige Neophytenbestände, nicht standortgerechte Gehölze und große Bäume zu entfernen. Standortgerechte Gehölze bis zu einem Stammdurchmesser von 30 cm (1 m über Boden gemessen), die sonstige Krautschicht sowie die Wurzelstöcke entfernter standortgerechter Gehölze sind zu belassen und können ggf. wieder ausschlagen.

 

Der Gehölzbestand außerhalb des Maßnahmenbereichs ist als Pufferstreifen zur Autobahn hin zu erhalten. Die Errichtung des neuen Uferdeckwerks hat möglichst schonend zu erfolgen. Der Arbeitnehmerschutz während der Baumaßnahmen ist jedoch zu gewährleisten.

 

 

In den Uferbereichen, wo derzeit keine Ufersicherung vorhanden ist, ist die natürlich gebildete Deckschicht zu entfernen und sind Uferanrisse herzustellen, um die Ufererosion zu begünstigen.

 

 

Die längsgestreckte Baugrube, welche bei der Herstellung der neuen Ufersicherung entsteht, ist grob zu strukturieren und teilweise mit Fischunterständen und anderen Habitatstrukturen auszustatten, wobei die Rinne der eigendynamischen Entwicklung zu überlassen ist. Die initial errichteten Strukturen sind daher nicht auf dauerhaften Bestand ausgelegt, sondern unterliegen ebenso der natürlichen Flussdynamik.

 

 

Flkm 332,305 Haulandgraben (2-8-104a): Der Haulandgraben mündet am flussaufwärtigen Ende des Maßnahmenbereichs A1 in den Inn. Das ausmündende Rohr ist auf die neue Uferlinie zu kürzen und in das neue Uferdeckwerk einzubinden.

 

Flkm 331,407 - Enggraben (2-8-104b): Der Enggraben mündet am flussabwärtigen Ende der Maßnahmenfläche A1 in den Inn. Das einmündende Rohr ist um rd. 25 m zu kürzen bis auf die neue Uferlinie und in das neue Uferdeckwerk einzubinden.

 

 

Um die Auswirkungen der Rodung auf die Vogelwelt möglichst gering zu halten, hat die Rodung im Zeitraum von September bis Februar außerhalb der Vogelbrutzeit erfolgen.

 

Die entstehenden trockenen Bereiche sind der natürlichen Sukzession zu überlassen.

 

Beim Geländeabtrag ist darauf zu achten, eine Eintrübung der fließenden Welle durch Arbeiten im Trockenen zu vermeiden. Auch sind sämtliche Erdbewegungen während der Niederwasserzeit durchzuführen.

 

Im Zuge des Abtrages ist eine Trennung des Ober- vom Zwischenboden durchzuführen, wobei der anfallende Humus, welcher teilweise stark von Neophyten belastet ist, ordnungsgemäß zu entsorgen ist.

 

Die geplanten Ufersicherungsmaßnahmen sind so auszuführen, dass eine möglichst unregelmäßige und raue Gestaltung des Deckwerks erfolgt.

 

Auf der landseitigen Böschung hat eine Bepflanzung mit Grauerlen und Weidenstecklingen mit einer Pflanzdichte von 0,2 Stk/m² erfolgen. Die Aufbringung von Humus ist zu unterlassen. Weiter sind verstreut zur Strukturierung Wurzelstöcke und Totholzelemente einzubauen.

 

2. Ermöglichung einer eigendynamischen Flussentwicklung im Bereich Flkm 330,88- Flkm 330,25 rechts (A2) durch

 

 

Die gesamte Fläche (rd. 2,7 ha) im Maßnahmenbereich ist zu roden und rd. 8.000 m² sind auf HQ5-Niveau abzusenken. Ein Teil des für ingenieurbiologische Maßnahmen brauchbaren Gehölzmaterials (Wurzelstöcke, Weidenstecklinge, Totholz) ist zu gewinnen und fachgerecht zwischenzulagern, das übrige Pflanzenmaterial abzutransportieren. Auch der Oberboden (Verminderung der Gefahr des Ausbreitens des drüsigen Springkrauts) und das Schottermaterial sind abzutransportieren. Lediglich jener Teil des Schotters, der für Strukturierungsmaßnahmen benötigt wird, kann vor Ort verbleiben.

 

 

Die an den Uferböschungen natürlich ausgebildete Deckschicht ist zu entfernen und Uferanrisse herzustellen, um Ufererosion zu begünstigen und eine eigendynamische Umlagerung in diesem Bereich zu ermöglichen. Das gewonnene Steinmaterial ist abzutransportieren.

 

 

Das Deckwerk ist mit einer einheitlichen Neigung von 1 : 2 ( ? 26,5°) auszuführen, die Variabilität der Böschungsneigung durch entsprechende Überschüttung mit schottrigem Aushubmaterial herzustellen.

 

 

Flkm 330,756-Schöflehnerrunsen (2-8-104c): Die Schöflehnerrunsen mündet im Bereich des stromaufwärtigen Ende des Totarms in den Inn. Die Verrohrung ist so abzuändern, dass sie am zu errichtenden Uferdeckwerk ausmündet und in einem freien Gerinne dem Totarm zufließt.

 

 

Der Trenndamm zwischen Totarm und Hauptfluss ist nicht auf dauernden Bestand auzulegen, sondern kann - den natürlichen flussdynamischen Umlagerungsprozessen entsprechend - umgelagert werden, sodass eine eigendynamische Aufweitung stattfinden kann.

 

3. Im Bereich von Flkm 330,34 bis Flkm 329,52 links (A3) ist auf einer Länge von 700 lfm das gesamte Uferdeckwerk samt vorgelagerter Kurzsporne zu entfernen. Es sind auch überschüttete Teile des Uferdeckwerkes auszugraben. Das Ufer ist unregelmäßig zu strukturieren. Eine Bestockung hat nicht zu erfolgen, sodass das Ufer dem freien Strömungsangriff ausgesetzt ist.

 

4. Der Mündungsbereich des Rietzer Baches ist fischpassierbar zu gestalten. Dazu ist die Lauflänge im Mündungsbereich zu vergrößern, indem das Gerinne im flussabwärts anschließenden Auwaldstreifen parallel zum Inn geführt wird und somit ein Längsgefälle von 5 % erreicht wird. Das Gerinne ist gegen den Inn mittels Steinschlichtung vor Erosion zu schützen und als Becken-Riegel-Struktur auszuführen, sodass sich entsprechende Ruhigwasserstellen ausbilden.

 

Das Querprofil des neuen Mündungsgerinnes ist so zu wählen, dass bis zu einem Mittelwasser im Rietzer Bach dieser im neuen Gerinne abfließt. Bei größerer Wasserführung wird so ein Teil des Abflusses über den Außenbogen schwappen und direkt in den Inn fließen. Ebenso wird einstoßendes Geschiebe über den Trenndamm zwischen neuem Mündungsgerinne und Inn sich direkt in den Inn ausbreiten.

 

Zur Herstellung der Fischpassierbarkeit im Mündungsbereich des Rietzer Baches ist zum Überwinden des Höhenunterschiedes die Anlage einer Fischaufstiegshilfe in Form eines naturnahen Beckenpasses oder einer naturnahen Riegelrampe herzustellen. Die fischpassierbare Anbindung ist beidseitig mit Weidenstecklingen und Grauerlen zu strukturieren.

 

A.XII.12.27b.: Verbesserung der Mündungspassierbarkeit des Herztalbaches:

 

Zur Herstellung der Fischpassierbarkeit im Mündungsbereich ist zum Überwinden des Höhenunterschiedes von rd. 3m bei MJNWT im Inn die Anlage einer Fischaufstiegshilfe in Form eines naturnahen Beckenpasses herzustellen (Leitfischart: Bachforelle).

 

Zudem ist die bestehende, ca. 10 m lange Verrohrung des Herztalbachs bei Flkm. 0,48 durch Vergrößerung des Querschnitts und Einbringen von Sohlsubstrat fischpassierbar zu gestalten. Die dort bestehende Vorrichtung zur Wasserentnahme (Wasserbuch Postzahl 3/3321) ist so anzupassen, dass die Funktion der Anlage unverändert aufrecht bleibt.

 

Weiters sind im Bereich zwischen Autobahn und der oa. Verrohrung zwei kleine Migrationshindernisse fischpassierbar anzupassen.

 

Der naturnahe Beckenpass ist nach Anweisung der bestellten ökologischen Bauaufsicht projektgemäß zu gestalten und in den Randbereichen mit standortgerechtem Gehölz zu bepflanzen.

 

Nach Fertigstellung ist eine Befischung im Ober- und Unterwasser lt. Leitfaden zur Erhebung der biologischen Qualitätselemente Teil A1 - Fische und "Mindestanforderung bei der Überprüfung von Fischmigrationshilfen (FMH) und Bewertung der Funktionsfähigkeit" (Woschitz et. al 2003) durchzuführen.

 

A.XII.12.27c: Verbesserung der Mündungspassierbarkeit des Leiblfingers/Pettnauer Gießen:

 

Zur Herstellung der Fischpassierbarkeit im Mündungsbereich des Niederbachs ist zum Überwinden des Höhenunterschiedes von rd. 1,5 m bei MJNWT im Inn die Anlage einer Fischaufstiegshilfe in Form eines naturnahen Beckenpasses oder einer naturnahen Riegelrampe herzustellen (Leitfischart: Äsche).

 

Die Sohle des kanalartigen Durchlasses der Inntalautobahn ist so zu strukturieren (z.B. durch Einbringen von alternierenden Querriegeln), dass sich eine Niederwasser-Tiefenrinne ausbildet.

 

Weiters sind auch die Anströmverhältnisse im Einmündungsbereich des Gießens in den Niederbach zu optimieren (Fischwanderung in den Gießen fördern, Einwanderung in das Geschieberückhaltebecken Niederbach erschweren bzw. nach Möglichkeit verhindern).

 

Der naturnahe Beckenpasses ist nach Anweisung der bestellten ökologischen Bauaufsicht projektgemäß zu gestalten und in den Randbereichen mit standortgerechtem Gehölz zu bepflanzen.

 

Nach Fertigstellung ist eine Befischung im Ober- und Unterwasser lt. Leitfaden zur Erhebung der biologischen Qualitätselemente Teil A1 - Fische und "Mindestanforderung bei der Überprüfung von Fischmigrationshilfen (FMH) und Bewertung der Funktionsfähigkeit" (Woschitz et. al 2003) durchzuführen.

 

A.XII.12.27d. Vor Baubeginn für das Vorhaben im Längental sind der Behörde detaillierte Projektunterlagen für die in den Auflagen 27a bis 27c vorgesehenen Maßnahmen und ein ökologisches Beweissicherungsprogramm zur Überprüfung der Zielerreichung der Maßnahmen vorzulegen. Ein Baubeginn für das Vorhaben im Längental ist erst nach Freigabe der konkreten Maßnahmen durch die Behörde zulässig.

 

A.XII.12.27e. Die in den Auflagen 27a bis 27c vorgeschriebenen Maßnahmen sind tunlichst bis zur Inbetriebnahme der Vorhabensteile im Längental, spätestens jedoch bis 31.12.2024, umzusetzen. Bis zur Abnahmeprüfung für den Speicher Kühtai ist der Behörde jedenfalls das Ergebnis des in Auflage 27d vorgeschriebenen Beweissicherungsprogramms vorzulegen."

 

I.6. Im Kapitel "Wasserwirtschaft, Wasserbau, Hochwasserschutz" werden nach der Auflage A.XII.17.29 folgende neue Auflagen samt Überschrift eingefügt:

 

"Zusätzliche verwaltungsgerichtliche Auflagen (Bau- und Betriebsphase):

 

A.XII.17.29a: Im Zusammenhang mit den im Kapitel "Gewässerökologie" vorgeschriebenen Revitalisierungsmaßnahmen am Inn zwischen Stams und Rietz sind zwischen Flkm 334,8 und Flkm 329,0 folgende wasserbauliche Maßnahmen zu setzen:

 

1. Im Bereich der eigendynamischen Flussentwicklung zwischen Flkm 332,38 und Flkm 331,25 rechts (A1):

 

 

Das am flussaufwärtigen Ende des Maßnahmenbereichs gelegene massive Uferdeckwerk ist zu entfernen, die gewonnenen Wasserbausteine sind entsprechend ihrer Eignung bei der Neuerrichtung der Ufersicherung entlang der Autobahn A12 wiederzuverwenden.

 

Weiters sind die vorhandenen Buhnen bis zur neuen Uferlinie zu entfernen, das gewonnene Steinmaterial je nach Eignung ebenfalls für die neuen Uferschutzmaßnahmen wieder einzusetzen. Die entstandenen Baugruben sind im Wesentlichen zu belassen.

 

Der Rückbau des bestehenden Uferschutzes hat in zeitlicher Abstimmung mit der Neuerrichtung der Ufersicherung entlang der Autobahn (siehe unten) zu erfolgen, sodass der Hochwasserschutz für die bestehende Infrastruktur aufrecht bleibt.

 

 

Vorgängig vor bzw. zeitgleich mit den Maßnahmen, welche den Hochwasserschutz für die bestehende Infrastruktur reduzieren, ist rechtsufrig ein neues Uferdeckwerk auszuführen. Die Linienführung des neuen Deckwerks ist durch die bestehenden Besitzverhältnisse vorgegeben. In der Regel ist mit der Böschungsoberkante ein Abstand von mindestens 2,5 - 3 m zur Grundgrenze einzuhalten.

 

 

Das bestehende Deckwerk (inkl. der vorhandenen Buhnen) ist mittels Hochdruckbodenvermörtelungssäulen (HDBV-Säulen) zu unterfangen.

 

 

Um die im Interesse der Hochwassersicherheit maximal zulässige Sohlanlandung beurteilen zu können, ist unmittelbar nach Umsetzung der ggstdl. Maßnahmen eine 2D-hydraulische Nachrechnung mit der neuen Flussgeometrie und einer als möglich eingeschätzten höchsten Sohllage vorzunehmen und der Bundeswasser-bauverwaltung vorzulegen.

 

Sollten später im Zuge des Sohlmonitorings Anlandungen beobachtet werden, die das maximal zulässige Maß übersteigen, so ist eine neuerliche 2D-hydraulische Nachrechnung mit den aktuell vermessenen Querprofildaten zur genauen Beurteilung der zu erwartenden Hochwassergefährdung und der allenfalls deswegen gebotenen Gegenmaßnahmen vorzunehmen und der Bundeswasserbauverwaltung vorzulegen. Über erforderliche korrigierende Eingriffe in das Innbett (insbes. maschinelle Sohlabsenkungen) entscheidet die Bundeswasserbauverwaltung in Abstimmung mit der Konsenswerberin. Die Ausführung der Eingriffe entsprechend diesen Vorgaben obliegt in der Folge gem. § 50 WRG 1959 wiederum der Konsenswerberin.

 

2. Im Bereich der eigendynamischen Flussentwicklung zwischen Flkm 330,88 und Flkm 330,25 rechts (A2):

 

 

Von der auf HQ5 abgesenkten Fläche verbleibt nur ein 10 bis 15 m breiter Uferstreifen auf diesem Niveau. Dahinterliegend ist zwischen Flkm 330,33 und Flkm 330,7 in der Innau am rechten Ufer eine unregelmäßig strukturierte, zwischen 10 und 30 m breite Mulde herzustellen, die nur unterstrom an den Inn angebunden ist. Die Sohllage dieses Totarms ist so zu wählen, dass dieser mitgehend ganzjährig vom Inn her benetzt wird; lokal sind Tiefstellen auszubilden, die dauernd vom flussbegleitenden Grundwasser gespeist werden. Das Deckwerk zur Ufersicherung des Totarms ist mit Grobschlag unregelmäßig zu überschütten.

 

Im Zuge der Neuerrichtung der Ufersicherung entlang der Autobahn (siehe unten) ist der oberwasserseitige Abschluss des Totarms neu aufzubauen. Dieser Abschlussdamm ist durchlässig auszubilden, sodass eine leichte Durchströmung stattfindet und so der Totarm immer wieder freigespült wird.

 

 

Vier kurze Buhnen am unterstromigen Ende des Maßnahmenbereichs sind zu entfernen. Die gewonnenen Wasserbausteine sind bei entsprechender Eignung wiederzuverwenden.

 

 

Vorgängig vor bzw. zeitgleich mit den Maßnahmen, welche den Hochwasserschutz für die bestehende Infrastruktur reduzieren, ist rechtsufrig ein neues Uferdeckwerk auszuführen. Die Linienführung ist hier vornehmlich durch einen ausgerundeten Verlauf bzw. durch die vorhandene Infrastruktur ( XXXX -Freileitung, Uferbegleitweg) zu bestimmen.

 

 

Das bestehende Deckwerk (inkl. der vorhandenen Buhnen) ist mittels Hockdruckbodenvermörtelungssäulen (HDBV-Säulen) zu unterfangen.

 

 

Um die im Interesse der Hochwassersicherheit maximal zulässige Sohlanlandung beurteilen zu können, ist unmittelbar nach Umsetzung der ggstdl. Maßnahmen eine 2D-hydraulische Nachrechnung mit der neuen Flussgeometrie und einer als möglich eingeschätzten höchsten Sohllage vorzunehmen und der Bundeswasser-bauverwaltung vorzulegen.

 

Sollten später im Zuge des Sohlmonitorings Anlandungen beobachtet werden, die das maximal zulässige Maß übersteigen, so ist eine neuerliche 2D-hydraulische Nachrechnung mit den aktuell vermessenen Querprofildaten zur genauen Beurteilung der zu erwartenden Hochwassergefährdung und der allenfalls deswegen gebotenen Gegenmaßnahmen vorzunehmen und der Bundeswasserbauverwaltung vorzulegen. Über erforderliche korrigierende Eingriffe in das Innbett (insbes. maschinelle Sohlabsenkungen) entscheidet die Bundeswasserbauverwaltung in Abstimmung mit der Konsenswerberin. Die Ausführung der Eingriffe entsprechend diesen Vorgaben obliegt in der Folge gem. § 50 WRG 1959 wiederum der Konsenswerberin."

 

II. Im Übrigen werden die Beschwerden abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Mit Schreiben vom 23.12.2009 stellte die XXXX vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH, bei der Tiroler Landesregierung als UVP-Behörde den Antrag auf Durchführung einer UVP gemäß UVP-G 2000 und auf Erlassung eines Genehmigungsbescheides gemäß § 17 UVP-G 2000 betreffend Errichtung und Betrieb des Vorhabens Speicherkraftwerk (SKW) Kühtai.

 

Im Februar 2010 wurde dem Landesumweltanwalt, den Standortgemeinden, dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) sowie den mitwirkenden Behörden die Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) zur Stellungnahme übermittelt.

 

Am 30.6.2011 erfolgte die Kundmachung des verfahrenseinleitenden Antrages samt - inzwischen ergänzten - Unterlagen mit Edikt im Amtsblatt der Wiener Zeitung sowie im redaktionellen Teil zweier Tageszeitungen, durch Veröffentlichung auf der Homepage des Amtes der Tiroler Landesregierung sowie mittels Anschlag an den Amtstafeln der Gemeinden Längenfeld, Neustift im Stubaital, Silz, Umhausen, Sellrain, Fulpmes, Oetz, Haiming, Sautens und Telfes im Stubaital, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die Projektunterlagen in den Gemeindeämtern sowie beim Amt der Tiroler Landesregierung während den jeweiligen Amtsstunden zur Einsichtnahme aufliegen.

 

Nach erfolgten Ergänzungen/Änderungen des Vorhabens wurden diese wiederum mittels Edikt am 3.12.2013, durch Veröffentlichung auf der Homepage des Amtes der Tiroler Landesregierung sowie mittels Anschlag an den Amtstafeln der Standortgemeinden kundgemacht und zur Einsichtnahme bereitgestellt.

 

Zu den Projektunterlagen langten zahlreiche Einwendungen/Stellungnahmen ein, welche im Umweltverträglichkeitsgutachten behandelt wurden.

 

Das Umweltverträglichkeitsgutachten wurde mittels Edikt am 9.9.2014, durch Veröffentlichung auf der Homepage des Amtes der Tiroler Landesregierung sowie mittels Anschlag an den Amtstafeln der Standortgemeinden kundgemacht und dem BMLFUW, dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan, dem Landesumweltanwalt sowie den mitwirkenden Behörden übermittelt.

 

Vom 27.10.2014 bis zum 3.11.2014 wurde von der nunmehr belangten Behörde eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

 

Nach erfolgten weiteren Modifizierungen/Änderungen des Vorhabens wurden diese mittels Edikt am 29.9.2015, durch Veröffentlichung auf der Homepage des Amtes der Tiroler Landesregierung sowie mittels Anschlag an den Amtstafeln der Standortgemeinden kundgemacht und zur Einsichtnahme bereitgestellt.

 

Mit Edikt vom 1.3.2016, durch Veröffentlichung auf der Homepage des Amtes der Tiroler Landesregierung sowie mittels Anschlag an den Amtstafeln der Standortgemeinden wurde gemäß § 16 Abs. 3 UVP-G 2000 der Schluss des Ermittlungsverfahrens kundgemacht.

 

Am 24.6.2016 wurde der bekämpfte Bescheid erlassen, mit dem die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens SKW Kühtai nach dem UVP-G 2000 sowie weiteren materienrechtlichen Bestimmungen erteilt wurde.

 

2. Gegen diesen Bescheid richten sich die rechtzeitig eingebrachten

Beschwerden, in denen im Wesentlichen geltend gemacht wird:

 

Zur UVE und den Vorhabensunterlagen:

 

 

Zu den Auswirkungen auf Schutzgüter:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu den Ausgleichsmaßnahmen:

 

 

Zum öffentlichen Interesse:

 

 

 

 

Sonstige Beschwerdegründe:

 

 

 

 

 

 

Verfahrensrechtlich wurde vorgebracht:

 

 

 

 

3. Das Bundesverwaltungsgericht bestellte in der Folge Sachverständige für die von den Beschwerden betroffenen Fachgebiete, die schriftliche Gutachten bzw. Stellungnahmen zu den Beschwerdevorbringen erstatteten, und führte vom 27. bis 30.3.2017 eine mündliche Verhandlung durch, bei der die Beschwerdevorbringen und die Stellungnahmen der Sachverständigen dazu im Beisein der Sachverständigen im Einzelnen erörtert und zahlreiche neue schriftliche Stellungnahmen durch die Parteien eingebracht wurden.

 

Mit gutachterlicher Stellungnahme vom 16.5.2017 übermittelten die Sachverständigen für Naturhaushalt einen Vorschlag für zusätzliche Ersatzmaßnahmen. Mit gutachterlicher Stellungnahme vom 19.5.2017 übermittelten die Sachverständigen für Gewässerökologie einen Vorschlag für weitere gewässerökologische Maßnahmen am Inn zur Erzielung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt. Diese Stellungnahmen wurden den (bisherigen) Parteien des Beschwerdeverfahrens zur Stellungnahme übermittelt. Einige Parteien nahmen diese Gelegenheit in Anspruch und nahmen schriftlich Stellung.

 

Um möglichen neuen Betroffenen die Möglichkeit zu geben, zu von den Gericht in Aussicht genommenen, nunmehr in den Spruchpunkten A.I.5. und A.I.6. dieses Erkenntnisses aufgenommenen, zusätzlichen Auflagen aus gewässerökologischer Sicht Stellung zu nehmen, wurden diese mit Edikt vom 9.6.2017 im Amtsblatt der Wiener Zeitung, in der Tiroler Tageszeitung und der Kronen Zeitung Tirol kundgemacht, in den von diesen Auflagen betroffenen Gemeinden ausgehängt und jedermann die Möglichkeit gegeben, bis zum 7.7.2017 dazu Stellung zu nehmen. Es langten keine Stellungnahmen dazu ein.

 

4. Mit Erkenntnis vom 3.8.2017, GZ W104 2134902-1/101E, erließ das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung, mit der der behördliche Genehmigungsbescheid durch Änderung von Auflagen und Erlassung zusätzlicher Nebenbestimmungen abgeändert und im Übrigen die Beschwerden abgewiesen wurden.

 

Aufgrund der dagegen erhobenen ordentlichen Revisionen der Drittbeschwerdeführer und der Fünftbeschwerdeführerin wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom 22.11.2018, Zl. Ro 2017/07/0033, aufgehoben. Begründet wurde die Aufhebung damit, dass die in Spruchpunkt A.I.4. zur Vermeidung einer bleibenden Schädigung des Bodens, des Pflanzen- und Tierbestandes vorgeschriebene Auflage der Anlegung eines Ersatz-Moorlebensraumes nicht ausreichend bestimmt sei, sich das BVwG nicht mit der Frage beschäftigt habe, ob durch das beantragte Vorhaben das Ausmaß der von den bestehenden Anlagen ausgehenden und verursachten Emissionen verändert bzw. erhöht würde, und weil keine ausreichende Gesamtbeurteilung nach § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 erfolgt sei.

 

5. Mit Beschlüssen vom 14.3.2018, E 3209/2017-20 und E 3152/2017-21, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Beschwerden der Viert- und Fünftbeschwerdeführerinnen ab.

 

6. Mit Beschluss vom 20.12.2018 erklärte das Bundesverwaltungsgericht das Ermittlungsverfahren, ausgenommen den Teilbereich "Mögliche Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe im Längental infolge der Errichtung des Speichers, die geeignet sind, den Boden den Pflanzen- und Tierbestand oder die Gewässer bleibend zu schädigen", für geschlossen.

 

Mit Schriftsatz vom 1.2.2019 übermittelte die Projektwerberin eine "Ergänzende Auskunft gemäß § 12 Abs. 6 UVP-G 2000 zum Thema Kompensation für Feuchtlebensräume", mit der die nunmehr neu vorgeschriebene Ersatzmaßnahme in Zöblen als für eine entsprechende konkretisierte Auflage zur Kompensation des Verlusts von Feuchtlebensräumen im Längental geeignet vorgeschlagen wurde.

 

Mit Stellungnahme vom 25.2.2019 erklärte der vom Bundesverwaltungsgericht in dieser Angelegenheit bestellte Sachverständige, dass durch diese Maßnahme den Anforderungen eines künftigen Feucht- und Moorlebensraumes Genüge getan werde und formulierte eine entsprechende Auflage.

 

Dazu erfolgten Stellungnahmen der Erst-, Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer/innen und eine Replik des Sachverständigen.

 

Am 17.5.2019 wurde dazu eine mündliche Verhandlung durchgeführt und das gesamte Ermittlungsverfahren gem. § 39 Abs. 3 AVG i.V.m. § 16 Abs. 3 und § 40 Abs. 5 UVP-G 2000 geschlossen.

 

Nach der mündlichen Verhandlung wurde der Entwurf der Verhandlungsniederschrift nach der Übertragung von dem verwendeten Schallträger in Vollschrift den bei der Verhandlung Anwesenden gem. § 14 Abs. 3 AVG zur Stellungnahme übermittelt. Sämtliche Einwendungen dagegen konnten berücksichtigt werden.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

 

1.1. Das Vorhaben:

 

In den nordwestlichen Stubaier Alpen, südlich des Inntals zwischen dem Ötztal und dem Stubaital, sollen in einer Seehöhe von durchwegs über 1.900 m zu den bestehenden Anlagen der Kraftwerksgruppe Silz-Sellrain der Projektwerberin - bestehend insbesondere aus dem unteren Speicher Längental und dem oberen Speicher Finstertal samt Beileitungen sowie dem Pumspeicherkraftwerk Kühtai und dem Kraftwerk Silz - ein weiteres Pumpspeicherkraftwerk Kühtai 2 sowie ein weiterer Speichersee Kühtai samt Beileitungen aus dem hinteren Stubaital und dem hinteren Sulztal (Ötztal) errichtet werden. Das Vorhaben erstreckt sich auf die Gemeinden Silz, Längenfeld, Neustift im Stubaital, Umhausen, Ötz, Haiming, Sautens, Stams und Langkampfen, wobei die Gemeinden Ötz, Haiming, Sautens, Stams und Langkampfen lediglich von Ausgleichsmaßnahmen betroffen sind. Teile des Vorhabens befinden sich im Ruhegebiet Stubaier Alpen.

 

Dies ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid und den Antragsunterlagen.

 

1.2. Öffentliches Interesse am Vorhaben, effiziente Wassernutzung:

 

1.2.1. Die Behörde stellt im angefochtenen Bescheid (S. 268 ff) auf Grundlage der dazu von der Projektwerberin beigebrachten Unterlagen und des von ihr dazu eingeholten energiewirtschaftlichen Gutachtens fest, mit gegenständlichem Vorhaben verfolge die Konsenswerberin in erster Linie nachstehende Ziele:

 

• Steigerung der erneuerbaren Stromerzeugung aus natürlichem Zufluss bei höchstmöglichem Wirkungsgrad und hohem spezifischen Arbeitswert, bei gleichzeitiger Entkoppelung des Wasserdargebotes vom Strombedarf durch Wasserumlagerung in geeigneten Speichern

 

• Verbesserung des energiewirtschaftlichen Angebotes und Einsatzes der bestehenden Anlage (Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz) in Verbindung mit dem Neuausbau (Verbesserung des Wälzbetriebs durch Anhebung der Arbeitsfähigkeit und bessere Bedienung des Regelenergiemarktes durch zusätzliches Leistungsangebot) sowie Erhöhung des Wirkungsgrades der Gesamtanlage

 

• Nutzung der bestehenden Anlage und deren Infrastruktur, ohne Umbauten oder Veränderungen an den bestehenden Anlagenteilen einschließlich der Stromleitung Kühtai-Silz vornehmen zu müssen. Die Anlage weise eine Leistung von 216 GWh auf (Energiebilanz), zusätzlich werde Pumpenergie zur Füllung des Speichers Finstertal über die bestehende Oberstufe Kühtai von bis zu 15 GWh/a eingespart, da die künftige Füllung des Speichers Finstertal bevorzugt über das Kraftwerk Kühtai 2 erfolgen werde. Die künftig geänderte Befüllung des Speichers Finstertal hebe den Gesamtwirkungsgrad der erweiterten Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz um 1,6 % (d.h. von 82,7 % auf 84,3 %). Der Wälzwirkungsgrad im Kraftwerk Kühtai 2 zwischen den Speichern Finstertal und Kühtai betrage 73,9 %. Die Anlage sei für den Turbinenbetrieb, den Pumpbetrieb und auch den Phasenschieberbetrieb geeignet und könne in jedem Betriebszustand optimiert betrieben werden, was energiewirtschaftlich von besonderem Vorteil und besonderer Bedeutung sei.

 

Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene fänden sich Zielvorgaben/Bekenntnisse für den Ausbau erneuerbarer Energie und die Bekämpfung des Klimawandels (Richtlinie 2009/28/EG , 3rd Energie Package der EU-Kommission, EU Klima- und Energiepaket 2030, Energiefahrplan 2050 der EU-Kommission, Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013 - 2018, Tiroler Energiestrategie 2020 etc.). Auf europäischer Ebene sei als Ziel festgelegt, die Treibhausgase in der EU bis 2020 um 20 % zu senken und den Anteil erneuerbarer Energieträger auf 20 % zu erhöhen. Nach der Richtlinie 2009/28/EG sei Österreich verpflichtet, bis 2020 seinen Anteil an erneuerbaren Energien von 23,3 % (2005) auf 34 % zu steigern.

 

Einen wesentlichen Eckpfeiler für eine langfristige und nachhaltige Verringerung der CO2-Emissionen stellten die regenerativen Energien in der Stromversorgung dar. Durch die Erhöhung der Erzeugungsmöglichkeiten aus natürlichem Zufluss könnten CO2-Emissionen vermieden werden, und zwar durch Verdrängung der Stromerzeugung in fossil befeuerten Anlagen. Beim Ansatz, dass die erzeugbare Energiemenge in anderen konventionellen Kraftwerken zu erzeugen wäre, müsste als Vergleichsbasis wegen ähnlicher Einsatzbedingungen und Regelungscharakteristik zur Erzeugung eine Kombination zwischen Gasturbine und GUD-Kraftwerksanlage herangezogen werden. Allein bezogen auf die CO2-Emissionen als klimarelevantes Gas ergäbe sich unter dieser Annahme für die erzeugbare Energiemenge ein Ausstoß von 116.000 t CO2/Jahr, der bei der Erzeugung im SKW Kühtai vermieden werden würde. Gehe man davon aus, dass ein Durchschnittshaushalt in Österreich im Jahr 4.200 kWh verbrauche, so versorge die durch gegenständliches Vorhaben erzeugbare Energie aus natürlichem Zufluss rechnerisch 52.000 Haushalte emissionsfrei mit elektrischer Energie.

 

Europaweit betrachtet lägen beträchtliche Potentiale für den Ausbau erneuerbarer Energien in der Nutzung von Wind und Sonne (Windkraft und Fotovoltaik), wobei in Österreich Potentiale vor allem in der Wasserkraft, Windkraft und Biomasse lägen. In Bezug auf die Wasserkraft konzentrierten sich 42 % des Ausbaupotentials auf Tirol. Um die vorgegebenen EU-Ziele zu erreichen, sei ein Ausbau erneuerbarer Energieträger in Österreich unumgänglich. Mit Regierungsbeschluss vom 27.6.2006 habe die Tiroler Landesregierung zum Ausdruck gebracht, dass der Beitrag Tirols am Ausbau erneuerbarer Energieträger u.a. durch gegenständliches Kraftwerksvorhaben geleistet werden solle.

 

Regenerative Energieträger wie Sonnen- oder Windenergie, deren Ausbau mittel- und langfristig stark zunehmen werden, wiesen starke Leistungsschwankungen auf, sodass in der Folge auch die Residuallast, die in konventionellen Kraftwerken erzeugt werden muss, großen Schwankungsbreiten und hohen Veränderungsgradienten unterworfen sei. Im konventionellen Kraftwerkspark sei daher eine wesentlich höhere Flexibilität erforderlich, die nur durch Gaskraftwerke (Gasturbinenanlagen) und Speicherkraftwerke sichergestellt werden könne. Intelligente Lastmanagementmaßnahmen, Elektromobilität mit den dazu erforderlichen Speicherbatterien, Smart-Grids etc. seien in ihrer Entwicklung noch nicht so weit gediegen, dass sie zu Netzregelzwecken, insbesondere für schnelle Reaktionen zum Lastgradientenausgleich, geeignet wären. Diesen Anforderungen würden Smart Grids auch bei forcierter Entwicklung in naher Zukunft nicht hinreichend genügen. Die vermehrte Einspeisung von erneuerbaren Energien, wie Wind oder Sonne, bedinge somit einen steigenden Bedarf an (positiver und negativer) Regelenergie, die durch gegenständliches Kraftwerksvorhaben, das in das ENTSO-E-Netz integriert werden solle, zur Verfügung gestellt werden könne.

 

Durch Vorhaben wie das gegenständliche würden indirekt CO2-Emissionen vermieden, nämlich einerseits durch die Vermeidung des Baus von thermischen Kraftwerken zur Reservevorhaltung und andererseits durch die Vermeidung des Betriebs von thermischen Kraftwerken in Teillast zur Reservevorhaltung mit schlechterem Wirkungsgrad und erhöhtem CO2-Ausstoß.

 

Das Vorhaben diene neben dieser Integration erneuerbarer Energien in die Elektrizitätsversorgung auch der Versorgungssicherheit, wobei im Bescheid ein konkretes Beispiel angeführt wird, in dem ein europaweiter Blackout durch massive Lastabwürfe noch verhindert habe werden können, gestützt durch die Kraftwerke der Projektwerberin im Westnetz. Bei einem Deckungsbeitrag von 3,5 Promille für Österreich und 3,97 % für Tirol leiste das Vorhaben auch einen Beitrag zur Senkung der Abhängigkeit von Importen fossiler Energieträger und von Strom in der EU und Österreich. Das Vorhaben diene schließlich auch dem Hochwasserschutz, wobei die Aufnahme eines Hochwasserzuflusses während 48 Stunden allein im Speicher Kühtai gewährleistet werden könne.

 

1.2.2. In den Beschwerden, insbesondere in der des Landesumweltanwaltes, wurde bezweifelt, dass das Vorhaben vor allem auch angesichts der Veränderungen am Strommarkt und des Wassermengenrückgangs durch Abschmelzen der Gletscher wirtschaftlich betrieben werden könne; die geplante Anlagenkonfiguration sei aus energiewirtschaftlicher Sicht nur bedingt tauglich. Es werde die Einbeziehung eines unabhängigen Experten für Energiewirtschaft gefordert.

 

Der vom Bundesverwaltungsgericht bestellte nichtamtliche Sachverständige em. Univ.-Prof. Dr. Günther Brauner stellte in seinem Gutachten vom 6.2.2017 fest:

 

Der rasche Ausbau der regenerativen Energiequellen in Europa bis 2020 führe derzeit zu einer Verdrängung der thermischen Kraftwerke und zu Überkapazitäten mit Preisverfall. Die regenerativen Energiequellen würden gefördert. Deren Überschussenergie führe am Energiemarkt zu starken Preisnachlässen. An den Börsen näherten sich Peak- und Base-Preise und erschwerten derzeit einen wirtschaftlichen Betrieb der Speicherkraftwerke.

 

Längerfristig werde es zu einem signifikanten Ausbau der regenerativen Energiequellen in Europa bis zu einer 80-prozentigen Versorgung bis 2050, insbesondere aus Windenergie und Fotovoltaik, kommen. Der stark leistungsorientierte Ausbau führe zu Perioden mit hoher Übererzeugung. Die eingespeiste regenerative Energie könne um ein Mehrfaches über der Netzlast liegen und zeitweise kaum wirtschaftlich genutzt oder gespeichert werden.

 

Die Förderung der regenerativen Energiequellen werde sich von einem reinen Fördermodell hin zu einem Marktmodell entwickeln, dies sei derzeit in Deutschland bereits zu beobachten. Überschussenergie müsse daher am Energiemarkt gehandelt werden und habe keine festen Einspeisetarife. Hierdurch werde es bei starker Übererzeugung zu einem Preisverfall kommen.

 

Die klassischen thermischen Kraftwerke würden ihren Betrieb auf geringe Volllaststunden und häufiges An- und Abfahren ändern. Damit würden die Fixkostenanteile für die Erzeugung von Ausgleichsenergie signifikant steigen. Da zukünftig Perioden ohne Wind- und Fotovoltaik-Erzeugung möglich seien, müssten Reservekapazitäten aus thermischen Kraftwerken und Pumpspeichern vorgehalten werden. Bei 1000 Volllaststunden der thermischen Kraftwerke in Regelbereitschaft oder zur Erzeugung von Ausgleichsleistung würden sich die Erzeugungskosten mindestens verdoppeln. Neue thermische Kraftwerke seien kaum wirtschaftlich zu betreiben und daher sei eine Verknappung von Residualkraftwerken wahrscheinlich. Die Energieregulierung werde möglicherweise eine Mindestreserve von "Systemrelevanten Kraftwerken" definieren und nicht dem freien Markt allein die Versorgungssicherheit überlassen. Damit würden die Einspeisetarife für diese Kraftwerke auf das Niveau der variablen und fixen Vollkosten pro kWh bei niedrigen Volllaststunden steigen. Aus der Sicht der Pumpspeicher bedeute dies, dass regenerative Überschussenergie preisgünstig am Markt angeboten werde (niedrige Base-Preise) und Spitzenleistung kostengerecht vergütet werde (höhere Peak-Preise). Die derzeitige Situation des geringen Abstandes von Peak und Base werde daher insbesondere durch Stilllegung von Kernkraftwerken und (Braun‑)Kohlekraftwerken in Richtung eines größeren Spread gehen.

 

Dies seien längerfristige Tendenzen. Eine Beurteilung von Neubauprojekten nach der heutigen Marktsituation führe wahrscheinlich zu einer aus längerfristiger Sicht nicht gültigen Wirtschaftlichkeitsbewertung. Eine detaillierte energiewirtschaftliche Bewertung nach zukünftigen Marktregeln sei aus heutiger Sicht mit Unsicherheiten möglich, die Tendenzen sprächen aber für eine verbesserte Wirtschaftlichkeit der Pumpspeicher.

 

Das Potenzial von Windenergie und Fotovoltaik liege in Österreich bei bis zu 35 GW, die heutige Netzlast schwanke zwischen 5 und 10 GW. Die regenerative Energie könne daher auch bei Flexibilisierung und Erhöhung der Last nur teilweise zeitgerecht genutzt werden. Um eine vollständige Nutzung zu ermöglichen, sei der Ausbau von Speicherkapazitäten erforderlich. Das seien in erster Linie Pumpspeicherkapazitäten. Zukünftig könnten auch mobile Batterien von Elektrofahrzeugen und stationäre Batterien bei der Fotovoltaik genutzt werden. Diese stellten vorwiegend Kurzzeitspeicher dar. Für eine vollständige regenerative Energieversorgung müsse über das Jahr gesehen nachhaltig gewonnene Energie langfristig gespeichert werden. Für eine vollständig regenerative Versorgung Österreichs im Jahr 2050 müsse etwa 10 bis 15 % der über das Jahr gewonnenen regenerativen Energie langfristig gespeichert werden. Hierzu sei ein massiver Ausbau der Speicherkapazitäten erforderlich.

 

Österreich habe überwiegend Jahresspeicher ohne Pumpmöglichkeit, die vorhandenen Pumpspeicher hätten häufig zu kleine Unterspeicher, um signifikant am zukünftigen regenerativen Ausgleichsenergiemarkt teilnehmen zu können. Die bisherigen Auslegungskriterien für kleine untere Speicher seien für den hydro-thermischen Verbundbetrieb bestimmt gewesen, bei dem unflexible thermische Kraftwerke in der Nacht durchgefahren werden und die Pumpspeicher die Überschussenergie aufgenommen und als Tagesspitzenleistung abgegeben haben. Für diesen Kurzzeitbetrieb seien untere Speicher mit Zeitkonstanten von wenigen Stunden Pumpvolumen ausreichend gewesen. Wegen der guten Prognostizierbarkeit vor der Marktöffnung bei gesicherten Preisen in einem Markt der vertikal integrierten Energieversorger genügten relativ kleine untere Speichervolumina mit einem Pumpvolumen für mehrere Stunden. Das habe eine wirtschaftlich günstige Auslegung ergeben. Zukünftig seien die Pumpspeicher für mittelfristige Speicherung von Fotovoltaik und Windenergie auszulegen. Hierbei seien mehrtägige Perioden ohne ausreichendes Potenzial beider Quellen möglich. Die Pumpspeicher sollten daher so ausgelegt werden, dass auch eine mehrtägige Verlagerung möglich ist. Ohne Pumpspeicherausbau müssten sonst die regenerativen Energiequellen in Perioden mit Übererzeugung abgeregelt und in Perioden ohne Erzeugung thermische Reservekraftwerke eingesetzt werden. Hierdurch würden einerseits die installierten regenerativen Potenziale nur schlecht genutzt und andererseits würden vermehrt Treibhausgase bei der Elektrizitätserzeugung emittiert. Österreich und Europa müssten daher zukünftig ihre Pumpspeicher in erheblichem Umfang ausbauen.

 

Jahresspeicher seien weiterhin für die Energieversorgung erforderlich. Sie sammelten über das Jahr Niederschlag als Schmelzwasser oder Regenaufkommen. Beim Abarbeiten über die Turbinen sei das Wasservolumen über den Abfluss verloren. Wenn sie zu Pumpspeichern umgebaut würden, hätten sie einen unteren und oberen Speicher. Das Wasser könne daher im Turbinenbetrieb Energie in das Netz abgeben und bei Pumpbetrieb aus dem Netz aufnehmen. Über das Jahr seien dabei viele Zyklen möglich und das pendelnd gewälzte Wasservolumen bleibe auch im Klimawandel bei geringeren Niederschlagsmengen erhalten.

 

Das gegenständliche Vorhaben entspreche diesem Bedarf. Der geplante Speicher Kühtai verfüge über ein Speichervolumen von 31 Mio m³. Bei vollständiger Füllung sei damit ein fünftägiger Pumpbetrieb (123 h bei 2 x 35 m³) möglich. Im Turbinenbetrieb sei mit 2 x 45 m³ eine durchgängige Betriebszeit von 95,7 h bzw. 4 Tagen möglich. Auch bei teilweiser Füllung von Kühtai sei damit immer noch ein mehrtägiger Pump- oder Turbinenbetrieb möglich, was die flexiblen Einsatzmöglichkeiten dieses Kraftwerks im zukünftigen Markt der Ausgleichsenergie deutlich verbessere.

 

Das Wälzvermögen betrage etwa 12,8 GWh. Dies entspreche 2,56 Mio. Haushalts-Batterien zu je 5 kWh. Bei 2.000 Volllaststunden im Turbinenbetrieb bei der Nennleistung von 130 MW könne damit pro Jahr gesehen eine gespeicherte regenerative Überschussenergie von 260 GWh wieder in das Netz zurückgespeist werden und müsse nicht abgeregelt werden.

 

Zukünftig liege das hauptsächliche öffentliche Interesse für den Ausbau des Speichers Kühtai auf dem Gebiet der Ausgleichsenergie. Hier würden zukünftig große Pumpleistungen und große Volumina im oberen und unteren Speicher Kühtai benötigt. Eine Auslegung von Kühtai als Tagesspeicher erlaube nur einen eingeschränkten Einsatz zur traditionellen Veredelung von thermischer oder nuklearer Energie. Nach ElWOG sei beim Pumpbetrieb ein Herkunftsnachweis der eingesetzten Energie erforderlich. Durch die Stilllegung aller Atomkraftwerke in Deutschland bis 2022 und durch teilweise Stilllegung von Kohlekraftwerken werde auch der thermo-hydraulische Ausgleichenergiemarkt mit kleinerem Speicherbedarf in Zukunft schrumpfen und durch einen regenerativ-hydraulischen Ausgleichsenergiemarkt mit großem Speicherbedarf allmählich abgelöst.

 

1.2.3. In der mündlichen Verhandlung wurde an den Ergebnissen dieses Gutachtens Kritik geübt und insbesondere bemängelt, der Gutachter habe aus den von ihm verwendeten Studien falsche Schlüsse gezogen. Es wurden der Bedarf an mehrtägiger Speicherkapazität und die vom Gutachter vorausgesagte Erholung der Großhandelspreise ebenso bezweifelt wie ihm die Vernachlässigung grenzüberschreitender Austauscheffekte vorgeworfen. Es wurden Studien vorgelegt, wonach der Betrieb von Pumpspeicherkraftwerken in absehbarer Zeit nicht wirtschaftlich sei.

 

Der Sachverständige (SV) nahm dazu in der Verhandlung wie folgt Stellung:

 

Man könne nicht vorhersagen, welche Erzeugungspreise es in Zukunft geben werde, man könne aber sagen, die regenerative Energie habe praktisch nur Fixkosten und keine Grenzkosten, was bedeute, dass die Preise in den Keller gehen würden, wenn sehr viel Regenerative am Markt ist. Man könne sagen, der Basepreis werde heruntergehen und durch die Verknappung der Kraftwerke, die stillgelegt werden, würden die Peakpreise dann nach oben gehen.

 

Zum internationalen Ausgleich führte der SV aus, dieser benötige sehr forcierten Leitungsausbau, die zukünftige Energieversorgung gehe deshalb in Richtung zentral/dezentral. Dezentral heiße, dass sogenannte vorbilanzierte Zellen gebildet würden. Diese hätten Speicher, Fotovoltaik und Wind und bräuchten nur noch die Differenzenergie zum Netz; lokale Speicher seien daher notwendig. Weiters sei darauf hinzuweisen, dass in Deutschland nur Mittelgebirge vorhanden seien, deshalb hätten bereits in der Historie Unternehmen wie RWE und e.on und andere mit Österreich im Bereich der Speicher kooperiert, indem sie sich an den Speichern beteiligten; sie würden dies auch in Zukunft tun. Das energiewirtschaftliche Modell von Tirol sei es, für Deutschland teilweise zu speichern und eben dadurch den Bau von thermischen Kraftwerken zu ersparen.

 

Es gebe wohl die Möglichkeit der Speicherung durch flexible Lasten wie industrielle Prozesswärme, Wärmepumpen, Ladung von Autobatterien udgl., doch sei nur 10 % der Last als flexibel einzuschätzen, bei 300 % Erzeugung stelle dies einen marginalen Wert dar. Für Länder, die Windkraft forciert nutzten, wie Deutschland oder Österreich, sei zentrale Speicherung notwendig, und zwar für eine Woche mindestens, da auch Wind eine zentrale Erzeugungstechnik darstelle.

 

Unter Bezug auf die Frage der zukünftigen Nutzung nach Abschmelzen der Gletscher stellte der SV in der Verhandlung unter Hinweis auf die Aussagen des glaziologischen SV in seinen Gutachten fest, dass es zwar wärmer werde, Österreich aber in einer Region liege, wo voraussichtlich 2050 im Winter weniger Schnee und mehr Regen fallen werde, also die Niederschläge gleich blieben. Im Übrigen sei ja ein größerer unterer Speicher da, und das Wasser pendle zwischen unten und oben, auch bei Klimaerwärmungen könne das Wasser genutzt werden, es sei dann nur teilweise von Niederschlag abhängig.

 

Das von der Gemeinde XXXX ins Verfahren eingebrachte "Gutachten zur Rentabilität von Pumpspeicherkraftwerken" der Forschungsstelle für Energiewirtschaft im Auftrag des Bayrischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie aus 2014 kommt unter Zugrundelegung derzeitiger Marktbedingungen zum Schluss, dass ein Neubau von Pumpspeicherkraftwerken nur unter günstigen Umständen, bei Kombination aller betrachteten Märkte, eine positive Wirtschaftlichkeit aufweise. Der SV kommt hingegen bei Annahme einer deutlichen Veränderung der Marktbedingungen zur Annahme, dass ein Betrieb des konkreten Vorhabens energiewirtschaftlich sinnvoll möglich ist. Damit hat diese Studie ein anderes Untersuchungsziel und kann das Gutachten des SV nicht erschüttern.

 

Der ebenfalls von der Gemeinde XXXX ins Verfahren eingebrachte Bericht "Pumpspeicher im trilateralen Umfeld Deutschland, Österreich und Schweiz" der ETH Zürich aus 2014, der drei Studien zusammenfasst und analysiert, kommt zum Schluss, dass Pumpspeicherkraftwerke heute eine sehr wichtige Technologie für die Bereitstellung von operativer Flexibilität im Netzbetrieb, aber nicht die einzig verfügbare Flexibilitätsquelle seien. Gerade die meist recht kleine Energiespeicherkapazität, im Normalfall einige Stunden im Volllastbetrieb, und die damit entstehenden intertemporalen Randbedingungen schränkten die realen Betriebsmöglichkeiten merklich ein (z.B. in puncto saisonaler Energiespeicherung). Die zukünftigen Ertragsmöglichkeiten für Pumpspeicherkraftwerke seien großen Unsicherheiten unterworfen. Hierbei spielten sowohl die hohen Investitionskosten und die lange Lebensdauer solcher Anlagen, als auch der aus heutiger Sicht nur schwer abschätzbare Beitrag alternativer Energiespeichertechnologien und flexibler Gaskraftwerke, insbesondere der Kombination aus Gaskraftwerken mit "Power-to-Gas"-Anlagen und anderer Flexibilitätsoptionen (z.B. Lastmanagement, vertiefte Strommarktintegration von EE-Anlagen), eine große, aber nur schwer zu quantifizierende Rolle. Die Ergebnisse der drei untersuchten Studien könnten folgendermaßen zusammengefasst werden: Es brauche (1.) mehr Wissen zum heutigen Stand der Dinge, die zukünftige Bedeutung der Pumpspeicher hänge

(2.) davon ab, wie sich das Energiesystem als Ganzes entwickelt und vor allem müsse (3.) sorgfältig abgeklärt werden, welche politischen bzw. regulatorischen Instrumente geeignet sind, um die Sicherheit der Stromversorgung auch langfristig sicherstellen zu können. Die Wissenschaft sei sich nicht einig darüber, ob bei der zukünftigen Energieversorgung einschließlich Speicherung eher Großtechnologien oder dezentrale Anlagen zum Zug kommen werden bzw. ob es eine Kombination der Technologien sein wird. Abschließend wird konstatiert, dass auch wenn sich die Pumpspeicher derzeit in einem schwierigen (Investitions‑)Umfeld befänden, es offensichtlich sei, dass ihre Fähigkeiten insbesondere mittelfristig für ein funktionierendes Gesamtsystem von großer Bedeutung sein würden. Die notwendigen Anpassungen der Rahmenbedingungen müssten aber mit der notwendigen Sorgfalt und unter Berücksichtigung des übergeordneten Ziels angepackt werden.

 

Diese Studie steht ebenfalls der Annahme des SV zur energiewirtschaftlichen Sinnhaftigkeit des Vorhabens, insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer hohen Energiespeicherkapazität von mehreren Tagen, nicht entgegen, sie beleuchtet aber die Rasanz der Entwicklungen, die Bedeutung der Rahmenbedingungen und die Schwierigkeit der Vorhersehbarkeit zukünftiger Markt- und Preisentwicklungen.

 

1.2.4. Insgesamt erweist sich die Beurteilung der energiewirtschaftlichen Sinnhaftigkeit des Vorhabens durch den SV als schlüssig, wenngleich offenbar nicht gesagt werden kann, mit welcher Wahrscheinlichkeit seine Annahmen zum zukünftigen energiewirtschaftlichen Umfeld eintreffen werden. Die im Verfahren diskutierten wissenschaftlichen Studien und die vom SV daraus gezogenen Schlüsse lassen es aber als plausibel erscheinen, dass das Vorhaben einen bedeutenden Beitrag zur Integration erneuerbarer Energieträger wie Wind und Sonne in das Energieversorgungssystem leisten und die Versorgungssicherheit erhöhen wird, und es auch wirtschaftlich betrieben werden kann.

 

Kein Zweifel kann darin obwalten, dass das Vorhaben zu einer Erhöhung des Anteils der Versorgung der Bevölkerung mit Energie aus erneuerbaren Quellen beitragen wird, wobei ein hoher Wirkungsgrad und eine hohe Energieausbeute erzielt werden.

 

1.2.5. Schließlich wird auch festgestellt, dass auch der energie- und wasserwirtschaftliche Nutzen der Beileitungen aus dem hinteren Stubaital gegeben ist. Bei der Gewinnung von Energie aus den Speichern des Vorhabens im Vergleich zu den Kraftwerken am unteren Ende des Stubaitales handelt es sich um eine weit höherwertige Energienutzung und zwar nicht nur, weil das Wasser wegen der vorgesehenen Möglichkeiten zur Zwischenspeicherung zu einer bestimmten Zeit abgearbeitet werden kann, sondern weil jeder so aus dem Stubaital entzogene Wassertropfen über weit größere Fallhöhen abgearbeitet werden und so aus derselben Wassermenge durch das Vorhaben 4,75 mal mehr Energie gewonnen werden kann, als mit den Unterliegeranlagen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Errichtungsaufwandes der Wasserfassungen und des Beileitungsstollens, aber auch unter Berücksichtigung von Versickerungs- und Verdunstungseffekten; dies zum einen deshalb, weil Versickerungseffekte aufgrund der Gesteins- und Druckverhältnisse, Verdunstungseffekte aber wegen der großen Höhenlage des Speichers Kühtai vernachlässigbar sein werden, zum anderen, weil das verdunstete Wasser dem Wasserkreislauf nicht entzogen, sondern als Regen wieder zurückgegeben wird. Diese Feststellungen beruhen auf Aussagen des (zweiten) energiewirtschaftlichen SV DI Monz, des SV für Wasserbau und Wasserwirtschaft, des SV für Geologie und Grundwasser sowie des SV für Glaziologie in der mündlichen Verhandlung.

 

1.2.6. Es wird daher festgestellt, dass insgesamt ein hohes öffentliches Interesse an der Energieerzeugung durch das geplante Vorhaben besteht und das verwendete Wasser effizient genutzt wird. Die dahingehende Beurteilung der Behörde im angefochtenen Bescheid begegnet keinen Bedenken.

 

1.3. Keine andere wesentlich bessere Umweltoption:

 

1.3.1. In mehreren Beschwerden wird geltend gemacht, sinnvolle technische Varianten zum Vorhaben, die eine bessere Umweltoption darstellen würden, seien - auch wegen der fehlenden Bereitschaft der Projektwerberin, in Teile der bestehenden Anlage einzugreifen - nicht geprüft worden. Vom Landesumweltanwalt wird gezielt eingebracht, die Erlöspotentiale für ein Speichervolumen des Speichers Kühtai von 5 Mio. m³ statt der geplanten 31 Mio. m³ lägen bei rd. 90 %, mit einer Ausbauleistung von 130 MW sei das Kraftwerk Kühtai 2 zu klein dimensioniert, um das Speichervolumen von 31 Mio. m³ bzw. die zusätzlichen Beileitungen energiewirtschaftlich optimal nutzen zu können, ein Verzicht auf den Speicher Kühtai wäre ohne energiewirtschaftliche Nachteile möglich, ebenso eine deutliche Verkleinerung des Speichers Kühtai bei gleichzeitiger Erhöhung der Leistung des Kraftwerks Kühtai 2.

 

Zum Vorschlag einer Reduktion des Speichervolumens auf 5 Millionen m³ gibt die Projektwerberin an: Unter Berücksichtigung eines zusätzlich vorzuhaltenden Volumens zur Aufnahme von Hochwasserabflüssen - diese Verpflichtung ergebe sich aus den Vorgaben des § 7 Abs. 1 Z 1 der Verordnung zum Wasserwirtschaftlichen Rahmenplan Tiroler Oberland - für die Dauer von 48 Stunden von 2,4 Millionen m³ wäre ein Speichervolumen über Absenkziel von 7,4 Millionen m³ erforderlich. Da ein kleiner Speicher keine Jahresspeichercharakteristik mehr aufweise, müsste der Hochwasserrückhalteraum anders als im Vorhaben jahresdurchgängig freigehalten werden und könnte energiewirtschaftlich nicht genutzt werden. Die Lage des Damms müsste auch bei einem kleineren Speicher gegenüber dem Vorhaben unverändert bleiben, die Effizienz von Errichtung und Betrieb des Dammbauwerkes würde wesentlich sinken. Der Aufwand je Kubikmeter Speichervolumen bei der Variante wäre rund dreimal größer als bei der vorhabensgemäßen Konzeption. Diese Variante nutze die vorhandenen Möglichkeiten an diesem Standort völlig ineffizient. Aus ökologischer Sicht legt die Projektwerberin dar, dass sich bei dem vorgeschlagenen Stauziel die Speicherfläche auf rund 32 ha gegenüber 59,5 ha beim Vorhaben verringern würde. Die Reduktion des Flächenbedarfs würde sich allerdings fast ausschließlich auf die ökologisch gering oder mäßig sensiblen Talflanken und Hänge beschränken (dominierender Vegetationstyp: Zwergstrauchheiden und unproduktive Flächen wie z.B. Schutthalden). Der Flächenbedarf im Bereich des Talbodens mit hoher oder sehr hoher Sensibilität hingegen bliebe nahezu unverändert bestehen. Auch der grundsätzliche Verlustanteil an Fließstrecke aufgrund der Stauhaltung im engen Tal bliebe bestehen.

 

Eine Entkoppelung von Erzeugung und Wasserdargebot wäre mit dieser Variante auf einen kurzfristigen Zeitbereich und somit im Vergleich zum Vorhaben sehr stark eingeschränkt. Die Einsatzmöglichkeiten würden sich primär auf einen Wälzbetrieb im Tageszyklus reduzieren. Sowohl der mit dem Vorhaben zusätzlich angestrebte Ausgleich im Wochenzyklus als auch jener über längere Perioden wäre mit einem Speichervolumen gemäß vorgeschlagener Variante nicht möglich. Die nutzbringenden Ziele könnten somit nicht erfüllt werden und eine bessere Umweltoption würde diese Variante jedenfalls nicht darstellen.

 

Aus energiewirtschaftlicher Sicht bestätigt der energiewirtschaftliche SV diese Einschätzung in seinem Gutachten vom 6.2.2017, wenn er angibt, eine Verkleinerung des Speichers würde den Anteil der in Österreich und Europa nutzbaren regenerativen Energie vermindern und durch Verlust großer symmetrischer Speichervolumina das Verlagerungspotenzial und damit die Wirtschaftlichkeit des geplanten Vorhabens vermindern. Große Speicher würden auch die Flexibilität des Vorhabens insbesondere in Intra-day-Markt bessern, da auch bei teilweiser Füllung noch ausreichende Potenziale für längerfristigen Turbinen- oder Pumpbetrieb bestünden.

 

Zum Vorschlag des gänzlichen Entfalls des Speichers Kühtai und der Errichtung eines Kraftwerks Kühtai 2 parallel zu Kraftwerk Kühtai 1 nimmt die Projektwerberin dahingehend Stellung, dass dieser Vorschlag einen massiven Eingriff in die Bestandsanlage darstelle, da aufgrund des dann gegebenen Bedarfs einer Erweiterung des Speichers Längental die bestehende Talsperre dieses Speichers abzutragen und durch eine neue weiter auswärts gelegene zu ersetzen wäre, mit gravierenden Eingriffen in den Betrieb der Bestandsanlage (langzeitigen Betriebsunterbrechungen) während der Bauphase. Aus den Aussagen des energiewirtschaftlichen SV zur Sinnhaftigkeit symmetrisch großer Speichervolumina bzw. eines großen unteren Speichers schließt das Gericht, das das Vorbringen der Projektwerberin, mit dieser Variante seien die nutzbringenden Ziele des Vorhabens nicht zu erreichen, nicht nur aus betriebswirtschaftlicher, sondern auch aus energiewirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar ist.

 

Für die ebenfalls vorgeschlagene Alternative einer Erhöhung der Leistung des Kraftwerks Kühtai 2 von 130 MW auf 400 MW müssten nach den nach Angaben der Projektwerberin sämtliche elektromaschinellen Anlagenteile vergrößert werden, die Turbinenzahl würde sich von vorhabensgemäß zwei auf wahrscheinlich sechs Stück, zumindest jedoch vier Stück erhöhen. Annähernd im selben Ausmaß würde damit auch der Platzbedarf im Krafthaus und das Ausbruchsvolumen der Kraftwerkskaverne steigen, die Ein- und Auslaufbauwerke sowie der Querschnitt des Triebwasserweges müssten entsprechend vergrößert werden, was wiederum eine komplette Änderung des Konzepts der Druckschachtauskleidung bedingen würde. Weiters müsste die bestehende Hochspannungsfreileitung vom Kühtai ins Inntal neu gebaut werden.

 

Zu diesem Vorbringen hat der XXXX in der mündlichen Verhandlung ein "Gutachten zur Übertragungskapazität einer bestehenden 220 kV-Leitung und technischen Optionen zur Kapazitätserhöhung" vorgelegt, in dem Möglichkeiten vorgeschlagen werden, die Kapazität der Übertragungsleitung wesentlich zu erhöhen. Dies sei möglich durch Verzicht auf den n-1-sicheren Betrieb, das Auflegen von Hochtemperaturleiterseilen, ein Leiterseiltemperaturmonitoring oder eine vollständige oder teilweise Umrüstung auf 380 kV. Dazu gab die Projektwerberin in der mündlichen Verhandlung an, eine Ausstattung mit Hochtemperaturseilen würde eine Erhöhung der Übertragungskapazität von 30 - 40 % bedeuten, zu beachten seien dabei aber die Umweltaspekte der Auswirkungen der Temperaturerhöhung im Seil für Vögel und die absolute Meereshöhe von 2000 m über dem Meer mit entsprechenden Abminderungsfaktoren für die Leistungsfähigkeit. Ein Monitoringsystem sei von der Projektwerberin vorgesehen, wodurch allerdings nur unter geeigneten Bedingungen eine Leistungserhöhung möglich sein werde; bei besonderen Witterungslagen (Temperatur, Feuchtigkeit) werde diese Leistungserhöhung unter Umständen sehr gering sein. Der Umbau auf 380 kV schließlich würde eine Erneuerung der Schaltanlagen in den Kraftwerken Kühtai und Silz bedeuten und auch in den vorgelagerten Netzanlagen. Die Kosten hierfür wären enorm. Die n-1-Verfügbarkeit der Übertragungsleitung sei aufgrund der großen Leistung des Kraftwerkes Kühtai und des Speicherkraftwerks Kühtai 2 in Summe von 500 MVA für die Projektwerberin unabdingbar. Ein allfälliger Ausfall einer Leitung werde bei Nichtinanspruchnahme dieses Kriteriums zum Ausfall des gesamten Kraftwerksparks führen.

 

Für das Bundesverwaltungsgericht steht jedenfalls fest, dass diese Option keine bessere Umweltoption darstellt, da auch bei einer Verdopplung der Leistung des neuen Kraftwerks Kühtai 2 der Speicher Kühtai zu errichten wäre und die Annahme, dass aufgrund der höheren Kraftwerksleistung auf andere ähnliche Vorhaben zur Nutzung der Wasserkraft verzichtet werden könnte bzw. verzichtet werden würde, reine Spekulation darstellt und im Verfahren durch nichts untermauert wurde.

 

Insgesamt wird daher festgestellt, dass praktikable technologische Alternativen, die eine bessere Umweltoption darstellen, zum gegenständlichen Vorhaben nicht vorhanden sind.

 

1.3.2. Zur Aussage des energiewirtschaftlichen SV in seinem Gutachten, dass Batteriespeicher zukünftig hauptsächlich zusammen mit Fotovoltaikanlagen genutzt würden, im Vergleich zu Pumpspeichern eine wesentlich kürzere Lebensdauer hätten und insgesamt gegenüber Pumpspeichern mit großen oberen und unteren Speichervolumina nicht konkurrenzfähig seien, hat sich der XXXX in der Verhandlung geäußert. Der von ihm als Fachbeistand nominierte Prof. Gossmann schilderte in der mündlichen Verhandlung eingehend, dass Batteriespeichertechnologien aufgrund der rasanten technischen Entwicklung laufend billiger, effizienter und umweltfreundlicher würden. Die vom energiewirtschaftlichen SV in seinem Gutachten angesetzten Preise derartiger Technologien seien um den Faktor fünf zu hoch bewertet. Die hohen Strompreise für Endverbraucher würden Haushalte und andere kleine Verbraucher zum beschleunigten Zubau von Fotovoltaik-Dachanlagen mit Batteriespeichern veranlassen. Dabei würde so viel Speicher installiert, dass die meisten existierenden Speicher bei Kraftwerksbetreibern nicht länger benötigt werden. Aufgrund der technologischen Potenziale, der rasanten technischen Entwicklung und der günstigen Kostenentwicklung würden Batteriespeicher schon sehr bald ein der Pumpspeichertechnologie völlig überlegenes Mittel zur Speicherung von Energie darstellen.

 

Dazu wird festgestellt, dass sich die vom XXXX ins Spiel gebrachten Batteriespeichertechnologien nicht als unmittelbare technische Alternativoption für das geplante Vorhaben darstellen, sondern sich auf die Einbindung des Vorhabens in das zukünftige energiewirtschaftliche Umfeld beziehen. Dazu ergibt sich bereits aus der in Punkt 1.2. reflektierten energiewirtschaftlichen Diskussion und der darin eingebrachten Studien, dass die zukünftige Entwicklung des Energiemarktes und der Energietechnologien durch einen hohen Grad an Offenheit und Unsicherheit gekennzeichnet ist, dass aber die Pumpspeichertechnologie ihren Platz in diesem Gefüge haben wird und das Vorhaben einen bedeutenden Beitrag zur Integration erneuerbarer Energieträger wie Wind und Sonne in das Energieversorgungssystem leisten sowie die Versorgungssicherheit erhöhen wird.

 

Die Ausführungen zur Entwicklung der Batteriespeichertechnologie mögen fachlich zutreffend sein, können aber die Feststellungen unter

1.2. zur energiewirtschaftlichen Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Pumpspeichern nicht widerlegen. Auch das Bestehen einer besseren Umweltoption kann dadurch nicht substantiiert werden, da die Ausführungen nicht darlegen, dass es bei Entfall des Vorhabens nicht an anderer Stelle bei Erzeugung, Betrieb und Entsorgung von Batterien zu ebensolchen bzw. ebenso bedeutenden Umweltauswirkungen kommt.

 

1.3.3. Der Landesumweltanwalt hat weiters geltend gemacht, dass die erforderlichen Angaben zu alternativen und besseren Umweltoptionen in den Vorhabensunterlagen und in Verfahren nicht ausreichend gewesen seien. Es wären umfassende Planungs-, Standort- und Ausführungsvarianten zu prüfen gewesen. Die Grenzen der Alternativenprüfung seien zu eng gewählt worden.

 

Zu möglichen Standortoptionen enthält das im behördlichen Verfahren erstellte Umweltverträglichkeitsgutachten folgende Angaben:

 

"Die umweltrelevanten Vor- und Nachteile der von der Konsenswerberin geprüften Standortvarianten sind ausreichend dargelegt und nachvollziehbar begründet. 2004 wurde von der XXXX der [...] Optionenbericht herausgegeben, in dem 16 ‚Optionen' für den Ausbau der Wasserkraft in Tirol aufgezeigt und kurz beschrieben worden sind. Bei diesen Standortoptionen handelt es sich um

 

· zehn eigenständige Kraftwerke,

 

· mehrere Varianten von einem Kraftwerk (zwei Varianten des Ausbaus des Kraftwerks Kaunertal und drei Varianten des Ausbaus des Kraftwerks Sellrain-Silz) sowie

 

· in einem Fall um neun mögliche Standorte für Innkraftwerke, die zum damaligen Zeitpunkt als unwirtschaftlich angesehen und mit Ausnahme von Imst - Mötz nicht näher behandelt worden sind.

 

Die drei Optionen im direkten Zusammenhang mit der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz sind Option 7 mit einer verlängerten Beileitung zum Speicher Längental zur Fassung von Winnebach und Fischbach, Option 8 mit einem zweiten Kraftwerk beim Speicher Längental ohne zusätzliche Beileitung sowie Option 9, die in den groben Zügen dem vorliegenden Projekt entspricht.

 

Nach Vorlage des Optionenberichtes wurden bis zur Einreichung des Projektes, Stand Rev. 3, und die darin enthaltenen unterschiedlichen Ansätze und Standorte für den Zubau einer Oberstufe bei der bestehenden Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz keine anderen Standortvarianten verfolgt. Aus diesem Werdegang lässt sich ableiten, dass im Rahmen der UVE zum gegenständlichen Projekt für die Darlegung und Prüfung anderer Standortvarianten kein Anlass bestand. Dies ist auch aus energiewirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar. Der Bedarf an einer nochmaligen Darlegung anderer Standortvarianten ist damit nicht gegeben.

 

Die im Optionenbericht der XXXX aufgezeigten prinzipiellen Varianten zur Deckung des Strombedarfs und deren Bewertung zeigt nachvollziehbar, dass Großwasserkraftwerke die für Tirol sinnvollste Art der Bedarfsdeckung darstellt, wenngleich den dem Bereich Ökostrom zuordenbaren Formen der Energiegewinnung ein höherer Stellenwert als im Optionenbericht eingeräumt werden sollte. Mit den vorgenommenen Anpassungen des Vorhabens im Detail stellt nun das vorliegende Projekt bei einer ausgewogenen, an den Säulen der Nachhaltigkeit orientierten Betrachtungsweise recht klar die optimale Lösung dar."

 

Zu vorhabensbezogenen Projektalternativen enthält das im behördlichen Verfahren erstellte Umweltverträglichkeitsgutachten folgende Angaben:

 

"Die Vor- und Nachteile der von der Projektwerberin geprüften Alternativen sind ausreichend dargelegt und nachvollziehbar begründet. Der von der XXXX im Jahr 2004 vorgelegte Optionenbericht über mögliche Standorte künftiger Wasserkraftnutzung in Tirol umfasst 29 Vorschläge für Einzelvorschläge, welche zu 16 Optionen zusammengefasst wurden. Im Auftrag der Tiroler Landesregierung wurde der Optionenbericht geprüft, um festzustellen welche der Optionen aufgenommen und näher verfolgt werden sollte. Durch die vorab festgelegten 17 Prüffelder und die abschließende Zusammenführung der Teilergebnisse, kam es zu einer Gesamtbetrachtung, die "wirtschaftliche Sinnhaftigkeit, soziale Akzeptanz, ökologische Tragfähigkeit und technische Machbarkeit" widerspiegelt.

 

Das gegenständliche Projekt entspricht Option 9 Variante Ausbau Sellrain/Silz II. Die Vor- und Nachteile der zwischen dem Optionenbericht und der UVE-Einreichung getätigten Projektanpassungen finden sich unter Pkt. 01.02 der Vorhabensbeschreibung (Dokument B-2). So wurde z.B. auf die Nutzung von Bächen im Gschnitztal verzichtet, als auch die Nutzung von Bächen im Stubaital zurückgenommen. Durch die Planung des Pumpspeicherkraftwerks 2 als Kaverne kommt es zu einer verminderten Flächeninanspruchnahme (Fachgebiet Alm- und Landwirtschaft, Boden). Durch die Ausführung des Beileitungsstollens über die gesamte Länge von 25 km von Kühtai bis zum Fernaubach in nur einem Bauabschnitt ohne Zwischenangriffspunkte und Verbringung des gesamten Ausbruchmaterials nach Kühtai wird die Kampfzone des Waldes weitestgehend vor Eingriffen verschont. Die Beanspruchung des forstlichen Bewuchses in der Kampfzone im Bereich der Wasserfassung Winnebach beschränkt sich auf eine kleine Fläche.

 

Die mit dem gegenständlichen Projekt vorgenommenen Anpassungen sind wie folgt positiv hervorzuheben:

 

· Alternative Speicherstandorte (Vergrößerung des Speichers Längental, Speicher oberhalb der Zirmbachalm, Speicher im Mittertal) hätten - u.a. hinsichtlich Landschaftsbild und Erholungsfunktion - deutlich mehr Nachteile mit sich gebracht. Von Seiten des Prüfgutachters für Energiewirtschaft wird zur Vergrößerung der Speichers Längental festgehalten, dass folgende Argumente eindeutig gegen diese Variante sprechen und als gravierende energiewirtschaftliche Beeinträchtigungen und Nachteile anzusehen sind:

 

o Eingriffe in den Betrieb der Bestandsanlage mit Betriebsunterbrechungen,

 

o Entfall des Vorteiles beim Fallhöhengewinn durch die Höhenlage der Wasserfassungen und des Beileitungssystemes,

 

o Entfall der Gesamtwirkungsgradverbesserung durch Pumpstrombedarfreduktion für die Bestandsanlagen durch die geänderte Betriebsweise bei Füllung des Speichers Finstertal aus dem künftigen Speicher Kühtai.

 

Der Prüfgutachter für Gewässerökologie stellt zur Vergrößerung des Speichers Längental fest: Durch die Vergrößerung des Speichers Längental auf rd. 3 km wäre der Detailwasserkörper 30342003 des Stuibenbaches betroffen. Gemäß dem Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan erfolgte die Einstufung aufgrund der energiewirtschaftlichen Nutzung als erheblich veränderter Wasserkörper mit einem mäßigem oder schlechterem ökologischen Potentials. Durch die Verlängerung des Speichers Längental auf rd. 3 km und den damit verbundenen Totalverlust der betroffenen Gewässerstrecke ist prinzipiell von einer Verschlechterung des derzeit gegebenen ökologischen Potentials hin zum "schlechten" Potential auszugehen. Es liegen jedoch keine gewässerökologischen Untersuchungen vor, die eine detaillierte Beurteilung dieser Variante ermöglichen. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der Verzicht auf den in der UVE geplanten Speicher mit einer wesentlich geringeren Eingriffserheblichkeit verbunden wäre.

 

· Verzicht auf Beileitungen weiterer Bäche im hinteren Stubaital und im Gschnitztal, was den Erhalt wichtiger das Landschaftsbild prägender und für Freizeit, Erholung und den Tourismus wichtiger Elemente bedeutet (z.B. Grawawasserfall).

 

· Reduktion der Zahl der Baulose für den Beileitungsstollen etappenweise von vier auf eines. Dadurch entfallen Zwischenangriffe mit Materialtransporten und Deponien. So kann v.a. der landschaftlich wertvolle Bereich "In der Sulze" oberhalb der Amberger Hütte unangetastet bleiben.

 

· Verlegung des Kraftwerks unter die Erde.

 

· Verzicht auf Nebenfassungen der Glamergrubenbäche in der Wilden Grube aus Gründen des Landschaftsbildes.

 

· Die Energieversorgung der Anlagen im Sulztal erfolgt durch den Beileitungsstollen, wodurch auf eine Leitungstrasse durch das Sulztal verzichtet werden kann.

 

Aus Sicht der Fachgebiete Lebensräume, Wildökologie und Jagd wäre die Standortoptionen Vergrößerung des Speichers Längental vorteilhafter als die gewählte Standortoption, weil dadurch die großräumigen Eingriffe insbesondere ins obere Längental vermieden werden hätten können. Aus wald- und wildökologischer Sicht ist positiv zu beurteilen, dass durch die geplante Ausführung des Beileitungsstollens über die gesamte Länge von 25 km von Kühtai bis zum Fernaubach in nur einem Bauabschnitt ohne Zwischenangriffspunkte und der Verbringung des gesamten Ausbruchmaterials nach Kühtai die hinsichtlich Artengarnitur und Reichtum an Schlüsselhabitaten wildökologisch interessante Kampfzone des Waldes weitestgehend vor Flächeneingriffen und oberirdischen Verkehrserschließungen verschont wird. Zum Schutzgut Kulturgüter ist grundsätzlich anzumerken, dass jegliche Baumaßnahmen dieser Dimension in einem Hochgebirgstal ähnliche Auswirkungen auf Kulturgüter, v.a. Bodendenkmale (Almen, mesolith. Jägerstationen etc.), haben dürften. Deshalb könnte bei einer kleinräumigen Verschiebung des Speichers innerhalb des Tales oder die Verlegung in ein anderes Nebental keine Verbesserung der Situation hinsichtlich Bodendenkmale erwartet werden. Aus Sicht des Fachgebietes Energiewirtschaft weist das als Ergebnis der Variantenstudien eingereichte Projekt ein ausgewogenes Verhältnis zwischen energiewirtschaftlichem Nutzen und baulichem Aufwand sowie von Umwelteingriffen auf. Die gewählte Lösung führt im Vergleich zu den geprüften Alternativen eindeutig zu den geringsten Umwelteingriffen bzw. Umweltauswirkungen, allerdings wird dies gemäß Fachgebiet Wasserwirtschaft durch eine deutliche Reduzierung des Saldos des geplanten jährlichen Arbeitsvermögens aus natürlichem Zufluss von ursprünglich 349 GWh (Option 9) auf 216 GWh erkauft. Für die Fachgebiete Zivil- und Katastrophenschutz, Arbeitnehmerschutz, Glaziologie und Klima, Abfallwirtschaft, Dammbau, Beton- und Massivbau, Bodenmechanik und Grundbau, Felshohlraumbau und Felsmechanik, Tunnel- und Brückenbau und Querschnittsgestaltung, Stahlbau, Maschinenbau und Schifffahrt ergeben sich keine maßgeblichen Entscheidungskriterien hinsichtlich Alternativen."

 

Diesen Feststellungen des Umweltverträglichkeitsgutachtens wurde im Beschwerdeverfahren nicht mit Erfolg entgegengetreten. Das Bundesverwaltungsgericht stellt daher fest, dass im Genehmigungsverfahren andere technische Optionen und Standortoptionen in hinreichendem Ausmaß geprüft wurden. Dabei haben sich keine Optionen ergeben, die die nutzbringenden Ziele des Vorhabens zu zumutbaren Kosten so erreichen, dass sich wesentlich geringere negative Auswirkungen oder wesentlich mehr positive Auswirkungen auf die Umwelt ergeben.

 

1.4. Auswirkungen auf Oberflächengewässer:

 

1.4.1. Durch das Vorhaben werden einige Oberflächengewässer in ihrem ökologischen Zustand verschlechtert. Dabei kommt es bei fünf Detailwasserkörpern verschiedener Hochgebirgsbäche zur Verschlechterung um mindestens eine Zustandsklasse und zusätzlich bei neun Detailwasserkörpern zu einer Verschlechterung der einzelnen Qualitätskomponenten Makrozoobenthos und/oder Wasserhaushalt innerhalb einer prognostizierten Zustandsklasse.

 

Eine fehlerhafte Beurteilung dieser Veränderungen durch die Sachverständigen, wie in der Beschwerde des Landesumweltanwalts behauptet, liegt nicht vor. So wurde die Bewertung des guten ökologischen Zustandes am Winnebach im Bereich der geplanten Wasserfassung von den gewässerökologischen SV in ihrem Gutachten vom 19.2.2017 nachvollziehbar dargelegt; dagegen wurde von den Beschwerdeführern kein Einwand mehr erhoben. Auch die Einstufung des Zustandes des diskutierten Detailwasserkörpers am Schranbach mit "mäßig" kann aufgrund des erwähnten Gutachtens und der Ausführungen der SV in der mündlichen Verhandlung aufgrund der derzeit rechtlich zulässigen energiewirtschaftlichen Nutzung auch in trockenen Jahren als plausibel angesehen werden. Auch die Prognose einer Verbesserung hin zu einem guten ökologischen Zustand aufgrund der nach Verwirklichung des Vorhabens gesicherten Dotierwasserregelung für die Niederwassersituation (Hauptentwicklungszeit der aquatischen Bodenfauna) kann nachvollzogen werden.

 

Sämtliche in den Beschwerden kritisierte Mängel der Einschätzung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Wasserkörper der berührten Oberflächengewässer konnten im gewässerökologischen Gerichtsgutachten vom 19.2.2017, im wasserbautechnischen Gerichtsgutachten vom 15.2.2017, und in der mündlichen Verhandlung mit ausführlicher Begründung widerlegt bzw. aufgeklärt werden. Das gewässerökologische Gerichtsgutachten legt unter Verweis auf Teilgutachten Nr. 13a des Umweltverträglichkeitsgutachtens dar, dass an den Wasserfassungen Dotierwasserabgaben vorgesehen sind, die sowohl in Bezug auf die notwendige Mindestwasserführung als auch die Dynamik der Dotierung alle Voraussetzungen für den Erhalt des guten ökologischen Zustandes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erfüllen und dadurch den Anforderungen von § 13 Abs. 2 der Qualitätszielverordnung Ökologie-Oberflächengewässer (QZV Ökologie OW) entsprochen wird. Basierend auf den Ausführungen des SV für Wasserbautechnik ist auch die Kontinuität des Gewässernetzes sowie der Erhalt der Dynamik des Geschiebetransports und der Geschiebeumlagerungen des laufenden Materials gewährleistet; die Befürchtung, dass Sohlumlagerungen praktisch überhaupt nicht mehr auftreten würden, was eine Verstopfung des Kieslückenraumes und in weiterer Folge eine Schädigung der Gewässerlebewelt zur Folge hätte, ist nicht begründet. Hinsichtlich des Vorbringens zur Reduktion der Lebensraumeignung wird festgestellt, dass durch die geplanten Wintersockelbeträge die Mindestwasserführungen in den Restwasserstrecken der natürlichen Wasserführung entsprechen. Dies umso mehr, da in der Regel in der winterlichen Niederwasserzeit kein Wasser eingezogen wird. Somit wird in der Hauptentwicklungszeit des Makrozoobenthos die Lebensraumeignung nicht bis sehr geringfügig reduziert. Auch dies ergibt sich aus dem gewässerökologischen Gerichtsgutachten vom 19.2.2017.

 

1.4.2. Der Längentalbach, dessen ökologischer Zustand im Bereich des geplanten Speichers von "sehr gut" zu "schlecht" verändert wird, ist von seinem Gewässertyp (Typ 2-5-1 - Unvergletscherte Zentralalpen - gem. Anhang A QZV Ökologie OW) her als "selten" mit "hoher" gewässerökologischer Wertigkeit anzusprechen.

 

Zur Kritik des Landesumweltanwaltes, dass die im Projekt vorgesehene Mindestdotationsmenge im Längentalbach unterhalb des Staudamms nicht ständig verfügbar sei und deshalb eine Verschlechterung in den mäßigen oder unbefriedigenden ökologischen Zustand zu erwarten sei, wird festgestellt, dass das im Projekt prognostizierte Dotierwasser durch eine Messeinrichtung mengenmäßig kontinuierlich zu erfassen ist und diese Daten von der gewässerökologischen Bauaufsicht in ihren Berichten auszuwerten sind. Wenn die vorgesehene Dotierwassermenge von 20 l/s in den Wintermonaten nicht nachgewiesen werden kann, sind entsprechende Maßnahmen zu setzen, um diese rechtliche Verpflichtung zu erfüllen.

 

Das geplante Unterwasserbecken Silz, dass sich unmittelbar vor der Einleitung der zur Energieerzeugung genutzten Gewässer der Kraftwerksgruppe Sellrain/Silz in den Inn befinden wird, wird keine gravierende Verbesserung der gewässerökologischen Verhältnisse, aber auch keine Verschlechterung bewirken; eine ökologische Verbesserung innerhalb der Zustandsklasse ist durch den merkbaren Rückgang der Sunkgeschwindigkeit zu erwarten. Dieses Ausgleichsbecken wird zudem nach Umsetzung der in der Verordnung zum Wasserwirtschaftlichen Rahmenplan Tiroler Oberland genannten Standorte einen wesentlichen Beitrag zu einer gesamthaften Schwallreduktion am Inn leisten.

 

Die Beschwerdevorbringen in Zusammenhang mit der von der Projektwerberin eingebrachten Vorhabensmodifikation betreffend die Erhaltung unbeeinflusster Abflussverhältnisse in den Entnahmestrecken der Unterliegerkraftwerke, dass nämlich nicht nachvollziehbar sei, wie die Differenz zwischen Ausgangszustand und Zustand nach Realisierung des Vorhabens gemessen werden könne, konnten im Beschwerdeverfahren aufgeklärt werden. Dazu ist die gesamte Einzugswassermenge an den Wasserfassungen - um die Fließzeit verschoben - zum verbleibenden Abfluss am Ruetz-Pegel Fulpmes zu addieren. Dies ist technisch möglich und ebenso wie eine grundsätzlich fehlerfreie Funktion der Pegelmessstellen auch Stand der Technik. Ab der Wehranlage Fulpmes ist mit keinen wesentlichen Auswirkungen des Vorhabens mehr zu rechnen.

 

Durch das Vorhaben werden spätere Sanierungsmaßnahmen i.S. des Verbesserungsgebotes unterhalb der Wehranlage Fulpmes nicht verhindert, weil keinerlei bauliche Maßnahmen gesetzt und Sanierungsmaßnahmen in der Zukunft jederzeit an allenfalls geänderte Verhältnisse angepasst werden können.

 

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Gutachten der gewässerökologischen SV und des wasserbautechnischen SV; ihnen wurde von den Beschwerdeführern in der mündlichen Verhandlung nicht mehr substantiell entgegengetreten.

 

1.4.3. Zum Beschwerdevorbringen, die Gewässer Fernaubach, Daunkogelfernerbach, Unterbergbach und Schranbach seien lt. Kriterienkatalog "Wasserkraft in Tirol" als sehr sensibel anzusehen und daher von jeder energiewirtschaftlichen Nutzung freizuhalten, wird festgestellt, dass der Tiroler Kriterienkatalog in erster Linie für eine grobe Ersteinschätzung ausgelegt wurde, um die Auswirkungen einer Wasserentnahme für eine bestimmte Gewässerstrecke beurteilen zu können. Für diese Erstbeurteilung liegen in den meisten Fällen hinsichtlich des Kriteriums Mindestabfluss für kleinere Gewässer noch keine geeigneten Pegelaufzeichnungen vor. Zahlreiche Untersuchungen der letzten Jahre zeigen, dass sich in Bereichen geringer Abflüsse Abflussverminderungen sehr viel stärker auswirken als bei höheren Abflüssen. Kleine Gewässer mit einer geringen Niederwasserführung reagieren daher sensibler als größere Gewässer. Sobald Daten vorliegen - wie im vorliegenden Projekt - ist anhand der Daten eine Beurteilung der Auswirkung durchzuführen. Im ggstl. Fall sind für die Bäche so hohe Sockelbeträge vorgesehen, dass in der winterlichen Niedrigwasserzeit praktisch keine Wasserentnahme erfolgt. Dies ergibt sich aus dem gewässerökologischen Gutachten vom 19.2.2017.

 

1.4.4. Zur insbesondere vom Landesumweltanwalt mit Nachdruck vorgebrachten Kritik, die Gletscherschmelze und die damit einhergehende Verringerung von Abflüssen aus derzeit vergletscherten Gebieten sei nicht berücksichtigt worden und stelle aus gewässerökologischer Sicht ein Grundproblem des Vorhabens dar, wird zunächst auf die Feststellungen unten unter Pkt. 1.5. verwiesen, wonach der derzeitige Abfluss viel höher liegt als im vor Beginn der Gletscherschmelze üblichen langjährigen Durchschnitt.

 

Zudem wird folgendes festgestellt:

 

Die Sockelbeträge an den jeweiligen Fassungen sind auch nach einer entsprechenden Gletscherschmelze und der damit einhergehenden Verringerung von Abflüssen abzugeben bzw. einzuhalten. Zum Vorbringen, dass die für notwendig erachteten Mindestwerte für den dynamischen Dotierwasseranteil bei 20 % aufgrund ihres Relativbezuges deutlich verringert werden und sich daher rein rechnerisch bei einer Reduktion des Abflusses der dynamische Anteil bis zum Beispiel 2031 ausgehend vom heutigen Abflussgeschehen auf 10,6 % reduzieren wird, ist festzuhalten, dass sich diese rechnerische Verringerung des dynamischen Anteils nur auf eine Absolutbetrachtung hinsichtlich der natürlicher Weise dann gegebenen geringeren Abflusssituation bezieht. Durch die projektsgemäß vorgesehene dynamische Dotierwassermenge von 20 % der ankommenden natürlichen Wassermenge (auch wenn sie natürlicherweise geringer ist) wird auf die geänderten Abflussverhältnisse Rücksicht genommen. Somit wird auch die QZV Ökologie OG für die zukünftige Situation bei einer Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse eingehalten.

 

Dies ergibt sich aus dem gewässerökologischen Gutachten vom 19.2.2017 und den Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung.

 

1.4.5. Auf Grundlage dieses Gutachtens sowie der Gutachten des glaziologischen und des geologischen SV wird auch festgestellt, dass alle praktikablen Vorkehrungen getroffen wurden, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Oberflächen- und Grundwasserkörper zu mindern. Durch die in der UVE vorgesehenen und die seitens der SV für notwendig erachteten Maßnahmen und Beweissicherungen werden die negativen Auswirkungen minimiert.

 

Die Dotierwasservorschläge entsprechen den Richtwerten zum Erhalt des guten hydromorphologischen Zustandes gemäß § 13 QZV Ökologie OG, womit hydromorphologische Bedingungen vorliegen, unter denen die für den guten Zustand der biologischen Qualitätskomponenten festgelegten Werte erreicht werden können. Die Dotierwasservorschläge erfüllen auch die in § 11 Abs. 4 des Wasserwirtschaftlichen Rahmenplans Tiroler Oberland vorgeschriebenen Mengen.

 

1.5. Gletscherschmelze, Klimawandel, Wasserdargebot:

 

Die Abflüsse im Vorhabensgebiet sind seit ca. 1980 generell viel höher als im davor üblichen langjährigen Durchschnitt, weil die Massenhaushalte der Gletscher stark negativ sind und damit die Abflüsse stark über den Abflüssen ausgeglichener Massenhaushaltsjahre liegen. Diese hohen Abflüsse sind nicht nachhaltig, die Abflüsse werden in Zukunft nicht mehr glazial, sondern nival-fluvial geprägt sein und im Sommer auf tieferem Niveau liegen. Die Abflussdynamik in den Sommermonaten wird nach Abschmelzen der Gletscher (ab 2030) drastisch verringert, die Abflüsse im Winter und im Frühling werden jedoch eher höher ausfallen, da Niederschlag auch in höheren Lagen öfter als Regen statt Schnee fällt und weil die Schneeschmelze im Frühjahr früher und intensiver einsetzt.

 

Es kann zu längeren Trockenperioden im Sommer kommen, sodass die Sockelbeträge nicht immer garantiert werden können und es auch im Sommer zu Zeiten kommen kann, in denen kein Wasser zur Energieerzeugung entnommen werden kann. Die Variation im Abfluss wird auch von Jahr zu Jahr stärker werden, im Winter wird eher mehr, im Sommer weniger Niederschlag als heute fallen. Die Niederschläge werden in der Regel intensiver ausfallen. Von der Gesamtmenge der Niederschläge ist zu erwarten, dass weiterhin mit hohen Niederschlagsmengen in der Höhenlage oberhalb 2500 m im Vorhabensgebiet zu rechnen sein wird.

 

Diese Feststellungen gründen auf das nachvollziehbare Gutachten des glaziologischen SV vom 27.1.2017. In der mündlichen Verhandlung hat der SV weiter ausgeführt, die Voraussage der Veränderungen des Niederschlags nach Abschmelzen der Gletscher sei sehr komplex und lasse sich nur aus komplexen Klimamodellen ableiten, deren Interpretation großen Spielraum lasse. Es gebe hunderte Studien, die z. T. unterschiedliche Schlüsse zögen. Vor zehn Jahren sei er selbst mit seinen Kollegen bei Studienerstellung davon ausgegangen, dass der Winter eher feuchter und der Sommer eher trockener werde, dies habe sich aber mit neueren Studien geändert. Man gehe davon aus, dass die Sommer ebenso wie die Winter mit mehr Niederschlag als bisher zu prognostizieren sind. Diese Prognosen bestätigt auch der aktuelle Projektbericht "Klimaszenarien für das Bundesland Tirol bis 2100", aus dem Projekt ÖKS I 5 herausgegeben von der ZAMG, den Universitäten Graz und Salzburg sowie dem Land Tirol, der von der Projektwerberin in der mündlichen Verhandlung übergeben wurde. Danach nimmt die Niederschlagsmenge bis 2100 im Mittel zu, wobei der Großteil der Niederschlagszunahmen in den Winter fällt. Der Aussage des SV über die große Bandbreite an Studienergebnissen und die rasche Veränderung der Prognosen entsprechen auch die Ergebnisse der von der Gemeinde XXXX ins Treffen geführten Studie der Boku zu Klimawandel und Artenvielfalt aus 2009, die noch von einer Niederschlagsabnahme ausgeht.

 

Es wird daher festgestellt, dass derzeit keine belastbare Prognose zur Entwicklung der Niederschlagsmengen im Vorhabensgebiet nach Ende der Gletscherschmelze möglich ist, nach derzeitigem Stand aufgrund eines "sophisticated guess" aber davon ausgegangen werden kann, dass im Jahresdurchschnitt, möglicherweise sogar im Sommer und im Winter mit mehr Niederschlag als bisher zu rechnen ist.

 

1.6. Geologie, Grundwasser, Naturgefahren:

 

Festgestellt wird, dass unter Berücksichtigung aller Szenarien keine Veränderungen von Permafrost im Felsgestein zu erwarten sind, die Sturzereignisse auslösen können, die die Sicherheit der Anlage und damit auch ihres Umfeldes gefährden können. Dies geht aus dem Gutachten der geologischen Gerichts-SV vom 31.1.2017 zweifelsfrei hervor.

 

Durch die projektsgemäße Entnahme von Oberflächenwasser wird es zu keiner Veränderung der Grundwasserneubildung kommen; die Grundwässer, die weiter unten die Fließgewässer begleiten, sind Porengrundwässer, die mit dem tiefer liegenden Kluftgrundwasserkörper nicht in Verbindung stehen. Unter der Annahme, dass Permafrost in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weniger wird, kann der Schluss gezogen werden, dass sowohl in den Fels- als auch in den Lockergesteinsarealen Wasser besser eindringen wird können und die Grundwasserneubildung im Vergleich zu heute verbessert wird. Auch wird es durch das vermehrte Hervorkommen von Lockergesteinen zu einer verbesserten Retentionswirkung und daher zu einer Dämpfung des Oberflächenwasserabflusses kommen. Eine wesentliche Veränderung der Geschiebesituation in den Oberflächenwässern ist dadurch aber nicht zu erwarten. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des geologischen SV in der mündlichen Verhandlung.

 

1.7. Siedlungswasserwirtschaft:

 

Fest steht, dass einige Quellen, z.T im Bereich von Alpenvereinshütten, durch den Vortrieb des Beileitungsstollens möglicherweise gefährdet werden können. Dies kann nicht hundertprozentig prognostiziert werden, doch sind im Bescheid Maßnahmen beim Stollenvortrieb selbst und im Bereich der Ersatzwasserversorgung vorgesehen, die eine zuverlässige Trinkwasserversorgung zu jeder Zeit sicherstellen können. Die Ersatzwasserversorgung der Schweinfurter Hütte und der umliegenden Almhütten kann durch die Wiederherstellung der Nutzung der Kleinhorlachalmquelle sichergestellt werden. Dies ist im Gutachten des siedlungswasserwirtschaftlichen SV vom 31.1.2017 vollständig und nachvollziehbar beschrieben und wurde in der mündlichen Verhandlung von diesem und vom geologischen SV bestätigt und erläutert.

 

Eine nachteilige Beeinflussung der Trinkwasserversorgung der Gemeinde XXXX ist sowohl in der Bau- als auch Betriebsphase ausgeschlossen, wie der siedlungswasserwirtschaftliche SV in seinem Gutachten und in der mündlichen Verhandlung erläutert hat. Ebenso auszuschließen ist eine Durchmischung von schwefelhältigen mit nicht schwefelhältigen Grundwasserbereichen im Bereich Winnebach, wie der geologische SV in der Verhandlung dargelegt hat.

 

1.8. Lärm:

 

Das Ruhegebiet Stubaier Alpen wird nur in flächenmäßig untergeordneten Teilen von Baulärm berührt. Das Ruhegebiet ist von den Bauaktivitäten der Belüftungsbohrung Zwieselbachtal, der Wasserfassung Winnebach und den Wasserfassungen an Fischbach und Schranbach betroffen. Im Vergleich zur gesamten Fläche des Ruhegebietes sind diese Baustellen kleinräumig und schalltechnisch betrachtet aus diesem Grund bereits nicht geeignet, das gesamte Ruhegebiet in seiner Integrität zu gefährden.

 

Die schalltechnische Begutachtung beruht weiters auf Annahmen des Vollbetriebes. Diese aus der humanmedizinischen Beurteilung von Lärm stammende Vorgehensweise berücksichtigt dabei für sich nicht, wie lange Einwirkungen tatsächlich stattfinden. Wie sich aus dem Einreichoperat Einlage B.03.01.1001-0 Bauzeitplan ergibt, erstrecken sich die einzelnen Bauvorgänge bei den genannten Baufeldern im Ruhegebiet über einen wesentlich kürzeren Zeitraum als die Gesamtbauzeit.

 

Die für die Betriebsphase prognostizierten und mit dem erstinstanzlichen Bescheid genehmigten Fahrbewegungen im Ausmaß von 10-20 Zu- und Abfahren pro Monat (für das gesamte Projekt) sind in einer Weise untergeordnet, dass die auf das Ruhegebiet bezogenen fallweisen Fahrbewegungen bereits aus schalltechnischer Sicht als geringfügig zu qualifizieren sind.

 

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Ergänzungsgutachten des gerichtlich bestellten lärmtechnischen SV vom 5.1.2017.

 

1.9. Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Ökosysteme, Naturhaushalt:

 

1.9.1. Auswirkungen des Speichers im Längental:

 

Das Projektgebiet im Teiluntersuchungsgebiet Kühtai (Standort des geplanten neuen Speichersees) umfasst Vegetationseinheiten, die ausgehend von der hochmontanen Stufe im Bereich der Hemerwaldalm (1820 m) nach oben vorwiegend den subalpinen Bereich in das Längental hinein bis auf eine Höhe von ca. 2.200 m abdecken. Dementsprechend liegt der Großteil der Fläche in der Kampfzone des Waldes. Während die unteren Projektbereiche im Bereich des bestehenden Speichers Längental noch teilweise von geschlossenem Wald umgeben sind, befinden sich die obersten Projektbereiche in etwa auf der Höhe der Baumgrenze.

 

Die Lebensraumtypen rund um den bestehenden Speicher Längental sind aufgrund zum Teil bereits vorhandener morphologischer Geländeveränderungen und einem stärkeren Nutzungsdruck durch die bestehende Kraftwerkinfrastruktur, die bestehende Straße, die Nähe zum Schigebiet Kühtai und teilweise einer intensiveren Beweidung wesentlich stärker anthropogen beeinflusst als die Lebensraumtypen, die sich im mittleren Längental entwickelt haben und die abgesehen von einer eher extensiven Beweidung durch Kühe und Schafe kaum einem Nutzungsdruck unterliegen. Die Lebensraumtypen sind sehr vielfältig und reichen von Wäldern über Zwergstrauchheiden bis hin zu Graslandgesellschaften, von Gewässern, Niedermooren über frische und mittlere Standorte bis zu den extremen Pionierstandorten der Schutt- und Felsspaltengesellschaften.

 

Der mäandrierende Bachlauf im Längental stellt einen sensiblen Gewässertyp laut Kriterienkatalog Wasserkraft in Tirol dar. Folgende hoch und sehr hoch sensible Lebensräume kommen im Teiluntersuchungsgebiet Kühtai vor: Artenreicher montan-subalpiner Borstgrasrasen auf Silikat, Niedermoor-Kleinseggenbestand - sauer, Bachquellflur, Silikat-Latschengebüsch, Silikat-Lärchen-Zirbenwald, Alpigene Kiesbettflur, Bach mit Umlagerungsstrecke, Bach ohne Umlagerungsstrecke, Stillgewässer vegetationsarm, Mäandrierender Hochgebirgsbach.

 

Im Bereich der permanent vom Speicher beanspruchten Flächen liegen ca. 2,12 ha an Moorflächen vor. Diese werden als "Niedermoor - Kleinseggenbestand - sauer" klassifiziert. Die vorliegenden Bestände sind weitgehend von der Braunsegge bestimmt (Braunseggen-Niedermoore), wobei durchaus unterschiedliche Ausprägungen etwa mit einem höheren Torfmoosanteil (im nördlichen flacheren Bereich) oder solche mit Wollgras vorliegen. Aufgrund des geringen Nutzungsdruckes sind diese Moore im Vergleich zu anderen ähnlichen Moorstandorten im Bereich Kühtai - Sellrain (z.B. im Fotschertal) in einem sehr guten naturkundefachlichen Zustand, während an den anderen Standorten meist durch einen starken Beweidungsdruck eine deutliche Vorbelastung vorliegt.

 

Die Eingriffe, die durch den Speicher in Bezug auf die betroffenen Lebensraumtypen entstehen, sind im Wesentlichen als Totalverlust für das Schutzgut Pflanzen und deren Lebensräume zu bewerten. Ebenso wurden die Habitatverluste bei der Bewertung der Auswirkungen auf die untersuchten Tiergruppen berücksichtigt.

 

Unter Berücksichtigung der Sensibilität der vorliegenden Flora und Fauna ergeben sich damit zum Teil "sehr hohe" Eingriffsintensitäten, dies entspricht damit der höchsten vorgesehenen Bewertung im gewählten Bewertungssystem (RVS 04.01.11).

 

Anders als die Talräume weist die subalpine und alpine Höhenstufe, in welcher der Speicher im Längental geplant ist, in Tirol noch zahlreiche Naturräume mit geringen anthropogenen Vorbelastungen auf. Solche Vorbelastungen in einem größeren Ausmaß sind lokal nur durch Schigebiete gegeben. Der vom geplanten Speicher beanspruchte Bereich zeichnet sich durch einen sehr vielfältigen Lebensraumkomplex aus, in dem die einzelnen Elemente zusammenwirken. Für zahlreiche Arten ist das Vorhandensein solcher Lebensraumkomplexe ausschlaggebend, z. B. für Amphibien Laichhabitate, Nahrungshabitate, Überwinterungsbereiche. Die unterschiedlichen Lebensraumtypen im Längental hängen zum Teil funktional voneinander ab (zum Beispiel Abflussdynamik der Fließgewässer, Dotierung der Stillgewässer, Dynamik der Uferbereiche, Quellaustritte als Wasserversorgung der Niedermoore, Silikatfelsen, Schuttfluren).

 

Ein solcher Lebensraumkomplex mit all den funktionalen Abhängigkeiten lässt sich in der Praxis nicht einfach rekonstruieren, insbesondere wenn die große Eingriffsfläche berücksichtigt wird. Einzelne Elemente benötigen Jahrzehnte bis Jahrhunderte (Moore), um sich zu entwickeln. Zudem müssten Flächen auf denen eine hohe Ausgleichswirkung erzielt werden könnte, bereits stark vorbelastet sein, was im subalpinen Bereich, wie oben dargestellt, eher die Ausnahme darstellt. Aus diesem Grund ist für einige Tiergruppen, die besonders auf Habitatkomplexe angewiesen sind, eine Wiedererstellbarkeit dieser Komplexe kaum möglich. Aufgrund der großen Ausdehnung der permanenten Eingriffsfläche im Bereich des Speichers und der genannten Faktoren wird es nicht möglich sein, für die unmittelbar betroffenen lokalen Populationen einen Ausgleich mit engem räumlichen und funktionalen Zusammenhang zu schaffen.

 

Flachere Gewässerabschnitte in der subalpinen Höhenstufe der Stubaier Alpen, in deren nordwestlichen Teil der Speicher geplant ist, zeichnen sich natürlicherweise meistens durch schotterreiche Verzweigungsstrecken aus. Ein mit einem Moor verzahnter mäandrierender Hochgebirgsbach tritt vergleichsweise selten auf und ist für die Stubaier Alpen nur an vier Gewässerabschnitten bekannt, wobei zumindest an einem Abschnitt (Oberlauf Fotscherbach) eine starke anthropogene Vorbelastung durch Weidebetrieb vorliegt. Eine extensive Nutzung gemeinsam mit dem seltenen Gewässertyp dürfte weit seltener zu finden sein. Die vier Abschnitte in den Stubaier Alpen (Längentalbach, Fotscherbach, Finstertalbach, Falbesonerbach) sind durchwegs deutlich kürzer als 1 km. Unter der Annahme, dass auch andere mäandrierende Hochgebirgsbachabschnitte nicht wesentlich länger sind und verglichen am gesamten Gewässernetz in Österreich (Berichtsgewässernetz: 39.297 km laut Homepage Umweltbundesamt) ist der Anteil an mäandrierenden Hochgebirgsbächen damit sehr gering und der Gewässertyp auch ohne Berücksichtigung allfälliger Vorbelastungen als sehr selten anzusprechen.

 

In der Roten Liste der gefährdeten Biotoptypen Österreichs ist der Biotoptyp "mäandrierender Hochgebirgsbach" als "stark gefährdet" eingestuft.

 

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem naturkundefachlichen Gerichtsgutachten vom 25.1.2017, das von keiner Partei bestritten wurde.

 

Dennoch ist festzustellen, dass der Gewässertyp 2-5-1 (Unvergletscherte Zentralalpen, Seehöhe über 1600 m, Einzugsgebiet unter 10 km²) zu dem der zerstörte Gewässerabschnitt des Längentalbaches gehört, allein in Tirol über 200, in ganz Österreich an die 500 Flusskilometer aufweist, wobei in Tirol 17, in ganz Österreich 53 Gewässerabschnitte die hier zutreffende Typausprägung "Verebnungsabschnitte mit Mäanderbildung" aufweisen.

 

Dies ergibt sich aus dem gewässerökologischen Gerichtsgutachten vom 19.2.2017.

 

1.9.2. Auswirkungen der Wasserfassungen:

 

Im Bereich der geplanten Wasserfassungen (Winnebach, Fischbach, Schranbach, Daunkogelfernerbach, Fernaubach) sind abgesehen von der Restwassersituation im Unterlauf der Wasserentnahmen nur sehr kleinflächige permanente Flächenbeanspruchungen vorgesehen. Hoch sensible Lebensraumtypen werden permanent nur im wenige m² ausmachendem Bereich beansprucht.

 

Die Restwassersituation führt zu einer permanenten Degradierung von zum Teil sehr hochwertigen Fließgewässerabschnitten wie zum Beispiel dem nach dem Naturschutzplan der Fließgewässerlebensräume Tirols als "empfindlich" eingestuften Abschnitt am Fischbach. Das Beschwerdevorbringen des Umweltanwaltes trifft insofern zu, als die darin dargestellten Auswirkungen wie 80 % Wasserentzug, Verlust des Überwassers im Sommer, Trockenfallen ganzer Seitenarme in den weiten Verzweigungsbereichen mit dem Betrieb des Vorhabens zu erwarten sind.

 

Am Schranbach ist die bestehende Vorbelastung durch ein bestehendes Kraftwerk für die Versorgung der Amberger Hütte zu berücksichtigen. Im Vergleich zu den völligen Verlusten an Lebensraumtypen im Längental werden die Fließgewässer durch die Restwassersituation (mit Dotierwasserabgabe) nicht völlig zerstört, sondern degradiert, sodass die Eingriffsintensität als geringer zu bewerten ist als im Längental.

 

Diese Feststellungen ergeben sich ebenfalls aus dem naturkundefachlichen Gerichtsgutachten des SV Michaeler vom 25.1.2017 und wurden von keiner Partei bestritten.

 

1.9.3. Artenschutzrechtliche Prüfung:

 

Vogelarten:

 

Schneehuhn: Absichtliches Töten und Fangen wird durch die Vorschreibung vermieden, dass die Baufeldfreimachung inklusive erforderliche Rodungen von Gehölzen zur Vorbereitung der Baufläche außerhalb der Vogelbrutzeit zu erfolgen hat. Absichtliches Stören, insbesondere während der Brut-und Aufzuchtzeit, wird durch die Maßnahme eines von einer Fachperson für Ornithologie erstellten Flugroutenplanes in der Zeit vom 1. April bis 30. Juni und durch das Verbot von Hubschrauberflügen "In der Sulze" vermieden. Durch den Baustellenlärm sind keine erheblichen Störungen, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten, da die Störungen in der Bauphase zeitlich begrenzt sind und ausreichend Lebensraum zur Verfügung steht. Lawinensprengungen in der Betriebsphase finden üblicherweise außerhalb der Brut-und Aufzuchtzeit statt, erhebliche Störungen sind dadurch nicht zu erwarten. Das Alpenschneehuhn ist in Tirol weit verbreitet, zudem ist seine Lebensraumsituation im Längental eher ungünstig.

 

Birkhuhn: Absichtliches Töten und Fangen wird durch die Begrenzung der Baufeldfreimachung inklusive erforderliche Rodungen von Gehölzen zur Vorbereitung der Baufläche auf einen Zeitraum außerhalb der Vogelbrutzeit vermieden. Absichtliches Stören während der Brut- und Aufzuchtzeit wird durch präzise Einsatzbedingungen für Hubschrauberflüge und das Erfordernis der Ausarbeitung eines Flugroutenplans durch einen Ornithologen für die neuralgische Jahreszeit verhindert. Durch den Baustellenlärm sind keine erheblichen Störungen, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten, da die Störungen der Bauphase zeitlich begrenzt sind und ausreichend Lebensraum zur Verfügung steht. Zudem ist das Birkhuhn hinsichtlich seiner Lebensraumansprüche sehr anpassungsfähig und in Tirol weit verbreitet. Lawinensprengungen in der Betriebsphase finden üblicherweise außerhalb der Brut-und Aufzuchtzeit statt, erhebliche Störungen sind dadurch nicht zu erwarten. Durch veränderte Besucherströme und gelegentlichen Fahrzeugverkehr sind keine erheblichen Störungen, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten. Eine absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern wird durch die oben geschilderte Maßnahme der Baufeldfreimachung außerhalb der Vogelbrutzeit verhindert.

 

Wiesenpieper: Absichtliche Störung insbesondere während der Brut-und Aufzuchtzeit wird durch den von einer ornithologischen Fachperson zu erstellenden Flugroutenplan in der neuralgischen Jahreszeit und das Verbot von Hubschrauberflügen "In der Sulze" vermieden.

 

Tannenhäher: Absichtliches Töten oder Fangen wird durch die Maßnahme der Baufeldfreimachung inklusive erforderliche Rodungen von Gehölzen zur Vorbereitung der Baufläche außerhalb der Vogelbrutzeit sowie eine Kontrolle der zu rodenden Bäume auf Bruthöhlen vor Baubeginn durch eine fachkundige Person vermieden. Absichtliche Störung, insbesondere während der Brut-und Aufzuchtzeit wird durch den erwähnten Flugroutenplan in der neuralgischen Jahreszeit vermieden. Für diese weit verbreitete, häufig, ungefährdete Art sind keine erheblichen Störungen durch Baustellenlärm, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten. Die lokale Population hat ihren Schwerpunkt in den talauswärtigen Zirbenwäldern. Die absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern wird durch die Maßnahme der Baufeldfreimachung inklusive erforderliche Rodungen von Gehölzen zur Vorbereitung der Baufläche außerhalb der Vogelbrutzeit sowie eine Kontrolle der zu rodenden Bäume auf Bruthöhlen vor Baubeginn durch eine fachkundige Person, und die Anbringung von Nisthilfen für Höhlen- und Halbhöhlenbrüter an Bäumen vermieden. Es ist wohl nur ein Habitat weniger Individuen dauerhaft betroffen, die Auswirkungen auf die lokale Population sind marginal.

 

Ringdrossel: Absichtliches Töten und Fangen wird durch die Baufeldfreimachung inklusive erforderliche Rodungen von Gehölzen zur Vorbereitung der Baufläche außerhalb der Vogelbrutzeit und eine Kontrolle der zu rodenden Bäume auf Bruthöhlen vermieden. Absichtliches Stören, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit, wird durch den beschriebenen Flugroutenplan für Hubschrauberflüge in der neuralgischen Jahreszeit vermieden. Durch den Baustellenlärm sind keine erheblichen Störungen, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten, da die Beeinträchtigungen zeitlich begrenzt sind und ausreichend Lebensraum zur Verfügung steht. Eine absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern wird durch die beschriebenen Festlegungen zur Baufeldfreimachung hintangehalten.

 

Fitis: Absichtliches Stören, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit, wird durch die Beschränkung von Hubschrauberflügen und den durch einen Ornithologen erstellten Flugroutenplan in der neuralgischen Jahreszeit vermieden. Durch den Baustellenlärm sind keine erheblichen Störungen, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten, da die Beeinträchtigungen zeitlich begrenzt sind und ausreichend Lebensraum zur Verfügung steht. Da es sich um eine ubiquitäre Art handelt, ist zu erwarten, dass der Fitis zwischenzeitlich auf angrenzende Lebensräume ausweichen wird und geeignete Habitate nach Bauabschluss wieder angenommen werden.

 

Sperlingskauz: Absichtliches Stören, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit, wird durch die Beschränkung von Hubschrauberflügen und den durch einen Ornithologen erstellten Flugroutenplan in der neuralgischen Jahreszeit vermieden. Durch den Baustellenlärm sind keine erheblichen Störungen, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten, da die Beeinträchtigungen zeitlich begrenzt sind und ausreichend Lebensraum zur Verfügung steht.

 

Turmfalke: Absichtliches Stören, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit, wird durch die Beschränkung von Hubschrauberflügen und den durch einen Ornithologen erstellten Flugroutenplan in der neuralgischen Jahreszeit vermieden. Durch den Baustellenlärm sind keine erheblichen Störungen, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten, da die Beeinträchtigungen zeitlich begrenzt sind und ausreichend Lebensraum zur Verfügung steht. Die Art ist weit verbreitet, anpassungsfähig und in unterschiedlichen Lebensräumen zu finden.

 

Bergpieper: Absichtliches Töten und wird durch die bereits geschilderte Maßnahme der Baufeldfreimachung inklusive erforderliche Rodungen von Gehölzen zur Vorbereitung der Baufläche außerhalb der Vogelbrutzeit vermieden. Absichtliches Stören, insbesondere während Brut- und Aufzuchtzeit, wird durch die Beschränkung von Hubschrauberflügen und den erwähnten Flugroutenplan sowie das Verbot von Hubschrauberflügen "In der Sulze" vermieden. Durch den Baustellenlärm sind keine erheblichen Störungen während der Bauphase, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten, da die Beeinträchtigungen zeitlich begrenzt sind und ausreichend Lebensraum zur Verfügung steht. Störungen bleiben für die lokalen Populationen angesichts der weiten Verbreitung unerheblich. Die absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern dieses Boden-und Höhlenbrüters wird durch die Vorschreibung der Baufeldfreimachung außerhalb der Vogelbrutzeit vermieden.

 

Steinschmetzer: Absichtliches Töten und wird durch die bereits geschilderte Maßnahme der Baufeldfreimachung inklusive erforderliche Rodungen von Gehölzen zur Vorbereitung der Baufläche außerhalb der Vogelbrutzeit vermieden. Absichtliches Stören, insbesondere während Brut- und Aufzuchtzeit, wird durch die Beschränkung von Hubschrauberflügen und den erwähnten Flugroutenplan vermieden. Durch den Baustellenlärm sind keine erheblichen Störungen während der Bauphase, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten, da die Beeinträchtigungen zeitlich begrenzt sind und ausreichend Lebensraum zur Verfügung steht. Die Art ist ein häufiger Brutvogel der alpinen Lagen, dessen Lebensraum über die Untersuchungsgebiete hinausgeht. Der häufige Brutvogel ist Bodenbrüter. Eine absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern wird durch die Vorschreibung der Baufeldfreimachung außerhalb der Vogelbrutzeit vermieden.

 

Steinhuhn: Absichtliches Stören, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit, wird durch die Beschränkung von Hubschrauberflügen und den durch einen Ornithologen erstellten Flugroutenplan in der neuralgischen Jahreszeit sowie das Verbot von Hubschrauberflügen "In der Sulze" vermieden. Durch den Baustellenlärm sind keine erheblichen Störungen, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten, da die Beeinträchtigungen zeitlich begrenzt sind und ausreichend Lebensraum zur Verfügung steht. Im Teilraum wurde lediglich ein außerbrutzeitliches Vorkommen nachgewiesen.

 

Alpenbraunelle: Absichtliches Stören, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit, wird durch die Beschränkung von Hubschrauberflügen und den durch einen Ornithologen erstellten Flugroutenplan in der neuralgischen Jahreszeit sowie das Verbot von Hubschrauberflügen "In der Sulze" vermieden. Durch den Baustellenlärm sind keine erheblichen Störungen, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten, da die Beeinträchtigungen zeitlich begrenzt sind und ausreichend Lebensraum zur Verfügung steht. In Österreich ist die ungefährdete Alpenbraunelle ein verbreiteter Brutvogel der Nord-, Zentral- und Südalpen.

 

Alpendohle: Absichtliches Stören, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit, wird durch die Beschränkung von Hubschrauberflügen und den durch einen Ornithologen erstellten Flugroutenplan in der neuralgischen Jahreszeit vermieden. Durch den Baustellenlärm sind keine erheblichen Störungen, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten, da die Beeinträchtigungen zeitlich begrenzt sind und ausreichend Lebensraum zur Verfügung steht. In Österreich ist die ungefährdete Alpendohle ein verbreiteter Brutvogel der alpinen Regionen.

 

Schneefink/Schneesperling: Absichtliches Stören, insbesondere während Brut- und Aufzuchtzeit, wird durch die Beschränkung von Hubschrauberflügen und den erwähnten Flugroutenplan vermieden. Durch den Baustellenlärm sind keine erheblichen Störungen während der Bauphase, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten, da die Beeinträchtigungen zeitlich begrenzt sind und ausreichend Lebensraum zur Verfügung steht. Die ungefährdete Art ist in Österreich ein verbreiteter Brutvogel der höheren Gebirgsstöcke.

 

Bachstelze: Absichtliches Stören, insbesondere während Brut- und Aufzuchtzeit, wird durch die Beschränkung von Hubschrauberflügen und den erwähnten Flugroutenplan sowie das Verbot von Hubschrauberflügen "In der Sulze" vermieden. Durch den Baustellenlärm sind keine erheblichen Störungen während der Bauphase, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten, da die Beeinträchtigungen zeitlich begrenzt sind und ausreichend Lebensraum zur Verfügung steht. Die häufige ungefährdete Art ist weit verbreitet. Die absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern wird durch die Vorschreibung der Baufeldfreimachung außerhalb der Vogelbrutzeit vermieden.

 

Wasseramsel: Absichtliches Töten und wird durch die bereits geschilderte Maßnahme der Baufeldfreimachung inklusive erforderliche Rodungen von Gehölzen zur Vorbereitung der Baufläche außerhalb der Vogelbrutzeit vermieden. Absichtliches Stören, insbesondere während Brut- und Aufzuchtzeit, wird durch die Beschränkung von Hubschrauberflügen und den erwähnten Flugroutenplan sowie das Verbot von Hubschrauberflügen "In der Sulze" vermieden. Durch den Baustellenlärm sind keine erheblichen Störungen während der Bauphase, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten, da die Beeinträchtigungen zeitlich begrenzt sind und ausreichend Lebensraum zur Verfügung steht. Das Hauptvorkommen der ungefährdeten Wasseramsel erstreckt sich über den gesamten Alpenbogen. Die absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern wird durch die Vorschreibung der Baufeldfreimachung außerhalb der Vogelbrutzeit vermieden.

 

Gebirgsstelze: Absichtliches Töten und wird durch die bereits geschilderte Maßnahme der Baufeldfreimachung inklusive erforderliche Rodungen von Gehölzen zur Vorbereitung der Baufläche außerhalb der Vogelbrutzeit vermieden. Absichtliches Stören, insbesondere während Brut- und Aufzuchtzeit, wird durch die Beschränkung von Hubschrauberflügen und den erwähnten Flugroutenplan sowie das Verbot von Hubschrauberflügen "In der Sulze" vermieden. Durch den Baustellenlärm sind keine erheblichen Störungen während der Bauphase, die zu einem negativen Effekt auf Populationsniveau führen, zu erwarten, da die Beeinträchtigungen zeitlich begrenzt sind und ausreichend Lebensraum zur Verfügung steht. Die häufige ungefährdete Art ist weit verbreitet. Die absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern wird durch die Vorschreibung der Baufeldfreimachung außerhalb der Vogelbrutzeit vermieden.

 

Diese Beurteilung für die einzelnen Arten ergibt sich aus dem Gerichtsgutachten zu Ausgleichsmaßnahmen und Artenschutz vom 30.1.2017. Das Gutachten führt auch zahlreiche weitere Maßnahmen zum Schutz der erwähnten und anderer wildlebender Vogelarten an.

 

Pflanzenarten gemäß Anhang IV FFH-Richtlinie:

 

Solche konnten im Untersuchungsraum nicht nachgewiesen werden.

 

Tierarten gemäß Anhang IV FFH-Richtlinie:

 

Zwergfledermaus: Absichtliches Fangen oder absichtliche Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren wird insofern vermieden, als Quartiere dieser Art nicht zu erwarten sind, weil das Projektgebiet im Längental allenfalls ein Jagdhabitat darstellt und die Aktaktivitäten in der Nacht stattfinden. Die Verletzung des Tötungsverbotes für diese Art ist deshalb nicht zu erwarten, da Ausweichmöglichkeiten bestehen und diese Art auch im Bereich der Baustelle unbeschadet jagen kann, sofern ein Angebot gegeben ist. Zur Vermeidung einer Anlockung von Insekten erfolgt die Baustellenbeleuchtung mit Natriumdampf(niederdruck)lampen. Etwaige Tötungen werden als ein äußerst seltenes Ereignis, das nicht vermeidbar ist, eingestuft. Absichtliche Störung der Art, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten ist nicht zu erwarten, da das Längental lediglich eine geringe Bedeutung als zeitweilig genutztes Jagdhabitat hat und Ausweichmöglichkeiten bestehen. Auch die Vernichtung von Fortpflanzung- oder Ruhestätten ist nicht zu erwarten, da keine Wochenstubenquartiere von Fledermäusen aus den Höhenlagen des Untersuchungsraumes bekannt sind und dem Längental nur eine geringe Bedeutung als zeitweilig genutztes Jagdhabitat in Spätsommer und/oder Herbst zukommt. Für den Verbleib der Art im günstigen Erhaltungszustand im natürlichen Verbreitungsgebiet - die Zwergfledermaus befindet sich auf der Ebene der alpinen Regionen in Österreich in einem günstigen Erhaltungszustand - hat das Vorhaben wieder auf regionaler noch lokaler Ebene Auswirkungen.

 

Alpensalamander: Absichtliches Fangen und Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren wird durch ein Bündel von Amphibienschutzmaßnahmen im Längental und im Sulztal vermieden. Da die Art im Untersuchungsgebiet lediglich in geringen Dichten zu erwarten ist (nachgewiesen wurde sie nicht) und überall im Untersuchungsgebiet vorkommen könnte, ist unter Berücksichtigung der Maßnahmen und der Ausweichmöglichkeiten kein Verbotstatbestand zu erwarten. Etwaige Tötungen werden als ein äußerst seltenes Ereignis, das nicht vermeidbar ist, eingestuft. Dasselbe gilt für jede absichtliche Störung dieser Art, insbesondere während Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs-und Wanderungszeiten. Durch eine etwaige Störung in der Bau- und Betriebsphase ist kein negativer Effekt auf Populationsniveau zu erwarten. Jede Beschädigung oder Vernichtung von Fortpflanzungs -oder Ruhestätten wird dadurch vermieden, dass es zu keinem Funktionsverlust von Fortpflanzungs- und Ruhestätten kommt und in unmittelbarer Nähe ausreichend geeignete Fortpflanzungs- und Ruhestätten vorhanden sind. Zudem wird der Alpensalamander lediglich in geringen Dichten im Untersuchungsgebiet erwartet. Zur Frage des Verbleibs im günstigen Erhaltungszustand im natürlichen Verbreitungsgebiet - er befindet sich auf der Ebene der alpinen Regionen in Österreich in einem günstigen Erhaltungszustand - sind für den Alpensalamander auf regionaler Ebene keine Änderungen zu erwarten. Auf lokaler Ebene dürfte die Dichte des Alpensalamanders im Längental ohnehin gering sein.

 

Sudeten-Mohrenfalter: Aufgrund der kleinräumigen Flächeninanspruchnahmen im Teilraum Daunkogelfernerbach sind unter Berücksichtigung der Ausweichmöglichkeiten für diese Schmetterlingsart keine artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände abzuleiten. Weiters sind besondere Artenschutzmaßnahmen für Kleinsäugerarten, Schmetterlinge, Libellen und Ameisen vorgesehen, diese Arten sind innerhalb des jeweiligen Baufeldes vor und während der Durchführung der Baumaßnahmen zu erfassen, die Bauabläufe artspezifisch entsprechend festzulegen sowie Tötungen, Zerstörungen von Behausungen und Beschädigungen von Entwicklungsformen von Tieren zu vermeiden. Nötigenfalls sind diese Arten fachgerecht zu bergen und umzusiedeln. Außerdem ist hinsichtlich der Umsetzung der Artenschutzmaßnahmen der Behörde vor Baubeginn ein detailliert beschriebenes Konzept vorzulegen. Zur Frage des Verbleibes im günstigen Erhaltungszustand im natürlichen Verbreitungsgebiet sind für den Sudeten-Mohrenfalter weder auf lokaler noch auf regionaler Ebene Änderungen zu erwarten.

 

Auch diese Feststellungen ergeben sich aus dem naturkundefachlichen Gerichtsgutachten zum Thema Ausgleichsmaßnahmen und Artenschutz vom 30.1.2017 und wurden von keiner Partei bestritten.

 

1.10. Auswirkungen auf den Boden:

 

Die einzige Bodenfunktion, die der Stausee im Wesentlichen übernehmen kann, ist das Retentionsvermögen. Somit gehen praktisch alle anderen Bodenfunktionen hoch sensibler Böden im Ausmaß von 42,29 ha und mäßig sensibler Böden im Ausmaß von 14,45 ha, insgesamt somit 56,74 ha bzw. knapp 92 % der gesamt beanspruchten Bodenfläche, verloren, und das ohne Ausgleichsmöglichkeit. Ein geringer Anteil von 3,69 ha gilt als sehr hoch sensibel - davon werden 2,67 ha ausgeglichen - 14,45 ha sind mäßig sensibel. Dies ist jedenfalls trotz Ausgleichsmaßnahmen ein hoher quantitativer Verlust.

 

Die Übernahme des Wasserrückhaltevermögens durch den Speichersee mildert zwar den Verlust der sonstigen Bodenfunktionen etwas ab, es verbleiben aber wesentliche Auswirkungen. Dies ergibt sich aus dem Gerichtsgutachten Boden und Landwirtschaft vom 27.2.2017.

 

1.11. Auswirkungen auf das Landschaftsbild und den Erholungswert der Landschaft:

 

1.11.1. Bauphase:

 

Als maßgeblichstes Bauwerk ist der Speicher Kühtai und die Errichtung des Krafthauses zu sehen. Durch die Errichtung des Speichers Kühtai kommt es während der Bauphase einerseits zu einem Verlust von bedeutenden Landschaftsstrukturelementen und andererseits zu einer völligen Landschaftsumgestaltung. Der neue Speicher mit dem dazugehörenden Damm wird zu einem dominierenden Landschaftselement. Die Eingriffsintensität wird durchwegs als sehr hoch und die Eingriffserheblichkeit ebenfalls als sehr hoch eingestuft. Dies gilt sowohl für das Landschaftsbild als auch den Erholungswert. Es gibt keine Maßnahmen, die eine Einstufung der verbleibenden Auswirkungen als sehr hoch verhindern können.

 

Die Errichtung der Wasserfassungen und der Pumpstationen sind temporärer Natur, verursachen aber auf Grund der teilweise stark auffälligen Baufelder und des Baulärms durch Maschinen, Fahrzeuge, Hubschrauberflüge und Sprengungen starke Beeinträchtigungen für beide Schutzgüter.

 

Dies ergibt sich nachvollziehbar aus dem Gerichtsgutachten für Landschaftsbild und Erholungswert vom 31.1.2017.

 

1.11.2. Betriebsphase:

 

Der neue Speicher mit dem dazugehörenden Damm wird zu einem dominierenden Landschaftselement. Auf Grund der geplanten Verwendung als Speicher zum Abdecken von Stromspitzen erfährt er einen ausgeprägten Wochenzyklus, der noch vom Tageszyklus überlagert wird. Die Schwankungen betragen je nach Jahreszeit zw. ca. 20 und 40 m, wobei der Speicher den höchsten Stand im September erreichen soll. Sichtbar bleiben immer die kahlen Felsflächen, die zwischen dem maximalen Höchststand und dem jeweiligen Stauspiegel liegen. Die künstlich angelegte Stauwurzel in Form einer 1,3 ha großen Feuchtfläche wird nur bei Erreichung des maximalen Stauzieles eine optische Verbindung mit der Wasserfläche des Speichers bilden können. Während der übrigen Zeit wird die "Stauwurzel" nicht mehr als dazugehörendes "Seeelement" wahrgenommen, sondern losgelöst vom Wasserkörper fällt diese eher als künstliches Strukturelement auf. Das Anlegen von Strukturelementen ist als Verbesserung des Landschaftsbildes und des Erholungswertes eingeplant. Die Eingriffsintensität wird durchwegs als sehr hoch und die Eingriffserheblichkeit ebenfalls als sehr hoch eingestuft. Dies gilt sowohl für das Landschaftsbild als auch den Erholungswert. Als Maßnahmen zur Minderung des Landschaftsbildes und des Erholungswertes wurden Besucherinformationseinrichtungen und diverse Neuerrichtungen von Strukturelementen eingeplant. Trotz aller Maßnahmen sind die verbleibenden Auswirkungen als sehr hoch einzustufen. Die bestehenden Speicher Längental und Finstertal werden gemeinsam mit dem neuen Speicher eine massive Auswirkung auf das Landschaftsbild und den Erholungswert haben, wobei der geplante Standort des neuen Speichers einem möglichen Standort in einem noch unberührten Geländeraum vorzuziehen ist, da im ggstl. Fall der gesamte Raum technisch durch die bestehende Kraftwerksanlage bereits stark überformt ist.

 

In der Betriebsphase sind die Wasserfassungen und Pumpstationen nicht mehr so auffällig und können mittels Rekultivierungsmaßnahmen mehr oder weniger gut ins Urgelände eingefügt werden. Der Erholungswert und das Landschaftsbild sind in der Betriebsphase deutlich weniger beeinträchtigt als in der Bauphase.

 

Die Restwasserstrecken werden mit Ausnahme der Ruetz, die schon stark vorbelastet ist, stark beeinträchtigt. Für die Besucher sind vor allem die Abschnitte, die in der Nähe von Wanderwegen führen, wie für den Fischbach um die vordere Sulztalalm, Teile des Fernaubaches und des Winnebaches unterhalb der Geländekante besonders bedeutend. Das fehlende Wasser kann hier sowohl optisch als auch akustisch gut wahrgenommen werden. Trotzdem sind die Auswirkungen nicht so massiv, dass das Landschaftsbild völlig zerstört und eine entsprechende Erholungswirkung nicht mehr gegeben wäre.

 

Für die Betriebsphase ist bei Zusammenschau aller Anlagen und anderer verbleibenden Auswirkungen wie Restwasserstrecken mit wesentlichen Auswirkungen zu rechnen, wobei berücksichtigt wird, dass der Speicher Kühtai in unmittelbarer Nähe einer schon bestehenden Kraftwerksanlage situiert ist.

 

Auch dies ergibt sich nachvollziehbar aus dem Gerichtsgutachten für Landschaftsbild und Erholungswert vom 31.1.2017.

 

1.11.3. Ruhegebiet:

 

Nicht unterschieden wurde in den Gutachten zu Landschaftsbild und Erholungswert der Landschaft in der Beurteilung zwischen Auswirkungen innerhalb und außerhalb des Ruhegebiets, da aus Sicht des Gutachters dafür keine Begründung ersichtlich war.

 

Es wird festgestellt, dass Ruhegebiete insbesondere für die Erholung des Menschen ausgewiesen worden sind. Daher sind Lärmentwicklungen wie Baulärm, Hubschrauberflüge, Sprengungen etc. jedenfalls als Beeinträchtigungen des Schutzgebietszweckes anzusehen, auch wenn sie im ggstl. Fall nur temporärer Natur sind. Die Restwasserstrecken sind als permanente Beeinträchtigung des Erholungswertes anzusehen. Da Ruhegebiete sich aber ihrer gesetzlichen Bestimmung nach vor allem durch weitgehende Ruhe auszeichnen, wird durch die geplanten Maßnahmen wie z.B. die Restwassersituation der Schutzzweck des Ruhegebietes insgesamt nicht in einem Maße beeinträchtigt, dass es als solches in Frage gestellt werden müsste. Die Restwasserstrecken sind als Beeinträchtigung für den Erholungswert der Landschaft an sich zu werten, nicht aber als Beeinträchtigung des Schutzzweckes des Ruhegebietes. Dies gilt auch bei Betrachtung der Auswirkungen der bestehenden Anlage auf den Erholungswert gemeinsam mit den Auswirkungen des geplanten Vorhabens. Die Erholungswirkung des Gebirgsraumes und Ruhegebiets Stubaier Alpen beruht nicht allein auf dem Landschaftselement "Gewässer". Restwasserstrecken sind kein qualitätsbestimmendes Merkmal für ein Ruhegebiet, denn sonst hätten bei der Ausweisung des Ruhegebietes die Täler, die durch die Altanlage berührt sind, nicht miteinbezogen oder das gesamte Gebiet nicht ausgewiesen werden dürfen.

 

Kumulationseffekte zwischen dem Bestehen der bisherigen Wasserfassungen der Altanlage und den neuen Wasserfassungen sind in Bezug auf das Landschaftsbild und den Erholungswert nicht beurteilbar.

 

Auch dies ergibt sich nachvollziehbar aus dem Gerichtsgutachten für Landschaftsbild und Erholungswert vom 31.1.2017.

 

1.11.4. Methodisches:

 

Die in einigen Beschwerden kritisierte Behandlung des Themenbereichs Erholung in verschiedenen Gutachten - einerseits in Bezug auf den Erholungswert der Landschaft gemeinsam mit dem Landschaftsbild und andererseits den Erholungsnutzen im raumordnungsfachlichen Gutachten - wird von diesen Gutachtern so begründet: Diese Aufteilung machte in Anbetracht der laut UVP-Richtlinie zu behandelnden Schutzgüter Sinn. Landschaftsbild und Erholungswert würden in Tirol entsprechend dem Tiroler Naturschutzgesetz 2005 üblicherweise gemeinsam behandelt, wobei der Erholungswert mit der Naturnähe eines Landschaftsraumes korreliere. Je naturnäher eine Landschaft sei, umso höher sei der potenzielle Erholungswert. Die Erreichbarkeit dieses Naturraumes (Wegenetz, Aufstiegshilfen, Schutzhütten, etc.) bleibe dabei grundsätzlich unberücksichtigt. Die infrastrukturgebundene Erholung - wobei unter dieser Infrastruktur auch Wanderwege und Skitourenrouten zu verstehen seien - betrachte hingegen die tatsächliche Nutzung durch Erholungssuchende bzw. den tatsächlichen Nutzen für die erholungssuchende Bevölkerung (inkl. Tagesausflügler und Übernachtungsgäste) und sei den Teilaspekten Gesundheit und menschliche Nutzungen des Schutzguts Mensch zuzuordnen.

 

Diese Ausführungen der Sachverständigen für Landschaftsbild und Erholungswert vom 31.1.2017 und vom 8.2.2017 sind nachvollziehbar und werden dieser Entscheidung zu Grunde gelegt.

 

1.12. Auswirkungen auf Raumordnung und Erholungsnutzung:

 

1.12.1. Zu volkswirtschaftlichen Effekten des Vorhabens:

 

Die Investitionssumme des Vorhabens (direkter Effekt) beläuft sich auf 370 Mio. EUR (Stand 2008). Auf Grund von Erfahrungswerten verteilt sich diese Investition zu 13 % auf Tiroler Firmen, zu 60 % auf das restliche Österreich und zu 27 % auf das Ausland. Der Tiroler Anteil entfällt wiederum zu fast 50 % auf den Dienstleistungssektor. Für Tirol werden die direkten Produktionswirkungen in der Bauphase mit 48 Mio. EUR angeschätzt, hinzu kommen indirekte Effekte von 14 Mio. EUR. Für Österreich werden die direkten Produktionswirkungen mit 271 Mio. EUR und die indirekten Effekte mit 159 Mio. EUR angeschätzt. Die direkten Einkommenswirkungen für Tirol in der Bauphase werden im Ausmaß von 13 Mio. EUR bei 673 Beschäftigten erwartet, dazu kommen 4 Mio. EUR indirekte Einkommen von 136 weiteren Beschäftigten. In der Betriebsphase wird die "energetische Außenbilanz" Tirols durch die zusätzliche Stromproduktion verbessert, aber auch die "monetäre Außenhandelsbilanz" durch die Stromveredelung mit verbessertem Wälzbetrieb gestärkt. Die direkten und indirekten Produktions- und Beschäftigungswirkungen werden jährlich auf knapp 5 Mio. EUR angeschätzt.

 

Diese Feststellungen des angefochtenen Bescheides werden übernommen, da sie von den Verfahrensparteien nicht bestritten wurden.

 

1.12.2. Bauphase:

 

Der Bereich um die Mutterbergalm im Stubaital bietet mit dem Gletscherschigebiet eine Hauptattraktion. Der Bereich Mutterbergalm ist Ausgangspunkt für viele alpinistische Hochtouren, zahlreiche Wanderwege und Klettermöglichkeiten. Zu nennen ist hier der XXXX Weg sowie die teilweise Nutzung der Ruetz als Kajakstrecke. Die Beeinträchtigung dieses Bereichs erfolgt durch die Baustellen in der Wilden Grube, wobei die Baudauer von eineinhalb bis dreieinhalb schneefreien Perioden, das Ruhen der Baustellen im Winter, an den Wochenenden und in der Nacht sowie die geringe Einsehbarkeit derselben zu berücksichtigen sind. Die Wasserfassung Fernaubach wird vom Beileitungsstollen aus errichtet und ist ebenso kaum einsichtig.

 

Diese Feststellungen des angefochtenen Bescheides werden ebenfalls übernommen, da sie von den Verfahrensparteien nicht konkret bestritten wurden.

 

1.12.3. Betriebsphase:

 

Die baulichen Anlagen (Speicher Kühtai in einem kaum touristisch genutzten Seitental, unterirdisches Krafthaus, großteils unterirdisch errichtete und eingeschüttete Wasserfassungen und Pumpstationen) werden in der Betriebsphase touristisch kaum ins Gewicht fallen. Negative Auswirkungen auf den Tourismus können auf Grund der verringerten Wasserführung unterhalb der Wasserfassungen während der warmen Jahreszeiten auftreten. Wegen der Verschmälerung des Gischtbandes und der Reduktion der raumleitenden Wirkung kommt der reduzierten Wasserführung während der Hochwasser- und Übergangsperiode Relevanz zu. Derartige Situationen sind primär am Fischbach oberhalb und unterhalb der Vorderen Sulztalalm, am Winnebach unterhalb der Wasserfassung und am Fernaubach in den Schluchtstrecken und knapp darunter gegeben. Im Extremfall kommt es dabei zu einer Wasserreduktion um bis zu 80 %. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch einerseits die Minderung dieser Auswirkungen durch den Zufluss von darunterliegenden Seitenbächen und andererseits der Umstand, dass auf Grund der Dotierregeln der markante Tagesgang der Wasserführung in den Bächen erhalten bleibt, wenngleich auf deutlich niedererem Niveau.

 

Die diesbezüglichen Auswirkungen auf den Tourismus werden dadurch eingeschränkt, dass der Großteil der Gäste keine Vergleichsmöglichkeit mit der Situation vor der Wasserableitung hat und der natürliche Tagesgang des Abflusses in abgeschwächter Form auf Grund der Dotierregeln beibehalten wird. Aus diesem Grund werden auch die negativen touristischen Auswirkungen auf den bestehenden Wilde-Wasser-Weg gering sein. So führen die Vorbelastungen der Ruetz unterhalb der Mutterbergalm und die zahlreichen Zuflüsse entlang dieser Restwasserstrecke dazu, dass die Reduktionen in diesem Bereich kaum wahrnehmbar sind. Zu bedenken ist weiters, dass das Fernautal und der Bereich Wilde Grube durch technische Einrichtungen bereits jetzt stark vorbelastet sind (Schiwege, Pisten etc.) und es daneben zahlreiche naturnahe Bereiche gibt, die lohnende Ziele für naturliebende Gäste darstellen.

 

Die Bedeutung des Kajaksports für den Tourismus in Tirol (weniger als 1 % der gesamten Wertschöpfung des Tourismus in Tirol) ist äußerst gering. Dies gilt auch für das Stubaital, ein Einfluss auf die touristische Wertschöpfung ist dort praktisch nicht gegeben.

 

Diese Feststellungen werden aus dem angefochtenen Bescheid übernommen und werden auch vom Bundesverwaltungsgericht als valide angesehen, weil die Auseinandersetzung mit dem diesen Ausführungen zu Grunde liegenden raumordnungsfachlichen Gutachten und dem dazu erstellten gerichtlichen Ergänzungsgutachten vom 8.2.2017 in der mündlichen Verhandlung dessen Grundaussagen nicht zu erschüttern vermochte:

 

Die Aussage im Gutachten zu teilweise fehlenden Vergleichsmöglichkeiten der Wasserführung vor und nach den Wasserentnahmen beruht auf der Argumentation, dass mit und ohne Projektrealisierung die Wasserführung starken tageszeitlichen Schwankungen unterworfen ist, die zudem witterungsbedingt in ihrer Amplitude zusätzlich differieren, mit und ohne Wasserentnahme auf unterschiedlichen Niveaus. Während der Schmelzwasserperiode kann ein Bach auch ohne Wasserentnahme im Zuge einer Bergwanderung am Morgen ein dünnes Rinnsal bilden, und sich bei der nachmittäglichen Rückkehr zum tosenden Gewässer mit starker Schaumbildung entwickelt haben. Mit Wasserentnahme ist das Rinnsal am Morgen etwas dünner und der Bach am Nachmittag rauschend mit geringerer Schaumbildung. Dies ist nachvollziehbar.

 

Im hinteren Stubaital werden sich diesbezüglich sehr hohe Eingriffserheblichkeiten zudem auf die Hochwasserperiode des Fernaubachs beschränken, wobei aber das Fernautal inzwischen zu den am stärksten durch technische Einrichtungen vorbelasteten Landschaftsräumen des gesamten Gemeindegebiets von XXXX im Stubai zählt.

 

Von den sieben in der touristischen Vermarktung des Wilde-Wasser-Weges als Highlights bezeichneten Attraktionen liegt nur der Ruetz-Katarakt direkt in einem Restwasserabschnitt, in zwei Fällen (Wilde-Wasser-Arena und Grawa-Wasserfall) ist nur von randlichen Bereichen ein Blickkontakt mit der Ruetz möglich, von den 17 Wilde-Wasser-Schauplätzen liegt nur einer an einer Restwasserstrecke, und zwar das Klausäuele. Die erste Etappe des Weges führt mit Ausnahme des Zugangs zum Ruetz-Katarakt durchwegs im Nahebereich der Ruetz. Dies betrifft nicht nur ein Drittel der Etappen, sondern auch ziemlich genau ein Drittel der gesamten Wegstrecke. Landschaftlich interessant ist (neben dem Grawa-Wasserfall) vor allem der relativ kurze, neu erschlossene Abschnitt des Ruetz-Katarakts, in den nur geringfügig eingegriffen wird. Das ergibt sich daraus, dass der Umstand, dass in einer Schluchtstrecke mit starker Wasserführung eine Reduktion des Durchflusses um maximal ca. 20 % erfolgt, das optische und akustische Erlebnis für die Besucher nur geringfügig verändert (die Restwasserführung im Juli und August beträgt hier knapp 80 %). Im Mittel der beiden Sommermonate mit dem geringsten Restwasser bedeutet dies derzeit etwa die zwölffache Wasserführung des Dezembers, mit der projektierten Ableitung immer noch das Neunfache. Die restlichen gut 2,5 km von der Tschangelairalm bis knapp vor dem Grawa-Wasserfall führen über weite Strecken erhöht über dem Fluss, oft durch Wald und Gebüsche oder über Schutthalden. Die Ruetz wirkt in diesem Bereich eher unspektakulär und ist nicht selten durch Vegetation oder Geländeformen verdeckt. Die Gletscherstraße verläuft in diesem Abschnitt durchwegs auf der gegenüber liegenden Talflanke etwa in gleicher Höhe, was bei einer Luftlinienentfernung von zumeist 50 - 150 m einen gewissen optischen und akustischen Störfaktor bedeutet. Wegen der geringen optischen und akustischen Veränderungen durch die Ableitung ist die Eingriffserheblichkeit gering. Im Bereich Klausäuele beträgt die Restwasserführung im Juli und August bereits 83 - 84 %. Hier zieht ein beliebter, in einer Verebnung aufgestauter See mit vielen Spielmöglichkeiten zahlreiche Familien mit Kindern an. Wegen der geringen Veränderungen durch die geplanten Wasserentnahmen ist auch hier die Eingriffserheblichkeit gering. Somit sind die Auswirkungen der geplanten Wasserentnahmen im hinteren Stubaital auf jene Abschnitte der Ruetz, in denen der Wilde-Wasser-Weg in direkter Nachbarschaft zu Restwasserabschnitten verläuft, und somit auch auf den Wilde-Wasser-Weg insgesamt als geringfügig einzustufen.

 

Im UVP-Bescheid und im Gerichtsgutachten wird betreffend Wildwassersport nachvollziehbar dargestellt, warum die Bedeutung des Kajaksports mit weniger als 1 % der gesamten Wertschöpfung des Tourismus in Tirol äußerst gering ist, was auch für das Stubaital gilt. Selbst wenn hypothetisch aufgrund der Auswirkungen der Wasserableitungen im Stubaital der Kajaksport zur Gänze verunmöglicht würde, wären die Auswirkungen auf den Tourismus Tirols und des Stubaitals kaum merkbar und ein vertieftes Eingehen auf die drei relevanten Kajakstrecken würde sich erübrigen.

 

Die Entwicklung der Übernachtungszahlen in der Gemeinde XXXX in den letzten 14 Jahren stagniert in beiden touristischen Halbjahren, ab ca. 2002/2003 mit leicht abnehmender Tendenz. Allerdings steigt die Zahl der Ankünfte und der Nächtigungen im Bereich des Tourismusverbandes Stubaital im Sommer seit dem Jahr 2014 an, was aus der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen und von einer Unternehmensberaterin erstellten Stellungnahme der Gemeinde XXXX hervorgeht. Darin wird auch dargestellt, dass sich die Bevölkerungszahlen im Stubaital positiv entwickeln (bis zu 9,8 % sind für den Zeitraum zwischen 2015 und 2030 prognostiziert), dass die Tourismuswirtschaft speziell für das Stubaital eine wesentliche wirtschaftliche Grundlage darstellt und zeitgerecht Steuerungsmaßnahmen zu setzen sind, um die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Wintersaison zu reduzieren, wobei besonders darauf hingewiesen wird, dass der Reichtum und die Vielfalt der alpinen Natur ein außergewöhnliches Potential habe, Erlebnisse und Erholung anzubieten und das Gefühl einer idyllischen Welt zu vermitteln. Nicht überzeugend vermittelt werden konnte von den Beschwerdeführern und der zitierten Stellungnahme, aus welchem Grund die Errichtung des Vorhabens auf die zukünftige Entwicklung des Tourismus im Stubaital darauf anderen oder größeren Einfluss haben sollte, als im Gutachten skizziert. Allein mit der Feststellung, dass "ein Zusammenwirken einer klimatisch bedingten Reduktion des Wasserhaushalts mit dem durch die Errichtung eines Speicherkraftwerks bedingten Eingriff in den Wasserhaushalt des Stubaitals erhebliche Auswirkungen nach sich ziehen können, die nicht nur den Menschen in seinem Lebensraum, sondern - wie im speziellen Fall des Stubaitals - auch in seinem Wirtschaftsraum erheblich beeinträchtigen" konnten die konkreten gutachterlichen Schlüsse, dass die Hauptattraktionen des derzeit vorhandenen Wilde-Wasser-Weges durch das Vorhaben nicht wesentlich beeinträchtigt werden, nicht entkräften. Selbst aber, wenn man die Schlüsse des Gutachtens im Lichte der gewünschten wirtschaftlichen Entwicklung (vgl. dazu das von der Gemeinde XXXX in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Strategiepapier "Stubai. Das Profil 2012.") für die Zukunft nicht vollinhaltlich teilen würde, so steht für das Bundesverwaltungsgericht doch jedenfalls fest, dass von einer ernsthaften Bedrohung der wirtschaftlichen Grundlagen der Bevölkerung im Stubaital durch das Vorhaben keine Rede sein kann. Eine Berücksichtigung gewünschter touristischer Entwicklungen in ferner Zukunft ist im UVP-Verfahren darüberhinaus nicht geboten, es genügt in dieser Hinsicht die Garantie einer Restwasserführung in Form eines Prozentsatzes der natürlichen Abflussmenge und einer Mindestdotiermenge auch bei kompletter Änderung der klimatischen Verhältnisse, die jedenfalls durch einen nach Abschmelzen der Gletscher im Vergleich zu heute völlig unterschiedlichen Jahres- und Tagesgang geprägt sein werden.

 

1.12.4. Ruhegebiet:

 

In der Bauphase wird nur ein sehr geringer Teil des Ruhegebiets von den Auswirkungen der Bautätigkeiten betroffen sein, die besonders lärmintensiven Tätigkeiten (v.a. Hubschrauberflüge und Sprengungen) werden sich über kurze Zeiträume erstrecken. In der Betriebsphase sind die Faktoren Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und Lärmerzeugung auf das gesamte Ruhegebiet bezogen vernachlässigbar. Somit verbleibt als einzige maßgebliche Auswirkung auf die Erholungsnutzung die Durchflussverringerung in den Restwasserstrecken, die längenmäßig (betreffend alle von der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz, also auch den bestehenden Anlagen, betroffenen Fließgewässer) insgesamt etwa ein Sechstel und hinsichtlich Erholungsnutzung auf Wegen, die in weniger als 50 m Abstand vom Gewässer liegen, ungefähr ein Zwölftel aller in "tiris" dargestellten Fließgewässer betrifft.

 

Dabei ist jedoch in Rechnung zu stellen, dass die bestehenden Wasserableitungen der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz vor der erstmaligen Ausweisung des Ruhegebiets errichtet worden sind und die Restwasserstrecken hinsichtlich des Restwasseranteils eine große Spannweite abdecken. So besteht ein deutlicher Unterschied zwischen bestehenden Wasserfassungen mit maximal 10% Restwasser direkt nach der Entnahme und den geplanten Ableitungen mit zeitgemäßen Dotierregeln.

 

Insgesamt erweisen sich die kumulierenden Auswirkungen der alten und neuen Wasserfassungen auf die Erholungsnutzung im Ruhegebiet als gering.

 

Dies ergibt sich in nachvollziehbarer Weise aus dem raumordnungsfachlichen Gerichtsgutachten.

 

1.12.5. Methodisches:

 

Zur Methode des raumordnungsfachlichen Gutachtens wird festgestellt, dass

 

 

 

 

 

Dies ergibt sich aus den nachvollziehbaren und plausiblen Ausführungen des Gerichtsgutachtens von 8.2.2017.

 

1.13. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen:

 

1.13.1. Für den Verlust von Mooren und sonstige Eingriffe in hochwertige und schützenswerte Lebensräume:

 

1.13.1.1. Für den Verlust von Mooren und hochwertige Feuchtlebensräume im Längental wurden im Projekt bereits einige Maßnahmen vorgesehen, die als Ausgleichsmaßnahmen in engem räumlichen Konnex einen Ausgleich für den unvermeidbaren Verlust darstellen werden:

 

Die Maßnahme A-Bet-07 (Entwicklungsfläche Kleinseggenried Längental, Flachwasserzone Längental) dient gemäß Projektwerberin dazu, einen Flachbereich, der im Speicher knapp unter der maximalen Stauhöhe liegt, so auszugestalten, dass anstelle eines oft trockenfallenden verödenden Bereichs ein ökologisch wertvoller Flachwasserbiotopkomplex entsteht. Im nordöstlichen Ende des geplanten Speichers wird durch Materialaufschüttung (inkl. Inseln und Halbinsel) ein ca. 1,46 ha großer Flachwasserbiotopkomplex geschaffen, und zwar durch Initialpflanzung mit Kleinseggenried-Soden (0,10 ha), Schaffung von Tiefenzonen, einer Insel, Halbinseln, einer strukturreichen Uferzone mit einer Begrünung durch autochthone Rasensoden (vor Ort gewonnen) sowie einer Kaskadenstrecke Längentalbach und Weidengebüsch aus Spreitlagen. Diese Maßnahmenfläche wird innerhalb des Speichersees liegen. Die Fläche wird somit ursächlich durch das Vorhaben überformt, und nicht durch die Maßnahme. Dies ergibt sich aus dem Gerichtsgutachten zu den Themenbereichen Ausgleichsmaßnahmen und Artenschutz vom 30.1.2017.

 

Die Maßnahme A-Bet-08 (Ausgleichsfläche Kleinseggenried hinteres Längental) dient dazu, auf sechs Teilflächen (gesamt 0,69 ha) Kleinseggenriede umzupflanzen. Es wird zuerst das Gelände vorbereitet, sodass die erforderlichen feuchten Lebensraumbedingungen gesichert werden können. Anschließend werden die umzupflanzenden Soden am Ursprungsort in einer ausreichenden Schichtstärke (dh Vegetation und Stauschicht) abgehoben, transportiert und ohne Zwischenlagerung eingebaut. Es erfolgt zuerst die Herstellung von "Moorsenken" oder die Vorbereitung bestehender Geländesenken oberhalb der zukünftigen Stauwurzel für die Aufnahme der umzupflanzenden Kleinseggenried-Soden. Die Umpflanzung der Moorsoden erfolgt "Zug um Zug". Die Kleinseggenried-Soden werden am Ursprungsort in einer ausreichenden Schichtstärke (d.h. Vegetation und Strauchschicht) abgenommen. Der Großteil der Maßnahmenfläche wird aktuell von Zwergstrauchheiden eingenommen. Zum Teil sind höherwertige Vegetationstypen betroffen. Mögliche negative Auswirkungen dieser Maßnahme auf naturschutzfachlich hochwertige Flächen werden durch die Nebenbestimmung Nr. 10, Fachbereich Naturhaushalt des angefochtenen Bescheids berücksichtigt und vermieden. Durch die Nebenbestimmung wird die Maßnahme eingeschränkt und vermieden, dass die Maßnahmenflächen auf naturschutzfachlich hochwertigen Flächen zu liegen kommen. Die Möglichkeit, dies auch umzusetzen, ist gegeben, wenn fachkundig, mosaikartig und sehr vorsichtig vorgegangen wird. Dies wird vom Bundesverwaltungsgericht auf Grundlage der Aussagen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung und in seinem Gerichtsgutachten vom 30.1.2017 festgestellt. Um dies sicherzustellen, wurde aufgrund der Beschwerde des Landesumweltanwaltes in Spruchpunkt I.2. dieses Erkenntnisses eine Adaptierung der Nebenbestimmung 10 vorgeschrieben (Braunseggen-Niedermoore werden in die Nebenbestimmung aufgenommen und die Vorgangsweise präzisiert). Zum Maßnahmenerfolg ist zudem festzustellen, dass gemäß der Nebenbestimmung Nr. 12, Fachbereich Naturhaushalt des angefochtenen Bescheids die Maßnahmenflächen solange zu sichern, zu erhalten und zu pflegen sind, bis sie ihre Funktion erreicht haben und auf Dauer erfüllen können. Zudem ist gemäß der UVE-Maßnahme Son-04 (siehe UVE-Einlage B-3) ein Monitoring vorgesehen, welches mit den Nebenbestimmungen Nr. 13, Fachbereich Naturhaushalt im angefochtenen Bescheid weiter konkretisiert wird. Das Monitoringprogramm dient generell zur Überwachung der Umsetzung und Wirksamkeit der Maßnahmen (Überprüfung der Zielerreichung) sowie zur Überwachung der prognostizierten Auswirkungen.

 

Als direkte Auswirkung des Speichers entsteht ein Verlust an Moorflächen von mindestens 2,12 ha. Das vorhandene Moor wird nicht ausschließlich zerstört. Ein Teil der Niedermoore wird als Inhalt der Maßnahmen A-Bet-02 (Umpflanzung von Kleinseggenriede aus dem Baufeld Staudamm zur Hemerwaldalm - 0,29 ha) und A-Bet-08 (Umpflanzung von Kleinseggenrieden aus dem Längental - 0,69 ha) umgepflanzt, in Summe 0,98 ha. Die Ausgleichsflächen Kleinseggenried umfassen insgesamt 0,98 ha bzw. 46 % der in der Betriebsphase beanspruchten Moorflächen. Die Maßnahmenwirksamkeit wurde lediglich mit mäßig eingestuft. Des Weiteren werden in die geplante Entwicklungsfläche Kleinseggenried Längental (Maßnahme A-Bet-07) Kleinseggenried-Soden im Umfang von 0,1 ha eingebracht. Die Maßnahmenwirksamkeit wurde ebenfalls mit mäßig eingestuft. Diese Feststellung ergibt sich aus dem Gerichtsgutachten vom 30.1.2017 und wurde in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten.

 

Das Maßnahmenziel der Maßnahme A-Bet-16 (Naturschutzfachliche Aufwertung Sulztalalm) ist es, die naturschutzfachlichen hochwertigen Vegetationstypen "Niedermoor-Kleinseggenbestand - sauer", "Bachquellflur", "Alpigene Kiesbettflur", "Silikatschutt-Pioniervegetation" und "Bach mit Umlagerungsstrecke" von Beeinträchtigungen durch die aktuelle Beweidung - d.h. Vertritt, Verbiss und Eutrophierung - zu entlasten. Um den zusätzlichen erhöhten Weidedruck in Folge der Auszäunung der Feuchtflächen und Gewässerabschnitte auszugleichen, sollen zusätzlich naturschutzfachlich wertvolle, strukturreiche Magerweideflächen entstehen. Durch die Schaffung dieser reich strukturierten Magerweidenkomplexe, die verzahnt sind mit Lesesteinhaufen, Zwergstrauchheiden, Latschengebüschen und lockeren Baumbeständen, wird die naturräumliche Strukturvielfalt des Untersuchungsgebietes bereichert. Die strukturierten Weideflächen entstehen auf Almflächen, welche derzeit einer starken Verbuschung bzw. Gehölzsukzession unterliegen. Die Maßnahme betrifft in erster Linie "das mosaikartige Schwenden bzw. Schlägeln von Zwergstrauchheiden, welche durch das Unterlassen solcher Maßnahmen in den letzten Jahren im Bereich der Extensivweiden überhandgenommen haben. Zur Vermeidung negativer Auswirkungen bei der Herstellung strukturreicher Magerweiden durch Schwenden und Entsteinen wurden im angefochtenen Bescheid zusätzlich zu den Nebenbestimmungen der UVE-Maßnahmenbeschreibungen weitere Nebenbestimmungen zur Maßnahme A-Bet-16, Maßnahmenteilfläche 5 vorgeschrieben. Die Maßnahmenfläche beträgt insgesamt 31,21 ha. Strukturreiche Magerweiden bestehen aus einem Mosaik von Rasenflächen, Zwergsträuchern, Krummholzbeständen, Felsblöcken, Lesesteinhaufen und Feuchtflächen. Dieses Mosaik soll nach Maßnahmenumsetzung 31,21 ha betragen. Die Neuschaffung von Weideflächen (Schwenden) bzw. Verbesserung bestehender Weideflächen (Entsteinen) umfasst dabei 7,71 ha (Angriffsfläche). Die Umsetzung der auf 5,48 ha vorgesehenen Schwendungsmaßnahmen im Gesamtbereich von 31,21 ha ist durchführbar. Dies ergibt sich aus dem Gerichtsgutachten Naturhaushalt vom 30.1.2017, dem Gerichtsgutachten zu Boden und Landwirtschaft und den Erläuterungen des Gutachters dazu in der mündlichen Verhandlung.

 

Die Maßnahme A-Bet-14 (Verbesserung und Neuschaffung von Almweideflächen Längental Alm) ist eine Maßnahme aus dem Fachbereich Landwirtschaft und wird nicht als Ausgleich für den Fachbereich Pflanzen, Tiere und deren Lebensräume angerechnet. Für diese Maßnahme wurden im angefochtenen Bescheid aus den Fachbereichen Boden und Landwirtschaft, Jagd und Wildökologie sowie Naturhaushalt Nebenbestimmungen formuliert, um negative Wirkungen auf Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume zu vermeiden bzw. zu minimieren. Generell sind Geländekorrekturen und Nivellierungen zu unterlassen. Als spezielle Maßnahmen bei Entsteinungen auf der Fläche Alm2 wird bei Ausläufern von Lawinenbahnen die Anlage von Terrassen empfohlen, um bei nächsten Lawinen eine erneute Verteilung der Steine zu vermeiden. Zudem dürfen als spezielle Maßnahme bei Entsteinungen Steine nicht zur Nivellierung des Geländes verwendet werden (kein Auffüllen von Senken und Mulden). Diese Empfehlungen und Vorgaben entsprechen auch der - von der Landesumweltanwaltschaft Tirol in Auftrag gegebenen - Broschüre "Almpflegemaßnahmen und ihre Wirkung" aus dem Jahr 2010. Um eine Beeinträchtigung von Niedermooren, welche auf der Längental-Alm zwar nur kleinflächig vorhanden sind, aber immer wieder v.a. im Bereich der Alpenrosen-Zwergstrauchheiden in Erscheinung treten, zu vermeiden, wurde im angefochtenen Bescheid bereits folgende zusätzliche Nebenbestimmung vorgeschrieben:

"Feuchtflächen und Quellfluren sind von den Maßnahmen auszusparen."

Laut Maßnahmenbeschreibung sollen die Moosbulte mit den darauf vorkommenden Zwergsträuchern erhalten bleiben (Alm1a und Alm 1b) und Feuchtflächen und Quellfluren (Alm 2) nicht beeinträchtigt (sinngemäß ausgespart) werden. Die vom Landesumweltanwalt angeführten Widersprüche bei der Formulierung der Nebenbestimmungen aus dem Fachbereich Naturhaushalt hinsichtlich Geländekorrekturen sind somit nicht gegeben, wie auf Grundlage des Gerichtsgutachtens vom 30.1.2017 festgestellt wird.

 

Alle diese Maßnahmen insgesamt vermögen jedoch nur einen kleinen Teil des Verlustes an sensiblen und hoch sensiblen Lebensräumen im Längental auszugleichen. Der Landesumweltanwalt hat in der mündlichen Verhandlung eine Kompensationsberechnung präsentiert, wonach nur 16 % aller Flächen mit Lebensräumen, deren Sensibilität mit mäßig, hoch und sehr hoch bewertet wurde, ausgeglichen werde. Dies stehe im Widerspruch zur fachlichen Forderung nach möglichst vollständigem Ausgleich. Diese Berechnung wurde von der Projektwerberin und dem naturschutzfachlichen Sachverständigen weder bestätigt noch in Abrede gestellt, doch wurde vom naturschutzfachlichen SV, der für die Beurteilung der Kompensationsmaßnahmen zuständig war, betont bzw. bestätigt, dass ein auch nur nahezu vollständiger Ausgleich wegen Fehlens von entsprechenden vorbelasteten Flächen im Hochgebirge - und demnach im naturschutzfachlich anzustrebenden räumlichen Nahebereich - nicht möglich sei.

 

1.13.1.2. Die naturschutzfachlichen SV haben daher nach der mündlichen Verhandlung im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts Vorschläge für Auflagen erstattet, in welcher Form ein Ersatz für jene durch das Vorhaben ersatzlos zerstörten Lebensräume geschaffen werden kann, für die im Verfahren eine entsprechend hohe naturkundefachliche Bewertung erfolgt ist. Eine entsprechende Auflage wurde als Spruchpunkt A.I.4. in dieses Erkenntnis aufgenommen.

 

Zu dieser vom Gericht zusätzlich als Auflage vorgeschriebenen Ersatzmaßnahme Zöblen wird festgestellt:

 

A. Die durch die Maßnahme zu ersetzenden "Niedermoor-Kleinseggenbestände - sauer" werden dem Biotoptyp "Basenarmes, nährstoffarmes Kleinseggenried" zugeordnet. Die Kleinseggenriede befinden sich über Nassgley. Nassgleye sind Böden mit sehr hoch anstehendem, wenig schwankendem Grundwasser. Die im Gebiet vorkommenden Nassgleye werden mäßig intensiv bis extensiv beweidet. Die Bodenprofile B8 und B11 der Kleinseggenriede zeigen Feucht-Mull und Feucht-Rohhumus als Humusform und kein Niedermoor-Torf. Aufgrund einer Bilanzierung des Kompensationsbedarfs für einen Ausgleich des Verlusts von Feuchtlebensräumen, aufbauend auf der in der Studie "Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft" beschriebenen Methodik, ergab sich für einen flächengleichen 1:1- Ausgleich des Verlusts von Feuchtlebensräumen im Längental ein Delta von rd. 1 ha. Der Kompensationsbedarf war dementsprechend um 1 ha größer als der Kompensationswert der Maßnahmen. Das Delta ergab sich vorrangig für Niedermoor-Kleinseggenbestände. Es wurden daraufhin als potentielle Maßnahmenflächen mit hohem Ausgleichspotential agrarisch intensiv genutzte Flächen über Moorböden/Gleye definiert. Mit Hilfe der Methode zur Bestimmung des Kompensationswertes von Maßnahmen, welche die Biotop-Wertstufe vorher und nachher sowie die Korrekturfaktoren Zeit, Raum und Funktion berücksichtigt, wurde für einen flächengleichen Ausgleich ein zusätzlicher Maßnahmenbedarf für eine Ersatzmaßnahme auf agrarisch intensiv genutzten Flächen über Moorböden/Gleye im Umfang von 2,5 ha mit Kompensationswert von ca. 1 ha errechnet.

 

Dies ergibt sich aus der Stellungnahme des naturschutzfachlichen SV XXXX vom 25.2.2019.

 

Der Umweltanwalt hält dem entgegen, für völlig naturnahe Flächen im Längental werde dabei ein Biotopwert vor Umsetzung der - an Ort und Stelle geplanten und oben beschriebenen - Ausgleichsmaßnahmen von Null angesetzt, was nicht gerechtfertigt sei, wenn nach der vom Sachverständigen verwendeten Methode sogar für naturferne Fichtenforste ein Biotopwert von 0,15 angesetzt werden könne. Aus diesem Grund sei bereits der erforderliche Kompensationswert zu gering angesetzt und somit eine Ersatzmaßnahme weit größeren Ausmaßes notwendig.

 

Dem hat der vom Gericht in dieser Frage herangezogene naturschutzfachliche SV entgegengesetzt, dass nach dem von ihm verwendeten Berechnungsmodell Knoll-Revital-Haslinger/Nagele (2016) Flächen mit der Wertstufe 0-0,15 zu bedenken seien, die geringe vegetationsökologische Bedeutung und/oder ein hohes Aufwertungspotential aufweisen würden. Der vom Umweltanwalt im Längental monierte FFH-Lebensraum sei dort nicht in Vollausprägung und nur in geringer Intensität vorhanden. Aufgrund der Auflage A.XII.11.10 sei sichergestellt, dass die Ausgleichsmaßnahmen nicht auf naturschutzfachlich hochwertigen Flächen umgesetzt werden. Dies ergibt sich aus der schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen vom 18.4.2009 (S. 6 f) und seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung (S. 39 der Verhandlungsschrift).

 

Das Gericht hält diese Argumentation für nachvollziehbar und stellt daher fest, dass die Berechnung des Kompensationsbedarfes für die Ersatzmaßnahme unter Vergabe einer Biotop-Wertstufe von Null im Bereich des Längentals keinen Bedenken begegnet.

 

Der Umweltanwalt hat ebenfalls kritisiert, dass weite Bereiche der Kleinseggenriede im Längental Torfmoosbulte aufweisen würden und zumindest im Bereich dieser Vergesellschaftung eine Torfschicht über dem wasserstauenden Gleyeboden vorhanden sei. Kleinseggenbestände, wie sie im Längental vorhanden sind, würden auch ohne Torfmoose auf dementsprechenden Seggentorf oberhalb der dichtenden Gleyeschicht wachsen. Die Niedermoorbereiche des Längentals seien daher sowohl bodenkundlich als auch pflanzensoziologisch als Moore anzusprechen.

 

Demgegenüber hat der SV nachvollziehbar dargelegt, dass aufgrund der in der UVE dokumentierten Bodenproben eindeutig feststeht, dass dort der Bodentyp Nassgley mit Feucht-Mull und Feucht-Rohhumus als Humusform und kein Niedermoortorf als Humusform auftritt. Feucht-Mull und Feucht-Rohhumus zählen zu den semi-terrestrischen Humusformen und sind von den Humusformen "Hochmoortorf", "Übergangsmoortorf" und "Niedermoortorf" zu unterscheiden (Stellungnahme des SV vom 18.4.2019, S.25 f). In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt, dass zwischen dem Moorbegriff im bodenkundlichen Sinn und jenem im vegetationskundlichen Sinn unterschieden werden muss. Eine Torfschicht ist nur Definitionsmerkmal für Moore im bodenkundlichen Sinn, nicht für solche im vegetationskundlichen Sinn. Im Längental besteht kein Moor im bodenkundlichen Sinn, auch wenn man annimmt, dass nicht ausgeschlossen ist, dass es einzelne Torfmoosbulte gibt in einem kleinräumigen Bereich (S. 37 f der Verhandlungsschrift). Aus diesem Grund ist ein solches auch nicht an anderer Stelle zu ersetzen.

 

B. Die Maßnahme Zöblen umfasst im Ist-Zustand landwirtschaftlich intensiv genutzte (2,93 ha) und extensiv genutzte (1,2 ha), entwässerte und gedüngte Flächen über Gleyböden. Ziel der Maßnahme Zöblen ist die Überführung der landwirtschaftlich überwiegend intensiv genutzten Flächen in hochwertige Feuchtlebensräume mit vegetationsökologisch naturnahem Zustand und biotoptypischen hydrologischen Verhältnissen durch Wiedervernässung und Extensivierung inkl. Nährstoffentzug. Ziel ist die Entwicklung eines Mosaiks aus nährstoffarmer, artenreicher Feuchtwiese (Nasswiese bis Pfeifengraswiese) und Kleinseggenrieden, in Kombination mit Großseggen- und Hochstaudenbeständen in den Geländesenken bzw. entlang der wasserführenden Gräben.

 

Mit der Ersatzmaßnahme Zöblen im Umfang von 4,13 ha und mit einem Kompensationswert von rd. 1,33 ha können hochwertige Feuchtlebensräume zur Kompensation des Verlusts von Feuchtlebensräumen im Längental geschaffen werden. Der räumliche, zeitliche und funktionale Bezug der Ersatzmaßnahme Zöblen zu den vom Eingriff beeinträchtigten Funktionen der Feuchtlebensräume im Längental (v.a. "Niedermoor-Kleinseggenbestände - sauer" über Nassgley) ist zwar gelockert, aber vorhanden und wurde bei der Berechnung des Kompensationswertes der Maßnahme Zöblen berücksichtigt.

 

Mit der Maßnahme Zöblen wird den Anforderungen eines künftigen Feucht- und Moorlebensraumes Genüge getan. Das Aufwertungspotential der anthropogen beeinträchtigen Maßnahmenflächen über Gleyböden kann mit hoch eingestuft werden, da Gleye eine Beeinflussung durch Grundwasser zeigen und für die Wiederherstellung von Feuchtlebensräumen und Mooren geeignet sind, sofern eine Wiederherstellung eines höheren Grundwasserspiegels möglich ist. Eine Wiederherstellung eines höheren Grundwasserspiegels wird im ggst. Fall mittels Einbau von Balkenverschlüssen am Haupt-Entwässerungsgraben oder mittels Verschluss der Entwässerungsgräben gewährleistet. Niedermoore können sich an Stellen bilden, wo Grundwasser nah an der Bodenoberfläche ansteht.

 

Eine ökologische Aufwertung auf den Maßnahmenflächen der Maßnahme Zöblen bewirkt zudem auch eine Aufwertung der angrenzenden Flächen. Die Maßnahmenflächen werden künftig ein neuer wichtiger Bestandteil innerhalb des Biotopverbundes rund um das Zöblener Moor. Beim Zöblener Moor handelt es sich um den Rest einer ehemals ausgedehnten Vermoorung des Vilstales. Dieses Biotopverbundsystem bildet auch den "Pflanzenpool" für die Wiederansiedlung einer standortstypischen Artengarnitur auf den Maßnahmenflächen.

 

Dies ergibt sich aus der Stellungnahme des SV vom 25.2.2019.

 

Dagegen wurde von Beschwerdeführern vorgebracht, dass den vorhandenen Entwässerungsgräben, die auch zur Bewässerung genutzt werden sollten, keine entwässernde Funktion mehr zugeschrieben werden könne und ein Aufstauen des seitlich verlaufenden Grabens daher bis auf mäßige Effekte im Nahbereich keine Wirkung auf die weiter entfernten Feldflächen mehr zeigen könne. Auch lägen weite Bereiche der zu bewässernden Flächen über der Oberkante der geplanten Staubauwerke, der Wasserstand in der nördlichen Hälfte des Grundstückes 1589 werde rund 0,75 m unterhalb der Bodenoberkante zu liegen kommen. Feuchtstandorte könnten so nicht entstehen. Zudem würden die Eigentümer der Nachbargrundstücke wegen Auswirkungen auf ihre Flächen keinen effizienten Einstau zulassen.

 

Der SV hat in seiner Stellungnahme vom 18.4.2019 (S. 17ff) und in der mündlichen Verhandlung (S. 6f der Verhandlungsschrift) ausführlich dargelegt, dass eine Wiedervernässung weiter Teile des Maßnahmengebiets technisch möglich und auch langfristig zu erwarten ist, dass es aber darüber hinaus nicht zu erwarten aber auch nicht notwendig ist, die Gesamtfläche vollständig als Niedermoor herzustellen. Dem Naturzustand entsprechend sei nach den orographischen Gegebenheiten ein hohes Maß der Renaturierung möglich. Dort, wo die Drainagegräben aufhören, d.i. in ca. 2/3 der Fläche, werden auch die Wiedervernässungsbemühungen ihre Grenze finden.

 

Das Gericht geht daher von der Durchführbarkeit der Wiedervernässung aus.

 

Von den Beschwerdeführern wird befürchtet, dass die vorgeschriebene Ersatzmaßnahme keine Entstehung eines hochwertigen Moorlebensraumes nach sich ziehen wird, dass aber andererseits der angestrebte Zielzustand in Teilen des Maßnahmengebiets bereits vorhanden ist und daher nichts Neues entsteht.

 

Dazu hat der SV in seiner Stellungnahme vom 18.4.2019 (S. 8 ff) nachvollziehbar dargelegt: Die Maßnahmenflächen umfassten derzeit landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen (mehrschürige Bewirtschaftung) mit intensiver Düngung und landwirtschaftlich extensiv genutzte Flächen (einschürige Bewirtschaftung) mit zunehmendem Anteil von Kleinseggen, die teilweise dem Biotoptyp "Artenreiche Nasswiesen" zuzuordnen seien. An der südlichen Grenze hätten sich auch Großseggenriede etabliert. Innerhalb der Maßnahmenflächen wechselten in Abhängigkeit der kleinräumigen Geländemorphologie und Dränagierungsintensität trockenere und feuchtere Bereiche einander ab. Punktuell seien Niedermoor-Anklänge sowie temporäre Tümpel zu beobachten.

 

Die Maßnahmenflächen der Maßnahme Zöblen fänden sich über dem Bodentyp Gley. Dieser Bodentyp zähle zu den grundwasserbeeinflussten Böden. Seine Entstehung sei an hochanstehendes Grundwasser gebunden und nicht an das Ausgangsgestein. Gleye, welche eine Beeinflussung durch Grundwasser zeigten, seien für die Entwicklung und Wiederherstellung von hochwertigen Feuchtlebensräumen vom Niedermoortypus gut geeignet. Feuchtlebensräume vom Niedermoortypus könnten sich u.a. an Stellen bilden, wo Grundwasser nah an der Bodenoberfläche anstehe. Unter Niedermoor verstehe man jenes Grünland, das wegen seines Überflusses an Grund- und/oder Hangwasser eine auf Feuchtigkeit angewiesene Pflanzendecke aufweise. Unter dem Einfluss der unterschiedlich starken Bodenfeuchtigkeit und der extensiven Bewirtschaftung würden sich verschiedene Pflanzengemeinschaften, wie z.B. Schilfröhricht, Grosseggenried, Kleinseggenried, Pfeifengraswiese, Sumpfdotterblumenwiese, Hochstaudenried bilden. Niedermoore würden gemäß BAFU (2002) aufbauend auf dem vegetationskundlichen Moorbegriff folgendermaßen definiert: "Grünland, das sich infolge Überflutung oder hohem Grundwasserstand durch einen dauernden oder periodischen Wasserüberschuss auszeichnet. Die Vegetation ist diesen Bedingungen angepasst. Im Gegensatz zu den Hochmooren stehen Flachmoore in Kontakt mit mineralhaltigem Wasser."

 

Mit der Maßnahme Zöblen erfolge eine Aufwertung von entwässerten und landwirtschaftlich überwiegend intensiver genutzten Grünlandflächen. Eine - aus fachlicher Sicht - günstige Prognose in Hinblick auf die Entwicklung der anthropogen beeinträchtigten Maßnahmenflächen zu hochwertigen Feuchtlebensräumen vom Niedermoortypus ergebe sich durch das Vorhandensein eines geeigneten Pflanzenpools in der Umgebung und auf den Maßnahmenflächen sowie durch die geplante Maßnahmenumsetzung Zug um Zug mit begleitendem steuerndem Monitoring.

 

Kleinseggenriede, Pfeifengraswiesen, Nasswiesen, Großseggen- und Hochstaudenbestände seien wichtige Verbände in Niedermooren. Pfeifengraswiesen zählten demnach zu den Hauptbeständen in Niedermooren. Kalk-Pfeifengraswiesen bildeten z.B. häufig Komplexe mit Kalk-Kleinseggenriedern und -Binsenriedern. Die nährstoffreichen Nasswiesen, welche eine hohe Pufferkapazität gegen Außeneinflüsse besäßen, seien in der Regel Teil von Niedermoor-Vegetationskomplexen.

 

Mit der nun umgesetzten Maßnahmenkonkretisierung in Form der Ersatzmaßnahme Zöblen im Umfang von 4,13 ha könnten hochwertige Feuchtlebensräume vom Niedermoortypus im geforderten Umfang von 2,5 ha geschaffen werden. Die räumliche Ausdehnung der Ersatzmaßnahme Zöblen im Umfang von 4,13 ha ergebe sich aus der vorhandenen Parzellenstruktur und dem Aufbau des Entwässerungssystems. Der Vorteil der Maßnahme Zöblen liege darin, dass eine räumlich abgrenzbare Wiedervernässung v.a. durch Verschluss von Entwässerungsgräben ohne massive, großflächige Erdbaumaßnahmen möglich sei, wodurch die Flächen abgeschlossen funktionsfähig seien.

 

In der mündlichen Verhandlung (S. 11 ff der Verhandlungsschrift) hat der Sachverständige nochmals darauf hingewiesen, dass durch die Ersatzmaßnahme kein Moor im bodenkundlichen Sinn, sondern ein Moor im vegetationskundlichen Sinn zu ersetzen sei und auch Gleyeböden für die Wiederherstellung von Feuchtlebensräumen des Niedermoortypus geeignet seien. Die Ausbildung torfbildender Vegetation sei nicht Voraussetzung für die Entwicklung eines derartigen Moorstandortes (S. 16 f der Verhandlungsschrift).

 

Offenbar ist die Torfbildung von Pflanzen am Standort aber möglich und hängt von entsprechendem Sauerstoffmangel in Folge Einstaus von Wasser ab, wie aus der unwidersprochen gebliebenen Aussage eines fachlichen Beraters der Projektwerberin in der mündlichen Verhandlung hervorgeht (S. 41 der Verhandlungsschrift).

 

Die Ausdehnung der Maßnahme stelle sicher, dass der Kompensationsbedarf von 2,5 ha abgedeckt werde, was bedinge, dass nicht in allen Bereichen das Entwicklungsziel vollständig erreicht werden müsse und auch Nachbarschaftsrechte beachtet werden könnten (S. 12 der Verhandlungsschrift).

 

Von der Gemeinde XXXX wurde befürchtet, dass Nährstoffeinträge, die infolge der in der Umgebung weiterhin und auch bisher auf den Maßnahmenflächen praktizierten Landwirtschaft in die Bewässerungsflächen gelangen, den Maßnahmenzweck vereiteln könnten. Dazu führte der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung (S. 35 f der Verhandlungsschrift) aus, dass in der gesamten österreichischen und europäischen Kulturlandschaft bei allen moortypischen Vegetationsgesellschaften das Problem des Überangebots von Nährstoffen bestehe. In den letzten Jahrzehnten sei auch der Nährstoffeintrag über Luft und Regen deutlich gestiegen. Es gebe daher eine natürliche Obergrenze der Erreichbarkeit an Natürlichkeit durch den grundsätzlichen kulturlandschaftstypischen Eintrag von Nährstoffen auf jeder Fläche in Österreich. Das Maßnahmenziel sei angesichts des grundsätzlichen Überangebotes von Nährstoffen insbesondere aus der Luft bzw. aus dem Niederschlag an diesem Standort ähnlich gut erreichbar wie an anderen Standorten. Es gebe keinen zusätzlichen Verschlechterungsfaktor auf diesem Standort. Durch das vorgesehene Mosaik von Maßnahmen könne man davon ausgehen, dass sich bei entsprechendem Nährstoffgehalt trotz Aushagerung ein Mosaik von Standorten bilde, die etwas nährstoffaffiner sind, wie auch Hochstaudenfluren oder eben Großseggen- oder Kleinseggenriede.

 

Aus den angeführten nachvollziehbaren und schlüssigen Aussagen des gerichtlich bestellten Sachverständigen schließt das Gericht, dass die vorgeschriebene Maßnahme zur Entstehung eines hochwertigen Moorstandortes führen wird.

 

C. Zum Kompensationswert der Maßnahme Zöblen wird festgestellt:

 

Der räumliche, zeitliche und funktionale Bezug der Ersatzmaßnahmen Zöblen zu den vom Eingriff beeinträchtigten Funktionen der Feuchtlebensräume im Längental ist zwar gelockert, aber vorhanden und wurde bei der Berechnung des Kompensationswertes der Maßnahme Zöblen berücksichtigt.

 

Die Vergabe der Biotopwertstufe 1 für das Ziel der Ersatzmaßnahme zeigt an, dass an dem Standort die bestmögliche Renaturierung zu erzielen ist. Die Korrekturfaktoren Funktion, Raum und Zeit bilden den Umstand ab, dass es sich um keine Ausgleichsmaßnahme handelt, die sowohl zeitlich, räumlich als auch inhaltlich 1:1 dem Ausgleich des ursprünglichen Eingriffs entspricht. Diese Ersatzmaßnahme ist nicht im gleichen geografischen Raum gelegen, weil sie im Bereich der Tiroler Kalkalpen liegt und nicht im kristallinen Bereich, aber immerhin noch im alpinen Bereich und eine ähnliche Typologie aufweist. Es wurde daher der Abwertungsfaktor mit 0,7 festgelegt. Es liegt auch keine volle, aber weitgehende funktionelle Übereinstimmung (Niedermoortyp) vor, daher wurde der Faktor 0,85 für die Funktion vergeben. Es liegt auch keine zeitliche Gleichzeitigkeit zwischen Eingriff und erwarteten Wirkungen der Ersatzmaßnahme vor, insbesondere wird zum Zeitpunkt des Eingriffs im Längental die Ersatzmaßnahme Zöblen in Umsetzung, aber der Zielzustand 1 noch nicht erreicht sein, daher wurde für die zeitliche Funktion der Abwertungsfaktor 0,8 verwendet, was widerspiegelt, dass sehr früh mit den Ersatzmaßnahmen und deren Umsetzungen begonnen wird, aber trotzdem jedenfalls keine Gleichzeitigkeit vorliegt.

 

Diese Einstufung ergibt sich aus S. 21 ff der Stellungnahme des SV vom 18.4.2019 und aus den Aussagen des SV dazu in der mündlichen Verhandlung (S. 23 f der Verhandlungsschrift) und erscheint dem Gericht auf Basis der vom Sachverständigen mit entwickelten Methode schlüssig und nachvollziehbar; für eine andere Bewertung des Kompensationswerts wurden auch keine konkreten Gegenvorschläge gemacht.

 

D. Zu möglichen alternativen, besser geeigneten Flächen für die erforderliche Ersatzmaßnahme wird festgestellt, dass die ausgewählten Flächen der Ersatzmaßnahme Zöblen neben anderen von den SV besichtigten Flächen gut geeignete Maßnahmenflächen darstellen. Andere untersuchte Standorte sind dadurch gekennzeichnet, dass sie bereits jetzt eine weit höhere ökologische Qualität aufweisen, aber das Aufwertungspotential nicht sehr hoch ist, oder dass der Gesamtmechanismus des Entwässerungs- und Drainagensystems über einen angesprochenen Bereich von ein paar ha hinausgeht, was bedeutet, dass eine Ersatzmaßnahme zu größeren verändernden Maßnahmen führen würde, die in einem System der Entwässerung landwirtschaftlicher Flächen nicht auf wenigen ha möglich wären.

 

Ein Problem hinsichtlich potentieller Maßnahmenstandorte im Bereich des Ehrwalder Moores (Lermoos/Ehrwald), wo bspw. auch Moorflächen im bodenkundlichen Sinn mit Torfschicht vorhanden sind bzw. entwickelt werden könnten, besteht gerade in der technischen Machbarkeit eines räumlich begrenzten Wiedervernässungsbereichs in der Größenordnung von ca. 2,5 ha innerhalb eines großräumig entwässerten Areals mit komplexem Entwässerungssystem. Die Größenordnung der notwendigen Eingriffe in ein komplexes, großräumig wirksames Entwässerungssystem sprechen eher für ein groß angelegtes Landesprojekt, an dem sich allenfalls ein Projektwerber kostenmäßig beteiligen könnte. Bei Maßnahmenflächen, wo eine abgrenzbare Wiedervernässung in der Größenordnung von 2,5 ha möglich wäre, ist aufgrund von höherwertigen Ausgangssituationen (Flächen mit hoher vegetationsökologischer Bedeutung) lediglich ein geringeres Aufwertungspotential vorhanden.

 

Der Vorteil der Maßnahme Zöblen liegt darin, dass eine räumlich abgrenzbare Wiedervernässung v.a. durch Verschluss von Entwässerungsgräben ohne massive, großflächige Erdbaumaßnahmen möglich ist, wodurch die Flächen in sich abgeschlossen funktionsfähig sind. Zudem kann eine Aufwertung der Flächen durch Nutzungsextensivierung und Aushagerung der Flächen gewährleistet werden.

 

Dies ergibt sich aus der Stellungnahme des gerichtlich bestellten SV vom 18.4.2019 (S. 40 f) und aus den Darlegungen des SV in der mündlichen Verhandlung (S. 32 der Verhandlungsschrift).

 

1.13.2. Für den Verlust und die Verschlechterung von Oberflächengewässern:

 

1.13.2.1. Im behördlichen Verfahren haben Fragen des Bedarfes für eine Kompensation der Eingriffe in Oberflächengewässer und des Wertes verschiedener von der Projektwerberin im Vorhaben vorgesehener Kompensationsmaßnahmen breiten Raum eingenommen. Das zeigt sich schon daran, dass ein eigener Gutachter zur Beurteilung dieser Maßnahmen bestellt wurde (Teilgutachten 13b). Auch in manchen Beschwerden nehmen Fragen des Kompensationsbedarfs und -wertes breiten Raum ein.

 

Im Teilgutachten 13b zum Umweltverträglichkeitsgutachten wird eine Bewertung der Kompensationsmaßnahmen nach den Vorgaben des Anwendungshandbuches zum "Kriterienkatalog Wasserkraft in Tirol" durchgeführt. Im gerichtlichen gewässerökologischen (Ergänzungs‑)Gutachten vom 19.2.2017 wird die Anwendung der darin enthaltenen Kriterien ausführlich begründet:

 

Mehrheitlich fänden sich "Eingriffs-Ausgleichs-Regelungen" weder in einem Gesetz noch in einer Verordnung. Vielmehr handle es sich um unverbindliche Leitfäden, nur im Entwurfsstadium, dennoch bereits "angewendet". Die hauptsächlich verwendeten Biotoptypenmodelle seien aufgrund fehlender Indikationswirkung für abiotische Funktionen sowie der unzureichenden Berücksichtigung faunistischer Belange nicht geeignet, die Anforderungen an eine Eingriffsregelung adäquat zu erfüllen. Die fachliche Angemessenheit und Aussagefähigkeit von Biotopwertverfahren "an sich" hänge wesentlich vom zugrunde liegenden Biotoptypenschlüssel ab. Das Verbesserungspotential der verschiedenen Qualitätskomponenten der Wasserrahmenrichtlinie sei in den naturschutzfachlichen Bewertungssystemen derzeit nicht oder nur summarisch und somit zu undifferenziert darstellbar. Einzig der Tiroler Kriterienkatalog berücksichtige die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie im Hinblick auf den ökologischen Zustand der betrachteten Fließgewässer.

 

Im gegenständlichen Verfahren werde sowohl der Kompensationsbedarf als auch der Kompensationswert quantifiziert. Maßzahl sei jeweils die Summe der betroffenen Streckenlänge multipliziert mit der prognostizierten Veränderung der ökologischen Zustandsklasse und unter Berücksichtigung zeitlicher, räumlicher und funktionaler Faktoren. Bei der zeitlichen Komponente werde berücksichtigt, wie schnell Maßnahmen wirksam werden. Beispielsweise seien Maßnahmen im Gewässer selbst (z.B. Wiederherstellung der Fischpassierbarkeit, Verbesserung der Habitatstruktur) wesentlich schneller wirksam als die Schaffung eines Auwaldstandortes. Bei Maßnahmen, die z.B. im Zuge des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans unabhängig vom jeweiligen Kraftwerksprojekt umzusetzen sind, werde ebenfalls die zeitliche Komponente in Form der vorgezogenen Umsetzung bewertet. Bei der räumlichen Komponente werde die Länge der betroffenen Gewässerstrecke und die Lage (am gleichen oder einem anderen Gewässer) und der Gewässertyp (gleicher oder anderer Gewässertyp) berücksichtigt. Ob Beeinträchtigungen durch gleichartige oder andere Wirkungen kompensiert werden (z.B. Strukturierungsmaßnahmen als Kompensation für Veränderungen des Abflusses), werde durch die funktionale Komponente abgedeckt. Ob Beeinträchtigungen durch gleichartige oder andere Wirkungen kompensiert werden (z.B. Strukturierungsmaßnahmen als Kompensation für Veränderungen des Abflusses), werde durch die funktionale Komponente abgedeckt. In einer Tabelle werden im Gutachten die einzelnen Auf- und Abwertungsfaktoren und die ihnen zukommenden Werte dargestellt.

 

Bei der Bewertung von Maßnahmen seien einerseits die Bewertung des Ist-Zustandes der betroffenen Gewässerstrecken und anderseits die Veränderung der ökologischen Zustandsklassen wesentlich. Sowohl positive als auch negative Veränderungen würden innerhalb einer Zustandsklasse mit 0,25 oder 0,5 Punkten bewertet.

Restwasserstrecken, in denen der gute Zustand durch das Vorhaben erhalten bleibt, würden trotzdem mit einer Veränderung von 0,25 Punkten abgewertet, womit auch der Kompensationsbedarf steige. Bei einem Speicher/Stau werde von einer Verschlechterung auf die Zustandsklasse 5 ausgegangen. Die Fischpassierbarkeit werde in Schritten von 0,5 Klassen bewertet, da hier ein großer situationsbezogener Spielraum bestehe. Das Ausmaß der Verbesserung durch Strukturierungen sei abhängig vom Ausmaß und im Einzelfall zu beurteilen (punktueller oder durchgehender Rückbau, relative Breitenzunahme etc.).

 

Im Kriterienkatalog Tirol und im Anwendungshandbuch werde nicht nach Einzelkomponenten differenziert, sondern nur nach dem ökologischen Gesamtzustand im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie bzw. des Wasserrechtsgesetzes (biologische, hydromorphologische und chemisch-physikalische Parameter). Der Kompensationsbedarf und der Kompensationswert berücksichtige die Differenz des gesamten ökologischen Zustandes vorher/nachher, jedoch nicht die Einzelkomponenten. Bei einer künftigen Restwassersituation in Gewässern mit einem gesamten sehr guten Zustand werde um 1 Klasse verschlechtert, bei einem guten ökologischen Zustand (Beeinträchtigung innerhalb einer Klasse) werde mit 0,25 abgewertet.

 

Um dem Vorbringen der Beschwerdeführer zur Berücksichtigung des "Weser-Urteils" des EuGH zu entsprechen, müsste man den methodischen Ansatz des Kompensationsbedarfs und des Kompensationswertes im Kriterienkatalog Tirol überarbeiten. Diese Überarbeitung sei jedoch kein Beweisthema im UVP-Genehmigungsverfahren gewesen.

 

Wolle man die die Auswirkung der Verschlechterung einzelner Qualitätskomponenten im Sinne des EuGH-Urteils vom 1.7.2015, C-461/13, zusätzlich auch beim Kompensationsbedarf berücksichtigen, könne man im Sinn eines ersten fachlichen Vorschlages im Auftrag des Gerichts die Verschlechterung der biologischen Einzelkomponenten um eine ökologische Zustandsklasse mit dem Faktor 0,25, der hydromorphologischen Einzelkomponenten mit 0,08 und der chemischen Einzelkomponenten jeweils mit 0,05 bewerten, unter der Prämisse, dass sich der prognostizierte ökologische Gesamtzustand nicht verändert. Angewendet auf das Vorhaben ergebe sich ein Kompensationsbedarf von 24,24 km und somit ein Mehrbedarf an Kompensationsstrecken von ca. 3,3 km.

 

In der mündlichen Verhandlung erläuterten die gewässerökologischen SV diese Werte folgendermaßen: Vor dem Hintergrund der Ausführungen des BMLFUW zur Beurteilung der Qualitätskomponenten gemäß "Weser-Urteil", dass in erster Linie die Verschlechterung der Biologie bzw. der biologischen Qualitätskomponente als wesentlich angesehen wird, um von einer Verschlechterung des Gesamtzustandes sprechen zu können, bedeute eine Verschlechterung der jeweiligen hydromorphologischen Einzelkomponenten, wenn nicht explizit eine Verschlechterung der Biologie gegeben ist, nicht automatisch eine Verschlechterung des Gesamtzustands. Daher seien die Biologie mit dem Wert 0,5, die Hydromorphologie in Summe mit 0,25 und die chemischen Qualitätskomponenten in Summe mit 0,25 belegt worden. Derselbe Ansatz müsste aber auch bei der Berechnung des Kompensationswertes berücksichtigt werden, was im konkreten Genehmigungsverfahren aber noch nicht durchgeführt worden sei. Bei diesem Vorschlag handle es sich um keine Methodik. Die Entwicklung einer Methodik benötige eine mehrjährige Diskussion, wie die Verabschiedung des Kriterienkatalogs Tirol gezeigt habe. Es handle sich um einen Vorschlag einer möglichen Adaption im konkreten Fall.

 

Insbesondere der XXXX stellte sich gegen diese Art der Berechnung. Er erklärte in der mündlichen Verhandlung, eine - gebotene - Berücksichtigung des "Weser-Urteils" könne bei Verschlechterungen vom sehr guten in den guten Zustand nur in der Form richtig erfolgen, dass die Verschlechterungen der einzelnen Qualitätskomponenten gleich gewichtet werden. Eine unterschiedliche Gewichtung wäre lediglich ab dem guten Zustand der hydromorphologischen Komponenten zulässig, ab dem nur mehr Richtwerte definiert werden. Alle Verschlechterungen, gleich ob sich biologische, hydromorphologische oder physikalische Komponenten verschlechterten und ob eine Zustandsklasse verschlechtert werde oder nicht, müssten immer mit dem Faktor 1 abgewertet werden, weil aufgrund des Weser-Urteils keine Differenzierungen mehr zulässig seien. Dadurch würde sich der Kompensationsbedarf deutlich erhöhen.

 

1.13.2.2. In den Beschwerden wurde der im Bescheid zuerkannte Kompensationswert einzelner Kompensationsmaßnahmen kritisiert.

 

Zur Kompensationsmaßnahme "Ötztaler Ache - Wehr Brunau - Herstellung der Durchgängigkeit - A-Bet-29" wurde insb. kritisiert, die Maßnahme sei zu hoch bewertet, weil eine Veränderung vom mäßigen zum guten Zustand nicht angenommen werden könne und zu berücksichtigen sei, dass die Maßnahme bereits im Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan 2009-2015 als erforderlich enthalten gewesen und daher mit dem Faktor 0,2 abzuwerten statt sogar aufzuwerten sei. Der Maßnahme sei kein Kompensationswert von 4,44 km sondern nur von 178 m zuzurechnen.

 

Der gewässerökologische SV hielt dem im Gerichtsgutachten und in der mündlichen Verhandlung entgegen, dass die Aufwertung infolge einer hochwertigeren Maßnahme, nämlich der Verwirklichung einer aufgelösten Sohlrampe statt eines - ebenfalls dem Stand der Technik entsprechenden - "Vertical Slot" gerechtfertigt sei. Die Projektwerberin wies in der mündlichen Verhandlung darauf hin, es mache einen ganz wesentlichen Unterschied, ob die Durchgängigkeit des Gewässers an sich sichergestellt werde, oder eine Umgehung geschaffen werde. Auch sei darauf hinzuweisen, dass diese Maßnahme nicht umgesetzt werde, wenn sie die Projektwerberin sie nicht umsetzt, weil der dortige Wasserverband, der die Maßnahme umsetzen müsste, nicht über die nötigen Mittel verfüge. Dem wiederum setzte der Landesumweltanwalt entgegen, es bestünde die Möglichkeit von Förderungen nach dem Umweltförderungsgesetz.

 

Zur Maßnahme "Unterwasserbecken Silz - Schwalldämpfung - A-Bet-35" wurde kritisiert, diese Maßnahme sei - wenn überhaupt - nur sehr gering wirksam. Dennoch sei diese Maßnahme, die sich auf 40 km erstreckt, mit einem derartigen Kompensationswert versehen worden, dass 10 km davon abgedeckt würden. Der gewässerökologische SV konzedierte in der mündlichen Verhandlung, dass diese Maßnahme nicht zu einem guten ökologischen Potential im Inn verhelfe. Innerhalb einer Zustandsklasse sei er aber nach wie vor der Meinung, dass über die Verbesserung des Sunkgradienten eine Verbesserung um 0,5 gerechtfertigt ist.

 

1.13.2.3. Zu den in den Spruchpunkten A.I.5. und A.I.6. vorgeschriebenen Maßnahmen:

 

Unabhängig von einem in Zahlen ausgedrückten Kompensationswert werden in diesem Erkenntnis zur Erreichung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt auf Basis der gewässerökologischen Beurteilung umfangreiche flussbauliche Maßnahmen vorgeschrieben.

 

Ziel der in den neuen Auflagen A.XII.12.27a und A.XII.17.29a vorgeschriebenen Maßnahmen ist eine Annäherung an den morphologischen Soll- Zustand des Inns in einem Gewässerabschnitt in räumlicher Nähe im Projektgebiet im Unterlauf des Ausgleichsbeckens Silz durch Erreichung einer größtmöglichen Flussdynamik und einer Verbesserung des Wasserhaushalts:

 

Die Flussauen entlang des Inns wurden im Inntal bereits sehr reduziert. Die Baum- und Strauchgalerie ist oft nur mehr sehr schmal und wurde teilweise gepflanzt. Noch vorhandene Innauen sind wichtige Lebensbereiche geschützter und gefährdeter Tiere, besonders für Amphibien und Vögel sind sie ein bedeutender Lebensraum. Auch die Pufferfunktion dieses Lebensraumes ist zu beachten. Diese Auenbereiche sind jedoch menschlich beeinflusst, daher können sie nur mehr als bedingt naturnahe bezeichnet werden. Durch die Innregulierung und den Kraftwerksbau wurden periodische Überschwemmungen sowie die Flussdynamik sukzessive unterbunden. Durch den Bau der Autobahn wurde der Inn im Projektabschnitt monoton auf eine mittlere Breite von ca. 75 m eingeengt. Dadurch werden keine Schotterbänke mehr ab- noch umgelagert. Im Sonderschutzgebiet der Mieminger und Rietzer Innauen gehen damit verbunden die typischen Überschwemmungen, welche für eine Weichholzau charakteristisch sind, verloren.

 

Als Referenzstrecke dient eine Gewässerstrecke bei Telfs (Flkm 328,30 bis Flkm 327,54), welche von zwei "Inseln", eine kleinere und eine größere inmitten der Fließstrecke des Inns, geprägt ist. Die Inseln bestehen aus Feinsand und Kieseln und weisen aufgrund der Überschwemmungen eine lückige und junge Strauchvegetation, welche zum Ufer hin niedriger und spärlicher wird, auf. Der Inn ist in diesem Abschnitt ca. 120 m breit.

 

Entsprechend den historischen Karten und der Referenzstrecke bei Telfs ist ein wesentliches ökologisches Planungsziel, eine größtmögliche Flussdynamik zu ermöglichen. Weiters kann der Wasserhaushalt im Sonderschutzgebiet verbessert werden.

 

Eine Verbesserung der Flussdynamik kann durch den gezielten Rückbau von Ufersicherungen wie Längsverbauungen (Deckwerke) und Querwerke (Buhnen) erreicht werden. Dabei soll unter Berücksichtigung von schutzwasserbautechnischen Vorgaben auch eine Seitenerosion und Überflutungen ermöglicht werden. Für den aquatischen Lebensraum können so Strömungs- und Tiefenelemente im Flussraum vermehrt werden, wie beispielsweise die Entstehung von Ruhig- und Flachwasserzonen oder die Bildung von Nebenarmen. Für den semiterrestischen Lebensraum bzw. den Übergangsbereich von Wasser zu Land zwischen Mittelwasser und mittlerem Sommerhochwasser soll die Bildung von Schotter- und Sandbänken, welche bei Mittelwasser nicht überströmt werden, gefördert werden. Abgestorbene und lebende verholzte Vegetationsteile im Flussbett sind ebenfalls ein Referenzparameter. Durch die Initiierung vielfältiger Strukturen kann das Lebensraumdargebot für die unterschiedlichen Lebensraumansprüche in der aquatischen (Fische, Makrozoobenthos und Phytobenthos) und semiterrestrischen (z.B. Amphibien, Vögel) Tierwelt erhöht werden.

 

Ein weiteres Ziel ist eine Anbindung von Seitengewässern an den Inn, um Einstands- und Rückzugsmöglichkeiten für Fische zu schaffen. Dies gilt im ggst. Betrachtungsraum vor allem für den Rietzer Bach, der derzeit eine nicht fischpassierbare Mündung aufweist.

 

Diese Feststellungen erfließen aus dem Gutachten der gewässerökologischen Sachverständigen vom 19.5.2017.

 

Im betroffenen Abschnitt des Inn wird es zwar infolge der (gewünschten) generellen Sohlanhebung zu einer Veränderung der Abflussverhältnisse insofern kommen, als bei Mittelwasserführung und kleineren Hochwässern (etwa bis HQ30) mit höheren Wasserspiegeln zu rechnen ist; dies ist jedoch als durchaus positiver Effekt zu werten, weil dadurch der derzeit stattfindenden zunehmenden Austrocknung der bestehenden Sonderschutzgebiete Mieminger und Rietzer Innauen entgegengewirkt werden kann. Umgekehrt werden bei größeren Hochwässern (etwa ab HQ30 und insbesondere bei HQ100) wegen der dann stärkeren Geschiebemobilisierung und der maßnahmenbedingt größeren Bettbreite die Wasserspiegellagen gegenüber den derzeitigen Verhältnissen niedriger sein, was aus der Sicht des Hochwasserschutzes ebenfalls erwünscht bzw. positiv zu werten ist. Da der erforderliche Mindestfreibord zum Damm der Inntalautobahn in keiner Abflusssituation gegenüber dem Ist-Zustand erreicht oder gar unterschritten werden wird, ist die Hochwassersicherheit jedenfalls auch nach allfälliger Umsetzung der Maßnahmen in vollem Umfang gegeben.

 

Dies ergibt sich aus der Stellungnahme des Sachverständigen für Wasserwirtschaft, Wasserbautechnik und Hochwasserschutz zu Fragen der Hochwassersicherheit im Inntal vom 2.6.2017.

 

Ziel der in den neuen Auflagen A.XII.12.27b und A.XII.12.27c vorgeschriebenen Maßnahmen ist die Wiederanbindung zweier Bäche an den Inn. Durch die Herstellung der Durchgängigkeit kann beim Herztalbach eine Gewässerstrecke von 0,85 km und am Leiblfinger/Pettnauer Gießen 1,8 km wieder an den Inn angebunden werden.

 

Die Mündungsbereiche von Seitengewässern wurden im Zuge des Gewässerausbaus vielfach befestigt oder verlegt. Ehemals sohlengleiche Einmündungen sind heute durch Abstürze, Verrohrungen oder Pflasterungen oder aufgrund der Eintiefung des Hauptgewässers unpassierbar. Bereits geringe Absturzhöhen ohne durchgehendes Wasserpolster können die Wanderung von Fischen und anderer Wasserorganismen deutlich beeinträchtigen. Die Durchgängigkeit der Gewässer stellt eine Voraussetzung für die Erreichung bzw. die langfristige Erhaltung des ökologischen Zielzustandes nach WRRL dar. Seitengewässer, Zubringer und deren Mündungsbereiche sind wesentliche Teile des Gewässersystems und erfüllen eine wichtige Rolle als wertvoller Lebensraum, Laichplatz sowie als Wanderkorridor für verschiedene Wasserorganismen. Insbesondere bei Gewässerabschnitten mit hydromorphologischen Defiziten ist gemäß NGP 2015 (Entwurf) der gute ökologische Zustand bzw. das gute ökologische Potential durch Schaffung und Vernetzung von Lebensraum zu erzielen. Die entsprechenden Maßnahmen bestehen in der Wiederherstellung des Kontinuums im Fischlebensraum, der Anbindung von Zuflüssen (und Nebengewässern), was den Vorgaben des NGP entspricht. Durch die ökologische Aufwertung des Herztalbaches und Leiblfinger/Pettnauer Gießen sind positive Effekte wie die Schaffung von Laichhabitaten für die Fischfauna zu erwarten. Somit werden die neu erschlossenen Fließstrecken als potentieller Rückzugsraum bzw. Laichhabitat für die Fischfauna dienen.

 

Diese Feststellungen erfließen aus dem Gutachten der gewässerökologischen Sachverständigen vom 19.5.2017.

 

1.14. Zu den Auswirkungen des Vorhabens auf das Ausmaß der von den bestehenden Anlagen ausgehenden und verursachten Emissionen:

 

Durch das Vorhaben wird die Umweltbelastung, die von der Altanlage ausgeht, nicht vergrößert.

 

Dies ergibt sich aus der umfassenden Beurteilung der Sachverständigen zu den Fragenbereichen 3 (insbesondere 3.5. - Wirkungen auf das Schutzgut Wasser) und 5.3. (neue oder größere Auswirkungen, die durch die Änderung von bestehenden Anlagenteilen ausgehen) des Umweltverträglichkeitsgutachtens. Neue oder größere Auswirkungen, die von den bestehenden Wasserfassungen ausgehen, konnten von den Prüfgutachtern demnach nicht erkannt werden.

 

2. Rechtliche Beurteilung:

 

2.1. Zuständigkeit:

 

Gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

2.2. Zulässigkeit der Beschwerden:

 

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich mit dem Umweltanwalt und der Gemeinde XXXX um Parteien gem. § 19 Abs. 3 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000, bei der Bürgerinitiative XXXX um eine Bürgerinitiative mit Parteistellung gem. § 19 Abs. 4 UVP-G 2000. Die sonstigen Beschwerdeführer sind Umweltorganisationen gem. § 19 Abs. 10 UVP-G 2000.

 

Die Beschwerden erfüllen die Inhaltserfordernisse nach § 9 VwGVG und sind auch rechtzeitig.

 

2.3. Zu verfahrensrechtlichen Fragen:

 

2.3.1. Mündliche Verhandlung, Parteiengehör:

 

Zur Art und Weise der Abhaltung der mündlichen Verhandlung im behördlichen Verfahren wird in den Beschwerden geltend gemacht, die Protokollierung sei aufgrund der gewählten Diktiermethode fehlerhaft bzw. nicht wortwörtlich gewesen, die streng getrennte Abarbeitung der Fachbereiche ohne das Zulassen von Mischfragen, die ständigen Verweise auf schriftliche Prüfgutachten und die UVE-Unterlagen, fehlende "Kurzerörterungen" der Prüfgutachter, der Abbruch von ganzen Fachbeiträgen (kein Zulassen von weiteren Fragen) sowie das Nichtauflösen von widersprüchlichen Aussagen verschiedener Gutachter seien nicht in Einklang mit den Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG und des UVP-G 2000 zu bringen.

 

Dazu ist zunächst auf die Stellungnahme der Behörde in Pkt. B IV

2.2.5. des Bescheides (S. 335 ff) zu verweisen, wo sich die Behörde in eingehender und nachvollziehbarer Weise mit der Kritik an ihrer Verhandlungsführung auseinandersetzt. Im Übrigen ist dazu festzustellen, dass jede Verletzung des Parteiengehörs im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeholt werden kann. Gemäß Art. 130 Abs. 4 B-VG hat das Verwaltungsgericht u.a. in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Gericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen ist. Ein Neuerungsverbot besteht nicht, weshalb das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung zu Grunde zu legen hat (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte² § 10 K2). Das in § 45 AVG verankerte Recht auf Parteiengehör gilt i.V.m. § 17 VwGVG auch im Beschwerdeverfahren und auch das VwGVG sieht selbst in § 10 ein solches Recht auf Parteiengehör vor. Das Gericht sieht keinen Grund, weshalb die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dazu in seinen Grundsätzen nicht auf das Beschwerdeverfahren übertragen werden könnte. Nach dieser ständigen Rechtsprechung erfolgt eine Heilung der Verletzung des Parteiengehörs in erster Instanz allein durch die Zustellung des (erstinstanzlichen) Bescheides bzw. durch die Möglichkeit, im Berufungsverfahren (nunmehr: Beschwerdefahren) alles vorbringen zu können, in jenen Fällen, in denen der Partei durch die Begründung des Bescheides erster Instanz Kenntnis von den Beweisergebnissen verschafft worden sei, die ihr eigentlich im Rahmen des Parteiengehörs zu vermitteln gewesen wäre. Ist dies nicht geschehen, d.h. ist der Begründung des Bescheides erster Instanz das Ergebnis des Beweisverfahrens nicht zu entnehmen, ist die Berufungsbehörde verpflichtet, ihrerseits Parteiengehör zu gewähren, um den unterlaufenen Verfahrensfehler zu sanieren (BVwG 26.6.2015, W113 2013215-1/55E Bärofen Windpark, unter Hinweis auf VwGH 27.4.2011, 2011/02/0324; 21.11.2001, 98/08/0029; 18.2.1986, 85/07/0305; Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 40; VwG Wien 9.4.2014, VGW-151/081/10654/2014). Im Beschwerdeverfahren erfolgte eine umfassende Erörterung und sachverständige Beurteilung der Vorbringen der Beschwerdeführer. Etwaige der Behörde unterlaufene Verfahrensfehler, insbesondere auch im Zuge der mündlichen Verhandlung, sind damit geheilt.

 

Dies gilt auch für die Beschwerdebehauptungen, die Fristen zur öffentlichen Auflage der Projektunterlagen und zur Anberaumung der mündlichen Verhandlung seien zu kurz gewesen. Einerseits ist die Behörde auf diese Einwendungen im Bescheid auf Seite 336 ff detailliert eingegangen und hat dort nachvollziehbar begründet, aus welchem Grund jeweils davon ausgegangen werden kann, dass die den Verfahrensparteien zur Verfügung stehende Frist für das Studium der Unterlagen und die Vorbereitung zur mündlichen Verhandlung ausreichend waren - auf die entsprechende Begründung in Punkt B IV

2.2.5. des Bescheides wird diesbezüglich verwiesen; andererseits gilt auch für dieses Vorbringen, dass die Beschwerdeführerinnen vom Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesveraltungsgericht ausreichend Zeit hatten, sämtliche Verfahrensunterlagen im Detail zu studieren.

 

Dies gilt aber ebenso für die behauptete rechtswidrige Erklärung eines Schlusses des Ermittlungsverfahrens durch die Behörde. Durch die Möglichkeit der Beschwerde und das Beschwerdeverfahren stand es den Beschwerdeführern vor dem Bundesverwaltungsgericht wieder offen, neues Vorbringen zu erstatten.

 

2.3.2. Änderungen des Genehmigungsantrages, Abweisung gem. § 5 Abs. 6 UVP-G 2000:

 

Vorgebracht wird, durch mehrmalige Änderungen und Projektmodifikationen, insbesondere durch die Projektmodifikation vom 16.2.2015, sei der Kreis der Betroffenen ausgeweitet worden und dadurch eine wesensmäßige Projektänderung entstanden, die von der belangten Behörde rechtswidrig nicht berücksichtigt worden sei. Es hätte eine neuerliche öffentliche Auflage und mündliche Verhandlung des Vorhabens Platz greifen müssen. Vorgebracht wird auch, durch die oftmalige Modifikation des Vorhabens sei dieses für die Verfahrensparteien unübersichtlich geworden und diese daher in der effizienten Verfolgung ihrer Rechte gehindert gewesen.

 

Nach § 13 Abs. 8 AVG kann der verfahrenseinleitende Antrag in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Dies ist auch mehrmals im Lauf eines Genehmigungsverfahrens zulässig. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden. Im erstinstanzlichen Verfahren führt weder der Umstand, dass durch die Änderung der Kreis an betroffenen Parteien erweitert wird, noch der Umstand, dass bisher Betroffene anders betroffen sind, zu einer Änderung des Wesens des Vorhabens (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 13 Rz 46). Die mögliche Berührung subjektiver Rechte spielt demnach bei Änderungen, die im erstinstanzlichen Verfahren vorgenommen werden, grundsätzlich keine Rolle. Etwaigen durch Projektmodifikationen zusätzlich Betroffenen muss aber die Möglichkeit gegeben werden, ihre Parteistellung wahrzunehmen und gleichberechtigt am Verfahren teilzunehmen.

 

Am 30.6.2011, 3.12.2013 und 29.9.2015 erfolgten zu diesem Zweck öffentliche Auflagen der Antragsunterlagen bzw. von Projektmodifikationen, wodurch es potentiellen Verfahrensparteien ohne Zweifel möglich wurde, ihre Parteienrechte geltend zu machen. Durch die Projektmodifikation vom 16.2.2015, die im Wesentlichen die Gewährleistung eines für den Bereich der Ausleitungsstrecken der Wasserkraftwerke der ÖBB in Fulpmes und der IKB AG an der Ruetz und an der Sill eine gegenüber dem Ausgangszustand unveränderte Überwassersituation zum Ziel hatte, wurde das Vorhaben jedoch nicht derart modifiziert, dass es zu stärkeren Auswirkungen oder Auswirkungen auf andere Verfahrensparteien gekommen wäre. Aus diesem Grund war auch die Durchführung einer neuerlichen mündlichen Verhandlung nicht geboten. Auch haben die Beschwerdeführerinnen nicht substantiiert dargetan, inwiefern sie durch eine angebliche Änderung des Wesens des Projekts in ihren Rechten verletzt worden sein sollen. Im Übrigen wird auf die ausführliche Begründung der Behörde zu diesem Thema in Pkt. B IV 2.2.6. des Bescheides verwiesen.

 

Eine Abweisung gem. § 5 Abs. 6 UVP-G 2000, wie von einigen Beschwerdeführerinnen moniert, in einem frühen Verfahrensstadium wäre nur möglich gewesen, wenn sich auf unzweifelhafte Weise erwiesen hätte, dass das Vorhaben bestimmten Genehmigungsvoraussetzungen in einem Maße zuwiderläuft, dass diese Mängel durch Auflagen, Bedingungen, Befristungen, Projektmodifikationen oder Ausgleichsmaßnahmen nicht behoben werden können. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass dies der Fall gewesen wäre. Darüber hinaus haben die Verfahrensparteien kein subjektives Recht auf Anwendung dieser Bestimmung (Baumgartner/Petek, UVP-G 2000, 114 und Schmelz/Schwarzer, UVP-G, § 5 Rz 59, beide unter Berufung auf die Entscheidung des Umweltsenates vom 4.5.2007, US 3B/2007/7-8 Klagenfurt Dev).

 

2.3.3. Zur Plausibilitätsprüfung:

 

Soweit die Beschwerden rügen, es genüge nicht, wenn Sachverständige nur die Plausibilität der von der Projektwerberin vorgelegten Unterlagen geprüft hätten, so ist zunächst auf die Ausführungen auf S. 316 des angefochtenen Bescheides zu verweisen, denen sich das Bundesverwaltungsgericht anschließt. Danach kommt im UVP-Verfahren dem Projektwerber/der Projektwerberin eine verstärkte Mitwirkungspflicht bei der Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts zu. Wesentliche Sachverhaltsermittlungen, die in anderen Verfahren amtswegig zu erfolgen haben, sind im UVP-Verfahren vom Projektweber/von der Projektwerberin vorzunehmen. Dementsprechend kommt dem Umweltverträglichkeitsgutachten und folglich auch den Teilgutachten primär ein überprüfender und nachvollziehender Charakter zu. In einem Teilgutachten sollen nicht sämtliche Ausführungen der Fachbeiträge bzw. der UVE wiederholt, sondern primär Unplausibilitäten herausgearbeitet werden. Es liegt somit in der Natur der Sache, dass im Teilgutachten und in weiterer Folge im Umweltverträglichkeitsgutachten vor allem jene Bereiche besonders hervorgehoben werden, in denen solche Unplausibilitäten festgestellt wurden.

 

Darüber hinaus ist folgendes klarzustellen:

 

§ 12 UVP-G 2000 lautet:

 

"Umweltverträglichkeitsgutachten

 

§ 12. (1) Für Vorhaben der Spalte 1 des Anhanges 1 hat die Behörde Sachverständige der betroffenen Fachgebiete mit der Erstellung eines Umweltverträglichkeitsgutachtens zu beauftragen. Im Umweltverträglichkeitsgutachten sind auch abweichende Auffassungen von mitwirkenden Sachverständigen festzuhalten.

 

(2) Die vom Projektwerber/der Projektwerberin im Rahmen der Umweltverträglichkeitserklärung oder im Verfahren vorgelegten oder sonstige der Behörde zum selben Vorhaben oder zum Standort vorliegende Gutachten und Unterlagen sind bei der Erstellung des Umweltverträglichkeitsgutachtens mitzuberücksichtigen.

 

(3) Das Umweltverträglichkeitsgutachten hat

 

1. die zur Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens vorgelegte Umweltverträglichkeitserklärung und andere relevante vom Projektwerber/von der Projektwerberin vorgelegte Unterlagen gemäß § 1 nach dem Stand der Technik und dem Stand der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften in einer umfassenden und zusammenfassenden Gesamtschau und unter Berücksichtigung der Genehmigungskriterien des § 17 aus fachlicher Sicht zu bewerten und allenfalls zu ergänzen,

 

2. sich mit den gemäß § 5 Abs. 3 und 4, § 9 Abs. 5 und § 10 vorgelegten Stellungnahmen fachlich auseinander zu setzen, wobei gleichgerichtete oder zum gleichen Themenbereich eingelangte Stellungnahmen zusammen behandelt werden können,

 

3. Vorschläge für Maßnahmen gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 auch unter Berücksichtigung des Arbeitnehmer/innen/schutzes zu machen,

 

4. Darlegungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 und 4 zu enthalten und

 

5. fachliche Aussagen zu den zu erwartenden Auswirkungen des Vorhabens auf die Entwicklung des Raumes unter Berücksichtigung öffentlicher Konzepte und Pläne und im Hinblick auf eine nachhaltige Nutzung von Ressourcen zu enthalten.

 

(4) Weiters sind Vorschläge zur Beweissicherung, zur begleitenden und zur nachsorgenden Kontrolle nach Stilllegung zu machen.

 

(5) Das Umweltverträglichkeitsgutachten hat eine allgemein verständliche Zusammenfassung zu enthalten.

 

(6) Der Projektwerber/die Projektwerberin hat der Behörde und den Sachverständigen alle für die Erstellung der Gutachten erforderlichen Auskünfte zu erteilen."

 

Ein Sachverständigengutachten und damit auch das Umweltverträglichkeitsgutachten hat aus dem Befund (d.h. der Zusammenfassung der bekannten oder vom Sachverständigen erhobenen Tatsachen) und aus dem eigentlichen Gutachten (den aufgrund der Fachkenntnisse aus diesen Tatsachen gezogenen Schlussfolgerungen) zu bestehen. Hauptzweck des Umweltverträglichkeitsgutachtens ist gem. § 12 Abs. 3 Z 1 UVP-G 2000 die vorgelegte UVE und andere relevante vom Projektwerber/von der Projektwerberin vorgelegte Unterlagen nach dem Stand der Technik und dem Stand der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften in einer umfassenden und zusammenfassenden Gesamtschau und unter Berücksichtigung der Genehmigungskriterien des § 17 UVP-G 2000 aus fachlicher Sicht zu bewerten und allenfalls zu ergänzen. Das bedeutet aber, dass je besser, vollständiger, aktueller, nachvollziehbarer und übersichtlicher die vom Projektwerber vorgelegten Unterlagen sind, desto eher können sich die Prüfgutachter auf die Überprüfung der vorgelegten Unterlagen beschränken; es müssen die Befunde nicht dupliziert bzw. neuerlich erhoben werden (ErläutRV 648 Blg NR 22.GP zu § 12;

Altenburger/Berger, UVP-G, § 12 Rz 4,5 mwN; Schmelz/Schwarzer, UVP-G, § 12 Rz 15 mwN). Soweit sich allerdings ein Sachverständiger auf von ihm als plausibel erachtete Teile eines Einreichoperats bzw. diesem beiliegende fachkundige Ausführungen stützt, sind diese von ihm selbst zu überprüfen bzw. auf sonstige Weise einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen und dies nachvollziehbar darzulegen (VwGH 16.2.2017, Ra 2016/05/0026).

 

Die Teilgutachten, soweit in den Beschwerden angesprochen, erfüllen diese Funktion, bzw. wurden diese im Beschwerdeverfahren soweit ergänzt, dass sie nunmehr eine im Sinne des Gesetzes ausreichende Entscheidungsgrundlage in Bezug auf die anzuwendenden Genehmigungstatbestände bilden.

 

2.3.4. Zum Untersuchungsraum:

 

Aufgabe des UVP-Verfahrens, der UVE und des Umweltverträglichkeitsgutachtens ist die Feststellung, Beschreibung und Bewertung erheblicher Umweltauswirkungen und die Prüfung von Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung solcher Auswirkungen (§§ 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Z 3 bis 5, § 12 Abs. 3 UVP-G 2000). Entscheidend für die Abgrenzung des Untersuchungsraumes ist somit die Erheblichkeit der Auswirkungen. Im Fall der Ruetz liegen spätestens ab der Wehranlage Fulpmes der ÖBB, wo der Einfluss der bestehenden Wasserentnahme hinzukommt, Auswirkungen des Vorhabens SKW Kühtai in einer derartigen Dimension nicht mehr vor. Es war daher nicht erforderlich, den Untersuchungsraum über diese Grenze hinaus auszudehnen.

 

2.3.5. Zur Beschwerdefrist:

 

Das Bundesverwaltungsgericht kann sich der Argumentation der Gemeinde XXXX , die Beschwerdefrist des § 7 Abs. 4 VwGVG sei zu kurz und daher unionsrechtswidrig, nicht anschließen.

 

2.3.6. Zum Schluss des Ermittlungsverfahrens im fortgesetzten Verfahren:

 

Nach Aufhebung des Ersterkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts durch den VwGH erklärte dieses das Ermittlungsverfahren für jene Bereiche, für die aufgrund des Erkenntnisses des VwGH keine weiteren Sachverhaltsermittlungen notwendig waren, für geschlossen. Dies wurde im Beschluss vom 20.12.2018 damit begründet, dass der Sachverhalt zur Frage, ob durch das beantragte Vorhaben das Ausmaß der von den bestehenden Anlagen ausgehenden und verursachten Emissionen verändert bzw. erhöht würde (§ 3a Abs. 7 UVP-G 2000), sowie auch zur Durchführung der Gesamtabwägung gemäß § 17 Abs. 5 UVP-G 2000, ausreichend und abschließend ermittelt worden sei.

 

Gemäß § 39 Abs. 3 AVG i.V.m. § 16 Abs. 3 und § 40 Abs. 5 UVP-G 2000 kann das Gericht das Ermittlungsverfahren ganz oder in Teilbereichen für geschlossen erklären, wenn die Sache zur Entscheidung reif ist.

 

Weder für die Beurteilung des Einflusses des Vorhabens auf die Auswirkungen der Altanlage auf die Umwelt noch für die Durchführung der Gesamtbewertung waren zusätzliche Sachverhaltserhebungen notwendig; der sich aus den bisherigen Verfahrensergebnissen ergebende Sachverhalt war diesbezüglich vollständig und die Sache entscheidungsreif. Nur in Bezug auf die noch vorzuschreibenden Kompensationsmaßnahmen für Feuchtlebensräume im Längental waren noch weitere Ermittlungen durchzuführen.

 

Aufgrund der klaren Aussagen der Sachverständigen zum Thema der Veränderung des Ausmaßes der von den bestehenden Anlagen ausgehenden Emissionen kann auch nicht erkannt werden, inwieweit dazu die Akten des wasserrechtlichen Verfahrens gem. § 121 Abs. 1 WRG zur bestehenden Anlage zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringen können. Die dritt- und fünftbeschwerdeführenden Parteien haben zwar die Beschaffung des Aktes verlangt und z.T. auch ausgeführt, sie seien Partei in diesem Verfahren, aber nicht dargelegt, aus welchen Umständen daraus neue, den Aussagen der Sachverständigen widersprechende Tatsachen abgeleitet werden könnten; dies ist dem Gericht auch nicht ersichtlich. Es hätte sich bei der Beischaffung der Akten dieses Verfahrens sohin um einen unzulässigen Erkundungsbeweis gehandelt.

 

2.3.7. Zur Ablehnung/Befangenheit des naturschutzfachlichen Sachverständigen XXXX :

 

Im fortgesetzten Verfahren wurde von verschiedenen Beschwerdeführern eine Befangenheit des Sachverständigen XXXX moniert, am pointiertesten von der Gemeinde XXXX , die am Schluss der mündlichen Verhandlung einen Ablehnungsantrag stellte. Begründet wurde dieser Antrag damit, dass

 

 

 

 

Gemäß § 3b Abs. 1 UVP-G 2000 ist die Beiziehung von nicht amtlichen Sachverständigen in Verfahren nach diesem Bundesgesetz auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 und 3 AVG zulässig. Dies gilt auch für das Beschwerdeverfahren. Gemäß § 53 AVG sind nichtamtliche Sachverständige ausgeschlossen, wenn einer der Gründe des § 7 Abs. 1 Z 1, 2 und 4 leg. cit. zutrifft. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 AVG haben sich Verwaltungsorgane der Ausübung ihres Amtes zu enthalten, wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, welche geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Die Ablehnung kann vor der Vernehmung des Sachverständigen, später aber nur dann erfolgen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie den Ablehnungsgrund vorher nicht erfahren oder wegen eines für sie unüberwindbaren Hindernisses nicht rechtzeitig geltend machen konnte.

 

Jeder Vorwurf einer Befangenheit nach § 7 Abs. 1 Z 3 AVG hat konkrete Umstände aufzuzeigen, welche die Objektivität des Entscheidungsträgers in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen. Dieser Grundsatz gilt auch betreffend die Ablehnung eines nichtamtlichen Sachverständigen nach § 53 Abs. 1 AVG (VwGH 09.09.2015, 2013/03/0120). Das Verwaltungsgericht hat bei der Beiziehung von nichtamtlichen Sachverständigen neben der Frage der erforderlichen Qualifikation gesondert zu prüfen, ob die sachverständige Person unabhängig bzw. unbefangen ist. Dabei geht es insbesondere darum, sicherzustellen, dass nicht die Besorgnis besteht, bezüglich ihrer Tätigkeit könnten andere als rein sachliche Überlegungen eine Rolle spielen, wobei es ausreicht, dass der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen kann (VwGH 20.09.2018, Ra 2018/11/0077).

 

Der Verdacht, der Sachverständige sei wegen unsachlichen Zusammenwirkens mit jener Firma, die die Unterlagen für die Projektwerberin für die Ersatzmaßnahme Zöblen erstellt hat (die Grundlage für jenen Maßnahmenvorschlag der Projektwerberin waren, die der Sachverständige schließlich geprüft hat), befangen, erweist sich als nicht stichhaltig. Die vom Sachverständigen unter Mitwirkung dieser Firma entwickelte Methodik, die in der Studie "Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft" vom 25. April 2016 publiziert wurde, stellt, wie vom Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, in Österreich neben der Loos¿schen Methode das einzige Instrumentarium dar, das einigermaßen objektivierbare Parameter für die Kompensationsbewertung zur Verfügung stellt. Diese stellt somit den Stand der Technik für diese Aufgabe dar; die Gemeinde XXXX ist dem nicht auf gleicher fachliche Ebene entgegengetreten. Die an dieser Studie beteiligte Firma hat an der konkreten Berechnung des Kompensationswerts in diesem Verfahren in keiner Weise mitgewirkt, sondern war ausschließlich an der Ausarbeitung der Planunterlagen beteiligt, die gem. § 12 Abs. 6 UVP-G 2000 dem Bundesverwaltungsgericht von der Projektwerberin zur Verfügung gestellt wurden. Aus der Tatsache allein, dass zwei Personen, die gemeinsam an der Erarbeitung einer anerkannten, österreichweit verwendeten Methodik beteiligt waren, von verschiedenen Seiten als SV herangezogen werden, kann keine Befangenheit des gerichtlich bestellten SV erkannt werden.

 

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts hat sich im Verfahren keineswegs erwiesen, dass das "Berechnungsschema äußert lückenhaft" wäre. Im Gegenteil erschien dem Gericht die angewendete Methodik, ebenso wie die Aussagen des Sachverständigen in seinen schriftlichen Gutachten und in der mündlichen Verhandlung, schlüssig und nachvollziehbar. Dass bei einer derartigen Kompensationsbewertung subjektive Einschätzungen des Sachverständigen nach seiner fachlichen Praxis erfolgen müssen, ist unvermeidbar, jedoch auch unschädlich, soweit er in der Lage ist, diese nachvollziehbar und schlüssig zu begründen, was ihm nach Ansicht des Gerichts im Verfahren auch gelungen ist.

 

Aus den angeführten Gründen war der Ablehnungsantrag unberechtigt und mit der im Spruch erfolgten Entscheidung implizit abzuweisen.

 

2.4. Öffentliches Interesse und Alternativenprüfung:

 

2.4.1. Die relevanten, gemäß § 17 Abs. 1 UVP-G 2000 mit anzuwendenden materienrechtlichen Bestimmungen lauten:

 

Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG:

 

"Umweltziele für Oberflächengewässer

 

§ 30a. (1) Oberflächengewässer einschließlich erheblich veränderter und künstlicher Gewässer (§ 30b) sind derart zu schützen, zu verbessern und zu sanieren, dass - unbeschadet § 104a - eine Verschlechterung des jeweiligen Zustandes verhindert und - unbeschadet der §§ 30e und 30f - bis spätestens 22. Dezember 2015 der Zielzustand erreicht wird. Der Zielzustand in einem Oberflächengewässer ist dann erreicht, wenn sich der Oberflächenwasserkörper zumindest in einem guten ökologischen und einem guten chemischen Zustand befindet. Der Zielzustand in einem erheblich veränderten oder künstlichen Gewässer ist dann erreicht, wenn sich der Oberflächenwasserkörper zumindest in einem guten ökologischen Potential und einem guten chemischen Zustand befindet.

 

(2) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat mit Verordnung die gemäß Abs. 1 zu erreichenden Zielzustände sowie die im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot maßgeblichen Zustände für Oberflächengewässer (Abs. 3) mittels charakteristischer Eigenschaften sowie Grenz- oder Richtwerten näher zu bezeichnen.

 

[...]"

 

"Umweltziele für Grundwasser

 

§ 30c. (1) Grundwasser ist derart zu schützen, zu verbessern und zu sanieren, dass - unbeschadet § 104a - eine Verschlechterung des jeweiligen Zustandes verhindert und - unbeschadet der §§ 30e und 30f - bis spätestens 22. Dezember 2015 der gute Zustand erreicht wird. Der gute Zustand im Grundwasser ist dann erreicht, wenn sich der Grundwasserkörper zumindest in einem guten mengenmäßigen und einem guten chemischen Zustand befindet.

 

(2) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat mit Verordnung den gemäß Abs. 1 zu erreichenden Zustand sowie die im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot maßgeblichen Kriterien zu bezeichnen.

 

[...]"

 

"Vorhaben mit Auswirkungen auf den Gewässerzustand

 

§ 104a. (1) Vorhaben, bei denen

 

1. durch Änderungen der hydromorphologischen Eigenschaften eines Oberflächenwasserkörpers oder durch Änderungen des Wasserspiegels von Grundwasserkörpern

 

a) mit dem Nichterreichen eines guten Grundwasserzustandes, eines guten ökologischen Zustandes oder gegebenenfalls eines guten ökologischen Potentials oder

 

b) mit einer Verschlechterung des Zustandes eines Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers zu rechnen ist,

 

2. durch Schadstoffeinträge mit einer Verschlechterung von einem sehr guten zu einem guten Zustand eines Oberflächenwasserkörpers in der Folge einer neuen nachhaltigen Entwicklungstätigkeit zu rechnen ist,

 

sind jedenfalls Vorhaben, bei denen Auswirkungen auf öffentliche Rücksichten zu erwarten sind (§§ 104 Abs. 1, 106).

 

(2) Eine Bewilligung für Vorhaben gemäß Abs. 1, die einer Bewilligung oder Genehmigung auf Grund oder in Mitanwendung wasserrechtlicher Bestimmungen bedürfen, kann nur erteilt werden, wenn die Prüfung öffentlicher Interessen (§§ 104, 105) ergeben hat, dass

 

1. alle praktikablen Vorkehrungen getroffen wurden, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers zu mindern und

 

2. die Gründe für die Änderungen von übergeordnetem öffentlichem Interesse sind und/oder, dass der Nutzen, den die Verwirklichung der in §§ 30a, c und d genannten Ziele für die Umwelt und die Gesellschaft hat, durch den Nutzen der neuen Änderungen für die menschliche Gesundheit, die Erhaltung der Sicherheit der Menschen oder die nachhaltige Entwicklung übertroffen wird und

 

3. die nutzbringenden Ziele, denen diese Änderungen des Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers dienen sollen, aus Gründen der technischen Durchführbarkeit oder auf Grund unverhältnismäßiger Kosten nicht durch andere Mittel, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen, erreicht werden können.

 

(3) Im Rahmen der Überprüfung der öffentlichen Interessen, insbesondere hinsichtlich der Vereinbarkeit des Vorhabens mit wasserwirtschaftlichen Planungen und Zielen, ist das wasserwirtschaftliche Planungsorgan nachweislich beizuziehen. Gegen einen Bescheid, mit dem ein Abweichen vom Verschlechterungsverbot zugestanden wird, kann das wasserwirtschaftliche Planungsorgan im Rahmen seiner Parteistellung (§ 55 Abs. 5) wegen einer mit wasserwirtschaftlichen Interessen in Widerspruch stehenden Prüfung öffentlicher Interessen gemäß Abs. 2 Z 1 bis 3 Beschwerde an das Verwaltungsgericht erheben, sofern es dem Verfahren entweder nicht nachweislich beigezogen worden ist oder der Bescheid einer unter Bedachtnahme auf Abs. 2 abgegebenen begründeten negativen Stellungnahme des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans widerspricht. Im Rahmen seiner Parteistellung besteht für das wasserwirtschaftliche Planungsorgan auch die Möglichkeit gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Über Verlangen ist dem Bewilligungsinhaber bereits vor Ablauf der dreimonatigen Frist vom wasserwirtschaftlichen Planungsorgan mitzuteilen, ob Gründe für die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vorliegen.

 

(4) Die Gründe für ein Abweichen vom Verschlechterungsverbot sind im Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan (§ 55c) im Einzelnen darzulegen und die Ziele alle sechs Jahre zu überprüfen (§§ 133 Abs. 6, 135).

 

Öffentliche Interessen

 

§ 105. (1) Im öffentlichen Interesse kann ein Antrag auf Bewilligung eines Vorhabens insbesondere dann als unzulässig angesehen werden oder nur unter entsprechenden Auflagen und Nebenbestimmungen bewilligt werden, wenn:

 

a) eine Beeinträchtigung der Landesverteidigung oder eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder gesundheitsschädliche Folgen zu befürchten wären;

 

b) eine erhebliche Beeinträchtigung des Ablaufes der Hochwässer und des Eises oder der Schiff- oder Floßfahrt zu besorgen ist;

 

c) das beabsichtigte Unternehmen mit bestehenden oder in Aussicht genommenen Regulierungen von Gewässern nicht im Einklang steht;

 

d) ein schädlicher Einfluß auf den Lauf, die Höhe, das Gefälle oder die Ufer der natürlichen Gewässer herbeigeführt würde;

 

e) die Beschaffenheit des Wassers nachteilig beeinflußt würde;

 

f) eine wesentliche Behinderung des Gemeingebrauches, eine Gefährdung der notwendigen Wasserversorgung, der Landeskultur oder eine wesentliche Beeinträchtigung oder Gefährdung eines Denkmales von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung oder eines Naturdenkmales, der ästhetischen Wirkung eines Ortsbildes oder der Naturschönheit oder des Tier- und Pflanzenbestandes entstehen kann;

 

g) die beabsichtigte Wasseranlage, falls sie für ein industrielles Unternehmen bestimmt ist, einer landwirtschaftlichen Benutzung des Gewässers unüberwindliche Hindernisse bereiten würde und dieser Widerstreit der Interessen sich ohne Nachteil für das industrielle Unternehmen durch Bestimmung eines anderen Standortes an dem betreffenden Gewässer beheben ließe;

 

h) durch die Art der beabsichtigten Anlage eine Verschwendung des Wassers eintreten würde;

 

i) sich ergibt, daß ein Unternehmen zur Ausnutzung der motorischen Kraft eines öffentlichen Gewässers einer möglichst vollständigen wirtschaftlichen Ausnutzung der in Anspruch genommenen Wasserkraft nicht entspricht;

 

k) zum Nachteile des Inlandes Wasser ins Ausland abgeleitet werden soll;

 

l) das Vorhaben den Interessen der wasserwirtschaftlichen Planung an der Sicherung der Trink- und Nutzwasserversorgung widerspricht.

 

m) eine wesentliche Beeinträchtigung des ökologischen Zustandes der Gewässer zu besorgen ist;

 

n) sich eine wesentliche Beeinträchtigung der sich aus anderen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften resultierenden Zielsetzungen ergibt.

 

(2) Die nach Abs. 1 vorzuschreibenden Auflagen haben erforderlichenfalls auch Maßnahmen betreffend die Lagerung und sonstige Behandlung von Abfällen, die beim Betrieb der Wasseranlage zu erwarten sind, sowie Maßnahmen für den Fall der Unterbrechung des Betriebes und für Störfälle zu umfassen, soweit nicht I. Hauptstück

8a. Abschnitt der Gewerbeordnung Anwendung finden. Die Wasserrechtsbehörde kann weiters zulassen, daß bestimmte Auflagen erst ab einem dem Zeitaufwand der hiefür erforderlichen Maßnahmen entsprechend festzulegenden Zeitpunkt nach Inbetriebnahme der Anlage oder von Teilen der Anlage eingehalten werden müssen, wenn dagegen vom Standpunkt des Schutzes fremder Rechte oder der in Abs. 1 genannten öffentlichen Interessen keine Bedenken bestehen."

 

Tiroler Naturschutzgesetz 2005 - TNSchG:

 

"§ 29

 

Naturschutzrechtliche Bewilligungen, aufsichtsbehördliche Genehmigungen

 

(1) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung ist, soweit in den Abs. 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist, zu erteilen,

 

a) wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

 

b) wenn andere öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen.

 

(2) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung

 

a) für die Errichtung von Anlagen in Gletscherschigebieten nach § 5 Abs. 1 lit. d Z 3 (§ 6 lit. c), eine über die Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgehende Änderung einer bestehenden Anlage im Bereich der Gletscher, ihrer Einzugsgebiete und ihrer im Nahbereich gelegenen Moränen (§ 6 lit. f), für Vorhaben nach den §§ 7 Abs. 1 und 2, 8, 9 Abs. 1 und 2, 27 Abs. 3 und 28 Abs. 3,

 

b) für Vorhaben, für die in Verordnungen nach den §§ 10 Abs. 1 oder 11 Abs. 1 eine Bewilligungspflicht festgesetzt ist,

 

c) für Ausnahmen von den in Verordnungen nach den §§ 13 Abs. 1, 21 Abs. 1 und 27 Abs. 4 festgesetzten Verboten

 

darf nur erteilt werden,

 

1. wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

 

2. wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen. In Naturschutzgebieten darf außerdem ein erheblicher, unwiederbringlicher Verlust der betreffenden Schutzgüter nicht zu erwarten sein.

 

(2a) Die Voraussetzungen nach Abs. 2 Z 2 gelten bei der Entscheidung über

 

a) die neuerliche Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für naturschutzrechtlich befristet bewilligte Wasserkraftanlagen,

 

b) die Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Änderung naturschutzrechtlich bewilligter Wasserkraftanlagen, wenn die beabsichtigten Änderungen der Erreichung der unionsrechtlich vorgegebenen Umweltziele für Oberflächengewässer (guter ökologischer und guter chemischer Zustand bzw. bei erheblich veränderten Oberflächengewässern gutes ökologisches Potential und guter chemischer Zustand) dienen, oder

 

c) die Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Änderung von Wasserkraftanlagen mit einer Höchstleistung von 500 kW, die in ihrer bestehenden Form zulässigerweise ohne naturschutzrechtliche Bewilligung errichtet wurden, wenn die Änderungen der Erreichung der Umweltziele nach lit. b dienen,

 

mit der Maßgabe, dass als Beeinträchtigungen der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 lediglich die nachteiligen Auswirkungen auf den ökologischen Zustand der Gewässer samt den hierfür maßgeblichen Uferbereichen zu berücksichtigen sind. Soweit dies erforderlich ist, um erhebliche Beeinträchtigungen der sonstigen Interessen des Naturschutzes zu vermeiden, kann die Bewilligung mit entsprechenden Auflagen erteilt werden.

 

[...]

 

(4) Trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 lit. b, Abs. 2 Z 2, Abs. 3 lit. a oder § 14 Abs. 4 ist die Bewilligung zu versagen, wenn der angestrebte Zweck mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg vertretbaren Aufwand auf eine andere Weise erreicht werden kann, durch die die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht oder nur in einem geringeren Ausmaß beeinträchtigt werden.

 

(5) Eine Bewilligung ist befristet, mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, um Beeinträchtigungen der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1, in den Fällen des Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 insbesondere unter Berücksichtigung des betreffenden Schutzzweckes, zu vermeiden oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken.

 

[...]"

 

2.4.2. Gemäß den §§ 30a und 30c WRG, die zentrale Ziele der Wasserrahmenrichtlinie der EU - WWRL umsetzen, sind Gewässer derart zu schützen, zu verbessern und zu sanieren, dass eine Verschlechterung des jeweiligen Zustandes verhindert und bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ein vorgegebener Zielzustand erreicht wird. Dies beinhaltet sowohl ein Verschlechterungsverbot, als auch ein Verbesserungsgebot, und dies beinhaltet auch, dass durch ein Vorhaben die gebotene Verbesserung zur Erreichung des Zielzustandes nicht erschwert oder verunmöglicht werden darf.

 

Wie gutachterlich unbestritten festgestellt wurde, kommt es durch das Vorhaben bei zahlreichen Detailwasserkörpern zu Verschlechterungen i.S. des § 30a WRG, und zwar durch Veränderungen des Wasserhaushaltes.

 

In Umsetzung von Art. 4 Abs. 7 WWRL hat der Gesetzgeber in § 104a WRG für solche Fälle jedoch eine Möglichkeit für das Abweichen von Umweltzielen geschaffen. Demnach können Vorhaben, wie das Speicherkraftwerk Kühtai, bei denen durch Änderungen der hydromorphologischen Eigenschaften eines Oberflächenwasserkörpers mit dem Nichterreichen des vorgeschriebenen Zielzustandes oder mit einer Verschlechterung des Zustandes zu rechnen ist, dennoch genehmigt werden, wenn alle praktikablen Vorkehrungen getroffen wurden, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers zu mindern und das Vorhaben von übergeordnetem öffentlichem Interesse ist oder der Nutzen, den die Verwirklichung der in den §§ 30a und c WRG genannten Ziele für Umwelt und Gesellschaft hat, durch den Nutzen des Vorhabens für die menschliche Gesundheit, die Erhaltung der Sicherheit der Menschen oder die nachhaltige Entwicklung übertroffen wird. Außerdem dürfen die nutzbringenden Ziele, denen diese Änderungen der Wasserkörper dienen sollen, aus Gründen der technischen Durchführbarkeit oder auf Grund unverhältnismäßiger Kosten nicht durch andere Mittel, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen, erreicht werden können. Alle diese in § 104a Abs. 2 Z 1 bis 3 WRG genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (VwGH 24.11.2016, Ro 2014/07/0101 unter Berufung auf Bumberger/Hinterwirth, WRG, § 104a K 20).

 

Ein Vorhaben dient dem übergeordneten öffentlichen Interesse, wenn es bedeutende Ziele für die Bevölkerung erfüllt. Dies kann bspw. die Versorgung mit elektrischer Energie oder die Vermeidung fossiler Brennstoffe darstellen (VwGH 28.1.2010, 2009/07/0038 zum Bescheid des Umweltsenates US 23.12.2008, 8A/2008/15-54 Gössendorf/Kalsdorf; Erlacher/Lindner in: Altenburger/N. Raschauer, Kommentar zum Umweltrecht, § 104a WRG Rz 13) und ist umfassend zu verstehen (Bumberger/Hinterwirth, WRG, § 104a K 24). Der Begriff "übergeordnet" bezieht sich auf entgegenstehende öffentliche Interessen, insbesondere die Interessen an der Einhaltung der Umweltziele des WRG und beinhaltet eine Interessenabwägung (Bumberger/Hinterwirth, WRG, § 104a K 24).

 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jüngst in Zusammenhang mit einem gegen Österreich gerichteten Vertragsverletzungsverfahrens festgestellt (EuGH 4.5.2016, C-346/14 Schwarze Sulm), den Mitgliedsstaaten sei bei der Frage, ob ein konkretes Vorhaben wie der Bau eines Wasserkraftwerks im übergeordneten öffentlichen Interesse liege, ein gewisses Ermessen einzuräumen und im Rahmen dieses Ermessen habe die Republik Österreich zu Recht annehmen können, dass ein bestimmtes Vorhaben, das auf die Förderung erneuerbarer Energien durch Wasserkraft abziele, im übergeordneten öffentlichen Interesse liege. Art. 194 Abs. 1 des Vertrages über die Europäische Union (AEUV) sehe nämlich vor, dass die Energiepolitik der Union im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten im Rahmen der Verwirklichung oder des Funktionierens des Binnenmarkts und unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Erhaltung und Verbesserung der Umwelt folgende Ziele verfolge: Sicherstellung des Funktionierens des Energiemarkts, Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit in der Union, Förderung der Energieeffizienz und von Energieeinsparungen sowie Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen und Förderung der Interkonnektion der Energienetze (Hinweis auf Urteil vom 6.9.2012, C-490/10, Rn. 65). Darüber hinaus sei die Förderung erneuerbarer Energiequellen, die für die Union von hoher Priorität sei, u. a. im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass die Nutzung dieser Energiequellen zum Umweltschutz und zur nachhaltigen Entwicklung beitrage und zur Sicherheit und Diversifizierung der Energieversorgung beitragen und die Erreichung der Zielvorgaben des Kyoto-Protokolls zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen beschleunigen könne (Hinweis auf Urteil vom 26.9.2013, C-195/12, Rn. 56).

 

Die Erhöhung des Anteils der Stromerzeugung an erneuerbarer Energie in der Europäischen Union und die Verbesserung der Speicherbarkeit des aus erneuerbaren Quellen erzeugten Stroms stellt also ein öffentliches Interesse dar, das durchaus übergeordnet sein kann.

 

Im Beschwerdeverfahren wurden die Schlussfolgerungen der Behörde im angefochtenen Bescheid, dass es sich um ein Vorhaben handelt, das besonders gewichtigen öffentlichen Interessen dient, bestätigt. Im Vergleich zur Gewichtigkeit der Beeinträchtigung der Gewässer, die durch Sockelbeträge und anteilige Mindestrestwasserführung in ihrer Biozönose weitgehend erhalten bleiben, ist dieses Interesse infolge der außerordentlich hohen Energieausbeute und Speicherfähigkeit auch als übergeordnet anzuerkennen. Auch das in § 105 Abs. 1 lit. f genannte öffentliche Interesse an einer möglichsten Erhaltung des Gemeingebrauches, der notwendigen Wasserversorgung, der Landeskultur, eines Denkmales von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung oder eines Naturdenkmales, und der Naturschönheit, kann das hohe Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens nicht überwiegen, werden doch diese Schutzgüter nicht beeinträchtigt (Wasserversorgung, Denkmäler, Landeskultur, Gemeingebrauch) oder zwar beeinträchtigt (Naturschönheit), aber nicht zerstört.

 

Bestätigt wurde auch, dass alle praktikablen Vorkehrungen getroffen wurden, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers zu mindern. Auch sind keine zulässigen technischen Alternativlösungen erkennbar, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen und die nicht zu unverhältnismäßigen Kosten führen.

 

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme vom Verschlechterungsverbot i.S. des § 104a WRG sind daher gegeben.

 

Der Einwand der Gemeinde XXXX , dass Art. 4 Abs. 7 WRRL einer Abwägung i.S. des § 104 a WRG 1959 in Bezug auf Grundwasser entgegenstehe, geht ins Leere, da keine relevanten Auswirkungen auf das Grundwasser zu befürchten sind.

 

2.4.3. Auch § 29 Abs. 2 TNSchG enthält ein Abwägungsgebot, wonach eine naturschutzrechtliche Bewilligung für Vorhaben, die die Interessen des Naturschutzes qualifiziert beeinträchtigen, nur erteilt werden darf, wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes überwiegen.

 

Trotz sehr hoher Wertigkeit des zerstörten Abschnittes des Längentales im Bereich des Speichers Kühtai und wesentlicher Eingriffe in Landschaftsbild und Erholungswert der Landschaft durch das Vorhaben ist wegen der bereits oben in 2.4.2. angeführten Gründe ein langfristiges öffentliches Interesse anzuerkennen, das aus den unten in 2.8.6. angeführten Gründen als überwiegend anzuerkennen ist.

 

Das Beschwerdeverfahren hat auch keine Fehler bei der Abwägung der öffentlichen Interessen hervorgebracht, sodass der behördlichen Einschätzung folgend davon auszugehen ist, dass die langfristigen öffentlichen Interessen die Interessen des Naturschutzes ebenso wie der §§ 30a und 30c WRG überwiegen.

 

2.4.4. Diese Einschätzung kann bereits für das Vorhaben an sich aufgrund einer isolierten Betrachtung seiner Auswirkungen, ohne Zugrundelegen der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Anerkennung der im Rahmenplan Tiroler Oberland dargestellten wasserwirtschaftlichen Ordnung als öffentliches Interesse, BGBI. II Nr. 274/2014, getroffen werden. Für die zu treffende Abwägungsentscheidung spielt diese Verordnung keine Rolle. Eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsgrundlage erfolgt daher erst in Pkt. 2.7.1.

 

2.5. Artenschutzrechtliche Prüfung:

 

2.5.1. Behauptete Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des TNSchG:

 

Art 1, 5, 7 und 9 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie) lauten (z.T. auszugsweise):

 

"Artikel 1

 

(1) Diese Richtlinie betrifft die Erhaltung sämtlicher wildlebenden Vogelarten, die im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, auf welches der Vertrag Anwendung findet, heimisch sind. Sie hat den Schutz, die Bewirtschaftung und die Regulierung dieser Arten zum Ziel und regelt die Nutzung dieser Arten.

 

(2) Sie gilt für Vögel, ihre Eier, Nester und Lebensräume.

 

Artikel 2

 

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die Bestände aller unter Artikel 1 fallenden Vogelarten auf einem Stand zu halten oder auf einen Stand zu bringen, der insbesondere den ökologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen entspricht, wobei den wirtschaftlichen und freizeitbedingten Erfordernissen Rechnung getragen wird.

 

Artikel 3

 

(1) Die Mitgliedstaaten treffen unter Berücksichtigung der in Artikel 2 genannten Erfordernisse die erforderlichen Maßnahmen, um für alle unter Artikel 1 fallenden Vogelarten eine ausreichende Vielfalt und eine ausreichende Flächengröße der Lebensräume zu erhalten oder wieder herzustellen.

 

(2) Zur Erhaltung und Wiederherstellung der Lebensstätten und Lebensräume gehören insbesondere folgende Maßnahmen:

 

a) Einrichtung von Schutzgebieten;

 

b) Pflege und ökologisch richtige Gestaltung der Lebensräume in und außerhalb von Schutzgebieten;

 

c) Wiederherstellung zerstörter Lebensstätten;

 

d) Neuschaffung von Lebensstätten."

 

"Artikel 5

 

Unbeschadet der Artikel 7 und 9 erlassen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zur Schaffung einer allgemeinen Regelung zum Schutz aller unter Artikel 1 fallenden Vogelarten, insbesondere das Verbot

 

a) des absichtlichen Tötens oder Fangens, ungeachtet der angewandten Methode;

 

b) der absichtlichen Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern und der Entfernung von Nestern;

 

c) des Sammelns der Eier in der Natur und des Besitzes dieser Eier, auch in leerem Zustand;

 

d) ihres absichtlichen Störens, insbesondere während der Brut und Aufzuchtzeit, sofern sich diese Störung auf die Zielsetzung dieser Richtlinie erheblich auswirkt;

 

e) des Haltens von Vögeln der Arten, die nicht bejagt oder gefangen werden dürfen."

 

"Artikel 7

 

(1) Die in Anhang II aufgeführten Arten dürfen aufgrund ihrer Populationsgröße, ihrer geografischen Verbreitung und ihrer Vermehrungsfähigkeit in der gesamten Gemeinschaft im Rahmen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bejagt werden. [...]"

 

"Artikel 9

 

(1) Die Mitgliedstaaten können, sofern es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt, aus den nachstehenden Gründen von den Artikeln 5 bis 8 abweichen:

 

a) - im Interesse der Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit,

 

 

 

 

b) zu Forschungs- und Unterrichtszwecken, zur Aufstockung der Bestände, zur Wiederansiedlung und zur Aufzucht im Zusammenhang mit diesen Maßnahmen;

 

c) um unter streng überwachten Bedingungen selektiv den Fang, die Haltung oder jede andere vernünftige Nutzung bestimmter Vogelarten in geringen Mengen zu ermöglichen.

 

[...]"

 

Art. 12, 13 und 16 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) lauten auszugsweise:

 

"Artenschutz

 

Artikel 12

 

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen; dieses verbietet:

 

a) alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten;

 

b) jede absichtliche Störung dieser Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten;

 

c) jede absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur;

 

d) jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten.

 

[..]

 

Artikel 13

 

(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um ein striktes Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe b) angegebenen Pflanzenarten aufzubauen, das folgendes verbietet:

 

a) absichtliches Pflücken, Sammeln, Abschneiden, Ausgraben oder Vernichten von Exemplaren solcher Pflanzen in deren Verbreitungsräumen in der Natur; [...]"

 

"Artikel 16

 

(1) Sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und unter der Bedingung, daß die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Artikel 12, 13 und 14 sowie des Artikels 15 Buchstaben a) und b) im folgenden Sinne abweichen:

 

[...]

 

c) im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt; [...]"

 

Von einer Wiedergabe der betroffenen Anhänge der Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie wird hier abgesehen. Die einzelnen betroffenen Arten sind im Gutachten des Sachverständigen für Naturhaushalt - Themen Ausgleichsmaßnahmen und Artenschutz vom 30.1.2017 wiedergegeben.

 

Die §§ 23, 24, 25 und 29 Tiroler NSchG lauten auszugsweise:

 

"§ 23

 

Geschützte Pflanzenarten und Pilze

 

(1) Die Landesregierung hat durch Verordnung

 

a) die im Anhang IV lit. b der Habitat-Richtlinie genannten Pflanzenarten und

 

b) andere wild wachsende Pflanzenarten und Pilze, die in ihrem Bestand allgemein oder in bestimmten Gebieten gefährdet sind, deren Erhaltung aber zur Wahrung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 geboten ist,

 

zu geschützten Arten zu erklären.

 

(2) Hinsichtlich der im Anhang IV lit. b der Habitat-Richtlinie genannten Pflanzenarten sind in allen ihren Lebensstadien verboten:

 

a) absichtliches Pflücken, Sammeln, Abschneiden, Ausgraben oder Vernichten von Exemplaren in deren Verbreitungsräumen in der Natur und

 

[...].

 

(5) Sofern es keine andere zufrieden stellende Lösung gibt und die Populationen der betroffenen Pflanzenart in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können Ausnahmen von den Verboten nach den Abs. 2 und 3 lit. a bewilligt oder hinsichtlich der im Abs. 1 lit. b genannten Pflanzenarten auch durch Verordnung der Landesregierung festgelegt werden

 

[...]

 

c) im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt,

 

[...]

 

e) um unter strenger Kontrolle, selektiv und im beschränkten Ausmaß das Entnehmen oder Halten einer begrenzten, von der Behörde spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Pflanzenarten zu erlauben.

 

[...].

 

§ 24

 

Geschützte Tierarten

 

(1) Die Landesregierung hat durch Verordnung

 

a) die im Anhang IV lit. a der Habitat-Richtlinie genannten Tierarten und

 

b) andere Arten von wild lebenden, nicht jagdbaren Tieren, die in ihrem Bestand allgemein oder in bestimmten Gebieten gefährdet sind, deren Erhaltung aber zur Wahrung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 geboten ist, ausgenommen Vögel (§ 25),

 

zu geschützten Arten zu erklären.

 

(2) Hinsichtlich der im Anhang IV lit. a der Habitat-Richtlinie genannten Tierarten sind in allen ihren Lebensstadien verboten:

 

a) alle absichtlichen Formen des Fangens oder des Tötens von aus der Natur entnommenen Exemplaren;

 

b) jedes absichtliche Stören, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten;

 

c) jedes absichtliche Zerstören oder Entnehmen von Eiern aus der Natur;

 

d) jedes Beschädigen oder Vernichten der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten und

 

[...]

 

(5) Sofern es keine andere zufrieden stellende Lösung gibt und die Populationen der betroffenen Tierart in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können Ausnahmen von den Verboten nach den Abs. 2 und 3 lit. a bewilligt oder hinsichtlich der im Abs. 1 lit. b genannten Tierarten auch durch Verordnung der Landesregierung festgelegt werden

 

[...]

 

c) im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt,

 

[...]

 

e) um unter strenger Kontrolle, selektiv und im beschränkten Ausmaß das Entnehmen oder Halten einer begrenzten, von der Behörde spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tierarten zu erlauben.

 

[...].

 

§ 25

 

Geschützte Vogelarten

 

(1) Die unter die Vogelschutz-Richtlinie fallenden Vogelarten, ausgenommen die im Anhang II Teil 1 und 2 genannten Arten, für die in Tirol eine Jagdzeit festgelegt ist, sind geschützt. Verboten sind:

 

a) das absichtliche Töten oder Fangen, ungeachtet der angewandten Methode;

 

b) das absichtliche Zerstören oder Beschädigen von Nestern und Eiern und das Entfernen von Nestern;

 

c) das Sammeln der Eier in der Natur und der Besitz dieser Eier, auch im leeren Zustand;

 

d) das absichtliche Stören, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit, sofern sich dieses Stören auf den Schutz der Vogelarten erheblich auswirkt;

 

[...]

 

f) die Behandlung des Lebensraumes von Vögeln in einer Weise, dass ihr weiterer Bestand in diesem Lebensraum erheblich beeinträchtigt oder unmöglich wird; dieses Verbot gilt jedoch auch für die im Anhang II Teil 1 und 2 der Vogelschutz-Richtlinie genannten Arten, für die in Tirol eine Jagdzeit festgelegt ist;

 

[...]

 

(3) Sofern es keine andere zufrieden stellende Lösung gibt, können Ausnahmen von den Verboten nach Abs. 1 bewilligt werden

 

a) im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit,

 

b) im Interesse der Sicherheit der Luftfahrt,

 

c) zur Abwendung erheblicher Schäden an Kulturen, Viehbeständen, Wäldern, Fischwässern und Gewässern,

 

d) zum Schutz der Pflanzen- und Tierwelt,

 

e) zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, zur Aufstockung der Bestände, zur Wiederansiedlung und zur Aufzucht im Zusammenhang mit diesen Maßnahmen,

 

f) um unter streng überwachten Bedingungen das Fangen, das Halten oder jede andere vernünftige Nutzung bestimmter Vogelarten in geringen Mengen zu ermöglichen.

 

Eine naturschutzrechtliche Bewilligung ist nicht erforderlich, wenn ein Auftrag der Bezirksverwaltungsbehörde nach § 52 Abs. 1 des Tiroler Jagdgesetzes 2004, LGBl. Nr. 41, vorliegt.

 

[...]

 

(5) Für Vorhaben der Energiewende können Ausnahmen vom Verbot nach Abs. 1 lit. f weiters bewilligt werden, wenn es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt und sonstige zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder anderweitiger positiver Folgen für die Umwelt die Erteilung der Bewilligung rechtfertigen. Durch geeignete und verhältnismäßige Auflagen sind die Beeinträchtigungen auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken."

 

"§ 29

 

Naturschutzrechtliche Bewilligungen, aufsichtsbehördliche Genehmigungen

 

[...]

 

(3) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung

 

a) [...]

 

b) für Ausnahmen von den Verboten nach den §§ 23 Abs. 2 und 3 lit. a, 24 Abs. 2 und 3 lit. a und 25 Abs. 1 und

 

c) [...]

 

darf nur erteilt werden, wenn die jeweiligen Voraussetzungen vorliegen. Für Projekte der Energiewende darf außer im Hinblick auf die in den Anhängen IV lit. b und V lit. b bzw. in den Anhängen IV lit. a und V lit. a der Habitat-Richtlinie genannten Pflanzen- bzw. Tierarten eine naturschutzrechtliche Bewilligung für Ausnahmen von den Verboten nach § 23 Abs. 2 und 3 lit. a bzw. nach § 24 Abs. 2 und Abs. 3 lit. a auch dann erteilt werden, wenn die Voraussetzung, wonach die betroffene Pflanzen- bzw. Tierart in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in einem günstigen Erhaltungszustand verweilt, nicht vorliegt oder nicht nachgewiesen ist."

 

Durch die - gem. § 17 Abs. 1 UVP-G 2000 im UVP-Verfahren mitanzuwendenden - Bestimmungen des TNSchG werden die angeführten Bestimmungen der Vogelschutzrichtlinie zum Schutz sämtlicher wildlebender Vogelarten umgesetzt. Die durch die TNSchG-Novelle LGBl. Nr. 14/2015 eingeführte Ausnahmebestimmung des § 25 Abs. 5 leg. cit., wonach die Behandlung des Lebensraumes von Vögeln in einer Weise, dass ihr weiterer Bestand in diesem Lebensraum erheblich beeinträchtigt oder unmöglich wird, dann zulässig ist, wenn es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt und sonstige zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder anderweitiger positiver Folgen für die Umwelt die Erteilung der Bewilligung rechtfertigen, findet keine Grundlage in der Vogelschutzrichtlinie.

 

Allerdings ist auch das zu Grunde liegende Verbot der "Behandlung des Lebensraumes von Vögeln in einer Weise, dass ihr weiterer Bestand in diesem Lebensraum erheblich beeinträchtigt oder unmöglich wird", von dem § 25 Abs. 5 eine Ausnahme statuiert, in der Vogelschutzrichtlinie so nicht ausdrücklich geregelt. Diese Richtlinie stellt vielmehr in ihren Art. 2 und 3 für den Schutz der wildlebenden Vögel außerhalb besonderer Schutzgebiete nur die allgemeine Forderung auf, die Bestände auf einem entsprechenden Stand zu halten oder auf einen solchen zu bringen und eine ausreichende Vielfalt und eine ausreichende Flächengröße der Lebensräume zu erhalten oder wieder herzustellen. Das Verbot von Eingriffen in konkrete lokale Lebensräume - die keine Schutzgebiete nach Art. 4 darstellen - enthält die Richtlinie nicht. Ein Verstoß gegen diese Richtlinie ist daher unter der Voraussetzung nicht anzunehmen, dass die Verbote des § 25 Abs. 1 lit. a bis d TNSchG (das absichtliche Töten oder Fangen, das absichtliche Zerstören oder Beschädigen von Nestern und Eiern und das Entfernen von Nestern, das Sammeln der Eier in der Natur und der Besitz dieser Eier sowie das absichtliche Stören, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit, sofern sich dieses Stören auf den Schutz der Vogelarten erheblich auswirkt) jedenfalls auch für Vorhaben der "Energiewende" einzuhalten sind, was durch den Wortlaut des § 25 Abs. 5 sichergestellt wird.

 

Die Bestimmungen der FFH-Richtlinie (oder "Habitatrichtlinie") zum Schutz bestimmter Tier- und Pflanzenarten, werden, soweit für den gegenständlichen Anlassfall maßgeblich, durch die angeführten Bestimmungen des TNSchG vollständig umgesetzt. Die durch die Novelle LGBl. Nr. 14/2015 eingeführte Ausnahmebestimmung des § 29 Abs. 3 für Vorhaben der "Energiewende" betrifft Tier- und Pflanzenarten, die nicht von den artenschutzrechtlichen Bestimmungen der FFH-Richtlinie erfasst sind. Aus diesem Grund können sie dieser Richtlinie auch nicht widersprechen.

 

Auf das gegenständliche Vorhaben sind daher die angeführten Genehmigungsvoraussetzungen des § 23 Abs. 2 und 5 TNSchG für Pflanzenarten, des § 24 Abs. 2 und 5 für Tierarten und des § 25 Abs. 1 lit. a bis d anzuwenden. Ein Widerspruch dieser Bestimmungen zu Unionsrecht konnte nicht erkannt werden.

 

2.5.2. Anwendung der artenschutzrechtlichen Bestimmungen:

 

Schadensbegrenzende Maßnahmen sind - anders als Ausgleichsmaßnahmen - in Übereinstimmung mit dem Artikel-6-Leitfaden der Kommission und der Rechtsprechung des EuGH (C-521/12) bei der Prüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie zu berücksichtigen (BVwG 23.6.2016, W109 2107438-1 Engelhartsstetten Windpark). Die im Projekt vorgesehenen und im Bescheid als Auflagen vorgeschriebenen Maßnahmen, mit denen die Erfüllung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände verhindert werden soll, sind daher bei der artenschutzrechtlichen Beurteilung mit zu berücksichtigen.

 

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist das Tatbestandsmerkmal der "Absichtlichkeit" auch dann verwirklicht, wenn die Tötung von geschützten Tieren zumindest in Kauf genommen wird. Eine Tötung von Tieren ist nach der Judikatur des VwGH auch vor dem Hintergrund der im Projekt dargestellten Maßnahmen und Nebenbestimmungen, die zum Schutz der Tiere vorgeschrieben wurden, zu beurteilen. Nach der deutschen Judikatur ist das Tötungsverbot nur dann erfüllt, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich das Risiko der Tötung einzelner Exemplare durch das Vorhaben deutlich und signifikant erhöht, also die Tötung über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht. Dem hat sich das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen (BVwG 22.1.2016, W113 2107242-1 Handalm Windpark).

 

Wie das Verfahren ergeben hat, werden so für keine der im Vorhabensgebiet vorkommenden Vogelarten und für keine der im Vorhabensgebiet vorkommenden Tierarten nach Anhang IV FFH-Richtlinie die angeführten artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände erfüllt.

 

2.6. Sonstige naturschutzrechtliche Genehmigungsvoraussetzungen:

 

2.6.1. Moorschutz:

 

Art. 9 des Protokolls Bodenschutz zur Alpenkonvention, BGBl. III Nr. 235/2003, lautet:

 

"Artikel 9

 

Erhaltung der Böden in Feuchtgebieten und Mooren

 

(1) Die Vertragsparteien verpflichten sich, Hoch- und Flachmoore zu erhalten. Dazu ist mittelfristig anzustreben, die Verwendung von Torf vollständig zu ersetzen.

 

(2) In Feuchtgebieten und Mooren sollen Entwässerungsmaßnahmen außer in begründeten Ausnahmefällen auf die Pflege bestehender Netze begrenzt werden. Rückbaumaßnahmen bei bestehenden Entwässerungen sollen gefördert werden.

 

(3) Moorböden sollen grundsätzlich nicht genutzt oder unter landwirtschaftlicher Nutzung derart bewirtschaftet werden, dass ihre Eigenart erhalten bleibt."

 

Die §§ 9 und 29 TNSchG lauten (z.T. auszugsweise):

 

"§ 9

 

Schutz von Feuchtgebieten

 

(1) In Feuchtgebieten außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen folgende Vorhaben einer naturschutzrechtlichen Bewilligung:

 

a) das Einbringen von Material;

 

b) das Ausbaggern;

 

c) die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden;

 

d) jede über die bisher übliche Art und den bisher üblichen Umfang hinausgehende Nutzung;

 

e) Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen sowie jede sonstige Veränderung der Bodenoberfläche;

 

f) Entwässerungen;

 

g) die Verwendung von Kraftfahrzeugen.

 

(2) Einer naturschutzrechtlichen Bewilligung bedürfen Vorhaben nach Abs. 1 lit. a bis f weiters dann, wenn sie im Nahbereich eines Feuchtgebietes durchgeführt werden und geeignet sind, dieses in seiner Funktion als Lebensraum der dafür charakteristischen Tier- und Pflanzengemeinschaften zu beeinträchtigen."

 

"§ 29

 

Naturschutzrechtliche Bewilligungen, aufsichtsbehördliche Genehmigungen

 

[...]

 

(2) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung

 

a) [...] für Vorhaben nach den §§ [...] 9 Abs. 1 und 2, [...],

 

[...]

 

darf nur erteilt werden,

 

1. wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

 

2. wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen. In Naturschutzgebieten darf außerdem ein erheblicher, unwiederbringlicher Verlust der betreffenden Schutzgüter nicht zu erwarten sein.

 

[...]

 

(4) Trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 lit. b, Abs. 2 Z 2, Abs. 3 lit. a oder § 14 Abs. 4 ist die Bewilligung zu versagen, wenn der angestrebte Zweck mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg vertretbaren Aufwand auf eine andere Weise erreicht werden kann, durch die die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht oder nur in einem geringeren Ausmaß beeinträchtigt werden.

 

(5) Eine Bewilligung ist befristet, mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, um Beeinträchtigungen der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1, in den Fällen des Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 insbesondere unter Berücksichtigung des betreffenden Schutzzweckes, zu vermeiden oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken.

 

[...]

 

(8) Eine Bewilligung ist zu versagen, wenn eine Voraussetzung für ihre Erteilung nicht vorliegt."

 

Die Protokolle zur Alpenkonvention, so auch das Bodenschutzprotokoll, wurden vom Nationalrat ohne Erfüllungsvorbehalt genehmigt. Dies bedeutet, dass sie vom Gesetzgeber entsprechend zu berücksichtigen sind, aber auch von der Vollziehung, sofern sie aufgrund ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit dazu geeignet sind (vgl. VwGH 8.6.2005, 2004/03/0116).

 

Der Verwaltungsgerichtshof ist offenbar in seinem Erkenntnis vom 24.2.2005, 2005/94/0044, zum Diabasabbau Saalfelden von einer unmittelbaren Anwendbarkeit dieser Bestimmung ausgegangen. Dabei vertrat er jedoch die Ansicht, dass mit Art. 9 Abs. 1 erster Satz des Bodenschutzprotokolls kein ausnahmsloses und unbedingtes Erhaltungsgebot für alle - auch noch so kleinen und unbedeutenden - Moore normiert werden sollte. Dies schloss er daraus, dass nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung anzustreben sei, die Verwendung - und damit die dem Erhaltungsgebot widersprechende Gewinnung - von Torf "mittelfristig" zu ersetzen und Art. 9 Abs. 2 des zitierten Protokolls in begründeten Ausnahmefällen die Entwässerung von Feuchtgebieten und Mooren zulässt. Anders als Art. 14 Abs. 1 dritter Teilstrich des zitierten Protokolls, der die Errichtung von Schipisten in labilen Gebieten verbiete, beziehe sich das Erhaltungsgebot des Art. 9 Abs. 1 erster Satz des Bodenschutzprotokolls nicht auf konkrete Eingriffsmaßnahmen. Damit wären alle Maßnahmen, unabhängig von ihrer sonstigen Wertigkeit (etwa für die menschliche Gesundheit oder für den Naturschutz) untersagt, während die Entnahme von Torf und die Entwässerung eingeschränkt möglich wären. Dass dieses Ergebnis nicht dem Zweck des Protokolls "Bodenschutz" entspreche, ergebe sich schon aus dessen Art. 2 Abs. 2, wonach selbst bei Gefahr schwerwiegender und nachhaltiger Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Böden den Schutzaspekten nur "grundsätzlich" - also nicht in jedem konkreten Einzelfall - der Vorrang einzuräumen ist. Daraus ergebe sich, dass Art. 9 Abs. 1 des zitierten Protokolls keine ausnahmslose Erhaltungspflicht für Moore normiere und daher § 24 Sbg NatSchG, der in ganz bestimmten Ausnahmefällen einen Eingriff in Moore zulasse, zu Art. 9 Abs. 1 erster Satz des Protokolls "Bodenschutz" nicht in Widerspruch stehe.

 

Gegen diese Interpretation wurde von Schmid (Alpenkonvention und Moorschutz, RdU 2007, 72) ins Treffen geführt, Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Bodenschutzprotokoll enthalte das ausnahmslose Gebot, die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens im Mitgliedstaat als Hoch- oder Flachmoore qualifizierbaren Biotope zu erhalten. Art. 9 Abs. 1 Satz 2 beziehe sich nur auf jene Moore, in denen bereits industrieller Torfabbau erfolge und die daher nicht mehr die moortypische Vegetation besäßen, wodurch solche Flächen nicht mehr als Moore im rechtlichen Sinn verstanden werden könnten. In Zusammenschau mit Art. 9 Abs. 1 ermögliche Abs. 2 diese Bestimmung Entwässerungen als Ausnahme nur für jene Fälle, deren Zielsetzung nicht die Kultivierung ist, wie Pflegemaßnahmen oder vereinzelt auch Katastrophenschutz. Der in US 14.1.2005, US 9B/2004/8-53 Saalfelden vom Umweltsenat vertretenen Ansicht, dass Moore nicht unbedingt an Ort und Stelle erhalten werden müssten, sondern, sofern die Möglichkeit besteht, transferiert werden könnten, stimmt Schmid allerdings zu. Im Hinblick auf die aufgrund der Schutzwürdigkeit von Mooren gegebene außergewöhnliche Dimension der in Rede stehenden Naturschutzinteressen sieht er auch kein Problem mit dem verfassungsrechtlichen Berücksichtigungsprinzip.

 

Den Argumenten Schmids kommt aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts besonderes Gewicht zu, ermöglicht eine derartige Begrenzung der Ausnahmemöglichkeiten des Moorerhalts auf bestehende Torfabbaue doch eine widerspruchsfreie, dem eindeutigen Wortlaut des Abs. 1, 1. Satz folgende Auslegung des Art. 9 Bodenschutzprotokoll, die auch dem besonders hohen naturschutzfachlichen Wert von Mooren entspricht. Es ist jedoch zweifelhaft, ob eine derartige Auslegung den Willen der Vertragsparteien vollständig widerspiegelt. Aus der Formulierung "mittelfristig anzustreben" in Abs. 1 Satz 2 kann wohl tatsächlich geschlossen werden, dass nur mehr die (Fertig‑)Nutzung bestehender Abbaufelder erlaubt ist, weil die Zulassung neuer Torfabbaue dem Gebot der Erhaltung von Mooren diametral widersprechen würde und den Vertragsstaaten ein derartiger Widerspruch nicht zugesonnen werden kann. Allerdings ist Schmids Auslegung des Art. 9 Abs. 2, wonach als "begründete Ausnahmefälle" nur Pflegemaßnahmen oder vereinzelt auch Maßnahmen zum Katastrophenschutz in Frage kämen, wohl zu eng. Gerade in Verbindung mit Abs. 3 dieser Bestimmung, wonach selbst die Nutzung von Moorböden außerhalb einer ihre Eigenart erhaltenden Bewirtschaftung nur "grundsätzlich" verboten ist, wollten sich die Mitgliedstaaten für Einzelfälle Abwägungsspielraum erhalten. Der Weg zu Entwässerungsmaßnahmen sowie moorzerstörender Nutzung, sogar bis hin zum Abbau von Torf, sollte in "begründeten Ausnahmefällen" wohl offen gelassen werden. Bei derartigen Ausnahmefällen kann es sich aber nur um wenige Einzelfälle handeln, weil sonst der Zweck der Bestimmung ins Leere ginge.

 

Eine Auslegung nach der gewöhnlichen Bedeutung in ihrem Zusammenhang und dem Sinn und Zweck, wie sie Art. 31 ff Wiener Vertragsrechtskonvention erfordern, ergibt somit einen strengen Schutz von Mooren, der jedoch in besonders begründeten Ausnahmefällen durchbrochen werden kann. In diesem Sinn ist auch der hier anzuwendende § 29 Abs. 2 Z 2 TNSchG zu interpretieren. Andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung, welche das Gebot einer Erhaltung eines (hier:) Niedermoores überwiegen, müssen besonders qualifiziert sein, um die Zerstörung des Moores - bei teilweiser Transferierung und entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen und Ersatzmaßnahmen in Form einer Renaturierung degenerierter Moorflächen - rechtfertigen zu können. Die im Verfahren eingebrachten öffentlichen Interessen am gegenständlichen Vorhaben rechtfertigen den Eingriff aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts. Zu den vorgeschriebenen Maßnahmen siehe unten 2.8.4.

 

Der VwGH hat in seinem das ggstdl. Vorhaben betreffenden Erkenntnis vom 22.11.2018, Ro 2017/07/0003, auf sein Erkenntnis vom 24.2.2006, 2005/04/0044, verwiesen, wonach Art. 9 Abs. 1 erster Satz des Bodenschutzprotokolls kein ausnahmslos und unbedingtes Erhaltungsgebot für alle - auch noch so kleinen und unbedeutenden - Moore normiere. Auch die hier zur Anwendung gelangende Ausnahmebestimmung des § 29 Abs. 2 Z 2 TNSchG 2005, derzufolge eine naturschutzrechtliche Genehmigung (u.a. für Vorhaben nach § 9 Abs. 1 und 2 leg. cit. - bestimmte Vorhaben in Feuchtgebieten) nur erteilt werden darf, wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen, stehe mit Art. 9 Abs. 1 erster Satz des Protokolls "Bodenschutz" nicht in Widerspruch.

 

2.6.2. Ruhegebietsschutz:

 

§ 11 TNSchG lautet:

 

"§ 11

 

Ruhegebiete

 

(1) Die Landesregierung kann außerhalb geschlossener Ortschaften gelegene Gebiete, die für die Erholung in der freien Natur dadurch besonders geeignet sind, dass sie sich wegen des Fehlens von lärmerregenden Betrieben, von Seilbahnen für die Personenbeförderung sowie von Straßen mit öffentlichem Verkehr durch weitgehende Ruhe auszeichnen, durch Verordnung zu Ruhegebieten erklären, wenn die Erhaltung dieser Gebiete für die Erholung von besonderer Bedeutung ist oder voraussichtlich sein wird.

 

(2) In Ruhegebieten sind verboten:

 

a) die Errichtung von lärmerregenden Betrieben;

 

b) die Errichtung von Seilbahnen für die Personenbeförderung;

 

c) der Neubau von Straßen mit öffentlichem Kraftfahrzeugverkehr;

 

d) jede erhebliche Lärmentwicklung; jedenfalls nicht als erhebliche Lärmentwicklung im Sinn dieser Bestimmung gilt der mit der Ausführung von Vorhaben der Energiewende, für die eine naturschutzrechtliche Bewilligung vorliegt oder nicht erforderlich ist, verbundene Baulärm im hierfür notwendigen Ausmaß;

 

e) die Durchführung von Außenlandungen und Außenabflügen mit motorbetriebenen Luftfahrzeugen; davon ausgenommen sind Außenlandungen und Außenabflüge im Rahmen der Wildfütterung, der Viehbergung und der Versorgung von Vieh in Notzeiten, der Ver- oder Entsorgung von Schutzhütten und Gastgewerbebetrieben, für wissenschaftliche Zwecke, zur Sanierung von Schutzwäldern, im Rahmen der Wildbach- und Lawinenverbauung, der Instandhaltung oder Instandsetzung von Rundfunk- und Fernmeldeeinrichtungen und von Einrichtungen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen und zur Ausführung von Vorhaben der Energiewende, sofern der angestrebte Zweck auf andere Weise nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand erreicht werden könnte.

 

(3) In Verordnungen nach Abs. 1 sind, soweit dies zur Erhaltung des Ruhegebietes erforderlich ist, entweder für den gesamten Bereich des Ruhegebietes oder für Teile davon an eine naturschutzrechtliche Bewilligung zu binden:

 

a) die Errichtung, Aufstellung und Anbringung aller oder bestimmter Arten von Anlagen, soweit sie nicht unter Abs. 2 lit. a oder b fallen, sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden;

 

b) der Neubau, der Ausbau und die Verlegung von Straßen und Wegen, soweit sie nicht unter Abs. 2 lit. c fallen;

 

c) die Errichtung von oberirdischen elektrischen Leitungsanlagen mit einer Spannung von 36 kV und darüber sowie von Luftkabelleitungen;

 

d) Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke;

 

e) die Verwendung von Kraftfahrzeugen."

 

Die Verordnung über die Erklärung eines Teiles der Stubaier Alpen in den Gemeinden Längenfeld, Neustift im Stubaital , St. Sigmund im Sellrain, Sölden und Umhausen zum Ruhegebiet (Ruhegebiet Stubaier Alpen), LGBl. Nr. 45/2006, lautet in der geltenden Fassung auszugsweise:

 

"§ 1

 

(1) Das in der Anlage dargestellte, rot umrandete Gebiet in den Gemeinden Längenfeld, Neustift im Stubaital , St. Sigmund im Sellrain, Sölden und Umhausen wird zum Ruhegebiet erklärt (Ruhegebiet Stubaier Alpen).

 

[...]

 

§ 2

 

Nach § 11 Abs. 2 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 sind im Ruhegebiet verboten:

 

a) die Errichtung von lärmerregenden Betrieben,

 

b) die Errichtung von Seilbahnen für die Personenbeförderung,

 

c) der Neubau von Straßen mit öffentlichem Kraftfahrzeugverkehr,

 

d) jede erhebliche Lärmentwicklung; jedenfalls nicht als erhebliche Lärmentwicklung im Sinn dieser Bestimmung gilt der mit der Ausführung von Vorhaben der Energiewende, für die eine naturschutzrechtliche Bewilligung vorliegt oder nicht erforderlich ist, verbundene Baulärm im hierfür notwendigen Ausmaß,

 

e) die Durchführung von Außenlandungen und Außenabflügen mit motorbetriebenen Luftfahrzeugen; davon ausgenommen sind Außenlandungen und Außenabflüge im Rahmen der Wildfütterung, der Viehbergung und der Versorgung von Vieh in Notzeiten, der Ver- oder Entsorgung von Schutzhütten und Gastgewerbebetrieben, für wissenschaftliche Zwecke, zur Sanierung von Schutzwäldern, im Rahmen der Wildbach- und Lawinenverbauung, der Instandhaltung oder Instandsetzung von Rundfunk- und Fernmeldeeinrichtungen und von Einrichtungen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen und zur Ausführung von Vorhaben der Energiewende, sofern der angestrebte Zweck auf andere Weise nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand erreicht werden könnte.

 

§ 3

 

(1) Im Ruhegebiet bedürfen folgende Vorhaben einer naturschutzrechtlichen Bewilligung, soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist:

 

a) die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen, soweit sie nicht unter lit. b oder c fallen, sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 berührt werden,

 

b) der Neubau, der Ausbau und die Verlegung von Straßen, die nicht dem öffentlichen Verkehr dienen, und von Wegen,

 

c) die Errichtung von oberirdischen elektrischen Leitungsanlagen mit einer Spannung von 36 kV und darüber sowie von Luftkabelleitungen,

 

d) Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke,

 

e) die Verwendung von Kraftfahrzeugen.

 

(2) Keiner naturschutzrechtlichen Bewilligung bedürfen:

 

a) der Neu-, Zu- und Umbau von ortsüblichen land- und forstwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäuden und Einfriedungen,

 

b) Maßnahmen zur Instandhaltung und Instandsetzung des bestehenden Wegenetzes,

 

c) die Verwendung von Kraftfahrzeugen im Rahmen der üblichen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung (§ 2 Abs. 2 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005) und zur Ver- und Entsorgung von Schutzhütten.

 

[...]"

 

Einige Beschwerden machen Gleichheitswidrigkeit bzw. Unsachlichkeit jener Teile der angeführten Rechtsvorschriften geltend, die für "Vorhaben der Energiewende" Ausnahmen von Verboten bzw. bessere Bedingungen als für andere Aktivitäten im Ruhegebiet vorsehen.

 

Der Tiroler Naturschutzgesetzgeber hat in § 11 TNSchG die Möglichkeit geschaffen, Gebiete, die für die Erholung in der freien Natur besonders geeignet sind, zu Ruhegebieten zu erklären. Es können aber nicht schlechthin alle Gebiete, die für die Erholung in der freien Natur besonders geeignet sind zu Ruhegebieten erklärt werden, sondern ausschließlich solche, deren Eignung für diesen Zweck sich daraus ergibt, dass sie sich wegen 1. des Fehlens von lärmerregenden Betrieben, 2. des Fehlens von Seilbahnen für die Personenbeförderung sowie 3. des Fehlens von Straßen mit öffentlichem Verkehr durch weitgehende Ruhe auszeichnen. Sind solche Gebiete durch Verordnung als Ruhegebiet ausgewiesen, so ist darin grundsätzlich jede erhebliche Lärmentwicklung verboten, wobei jedoch u. a. Baulärm im hierfür notwendigen Ausmaß und die Durchführung von Außenlandungen und Außenabflügen mit motorbetriebenen Luftfahrzeugen, sofern der angestrebte Zweck auf andere Weise nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand erreicht werden könnte, erlaubt sind, wenn diese zugunsten der Ausführung von "Anlagen der Energiewende", d.s. Vorhaben der Stromerzeugung aus Wasserkraft, Windkraft und Fotovoltaik (§ 3 Abs. 10 TNSchG) erfolgen.

 

Das Bundesverwaltungsgericht kann es nicht als unsachlich erkennen, wenn Vorhaben, die während ihres Betriebes nicht dauernd Lärm verursachen wie eben lärmerregende Betriebe, Seilbahnen für die Personenbeförderung und Straßen mit öffentlichem Verkehr, wegen ihrer überregionalen Bedeutung für den Klimaschutz die Möglichkeit erhalten, in solchen Gebieten temporär während der Bauphase erheblichen Lärm zu erzeugen. Der Anregung einiger Beschwerden, einen Antrag auf Aufhebung wegen Verfassungswidrigkeit von § 11 TNSchG oder der auf seiner Grundlage erlassenen Ruhegebietsverordnung Stubaier Alpen beim Verfassungsgerichtshof zu stellen, war daher nicht zu folgen.

 

Auch das Vorbringen, die Novelle zu Art. 11 TNSchG und zur Ruhegebietsverordnung Stubaier Alpen, die den oben wiedergegebenen geltenden Fassungen zu Grunde liegen, widerspreche Art. 11 Abs. 1 des Naturschutzprotokolls zur Alpenkonvention, der eine Verpflichtung enthalte, einmal geschaffene Schutzgebiete im Sinn ihres Schutzzweckes zu erhalten, ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht zielführend:

 

Zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Protokolle zur Alpenkonvention siehe bereits oben Pkt. 2.7.1. zum Moorschutz. Den Protokollen der Alpenkonvention kommt im innerstaatlichen Recht allerdings - im Gegensatz zu EU-Verordnungen oder unmittelbar anwendbaren Bestimmungen in EU-Richtlinien - kein genereller Vorrang zu. Sie stehen innerstaatlichen Gesetzen gleichrangig gegenüber (vgl. VfGH 24.6.2010, VfSlg. 19126; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11, Rz 121). Die Protokolle gehen mit ihrer unmittelbarem Anwendbarkeit nationalem Recht nur nach der Lex specialis- und der Lex-posterior-Regel vor, was bedeutet, dass die speziellere Vorschrift der allgemeineren und die spätere der früheren Norm vorgeht (vgl. Bußjäger, Die unmittelbare Anwendung der Protokolle der Alpenkonvention in Österreich, NuR 2010, 759, 761).

 

Selbst unter der Annahme also, dass, wie in den Beschwerden unter Berufung auf ein Gutachten von Loibl/Hafner geltend gemacht, Art. 11 TNSchG und Teile der Ruhegebietsverordnung Stubaier Alpen in der geltenden Fassung Art. 11 Abs. 1 des Naturschutzprotokolls widersprechen könnten, weil damit ein bestehendes Schutzgebiet eingeschränkt worden wäre, hätte dies zunächst nicht die Folge, dass die angeführten innerstaatlichen Bestimmungen durch Art. 11 Abs. 1 Naturschutzprotokoll verdrängt würden, da die innerstaatlichen Vorschriften eindeutig die spezielleren, weil auf eine bestimmte Schutzgebietskategorie und ein bestimmtes Schutzgebiet beschränkten, und späteren, weil nach Inkrafttreten des Naturschutzprotokolls in Österreich in Kraft gesetzten, Normen darstellen. Sie sind daher vom erkennenden Gericht anzuwenden.

 

Zum zweiten besteht auch keine Befugnis des erkennenden Gerichts, diese Normen wegen Widerspruchs zum Naturschutzprotokoll beim Verfassungsgerichtshof anzufechten. Eine Anfechtung der Ruhegebietsverordnung gem. Art. 139 B-VG wegen Gesetzwidrigkeit scheidet aus, da die maßgebliche Norm, an der diese Verordnung zu messen ist, Art. 11 TNSchG darstellt, der als speziellere und spätere Norm Art. 11 Abs. 1 des Naturschutzprotokolls (so dieser überhaupt unmittelbar anwendbar wäre), verdrängt. Aus demselben Grund scheidet auch eine Anfechtung von Art. 11 TNSchG aus. Eine Prüfung von Gesetzen am Maßstab verdrängter völkerrechtlicher Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof ist nicht möglich, weil diesen kein höherer Rang zukommt als innerstaatlichen Gesetzen. Somit blieben als einzige Möglichkeit die im Gutachten Loibl/Hafner beschriebenen völkervertragsrechtlichen Sanktionsmechanismen, die jedoch nicht von einem Gericht, sondern ausschließlich von den Vertragsparteien ausgelöst werden können.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinen Beschlüssen vom 14.3.2018, E 3209/2017-20 und E 3152/2017-21 zum ggstdl. Vorhaben bestätigt, dass § 11 Abs. 2 lit. d und e des TNSchG nicht gleichheitswidrig ist und die Schutzgebietsverordnung "Stubaier Alpen" nicht gegen Art. 11 Abs. 1 des Naturschutzprotokolls zur Alpenkonvention verstößt.

 

2.6.4. Sonstige Schutzgebiete:

 

Im Vorhabensgebiet besteht kein Vogelschutzgebiet nach der Vogelschutz-Richtlinie und kein sonstiges Natura-2000-Gebiet.

 

Zur bei der mündlichen Verhandlung erhobenen Forderung, das Bestehen faktischer FFH-Schutzgebiete im Vorhabensgebiet zu prüfen, sieht das Gericht keinen Anlass, nicht an der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs festzuhalten, wonach angemessene Schutzregelungen nur für jene Gebiete zu ergreifen sind, die vom Mitgliedstaat i.S.d. Phase 1 des Anhangs III der FFH-Richtlinie in die "nationale Liste" aufgenommen worden sind oder bezüglich derer der Mitgliedstaat nicht bestreitet, dass ein Gebiet in die nationale Liste aufgenommen hätte werden müssen (BVwG 22.1.2016, W113 2107242-1 Handalm Windpark).

 

Dessen ungeachtet wurde bei der mündlichen Verhandlung geklärt, dass, soweit bekannt, konkrete Schutzgüter der FFH-Richtlinie vom Vorhaben nicht beeinträchtigt werden.

 

2.7. Sonstige wasserrechtliche Genehmigungsvoraussetzungen:

 

2.7.1. § 53 WRG lautet:

 

"Wasserwirtschaftliche Rahmenpläne.

 

§ 53. (1) Wer an der Verwirklichung wasserwirtschaftlicher Zielsetzungen, insbesondere der in §§ 30a, c und d festgelegten Ziele interessiert ist, kann dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft unter Berücksichtigung der im Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan für einen Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörper festgelegten konkreten Vorgaben einen Entwurf hierfür mit dem Antrag auf Prüfung vorlegen. Ein solcher Entwurf muß fachkundig ausgearbeitet sein und zumindest die erforderlichen hydrologischen und sonstigen Unterlagen unter dem Gesichtspunkt eines ausgeglichenen Wasserhaushaltes, der Versorgung mit Trink-, Nutz- und Bewässerungswasser, der Abwasserbeseitigung, des Hochwasserschutzes, der Wasserkraftnutzung und der Fischerei sowie die Erläuterung der Vorteile des wasserwirtschaftlichen Rahmenplanes enthalten.

 

(2) Soweit sich die Darstellung der anzustrebenden wasserwirtschaftlichen Ordnung gemäß Abs. 1 im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens als notwendig erweist, kann die Vorlage des Entwurfes für einen wasserwirtschaftlichen Rahmenplan dem Bewilligungswerber durch Bescheid aufgetragen werden.

 

(3) Ist die in einem wasserwirtschaftlichen Rahmenplan dargestellte Ordnung im öffentlichen Interesse gelegen, kann der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft diesen Rahmenplan unter Zusammenfassung seiner Grundzüge im Rahmen der Maßnahmenprogrammerstellung für den Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan oder in einer gesonderten Verordnung anerkennen. Ein solcher Rahmenplan ist beim wasserwirtschaftlichen Planungsorgan des betroffenen Landes zur allgemeinen Einsicht bereitzuhalten. Die Verwirklichung des anerkannten Rahmenplanes ist bei allen wasserwirtschaftlichen Maßnahmen als öffentliches Interesse (§ 105) anzustreben."

 

Die Verordnung des Bundesministers für Land und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Anerkennung der im Rahmenplan Tiroler Oberland dargestellten wasserwirtschaftlichen Ordnung als öffentliches Interesse

 

BGBl. II Nr. 274/2014 (im Folgenden: WWRP TOL) lautet auszugsweise:

 

"1. Abschnitt

 

Allgemeines

 

Gegenstand

 

"§ 1. Diese Verordnung legt den Rahmen für eine ökologisch verträgliche Wasserkraftnutzung als künftige wasserwirtschaftliche Ordnung im Planungsgebiet Tiroler Oberland (Kapitel 4.1 des Rahmenplanes) fest. Das Tiroler Oberland umfasst die Einzugsgebiete des Inn von der Staatsgrenze zur Schweiz bis Innsbruck einschließlich der Mündung der Sill.

 

Ziele der bestmöglichen ökologisch verträglichen Wasserkraftnutzung im Tiroler Oberland

 

§ 2. Ziele (Kapitel 3.4 und 3.5 des Rahmenplanes) der bestmöglichen ökologisch verträglichen Wasserkraftnutzung im Tiroler Oberland sind:

 

1. Die Identifikation von Gewässerabschnitten für die Errichtung möglicher Standorte oder die mögliche Erweiterung bestehender Standorte im Tiroler Oberland zur wesentlichen Erhöhung der Stromerzeugung aus Wasserkraft sowie zur Verdoppelung der derzeit verfügbaren Nennleistung aus Speicher- oder Pumpspeicherkraft.

 

2. Der Erhalt und die Erreichung eigenständiger Bestände für die Leitfischarten Äsche, Bachforelle und Koppe - durch entsprechende Abundanz und Altersstruktur dieser Leitfischarten - als gutes ökologisches Potenzial im Inn von der Staatsgrenze zur Schweiz bis zur Mündung der Sill sowie der Schutz sehr guter oder sehr sensibler Gewässerstrecken und die Erhaltung des bestehenden guten ökologischen Zustandes oder des guten ökologischen Potenziales bei weiteren möglichen Standorten im Planungsgebiet.

 

Anerkennung der im Rahmenplan Tiroler Oberland dargestellten wasserwirtschaftlichen Ordnung als öffentliches Interesse

 

§ 3. (1) Die Verwirklichung der im Rahmenplan von der Tiroler Wasserkraft AG dargestellten wasserwirtschaftlichen Ordnung ist nach Maßgabe der im dritten Abschnitt dieser Verordnung getroffenen Festlegungen sowie der im vierten Abschnitt dieser Verordnung aufgenommenen Empfehlungen als öffentliches Interesse (§ 105 WRG 1959) bei allen wasserwirtschaftlichen Maßnahmen anzustreben. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft anerkennt den am 28. April 2014 vorgelegten, zur Zl. UW.4.1.2/0029-IV/1/2014 protokollierten, Rahmenplan im Umfang und Ausmaß der im zweiten Abschnitt dieser Verordnung dargestellten Zusammenfassung seiner Grundzüge.

 

(2) [...]

 

2. Abschnitt

 

Zusammenfassung der Planungsschwerpunkte

 

Hauptinhalte der künftigen wasserwirtschaftlichen Ordnung im Tiroler Oberland

 

§ 4. (1) [...]

 

(2) Im gemäß § 3 anerkannten Rahmenplan ist für den Bereich der Stromerzeugung aus Speicherkraft die Nutzung von Wässern aus dem hinteren Stubaital und aus dem mittleren Ötztal sowie die Nutzung von Wässern aus dem hinteren Ötztal vorgesehen für eine mögliche Erweiterung der bestehenden Standorte:

 

1. Kühtai/Sellrain-Silz (Kapitel 7.3.3 des Rahmenplanes),

 

[...]

 

3. Abschnitt

 

Festlegungen betreffend die künftige wasserwirtschaftliche Ordnung im Planungsgebiet

 

Sehr gute und sehr sensible Gewässerstrecken und Verschlechterungsverbot

 

§ 5. (1) Vorbehaltlich § 11 Abs. 3 ist eine Wasserkraftnutzung im Planungsgebiet im Rahmen der dargestellten wasserwirtschaftlichen Ordnung nur dann im öffentlichen Interesse gelegen, wenn sie weder zu einer Verschlechterung des jeweiligen Zustandes führt, noch die Erreichung des ökologischen Zielzustandes (§ 13 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Festlegung des ökologischen Zustandes für Oberflächengewässer, Qualitätszielverordnung Ökologie Oberflächengewässer - QZV Ökologie OG, BGBl. II Nr. 99/2010 idgF) dadurch konterkariert wird.

 

(2) Darüber hinaus sind in den in Anlage 1, unter Berücksichtigung der möglichen Standorte gemäß § 4, ausgewiesenen hydromorphologisch sehr guten oder sehr sensiblen Gewässerstrecken im Rahmen der dargestellten Ordnung lediglich Wasserkraftnutzungen, die mit den entsprechenden Bedingungen und Kriterien für den sehr guten hydromorphologischen Zustand gemäß § 12 QZV Ökologie OG vereinbar sind, im öffentlichen Interesse gelegen. Dies gilt auch für sonstige Wasserentnahmen, ausgenommen Quellwasserentnahmen für Zwecke der allgemeinen Trinkwasserversorgung. Ebenso ist die Erhaltung der freien Fließstrecke im Inn von Haiming bis Innsbruck im öffentlichen Interesse gelegen.

 

Reihenfolge

 

§ 6. Bei einer möglichen Verwirklichung der in § 4 angeführten Standorte ist zu beachten, dass bei der Detailplanung die Reihenfolge der Umsetzung so zu wählen ist, dass die Erreichbarkeit des ökologischen Ziels für den Inn auch bei einer Teilumsetzung nicht dauerhaft beeinträchtigt wird. Daher soll die Umsetzung

 

1. von Erweiterungen der in § 4 Abs. 1 Z 2 und § 4 Abs. 2 Z 2 genannten Standorte erst nach oder während der Errichtung des in § 4 Abs. 1 Z 3 genannten Standortes erfolgen;

 

2. der Erweiterung des in § 4 Abs. 2 Z 2 genannten Standortes abgestimmt mit der Erweiterung des in § 4 Abs. 1 Z 2 genannten Standortes erfolgen.

 

Planungen und Umsetzungsschritte für die anderen Standorte (§ 4 Abs. 1 Z 1, § 4 Abs. 2 Z 1) können davon zeitlich unabhängig erfolgen.

 

Hochwasserschutz

 

§ 7. (1) Zusätzlich zu den Punkten 8.1.2.2 und 8.1.2.3 des Rahmenplanes gilt betreffend die in § 4 Abs. 2 dargestellten möglichen Standorte:

 

1. In Speichern ist zur Verminderung von Hochwasserabflussspitzen ein Hochwasserrückhalteraum freizuhalten. Die erforderliche Größe des Rückhalteraums ist im Zuge einer allfälligen Einreichplanung zu ermitteln, wobei der Rückhalteraum in den hochwasserkritischsten Zeiträumen des Jahres in Summe jedenfalls das Ausmaß der im Hochwasserfall über 48 Stunden den Speichern des jeweiligen Standorts zufließenden Wassermengen betragen soll.

 

2. Im Zuge einer allfälligen Einreich- oder Ausführungsplanung ist ein Hochwasser-Bewirtschaftungskonzept zu erstellen. Zur Optimierung des Einsatzes der Speicher sind hydrologische Angaben zur Festlegung besonders hochwasserkritischer Zeiträume heranzuziehen und Hochwässer vorausschauend zu prognostizieren.

 

(2) Darüber hinaus gilt im Zuge einer Einreichplanung für allfällige neue Wasserkraftnutzungen im gesamten Planungsgebiet einschließlich der in § 4 dargestellten möglichen Standorte:

 

1. Falls erforderlich, ist die konkrete Hochwasserabflusssituation vor und nach Projektverwirklichung für die beeinflussten Gewässerstrecken gegenüber zu stellen.

 

2. Die Verlandungsentwicklung in Stauräumen ist abzuschätzen, ein entsprechendes Management zur Begrenzung der Verlandung zu entwickeln und nach Naturmessungen zu überprüfen und zu optimieren wobei sicherzustellen ist, dass die Hochwasserabfuhr in den Stauräumen trotz zwischenzeitlicher Verlandung auf Dauer gewährleistet ist.

 

Feststoffhaushalt

 

§ 8. (1) Zusätzlich zu den Punkten 8.1.3.2, 8.1.3.3, 8.2.2.2 und 8.2.2.3 des Rahmenplanes gilt im Zuge einer allfälligen Einreich- oder Ausführungsplanung betreffend die in § 4 dargestellten möglichen Standorte:

 

1. Es sind auf Basis von Geschiebepotenzialerhebungen und geschiebehydraulischen Berechnungen jene Maßnahmen zu ermitteln, die in den von einer Wasserkraftnutzung beeinflussten Gerinnestrecken für einen ausgewogenen Feststofftransport sorgen. Maßnahmen, die nicht unmittelbar an den Wehren, Stauräumen und kleineren Wasserfassungen erfolgen, sind in Abstimmung mit der Bundeswasserbauverwaltung oder der Wildbach- und Lawinenverbauung zu planen.

 

2. Für beeinflusste Gewässerstrecken ist ein Sedimentmanagementplan zu erstellen, der sicherstellt, dass der Feststoff- oder Geschiebehaushalt in den betroffenen Gewässerstrecken nicht erheblich beeinträchtigt wird.

 

3. Es ist ein dauerhaftes Monitoringprogramm zur Dokumentation des Geschiebetransportes während des Betriebes einer geplanten Nutzung vorzusehen. In diesem Zusammenhang ist auch eine allfällige Optimierung des Sedimentmanagementplanes auf Basis der Ergebnisse des Monitoringprogrammes vorzusehen.

 

(2) Darüber hinaus gilt für allfällige neue Wasserkraftnutzungen im gesamten Planungsgebiet einschließlich der in § 4 dargestellten möglichen Standorte, dass Wasserfassungen so auszubilden und entsprechend zu betreiben sind, dass das zurückgehaltene Sediment regelmäßig bei geeigneter größerer Wasserführung in die Entnahmestrecken zurückgegeben werden kann, sodass es dadurch weder eine Verschlechterung des guten Zustandes der betroffenen Gewässerstrecken noch zu einer Verschlechterung des guten ökologischen Potenziales am Inn kommen kann.

 

Grundwasser, Quellen und Wasserversorgung

 

§ 9. (1) Zusätzlich zu den Punkten 8.1.5.5, 8.1.5.6, 8.2.4.5 und 8.2.4.6 des Rahmenplanes gilt spätestens im Zuge einer allfälligen Einreichplanung betreffend die in § 4 dargestellten möglichen Standorte:

 

1. Für die nachfolgend angeführten Einzugsgebiete sind - unter Berücksichtigung der Trinkwasserkonzepte des Landes Tirol - folgende Mindestvorbehaltsmengen für den künftigen kommunalen Trink- und Brauchwasserbedarf - ausgenommen Beschneiungswasser - zu definieren:

Inntal 500 l/s, Ötztal 100 l/s, Stubaital 20 l/s.

 

2. Im Rahmen von Vorerkundungen sind die bei einer Errichtung von Bauwerken, insbesondere Untertagebauwerken, berührten Berg- und Grundwasserkörper, Quellen und sonstigen Wasseraustritte sowie zu erwartende Bergwasserzutritte zu ermitteln.

 

3. Für zu erwartende Bergwasserzutritte sind gegebenenfalls die erforderlichen Abdichtungsmaßnahmen vorzusehen.

 

4. Vor einem allfälligen Baubeginn ist im jeweils betroffenen Gebiet ein umfassendes Beweissicherungsprogramm zur Dokumentation des qualitativen und quantitativen Zustandes der von Baumaßnahmen betroffenen Berg- und Grundwasserkörper, vor allem aber der Quellen und sonstiger Wasseraustritte zu erstellen. Der Zeitpunkt des Beginnes eines Beweissicherungsprogrammes ist so festzulegen, dass natürliche Schwankungen soweit erfasst sind, dass damit vorhabensbedingte Änderungen erkennbar und quantifizierbar sind.

 

Für den Fall, dass es durch Baumaßnahmen zu einer unvorhergesehenen quantitativen oder qualitativen Beeinträchtigung bestehender Grund- und Quellwassernutzungen kommt, sind Notversorgungsmaßnahmen für die in den von geplanten Vorhaben betroffenen Gebieten bestehenden Wasserversorgungsanlagen vorzusehen. Derart vorgesehene Maßnahmen sind im Rahmen der Einreichplanung lediglich darzustellen.

 

(2) Darüber hinaus gilt im Zuge einer allfälligen Einreich- oder Ausführungsplanung sowie im Rahmen allfälliger Bewilligungs- oder Genehmigungsverfahren für allfällige neue Wasserkraftnutzungen im gesamten Planungsgebiet einschließlich der in § 4 dargestellten möglichen Standorte:

 

1. Falls erforderlich, sind nach Abstimmung mit den Planungsdienststellen des Landes konkrete Vorbehaltsmengen, insbesondere unter Berücksichtigung von Bevölkerungswachstum und Siedlungsentwicklung zu ermitteln.

 

2. Durch projektierte Maßnahmen oder durch Auflagen ist sicherzustellen, dass

 

a) bei der Festlegung von zulässigen Ausleitungsmengen für Bergwasser erhebliche negative Auswirkungen von Stollenbauwerken auf die Schüttungsmenge von Quellen im Einflussbereich der Stollen verhindert und Ausleitungsmengen durch ein begleitendes Messprogramm dokumentiert werden;

 

b) bei der Errichtung von Stollenbauwerken keine Betriebsstoffe und umweltrelevanten Schadstoffe in das Grundwasser gelangen;

 

c) im Bereich von Stauräumen aus öffentlichen Interessen unerwünschte Anstiege des Grundwasserspiegels durch technische Maßnahmen, wie Begleitdrainagen oder -gräben, Untergrunddichtungen und dergleichen, möglichst gering gehalten werden.

 

Siedlungswasserwirtschaft

 

§ 10. Für Wasserkraftnutzungen im gesamten Planungsgebiet einschließlich der in § 4 dargestellten möglichen Standorte, ist bei durch ein Vorhaben veränderter Restwasserführung im Vorfluter zu überprüfen, ob bei betroffenen wasserrechtlich bewilligungspflichtigen Direkteinleitungen die Einhaltung der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Festlegung des Zielzustandes für Oberflächengewässer (Qualitätszielverordnung Chemie Oberflächengewässer - QZV Chemie OG), BGBl. II Nr. 96/2006 idgF und der QZV Ökologie OG sichergestellt ist. Im Zuge einer allfälligen Einreichplanung absehbare Immissionsprobleme sind durch eine Verbesserung der Abwasserreinigungsanlagen zu verhindern.

 

Gewässerökologie

 

§ 11. (1) Zusätzlich zu den Punkten 8.1.4, 8.2.3 und 10.1.3 des Rahmenplanes gelten betreffend die in § 4 dargestellten möglichen Standorte die Vorgaben der nachfolgenden Abs. 2 bis 5.

 

(2) Spätestens im Zuge einer allfälligen Einreichplanung ist im jeweils betroffenen Gebiet ein gewässer- und fischökologisches Programm zur Erhebung des Ausgangszustandes zu erstellen. Ein derartiges Erhebungsprogramm hat die vom Vorhaben betroffenen Oberflächenwasserkörper und deren ökologische Zustände vor Umsetzung des Vorhabens zu ermitteln. Auf Basis des Ausgangszustandes sind sowohl für die Errichtung als auch den Betrieb von Kraftwerken gewässer- und fischökologische begleitende Mess- und Untersuchungsprogramme auszuarbeiten und den Einreichprojekten anzuschließen. Die Mess- und Untersuchungsprogramme sowie die Beweissicherungsprogramme haben insbesondere die regelmäßige Dokumentation der ökologischen Zustände in den betroffenen Gewässerabschnitten, die Überwachung der Wirksamkeit des Schwallmanagements sowie eine wiederkehrende Überwachung der Funktionsfähigkeit von Fischaufstiegsanlagen zu beinhalten.

 

(3) Unvorgreiflich des Ergebnisses einer in einem Bewilligungs- oder Genehmigungsverfahren durchzuführenden Interessenabwägung gemäß § 104a WRG 1959 ist durch projektierte Maßnahmen oder gegebenenfalls durch Auflagen jedenfalls sicherzustellen, dass projektbedingte Verschlechterungen des ökologischen Gewässerzustands an den in § 4 dargestellten möglichen Standorten nur in folgenden, unvermeidlichen Fällen auftreten:

 

1. durch Aufstau im Bereich von neu errichteten Speichern sowie durch Aufstau im Bereich von neu errichteten Wasserfassungen;

 

2. an Gewässerabschnitten in Wasserkörpern, die sich in einem ökologisch sehr guten Zustand befinden, unterhalb von neu errichteten Speichern sowie unterhalb von Wasserfassungen für Speicher;

 

3. in Aufstaubereichen am Inn sowie im schwallbelasteten Innabschnitt oberhalb des Bereiches des erweiterten Staues Runserau aufgrund der Rückleitung eines in § 4 Abs. 2 Z 2 genannten möglichen Standortes.

 

(4) Im Zeitraum von Mitte Dezember bis Mitte April hat für neue Wasserentnahmen an den in § 4 Abs. 2 angeführten möglichen Standorten aus den Gewässern erst ab einer Wasserführung des 2fachen arithmetischen Mittels der Jahresniederstwerte des Abflusses - auf Basis von Tagesmitteln - im betrachteten Zeitraum (MJNQT) ein Wassereinzug zu erfolgen.

 

(5) Für den Bereich Schwall und Sunk ist zu beachten, dass

 

1. die Schwall- und Sunkgradienten bei der Umsetzung der in § 4 genannten möglichen Standorte so festgelegt werden, dass nach Umsetzung aller möglichen Standorte in den schwall-/sunkbelasteten Gewässerstrecken am Inn die Schwall- und Sunkgradienten durchgehend auf < 15 cm/h und < 12 cm/h reduziert sind. Bei der Festlegung der zulässigen Schwall- und Sunkgradienten sind für die Entwicklung des Fischbestands sensible Zeiträume des Jahres besonders zu berücksichtigen;

 

2. die Häufigkeit der Schwall-/Sunkereignisse im Inn gegenüber dem Ist-Zustand deutlich zu reduzieren ist und darüber hinaus von Anfang Oktober bis Ende April nutzungsbedingte Schwall-/Sunkereignisse in den Restwasserstrecken des Inn weitgehend hintanzuhalten sind, damit es zu keiner nachhaltigen Beeinträchtigung des guten ökologischen Potenziales im Inn kommen kann;

 

3. im Zuge einer allfälligen Einreichplanung für mögliche Standorte am Inn ein auf dem jeweiligen Planungs- oder Ausbaustand aufbauendes Schwallmanagementkonzept zu erstellen ist, um die gesamthaften Auswirkungen des Schwalls auf die Gewässerökologie möglichst gering zu halten. Das Konzept soll konkrete Maßnahmen, beispielsweise abgestimmte Betriebsweisen, unter Berücksichtigung der einzelnen Ausbauphasen für die gesamten Kraftwerksstandorte am Inn zur Erreichung der oben dargestellten Bedingungen enthalten. Weiters ist eine allfällige Optimierung des Schwallmanagementkonzepts auf Basis der Ergebnisse des Monitoringprogrammes vorzusehen.

 

(6) Darüber hinaus ist für allfällige neue Wasserkraftnutzungen im gesamten Planungsgebiet einschließlich der in § 4 dargestellten möglichen Standorte im Rahmen eines Bewilligungs- oder Genehmigungsverfahrens durch projektierte Maßnahmen oder durch Auflagen sicherzustellen, dass Restwassermengen so festgelegt werden, dass neben einer ausreichenden Wassermenge für die Fischwanderung insbesondere auch eine dynamische Wasserführung gegeben ist, mit der die in § 13 Abs. 2 Z 2 QZV Ökologie OG, angeführten Kriterien erreicht werden können. Dabei ist vor allem auch bei der Festlegung der Dotationsmengen zu beachten, dass die spezielle Abflusscharakteristik der Gletscherbäche möglichst erhalten bleibt.

 

4. Abschnitt

 

Empfehlungen zur Umsetzung der künftigen wasserwirtschaftlichen Ordnung im Planungsgebiet

 

Zuständigkeit des Landes

 

§ 12. Durch die gegenständliche Verordnung wird in die Zuständigkeit des Landes, insbesondere in eine in landesrechtlichen Verfahren vorgesehene Interessenabwägungen nicht eingegriffen. In diesem Sinne stellen die nachfolgenden Bestimmungen dieses Abschnittes Empfehlungen dar.

 

Land- und Forstwirtschaft

 

§ 13. Zusätzlich zu Punkt 8.1.7 des Rahmenplanes in Verbindung mit den Kapiteln 9.1 und 9.2 des Umweltberichtes wird empfohlen:

 

1. Bei der technischen Planung der Vorhaben soll darauf geachtet werden, Flächeninanspruchnahmen soweit als möglich zu vermeiden oder zu minimieren. Im Rahmen der weiteren Planungsschritte sollen allfällige direkte Auswirkungen wie beispielsweise durch Flächenverlust oder Bewirtschaftungserschwernisse und indirekte Auswirkungen durch Veränderung hydrologischer und hydrogeologischer Rahmenbedingungen aufgezeigt werden.

 

2. Im Falle erheblicher Auswirkungen sollen diese durch Schaffung von Ersatzflächen durch eine Aufwertung von Bestandsflächen, durch die Umsetzung von Maßnahmen aus dem Themenbereich Grundwasser oder durch eine Wiederherstellung von Wegeverbindungen und Viehtrieben bestmöglich ausgeglichen und soweit möglich auf ein verträgliches Maß reduziert werden.

 

Tourismus

 

§ 14. Zusätzlich zu den Punkten 8.1.8 und 8.2.7 des Rahmenplanes in Verbindung mit den Kapiteln 9.1 und 9.2 des Umweltberichtes wird empfohlen:

 

1. Im Rahmen der Planung sollen allfällige Auswirkungen auf den Tourismus im Planungsgebiet, wie die Reduktion der Wasserführung von Fließgewässern, Barrierewirkungen im Wegenetz, der Verlust von Strukturelementen oder die Beeinträchtigung von Sichtbeziehungen aufgezeigt werden.

 

2. Im Falle erheblicher Auswirkungen sollen Minderungs- und Ausgleichsmaßnahmen, wie beispielsweise die Wiederaufwertung beeinträchtigter Teilräume nach Abschluss der Bauphase, die Restrukturierung von Fließgewässern, eine gesamthaft geplante Gestaltung der oberirdischen Anlagen, die Berücksichtigung der Erholungsnutzungen und des Landschaftsbildes bei der Festlegung von Dotierwasserabgaben in Betracht gezogen werden.

 

3. Im Hinblick auf den Wassersport, insbesondere Kajak und Rafting, soll von künftigen Wasserberechtigten in Abstimmung mit den zuständigen Dienststellen des Landes sowie mit Beteiligung von Gemeinden und gegebenenfalls betroffenen Unternehmen für die durch Wasserentnahmen beeinflussten Gewässerabschnitte ein fundiertes Konzept erstellt und umgesetzt werden, um die Attraktivität dieser Strecken durch eine kontrollierte Wasserabgabe und geeignete flussbauliche Maßnahmen für den Wassersport bestmöglich zu erhalten sowie betroffene Unternehmen hinsichtlich Alternativangeboten zu unterstützen.

 

Naturschutz

 

§ 15. (1) Zusätzlich zu den Punkten 8.1.9 und 8.2.8 des Rahmenplanes in Verbindung mit den Kapiteln 9.1 und 9.2 des Umweltberichtes wird für die in § 4 dargestellten möglichen Standorte empfohlen:

 

1. Im Rahmen der Planung sind zeitgerecht, insbesondere im Rahmen von Studien, Informationen über allfällige direkte oder indirekte Auswirkungen auf Flora und Fauna, wie beispielsweise Habitatverluste, Verlust von geschützten Lebensraumtypen oder Störung der Fauna durch Staub zu erheben, zu prüfen, aufzubereiten und darzulegen.

 

2. Im Falle erheblicher Auswirkungen sollen diese beispielsweise durch Weidefreistellungen von bestehenden Feuchtgebieten im Almbereich, durch Renaturierung von verbauten Fließgewässern im Unterlauf von Speichern und sonstigen Eingriffen, durch Dotierwasserabgaben an bestehenden Wasserfassungen ohne derzeitige Dotierung bis zur Inbetriebnahme des jeweiligen Standortes in Abstimmung mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/60/EG vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik - Europäische WRRL, ABl. L 327, S. 1 und ihrer nationalen Umsetzung, durch Renaturierung und Auflichtung von naturfernen (hoch-)montanen Fichtenforsten bestmöglich ausgegleichen und soweit möglich auf ein verträgliches Maß reduziert werden.

 

(2) Weiters wird empfohlen bei den Planungen zu beachten, dass Maßnahmen in Bezug auf die Interessen des Naturschutzes grundsätzlich in einem möglichst engen funktionalen, zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit den Eingriffen stehen sollten, welche sie ausgleichen sollen und die Dimensionen dieser Maßnahmen in einem quantitativ, qualitativ und funktional adäquaten Verhältnis zu den vorhabenbedingten Verlusten an naturschutzrechtlichen Schutzgütern stehen.

 

5. Abschnitt

 

Schlussbestimmungen

 

Veröffentlichung und Auflage

 

§ 16. (1) Der der Anerkennung zu Grunde liegende Rahmenplan und der Umweltbericht sowie eine Zusammenfassung betreffend die Einbeziehung von Umwelterwägungen und andere bezughabende Dokumente werden unter http://wisa.bmlfuw.gv.at veröffentlicht. Der Rahmenplan liegt beim Wasserwirtschaftlichen Planungsorgan des Landes Tirol zur Einsichtnahme auf.

 

Außer Kraft Treten

 

§ 17. Diese Verordnung tritt mit 31.12.2039 außer Kraft."

 

Einige Beschwerden machen geltend, der WWRP TOL widerspreche § 53 WRG. Dieser sähe die Ausarbeitung wasserwirtschaftliche Rahmenpläne in erster Linie zur Verwirklichung der in § 30 li. a, c und d WRG festgelegten Ziele vor. Ein Plan, der in erster Linie die Verwirklichung der Interessen eines Unternehmens, nämlich der Projektwerberin, im Auge habe, sei gesetzwidrig.

 

Gemäß § 53 Abs. 1 WRG können wasserwirtschaftliche Rahmenpläne zur Verwirklichung wasserwirtschaftliche Zielsetzungen ausgearbeitet werden, wobei insbesondere die in den §§ 30a, c und d festgelegten Ziele von Bedeutung sind. Mithilfe solcher Pläne soll vor allem die Einpassung wasserbaulicher Vorhaben in die gegebene wasserwirtschaftliche Ordnung und die Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie erleichtert werden (Oberleitner/Berger, WRG-ON, 1.03 § 53). Es kann daher keine Rede davon sein, dass solche wasserwirtschaftlichen Rahmenpläne ausschließlich zur Verwirklichung der in den §§ 30a, c und d festgelegten Ziele aufgestellt werden darf. Die angeführte Gesetzesbestimmung dient offensichtlich dazu, dass die Wasserkraftnutzung als wasserwirtschaftliche Zielsetzung nicht mit den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie (Verschlechterungsverbot, Verbesserungsgebot) in Konflikt gerät. Es sollen die einzelnen Vorhaben miteinander abgestimmt werden und einheitliche Anforderungen an die gewisse Bewirtschaftung aufgestellt werden. Es ist nicht zu sehen, dass der WWRP TOL diesen Zielsetzungen widersprechen würde. Dies wurde in den Beschwerden auch nicht konkret-substantiiert behauptet. Auch das Vorbringen, der WWRP TOL diene vorrangig der Verwirklichung der wirtschaftlichen Interessen der Projektwerberin, vermag keine Gesetzwidrigkeit zu indizieren, da zum einen der Rahmenplan eben der Einbindung und Abgleichung solcher Interessen mit den Umweltzielen des WRG dienen kann und zum anderen nicht substantiiert dargelegt wird, warum wirtschaftliche Interessen der Projektwerberin nicht gleichzeitig öffentliche Interessen darstellen können.

 

Auch ein Widerspruch zu den - im WRG umgesetzten - Anforderungen der WWRL ist prima vista nicht zu erkennen und wäre auch beim konkreten Vorhaben ohne Bedeutung, da jedenfalls eine Abwägung öffentlicher Interessen gemäß § 104a WRG 1959 durchzuführen ist. Bei dieser Abwägung der öffentlichen Interessen ist für jedes Vorhaben im Einzelfall das Überwiegen vor anderen Interessen zu prüfen. Die durch den WWRP TOL als öffentliche Interessen festgelegten Interessen können im Einzelfall als nicht überwiegend festgestellt werden und die Vorgaben des § 104a WRG sind unabhängig vom WWRP TOL jedenfalls einzuhalten.

 

2.7.2. Der Umweltanwalt bringt in seiner Beschwerde vor, dass das Vorhaben SKW Kühtai für sich alleine keine deutliche Reduktion der Schwall-/Sunkereignisse am Inn mit sich bringe und damit den in § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 WWRP TOL festgelegten Zielsetzungen zur erheblichen Reduktion von Schwall- und Sunkereignissen widerspreche. Dabei übersieht er aber, dass § 11 Abs. 5 Z 1 und 2 dieser Bestimmung eine deutliche Reduktion der Schwall-/Sunkgradienten und der Schwall-/Sunkereignisse erkennbar erst nach Umsetzung aller möglichen Standorte in den schwall-/sunkbelasteten Gewässerstrecken am Inn fordert. Dies bezieht sich zum einen auf ein Zusammenwirken von Anlagen (eine Anlage allein darf jedoch naturgemäß das Ziel der Schwall- und Sunkreduktion nicht verhindern), zum anderen auf Standorte am Inn selbst. Auch das Erfordernis der Z 3 - Vorlage eines Schwallmanagementkonzeptes - bezieht sich auf "mögliche Standorte am Inn" (§ 4 Abs. 1 WWRP TOL), nicht auf Standorte gem. § 4 Abs. 2 WWRP TOL.

 

Das Vorhaben verhindert die deutliche Reduktion der Schwall-/Sunkgradienten und der Schwall-/Sunkereignisse nach Verwirklichung aller möglichen Kraftwerksstandorte am Inn nicht, vielmehr wird durch das Vorhaben die diesbezügliche Situation im Unterlauf des Vorhabens leicht verbessert.

 

2.7.3. Die Gemeinde XXXX bringt in ihrer Beschwerde vor, die Anwendung des WWRP TOL und überhaupt die Durchführung einer Interessenabwägung gem. 104a WRG 1959 sei unzulässig, weil keine Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vorliege, die den §§ 30a Abs. 2 und 30b Abs. 1 WRG 1959 gemäß eine Einstufung der betroffenen Wasserkörper vornehme. Ob das bereits in den §§ 30a und 30c WRG 1959 verankerte Verschlechterungsverbot vor Erlassung aller entsprechenden Verordnungen wirksam ist und ob damit § 104a leg. cit., der an dieses Verschlechterungsverbot anknüpft, vor Erlassung solcher Verordnungen anwendbar ist, hängt davon ab, ob ohne das Vorliegen aller Verordnungen eine Einstufung von Gewässern in die einzelnen Zustandsklassen möglich ist. Sofern auf der Grundlage der bereits vorhandenen Verordnungen, des WRG 1959 selbst und gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen eine Einstufung von Gewässern in Zustandsklassen möglich ist, ist das Verschlechterungsverbot anwendbar und damit auch § 104a Abs. 1 Z 1 lit. b und Z 2 leg. cit. (VwGH 28.1.2010, 2009/07/0038 Gössendorf/Kalsdorf unter Hinweis auf Bumberger/Hinterwirth, WRG, K 19 zu § 104a). Dass dies im konkreten Fall nicht möglich sei oder nicht durchgeführt wurde, wird in der Beschwerde nicht behauptet und entspricht auch nicht den Tatsachen. Die Teilgrundwasserkörper wurden entsprechend abgegrenzt und beurteilt.

 

2.8. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen; Schädigung von Boden, Pflanzen- oder Tierbestand, oder des Zustandes der Gewässer:

 

2.8.1. Der für die Zulässigkeit von Eingriffen in Oberflächengewässer beim konkreten Vorhaben anzuwendende § 104a WRG enthält kein Gebot der Kompensation von Eingriffen. Die in Abs. 2 Z 1 vorgesehenen "praktikablen Minderungsmaßnahmen" müssen die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers mindern. Kompensationsmaßnahmen in anderen Wasserkörpern sind keine "praktikablen Vorkehrungen" (Bumberger/Hinterwirth, WRG, § 104a K 22). In § 105 WRG, auf den der Einleitungssatz des § 104a Abs. 2 verweist, ist aber die grundsätzliche Möglichkeit und Verpflichtung der Behörde zur Erteilung von Auflagen etwa zum Schutz des ökologischen Zustandes der Gewässer vorgesehen.

 

Gemäß § 29 Abs. 5 TNSchG ist, wie oben in 2.4.1. angeführt, eine naturschutzrechtliche Bewilligung befristet, mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, um Beeinträchtigungen der Interessen des Naturschutzes zu vermeiden oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken.

 

§ 17 Abs. 1, 2 und 4 UVP-G 2000 lautet:

 

"Entscheidung

 

§ 17. (1) Die Behörde hat bei der Entscheidung über den Antrag die in den betreffenden Verwaltungsvorschriften und im Abs. 2 bis 6 vorgesehenen Genehmigungsvoraussetzungen anzuwenden. [...]

 

(2) Soweit dies nicht schon in anzuwendenden Verwaltungsvorschriften vorgesehen ist, gelten im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge zusätzlich nachstehende Genehmigungsvoraussetzungen:

 

[...],

 

2. die Immissionsbelastung zu schützender Güter ist möglichst gering zu halten, wobei jedenfalls Immissionen zu vermeiden sind, die

 

[...],

 

b) erhebliche Belastungen der Umwelt durch nachhaltige Einwirkungen verursachen, jedenfalls solche, die geeignet sind, den Boden, die Luft, den Pflanzen- oder Tierbestand oder den Zustand der Gewässer bleibend zu schädigen,

 

[...].

 

(3) [...]

 

(4) Die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung (insbesondere Umweltverträglichkeitserklärung, Umweltverträglichkeitsgutachten oder zusammenfassende Bewertung, Stellungnahmen, einschließlich der Stellungnahmen und dem Ergebnis der Konsultationen nach § 10, Ergebnis einer allfälligen öffentlichen Erörterung) sind in der Entscheidung zu berücksichtigen. Durch geeignete Auflagen, Bedingungen, Befristungen, Projektmodifikationen, Ausgleichsmaßnahmen oder sonstige Vorschreibungen (insbesondere auch für Überwachungs-, Mess- und Berichtspflichten und Maßnahmen zur Sicherstellung der Nachsorge) ist zu einem hohen Schutzniveau für die Umwelt in ihrer Gesamtheit beizutragen."

 

Nach Abs. 1 dieser Bestimmung sind sowohl die wasser- und naturschutzrechtlichen Genehmigungskriterien anzuwenden, als auch die zusätzlichen Genehmigungskriterien, die Abs. 2 dieser Bestimmung festlegt. Danach sind jedenfalls Immissionen zu vermeiden, die geeignet sind, den Boden, den Pflanzen- oder Tierbestand oder den Zustand der Gewässer bleibend zu schädigen. Unter Immission ist jede Form von Einwirkung zu verstehen, die von einem Vorhaben ausgeht und die die Schutzgüter des § 1 Abs. 1 Z 1 des UVP-G 2000 beeinträchtigen kann. Dies umfasst u. a. die direkte Einwirkung auf den Boden, etwa in Form der Entfernung der Deckschicht und/oder der Versiegelung des Bodens (Baumgartner/Petek, UVP-G 2000, 171), jedenfalls alle physischen Einwirkungen (Ennöckl/Raschauer/Bergthaler, UVP, Rz 41 zu § 17). Dies hat der VwGH in seiner das ggstdl. Vorhaben betreffenden Entscheidung vom 22.11.2018, Ro 2017/07/0033, bestätigt (Rz 126).

 

Der VwGH hat in diesem Erkenntnis auch die Anwendbarkeit des zusätzlichen Genehmigungskriteriums des § 17 Abs. 2 Z 2 lit. b bestätigt, weil der Abs. 2 des § 17 UVP-G 2000 den Charakter eines Auffangregimes gewinne, das über alle Vorhabensgruppen des UVP-G 2000 hinweg einen Mindeststandard einziehe und das Immissionsverbot nach dieser Bestimmung ein höheres Schutzniveau als das TNSchG 2005 gewährleiste.

 

2.8.2. In welchen Fällen Immissionen vorliegen, die geeignet sind den Boden, den Pflanzen- oder Tierbestand oder den Zustand der Gewässer bleibend zu schädigen, bestimmt das Gesetz nicht näher. In der Literatur wird dazu diskutiert, dieser Tatbestand ziele auf die Vermeidung schwerer und nachhaltiger Einwirkungen ab, die nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand rückgängig zu machen sind. Dies werde etwa der Fall sein, wenn eine seltene Tier- oder Pflanzenart ausgerottet oder in ihrem nationalen oder regionalen Bestand nachhaltig geschädigt werde, der Charakter des Untergrundes so verändert werde, das großflächige und nicht beherrschbare Erosionen und damit Veränderungen der Morphologie erfolgten, oder das Vorhaben starke Klimaveränderungen nach sich ziehe (Baumgartner/Petek, UVP-G, 173), bzw. seien darunter konkret zu erwartende, weder vermeidbare noch kompensierbare systemzerstörende oder nachhaltig beeinträchtigende Umweltauswirkungen zu verstehen (Ennöckl/N. Raschauer, UVP-Verfahren vor dem Umweltsenat, 324). Auch die irreversible Schädigung und die Langfristigkeit des Eingriffes werden als Kriterien genannt.

 

Eine bleibende Schädigung des Pflanzen- oder Tierbestandes kann jedenfalls nicht immer schon dann angenommen werden, wenn es zu direkten physischen Eingriffen in Schutzgüter kommt. Diesfalls müsste dieser Versagungsgrund bei fast allen UVP-pflichtigen Vorhaben zur Anwendung kommen. Vielmehr wird auf die Seltenheit des Umweltmediums, in das eingegriffen wird, und die Möglichkeit des Ausgleichs an anderer Stelle Rücksicht zu nehmen sein.

 

Der VwGH hat sich in dem oben angeführten Erkenntnis vom 22.11.2018 der Ansicht angeschlossen, wonach unter § 17 Abs. 2 Z 2 lit. b UVP-G 2000 konkret zu erwartende, weder vermeidbare noch kompensierbare, systemzerstörende oder nachhaltig beeinträchtigende Umweltauswirkungen zu subsumieren sind. Eine "bleibende Schädigung" liegt daher dann vor, wenn solche Umweltauswirkungen weder vermieden noch kompensiert werden können und wenn sich die Schädigung als nachhaltig, d.h. sehr lange und einschneidend auf die Umwelt wirkend, darstellt. Darauf, ob die Schäden irreversibel sind oder nicht, kommt es hingegen nicht an; auch (in unbestimmter ferner Zukunft) reversible Eingriffe können gegebenenfalls den Tatbestand erfüllen.

 

2.8.3. Sowohl nach der angeführten naturschutzrechtlichen Bestimmung als auch nach § 17 Abs. 4 UVP-G 2000 ist die Einhaltung der Genehmigungsfähigkeit durch die Vorschreibung von Nebenbestimmungen zu sichern, soweit dies erforderlich ist, um Beeinträchtigungen der Interessen des Naturschutzes zu vermeiden oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken bzw. zu einem hohen Schutzniveau für die Umwelt in ihrer Gesamtheit beizutragen. § 29 Abs. 5 TNSchG nennt explizit "Auflagen oder Bedingungen", § 17 Abs. 4 UVP-G 2000 darüber hinaus Befristungen, Projektmodifikationen, Ausgleichsmaßnahmen oder sonstige Vorschreibungen.

 

Mit den genannten Arten von Nebenbestimmungen ist aber nur ihre rechtstechnische Umsetzung angesprochen. Inhaltlich werden folgende Maßnahmen unterschieden, um für Eingriffe in Natur und Landschaft die Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen: Es sind dies Vermeidungsmaßnahmen, Verminderungsmaßnahmen, Ausgleichsmaßnahmen und Ersatzmaßnahmen (Schmelz/Schwarzer, UVP-G, § 6Rz 41). Laut Schmelz/Schwarzer ist die "Ersatzmaßnahme" keine eigene Maßnahme, sondern eine besondere Form der Ausgleichsmaßnahme, wobei Ersatzmaßnahmen gegenüber Ausgleichsmaßnahmen im engeren Sinn einen gelockerten funktionalen Zusammenhang zum beeinträchtigen Schutzgut aufwiesen. Auch normiere das UVP-G 2000 keine Hierarchie zwischen den verschiedenen Arten von Maßnahmen etwa in dem Sinn, dass Ausgleichsmaßnahmen nur dann in Betracht kämen, wenn weder Vermeidungs- noch Minderungsmaßnahmen zum Ziel führen.

 

Die aktuelle, vom Landesumweltanwalt ins Verfahren eingebrachte Studie "Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft" von Knoll/Revital/Haslinger, Nagele & Partner nennt als Maßnahmen, die dem System "mitigation" zuzuordnen seien, die Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen. Diese seien geeignet, Schäden im Vorhinein durch üblicherweise projektseitige Maßnahmen zu vermeiden. Erst wenn trotz Einsatz aller zumutbaren Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen eine erhebliche Beeinträchtigung fortdauere, seien Maßnahmen aus dem Bereich "compensation" vorzusehen. Dabei seien zuerst Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen. Diese seien inhaltlich und räumlich so nah wie möglich dem ursprünglichen Schaden zuzuordnen. Zu diesen Ausgleichsmaßnahmen zählten beispielsweise Umlagerungen von Lebensräumen, Wiederherstellung und Schaffung von Lebensräumen oder Entwicklungsmaßnahmen für einzelne Arten. Sollte aufgrund der fehlenden fachlichen und räumlichen Möglichkeiten die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen nicht möglich sein, so sei die Umsetzung von Ersatzmaßnahmen als Ultima Ratio möglich. Bei diesen Ersatzmaßnahmen sei der funktionelle und räumliche Bezug deutlich gelockert, um die Umsetzbarkeit zu sichern. Bei der Umsetzung von Ersatzmaßnahmen sei jedoch darauf zu achten, dass die Prüfung des Stufenbaus umfassend erfolgt und tatsächlich nachgewiesen worden sei, dass zur Vermeidung des Schadens keine Vermeidungs-, Verminderungs- oder Ausgleichsmaßnahmen geeignet und zumutbar wären (S. 11,12).

 

Für Ausgleichsmaßnahmen werde ein enger funktionaler Zusammenhang mit dem vorhabensbedingten Beeinträchtigungen gefordert. Die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts müssten demnach in gleichartiger Weise wiederhergestellt sein. Ersatzmaßnahmen ließen sich durch das Kriterium der Gleichwertigkeit von den Ausgleichsmaßnahmen abgrenzen. Dies bedeute eine Lockerung, jedoch keine gänzliche Aufhebung des Funktionalzusammenhangs zwischen der Beeinträchtigung und der Ersatzmaßnahme. Auch in räumlicher Hinsicht müsse ein Bezug der Ausgleichsmaßnahmen zum Eingriffsort bestehen. Dies bedeute jedoch nicht zwingend, dass der Ausgleich unmittelbar am Ort des Eingriffes zu erfolgen habe. Jedenfalls erforderlich sei aber ein Wirkungszusammenhang, die Ausgleichsmaßnahmen müssten sich dort ausgleichend auswirken, wo auch die mit dem Vorhaben verbundenen Beeinträchtigungen auftreten. Bei den Ersatzmaßnahmen genüge eine Bezugnahme auf den betroffenen Naturraum (S. 79-81).

 

2.8.4. Wie das Beschwerdeverfahren ergeben hat, wird es im Bereich des Längentals zu schweren Eingriffen kommen, die nicht an Ort und Stelle vollständig ausgeglichen werden können. In seiner Entscheidung vom 22.11.2018, Ro 2017/07/0033, ist der VwGH der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, dass im konkreten Fall eine bleibende Schädigung des Pflanzen- und Tierbestandes zu gewärtigen ist, nicht entgegengetreten und hat auch ausdrücklich ausgesprochen, dass die Kompensierbarkeit eines Eingriffs, etwa durch geeignete Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen, einer Versagung der Genehmigung nach § 17 Abs. 2 Z 2 lit. b UVP-G 2000 entgegenstehe. Um eine bleibende Schädigung des Bodens sowie des Pflanzen- und Tierbestandes zu vermeiden, wurden die vom Sachverständigen in seiner Stellungnahme vom 16.5.2017 und später vom 25.2.2019 zusätzlich zu den bereits im Vorhaben enthaltenen Ausgleichsmaßnahmen vorgeschlagenen Ersatzmaßnahmen in Spruchpunkt A.I.4. dieses Erkenntnisses in Form einer Nebenbestimmung eingefügt.

 

Berücksichtigt werden die durch den geplanten Speicher im Längental betroffenen Feuchtlebensräume (Vegetationstyp: Stillgewässer vegetationsarm, Bachquellflur und Niedermoor-Kleinseggenbestand - sauer) welche aufgrund ihres Schutzstatus und ihrer Gefährdung als hoch sensibel eingestuft wurden, selten sind und nur kleinräumig vorkommen.

 

Durch das geplante Speicherkraftwerk Kühtai sind insgesamt 3,54 ha Niedermoor-Kleinseggenbestände in Bau- und Betriebsphase betroffen. Zudem sind vegetationsarme Stillgewässer im Umfang von 0,13 ha und Bachquellfluren im Umfang von 0,2 ha betroffen (Bau- und Betriebsphase). Zum Ausgleich sind von der Projektwerberin mehrere Maßnahmen vorgesehen, doch fehlt für einen flächengleichen Ausgleich des Verlusts von Feuchtlebensräumen im Längental eine Fläche von rd. 1 ha. Mit Hilfe der von den Sachverständigen angewandten Methode zur Bestimmung des Kompensationswertes von Ersatzmaßnahmen wurde aufgrund des gelockerten funktionalen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhanges zwischen der Beeinträchtigung und der Ersatzmaßnahme der zusätzliche Maßnahmenbedarf auf agrarisch intensiv genutzten Flächen über Moorböden mit 2,5 ha errechnet. Es war daher in Spruchpunkt A.I.4. eine Ersatzmaßnahme vorzuschreiben, die Ausgleich in Form einer Ersatzmaßnahme in dieser Größenordnung bewirkt.

 

Dazu ist jedoch klarzustellen, dass bei Abnahmeprüfung noch kein Moorlebensraum entstanden sein muss. Die Wiederherstellung eines Moores kann große Zeiträume in Anspruch nehmen, sodass bei Abnahmeprüfung jedenfalls sichergestellt sein muss, dass sich die Fläche auf einem guten Weg zur Zielerreichung befindet.

 

Zur rechtlichen Eignung der für die Ersatzmaßnahme ausgewählten Flächen in der Gemeinde Zöblen ist auszuführen:

 

Grundsätzlich sind nur Flächen für Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen geeignet, für die nicht bereits eine rechtliche Verpflichtung zur Durchführung der vorgesehenen Maßnahmen besteht, die also infolge der Maßnahmen eine reale Aufwertung erfahren, die nicht ohne das Projekt ebenso verpflichtend durchzuführen wäre; andernfalls würde sich kein wirksamer Mehrwert für die Umwelt einstellen.

 

§ 33 Abs. 2 bis 4 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 - TROG 2016 lautet:

 

"§ 33

 

Maßnahmen der Gemeinden als Träger von Privatrechten

 

(1) [...]

 

(2) Die Gemeinde kann zum Zweck der Verwirklichung der Ziele der örtlichen Raumordnung, insbesondere jenes nach § 27 Abs. 2 lit. d, und gegebenenfalls auch der Festlegungen übergeordneter Planungsinstrumente Verträge mit Grundeigentümern abschließen. Die Gemeinde hat beim Abschluss von Verträgen sämtliche Grundeigentümer, soweit diese sich in einer vergleichbaren räumlichen Lage befinden, gleich zu behandeln.

 

(3) Verträge nach Abs. 2 können die Verpflichtung des Grundeigentümers vorsehen, die jeweiligen Grundflächen innerhalb einer angemessenen Frist einer bestimmten Verwendung zuzuführen, insbesondere zu bebauen. Weiters kann die Verpflichtung vorgesehen werden, Grundflächen der Gemeinde oder dem Tiroler Bodenfonds (§ 98) für bestimmte Zwecke, insbesondere für den geförderten Wohnbau, für die verkehrsmäßige Erschließung des Baulandes oder für die Schaffung von infrastrukturellen Einrichtungen, oder als gemeinnützig anerkannten Bauvereinigungen ausschließlich für Zwecke des geförderten Wohnbaus zu überlassen. Die Überlassung der Grundflächen hat zum Verkehrswert zu erfolgen. Bei Grundflächen, die dem geförderten Wohnbau dienen sollen, ist auch auf § 14 Abs. 1 und 2 des Tiroler Wohnbauförderungsgesetzes 1991, LGBl. Nr. 55, in der jeweils geltenden Fassung Bedacht zu nehmen. In solchen Verträgen ist weiters vorzusehen, dass die Weiterveräußerung durch die Gemeinde, den Tiroler Bodenfonds bzw. die als gemeinnützig anerkannte Bauvereinigung jedenfalls innerhalb von zehn Jahren höchstens zu jenem Preis erfolgen darf, der dem seinerzeitigen Grundpreis zuzüglich einer allfälligen indexmäßigen Aufwertung und allfälliger Aufwendungen, insbesondere für die Erschließung, entspricht. Dies ist auch für den Fall weiterer Erwerbsvorgänge während dieses Zeitraumes sicherzustellen.

 

(4) Die Einhaltung der Verträge nach Abs. 2 ist auf geeignete Weise sicherzustellen. Zu diesem Zweck können, soweit dies zivilrechtlich zulässig ist, insbesondere Vorschlags- und Zustimmungsrechte, Vorkaufsrechte und Optionen einschließlich der dinglichen Absicherung dieser Rechte sowie Vertragsstrafen vereinbart werden. Vorkaufsrechte und Optionen dürfen nur zu Gunsten der Gemeinde und des Tiroler Bodenfonds für bestimmte Zwecke, insbesondere für den geförderten Wohnbau, und weiters zu Gunsten von als gemeinnützig anerkannten Bauvereinigungen ausschließlich für Zwecke des geförderten Wohnbaus vereinbart werden.

 

[...]"

 

Gemäß § 33 Abs. 2 TROG kann die Gemeinde zum Zweck der Verwirklichung der Ziele der örtlichen Raumordnung und gegebenenfalls auch der Festlegung übergeordneter Planungsinstrumente Verträge mit Grundeigentümern abschließen. Ein derartiger Vertrag wurde nicht vorgelegt. Vielmehr geht aus dem vorgelegten Protokoll vom 4.7.2013 hervor, dass ein Vertreter des Amtes der Tiroler Landesregierung, Abteilung Naturschutz, und ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft die Ausgleichsfläche mit Grundstücksnummer 1592 in der KG Zöblen besichtigt hätten und ihre Zustimmung mit den angeführten Auflagen zur Bewirtschaftung der Fläche erteilt hätten, mit denen sich auch der Bauwerber (als Pächter) einverstanden erklärt habe. Aus dem Protokoll geht auch eindeutig hervor, dass diese Fläche nicht im Eigentum des Bauwerbers, sondern einer anderen Person stand. In der aufsichtsbehördlichen Genehmigung vom 20.2.2014, die in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 17.5.2019 übergeben wurde, werden diese "Auflagen" erwähnt, gleichzeitig wird aber auch auf einen Pachtvertrag vom 3.7.2013 hingewiesen, der aber gerade keine den "Auflagen" entsprechende Verpflichtung, weder der Grundeigentümerin noch des Pächters, enthält.

 

Eine rechtliche Verpflichtung, die den (jeweiligen) Grundeigentümer trifft und somit am Grundstück "haftet", existiert daher schon aus diesem Grund nicht. Mit Auflösung des Pachtvertrages und Grunderwerb durch die Projektwerberin erlischt daher jegliche Verpflichtung, derartige "Auflagen" einzuhalten.

 

Selbst wenn jedoch von einer rechtlichen Verpflichtung der Einhaltung dieser Auflagen ausgegangen würde, somit bestünde diese lt. Protokoll vom 4.10.2013 jedenfalls nur "über eine Pachtdauer von ca. 25 Jahren." Inhaltlich bestünde eine Verpflichtung zur Entfernung des Mähgutes und zur Mahd jährlich einmal im September sowie zu einer schonenden Bewirtschaftung im westlichen, eher feuchteren, Bereich, sowie ein Düngungsverbot "bis auf weiteres, mindestens aber für die Dauer des Pachtverhältnisses". Alle diese Maßnahmen sind zwar nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen notwendig, aber nicht hinreichend, um eine ausreichende Vernässung und Entstehung eines Moorlebensraumes in Zukunft zu ermöglichen. Die Stellungnahme der Abteilung Umweltschutz des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 29.7.2013 enthält keine anderen Maßnahmen. Die Maßnahme wäre daher sowohl in zeitlicher, als auch in fachlicher Hinsicht mit der nunmehr als Auflage vorgeschriebenen Maßnahme nicht gleichwertig.

 

Dasselbe gilt für Maßnahmen des ÖPUL, mit denen sich der jeweilige Bewirtschafter für eine vergleichsweise kurze Zeit freiwillig privatrechtlich verpflichtet, gewisse Bewirtschaftungsmethoden einzuhalten.

 

2.8.5. Unzweifelhaft enthält keine der in diesem Erkenntnis angeführten wasser-, naturschutz- und UVP-rechtlichen Bestimmungen ein unbedingtes Gebot, alle Eingriffe vollständig zu vermeiden, auszugleichen oder zu kompensieren. Insofern gehen die Beschwerdevorbringen zur Kompensation für Gewässereingriffe nach dem Tiroler Kriterienkatalog ins Leere. Dieser Leitfaden, dessen Anwendung von den gewässerökologischen SV eingehend und nachvollziehbar begründet wurde, stellt offenbar eine gute fachliche Basis für die Frage dar, welche Eingriffe in welcher Form ausgeglichen werden können und sollen, um den Empfehlungen des § 15 WWRP TOL zu entsprechen (bestmöglicher Ausgleich durch Renaturierung verbauter Fließgewässer im Unterlauf von Speichern und sonstigen Eingriffen, Dotierwasserabgaben an bestehenden Wasserfassungen ohne derzeitige Dotierung) und - wie der Kriterienkatalog selbst als Ziel formuliert - vorzugeben, wie Projekte gestaltet werden müssen, um eine möglichst hohe Chance auf Genehmigung in einer transparenten Interessensabwägung zu erhalten. Weder der Leitfaden noch eine andere Bewertungsmethode wurden jedoch von einer Rechtsvorschrift als rechtsverbindlich erklärt. Aus diesem Grund verbleibt der Behörde und schlussendlich auch dem Gericht die Möglichkeit, im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Kriterien auf die Umstände des Einzelfalls Rücksicht zu nehmen.

 

Das Verfahren hat ergeben, dass zumindest bei einer Kompensationsmaßnahme für die Inanspruchnahme von Oberflächengewässern (Wehr Brunau) zweifelhaft ist, ob nicht ein höherer Abwertungsfaktor anzuwenden gewesen wäre, weil es sich um eine Maßnahme handelt, für deren Umsetzung bereits eine rechtliche Verpflichtung besteht. Eine weitere Maßnahme (Unterwasserbecken Silz), die nur schwach wirksam ist und ihre volle Wirksamkeit erst in Kombination mit der Verwirklichung anderer Vorhaben entfalten wird, deckt fast 50 % des fachlich als notwendig angesehenen Kompensationsbedarfs ab. Schließlich wird in Fachkreisen diskutiert, inwiefern auch Verschlechterungen innerhalb einer Zustandsklasse verstärkt zu kompensieren wären. All dies hat das Gericht dazu bewogen, in den Spruchpunkten A.I.5 und A.I.6. weitere Maßnahmen zu gewässerökologischen Zwecken als Auflagen vorzusehen, um eine bleibende Schädigung der Gewässer i.S. des § 17 Abs. 2 UVP G 2000 hintanzuhalten und dabei gleichzeitig ein hohes Schutzniveau für die Umwelt i.S.d. § 17 Abs. 4 UVP-G 2000 sicherzustellen (vgl. VwGH 19.12.2013, 2011/03/0160 Semmering Basistunnel, C IV.4.2).

 

Diese Maßnahmen werden den Gewässerzustand des Inn verbessern und sind, da bereits ausgearbeitete Projektunterlagen vorliegen, die der Projektwerberin von den Projektpartnern zur Verfügung gestellt werden, für diese auch kurzfristig verfügbar. Dabei wird ein weiterer Ausgleich i.S. des Kriterienkataloges angestrebt, aber nicht an der Erreichung einer exakten Kompensationslänge, ausgedrückt in Kilometern, sondern an der Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus insgesamt, gemessen.

 

Da diese Maßnahmen als Auflage in diesem Erkenntnis nach einem konzentrierten Genehmigungsverfahren (§ 3 Abs. 3 UVP-G 2000) unter Beteiligung möglicherweise Betroffener in analoger Anwendung der §§§ 18 Abs. 3 und 18b UVP-G 2000 vorgeschrieben werden, ist kein weiteres Genehmigungsverfahren dafür mehr durchzuführen.

 

2.8.6. Erfüllung des Genehmigungskriteriums des § 17 Abs. 2 Z 2 lit. b i.V.m. Abs. 4 UVP-G 2000:

 

Insgesamt erfolgen durch das Vorhaben zwar sehr schwere Eingriffe, aber durch weitreichende Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen wird sichergestellt, dass keine bleibende Schädigung des Zustandes der Gewässer (durch Restwasserdotierung sowie umfangreiche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Unterlauf der Gewässer) oder des Bodens (Aufwertung von Böden an anderer Stelle im Rahmen von Ersatzmaßnahmen), erfolgt. Das Bundesverwaltungsgericht kommt auch zum Schluss, dass aufgrund der Tatsache, dass zwar seltene, aber keine einzigartigen Naturstandorte zerstört werden, kein Natur-, Landschafts- oder Vogelschutzgebiet bzw. Natura-2000-Gebiet betroffen ist und für hoch sensible Lebensräume Ersatz geschaffen wird, auch das Genehmigungskriterium der Vermeidung einer bleibenden Schädigung des Pflanzen- und Tierbestandes als erfüllt anzusehen ist.

 

Durch die gerichtlich angeordneten Projektmodifikationen kommt es auch zu keiner unzulässigen Änderung des Wesens des Vorhabens, weil diese weder die Anwendbarkeit einer anderen Norm zu Folge haben, die Frage der Genehmigung unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen gem. § 17 Abs. 4 UVP-G 2000 bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war und die zur Genehmigung eingereichte Anlage eines neuen Pumspeicherkraftwerkes mit zusätzlichem Speicher und Wasserfassungen weder in Bezug auf ihren Standort, ihre Größe, ihre Kapazität noch in Bezug auf die zu errichtenden baulichen Anlagen, die einzusetzenden Geräte udgl. verändert wird (VwGH 16.2.2017, Ra 2016/05/0026).

 

2.8.7. Wasserpolizeiliche Aufträge gem. § 21a WRG; Eingriffe in die bestehende Anlage:

 

Die in Beschwerden angezogene Forderung, im Zuge des Genehmigungsverfahrens mithilfe eines wasserpolizeilichen Auftrags bestehende Anlagenteile ins Verfahren mit einzubeziehen, kann nur so verstanden werden, dass Auflagen bzw. Projektmodifikationen an der bestehenden Anlage vorgenommen werden sollen.

 

Dazu ist folgendes festzustellen: Die Anwendung des § 21a WRG setzt voraus, dass öffentliche Interessen trotz Einhaltung von Auflagen und sonstiger einschlägiger Vorschriften "nicht hinreichend" geschützt sind. Anwendungsfälle für § 21a WRG sind nicht nur gravierende Veränderungen der wasserwirtschaftlichen Situation, sondern auch nach der Erteilung der Bewilligung erkennbar werdende Umstände, auf die bei der Bewilligung nicht geachtet wurde oder die unrichtig eingeschätzt wurden, sowie auch Umstände, die bereits bei Erteilung der Bewilligung bestanden haben, aber - aus welchen Gründen immer - nicht berücksichtigt wurden (Oberleitner/Berger, WRG-ON, § 21a Rz 10). Das Verfahren nach § 21a WRG ist grundsätzlich als wasserpolizeiliches Einparteienverfahren ausgelegt, in dem nur der zu Verpflichtende Parteistellung hat. Ein Antragsrecht eines Dritten ist ausgeschlossen, weil der Schutz öffentlicher Interessen, dem § 21a WRG dient, ausschließlich der Behörde obliegt (Oberleitner/Berger, WRG-ON, § 21a Rz 25). Die Anwendung in einem Genehmigungsverfahren ist ausgeschlossen, weil die Genehmigung ohnehin nur bei Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen zulässig ist. Für die Erteilung eines wasserpolizeilichen Auftrages wäre daher ausschließlich die für die Überwachung der bestehenden Anlage zuständige Wasserrechtsbehörde zuständig.

 

Diese Ansicht teilt auch der VwGH. In seinem Erkenntnis vom 22.11.2018, Ro 2017/07/0033 zum ggstdl. Vorhaben stellt er fest, dass die Bestimmung des § 21a WRG in einem Genehmigungsverfahren grundsätzlich keine Anwendung findet, auch nicht in einem UVP-Genehmigungsverfahren (Rz 96 ff).

 

Allerdings ordnet die Bestimmung des § 3a Abs. 7 UVP-G 2000 an, bei einem Änderungsvorhaben auch das bereits genehmigte Vorhaben miteinzubeziehen, und zwar insoweit, als es wegen der Änderung zur Wahrung der in § 17 Abs. 1 bis 5 UVP-G 2000 angeführten Interessen erforderlich ist. Diesbezüglich wurde in den Beschwerden gerügt, im Verfahren seien die schutzgutbezogenen Vorbelastungen der Altanlage und ihr Zusammenwirken mit den Auswirkungen des Vorhabens nicht dargestellt worden. Die Altanlage mit ihrem teilweisen Totaleinzug von Fließgewässern sei schon lange nicht mehr Stand der Technik.

 

Die UVP-Behörde bzw. das Gericht ist nach der Bestimmung des § 3a Abs. 7 UVP-G 2000 befugt, im Rahmen einer Änderungsgenehmigung auch in den aufrechten behördlichen Konsens einzugreifen, soweit dies zur Wahrung der Schutzgüter des § 17 Abs. 1 bis 5 UVP-G 2000 erforderlich ist (VwGH 22.11.2018, Ro 2017/07/0033). Dies ist nach der Rechtsprechung jedoch nur der Fall, wenn durch die beantragte Änderung auch das Ausmaß der von der bestehenden Anlage ausgehenden Immissionen eine Änderung erfährt. Die Tatsache, dass die negativen Auswirkungen auf die Umwelt infolge der Vorhabenänderung insgesamt zunehmen, rechtfertigt noch nicht, dass die Änderungsgenehmigung sich auf die bereits genehmigten Teile des Vorhabens erstreckt. In diesem Fall ist die Gesamtimmission vielmehr durch entsprechende Auflagen in der Änderungsgenehmigung auf das zulässige Maß zu reduzieren. Ist aber die Änderung der Anlage dergestalt, dass durch sie neue oder größere Immissionen durch die bestehende Anlage ausgelöst werden, dann hat insoweit die Genehmigung der Änderung auch die bereits genehmigte Anlage zu umfassen (vgl. hiezu VwGH 10.9.2008, 2008/05/0009, sowie Bergthaler/Ennöckl/N.Raschauer, UVP-G, zu § 3a Abs. 7 und die dort wiedergegebene Rechtsprechung des VwGH zu § 81 Abs. 1 GewO 1977). Auch ins seinem das Ersterkenntnis zum ggstl. Vorhaben aufhebenden Erkenntnis vom 22.11.2018 hat der VwGH das Bundesverwaltungsgericht nur dahingehend gerügt, dass es es im vorliegenden Fall unterlassen habe, sich mit der Beantwortung der Frage näher auseinander zu setzen, ob durch das beantragte Vorhaben das Ausmaß der von den bestehenden Anlagen ausgehenden und verursachten Emissionen verändert bzw. erhöht würde.

 

Dass durch das Vorhaben die Umweltbelastung durch die Altanlage vergrößert würde, hat das Ermittlungsverfahren aber gerade nicht ergeben (vgl. Pkt. 1.14 der Feststellungen). Der angefochtene Bescheid enthält dazu auf S. 326 f folgende Ausführungen:

 

"Eingriffe in die bestehenden Anlagenteile der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz sind demnach nur dann zulässig, wenn durch das verfahrensgegenständliche Änderungsvorhaben auch die von den bestehenden Anlagenteilen ausgehenden Auswirkungen eine Änderung erfahren, also vom Bestand auf Grund der Änderungen neue oder größere Auswirkungen ausgehen. Die bloße Vermehrung der Gesamtauswirkungen der künftigen Gesamtanlage (Bestand und SKW Kühtai) rechtfertigt noch keinen Eingriff in den genehmigten Bestand, sondern ist dem gegebenenfalls durch Vorschreibung von Maßnahmen für das Änderungsvorhaben zu begegnen.

 

Mehrere Einwender, insbesondere der Landesumweltanwalt, verlangen die Einbeziehung der Altanlage, konkret der bestehenden Wasserfassungen, in das gegenständliche Genehmigungsverfahren und im Zuge dessen die Vorschreibung einer dem Stand der Technik entsprechenden Restwasserabgabe an den bestehenden Wasserfassungen der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz. Im Lichte der obigen Ausführungen wäre eine Einbeziehung der bestehenden Wasserfassungen in gegenständliches UVP-Genehmigungsverfahren nur dann zulässig, wenn von den bestehenden Wasserfassungen bei Realisierung des beantragten Änderungsvorhabens neue oder größere Auswirkungen ausgehen würden. Gerade der Frage der Einbeziehung der Altanlage in gegenständliches Genehmigungsverfahren wurde besonderes Augenmerk geschenkt und diesbezüglich ein umfassender Fragenkatalog an die Prüfgutachter formuliert (vgl. dazu insbesondere den Fragenbereich 3 des Prüfbuchs). Neue oder größere Auswirkungen, die von den bestehenden Wasserfassungen ausgehen, konnten von den Prüfgutachtern nicht erkannt werden. Für die Behörde ist auch nicht vorstellbar, inwiefern gegenständliches Änderungsvorhaben neue oder größere Auswirkungen bei den bestehenden Wasserfassungen bedingen kann, ein konkretes Vorbringen dazu bleiben die Einwender auch schuldig. Ein Eingriff in die bestehenden Wasserfassungen, im Konkreten die Vorschreibung einer dem Stand der Technik entsprechenden Restwasserabgabe, ist im Rahmen des gegenständlichem UVP-Genehmigungsverfahrens unter Rückgriff auf § 3a Abs. 7 UVP-G 2000 somit nicht zulässig. [...] Soweit die Einwender monieren, den Projektsunterlagen seien keine Angaben bezüglich der Vorbelastung der bestehenden Anlagenteile der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz zu entnehmen, so sprechen sie damit den Beurteilungsgegenstand an. Der Beurteilungsgegenstand ist strikt vom vorhin erläuterten Verfahrens- und Entscheidungsgegenstand zu unterscheiden. Der Beurteilungsgegenstand ist in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht jener Bereich, in dem nach fachlicher Beurteilung und auf Grundlage der Genehmigungsvoraussetzungen erhebliche Auswirkungen möglich sind. Für diesen Bereich sind jene fachlichen Untersuchungen durchzuführen, die erforderlich sind, um eine Genehmigungsentscheidung zu treffen, in anderen Worten die Umweltverträglichkeit im Sinne des § 17 UVP-G 2000 iVm den anzuwendenden Genehmigungsvoraussetzungen der Materiengesetze zu beurteilen und festzustellen, ob und mit welchen Auflagen, Bedingungen, Befristungen, Projektsmodifikationen, Ausgleichsmaßnahmen oder sonstigen Maßnahmen die Auswirkungen des Vorhabens auf ein den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes Maß beschränkt werden können. Nach § 6 Abs. 1 Z 3 und 4 UVP-G 2000 hat die Umweltverträglichkeitserklärung u.a. eine Beschreibung der voraussichtlich vom Vorhaben beeinträchtigten Umwelt (Istzustand mit allfälliger Vorbelastung) und eine Beschreibung der voraussichtlich erheblichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt (Planzustand) zu umfassen, wobei beim Planzustand auch Wechselwirkungen und kumulative Wirkungen zu berücksichtigen sind. Denkbar wäre somit die Beschreibung der Auswirkungen der Bestandsanlage in zweifacher Hinsicht, und zwar zum einen bei der Beschreibung des Istzustandes (Vorbelastung), nämlich dann, wenn die erheblichen Auswirkungen des Änderungsvorhabens in den Auswirkungsbereich der Bestandsanlage "hineinreichen", zum anderen bei der Beschreibung des Planzustandes, nämlich beispielsweise dann, wenn die kumulierenden Wirkungen von Änderungsvorhaben und Bestand zu erheblichen Umweltauswirkungen führen. Beide Gesichtspunkte wurden im Verfahren umfassend geprüft, und zwar mit dem Ergebnis, dass der Untersuchungsraum und auch der Untersuchungsrahmen seitens der Konsenswerberin grundsätzlich unter Einhaltung des Standes der Technik nachvollziehbar und plausibel gewählt wurde und gegebenenfalls Ergänzungen durch die Prüfgutachter selbstständig durchgeführt werden konnten. Etwaige Wechselwirkungen und Kumulierungen wurden von den Prüfgutachtern umfassend geprüft, beschrieben und bewertet (vgl. ausführlich Kapitel B.II.2. und B.II.3.). Darüber hinaus sind keine Rechtsvorschriften erkennbar, die eine - wie von den Einwendern geforderte - undifferenzierte Erfassung der Vorbelastungen durch die Bestandsanlage rechtfertigen würden."

 

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich diesen Ausführungen vollinhaltlich an. Es übersieht dabei nicht, dass die gewässerökologischen Sachverständigen des Gerichts in ihrem Gutachten zu den Beschwerdevorbringen vom 19.2.2017 einem Auftrag des Gerichts nachgekommen sind und eine grobe fachliche Prüfung der bestehenden Überleitungen bzw. eine Prioritätenreihung hinsichtlich möglicher Ausgleichsstrecken vorgenommen, die in einer Tabelle in Pkt. 4 des Gutachtens zum Ausdruck kommt. Einige der dort aufgelisteten, grün hinterlegten Fleißgewässer haben lt. dieser Tabelle ein "hohes Potential als Ausgleichsmaßnahmen für Restwasserstrecken durch das geplante Vorhaben". Zu dieser Tabelle wurden die Sachverständigen auch in der mündlichen Verhandlung befragt und sagten aus, dass eine derartige zusätzliche Abgabe von Dotierwasser gewässerökologisch "natürlich eine Verbesserung" darstellen würde. Dies ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass die Auswirkungen der Gewässereinzüge durch die Altanlage durch das Vorhaben nach den Feststellungen der Sachverständigen keine Veränderung erfahren und daher eine Anwendung des § 3a Abs. 7 UVP-G 2000 ausgeschlossen ist.

 

Abschließend ist zu diesem Thema noch darauf hinzuweisen, dass die betreffenden Sachverständigen vielmehr, wie oben ausgeführt, andere Vorschläge für Maßnahmen eingebracht haben, durch die ein effizienter Ersatz der beeinträchtigten Schutzgüter außerhalb der bestehenden Anlage erfolgen kann, und diese ausführlich begründet (siehe insb. oben Kap. 1.13.2.3.). Es bestand daher für das Gericht auch fachlich kein Grund, durch die Vorschreibung von Nebenbestimmungen in die bestehende Anlage einzugreifen.

 

2.9. Raumordnung, Tourismus:

 

Gemäß § 19 Abs. 3 UVP-G 2000 ist eine Standortgemeinde berechtigt, die Einhaltung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Umwelt oder der von ihr wahrzunehmenden öffentlichen Interessen dienen, als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen und Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben.

 

Gemäß § 31 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 - TROG hat jede Gemeinde im Rahmen der örtlichen Raumordnung ein örtliches Raumordnungskonzept, einen Flächenwidmungsplan sowie nach Maßgabe des § 54 Bebauungspläne zu erlassen. Im örtlichen Raumordnungskonzept ist etwa die angestrebte wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde unter besonderer Berücksichtigung der Wirtschaftszweige und Betriebsformen mit erheblichen Auswirkungen auf die sonstige Entwicklung der Gemeinde, insbesondere der Tourismuswirtschaft sowie der Großformen von Handel, Gewerbe und Industrie, festzulegen.

 

Die Belange des Tourismus zählen daher zu den von der Gemeinde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen, obgleich die Wahrung, Förderung und Vertretung der örtlichen und regionalen Belange des Tourismus nach § 3 Abs. 1 des Tiroler Tourismusgesetzes 2006 nicht den Gemeinden, sondern den Tourismusverbänden obliegt (vgl. schon die Entscheidung des Umweltsenates vom 5.12.2012, US 2A/2010/18-245 Oberinntal Gemeinschaftskraftwerk, 125).

 

Die Belange des Tourismus, wie sie von der Gemeinde XXXX geltend gemacht werden - durch die geplante Restwasserführung würde ein wesentliches Element der Strategie der Gemeinde für den Sommertourismus, nämlich die Nutzung der durch Wildwasser geprägten Erlebnisqualität, gefährdet werden - finden sich allerdings durch kein Genehmigungskriterium besonders geschützt, und zwar weder nach § 29 TNSchG noch nach § 17 UVP-G 2000 (vgl. die Darstellung zu ökonomischen Aspekten im UVP-G bei Lindner/Sladek, Fischer, Jäger, Forst- und Landwirte in der UVP, RdU 2010, 42, 45). Eine Gefährdung von Gemeindeeigentum oder Eigentum von Privatpersonen i.S.d. § 17 Abs. 2 Z 2 lit. a UVP-G 2000 kommt nur dann in Frage, wenn diese einer Substanzvernichtung gleichkommt (vgl. etwa Schmelz/Schwarzer, UVP-G, § 17 Rz 129f; VwGH 24.6.2009, 2007/05/0171). Derartiges ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

Die wirtschaftlichen Belange des Tourismus können nur im Rahmen von gesetzlich gebotenen Interessenabwägungen, im konkreten Fall gemäß § 104a WRG und 29 Abs. 1 und 2 TNSchG, Berücksichtigung finden. Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme ist mit keinen erheblichen Auswirkungen auf den Tourismus zu rechnen. Im Hinblick darauf können auch die von der Gemeinde vertretenen Belange des Tourismus dem überwiegenden öffentlichen Interesse an der Nutzung der Wasserkraft durch das beantragte Vorhaben nicht entgegenstehen.

 

2.10. Gesamtbewertung:

 

Das zunächst vom Bundesverwaltungsgericht erlassene Erkenntnis in diesem Beschwerdeverfahren vom 3.8.2017 wurde vom VwGH u.a. deshalb aufgehoben, weil es keine bzw. eine ungenügende Gesamtbewertung nach § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 enthielt und sich das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen auf die bereits durchgeführte Interessenabwägung nach Wasser- und Naturschutzrecht zurückgezogen hatte.

 

§ 17 Abs. 5 UVP-G 2000 lautet:

 

"Entscheidung

 

§ 17. [...]

 

(5) Ergibt die Gesamtbewertung, dass durch das Vorhaben und seine Auswirkungen, insbesondere auch durch Wechselwirkungen, Kumulierung oder Verlagerungen, unter Bedachtnahme auf die öffentlichen Interessen, insbesondere des Umweltschutzes, schwerwiegende Umweltbelastungen zu erwarten sind, die durch Auflagen, Bedingungen, Befristungen, sonstige Vorschreibungen, Ausgleichsmaßnahmen oder Projektmodifikationen nicht verhindert oder auf ein erträgliches Maß vermindert werden können, ist der Antrag abzuweisen. Im Rahmen dieser Abwägung sind auch relevante Interessen der Materiengesetze oder des Gemeinschaftsrechts, die für die Realisierung des Vorhabens sprechen, zu bewerten."

 

Die langjährige Spruchpraxis des Umweltsenates sowie die Judikatur des VwGH und des Bundesverwaltungsgerichts, z.T. auch die Literatur, haben dazu einige Grundsätze herausgearbeitet:

 

§ 17 Abs. 5 UVP-G 2000 soll insbesondere jene Auswirkungen, die durch Wechselwirkungen, Kumulations- oder Verlagerungseffekte verursacht werden, aber bei Anwendung der Genehmigungstatbestände der einzelnen Materiengesetze nicht vollständig erfasst werden können, abdecken. Dieser Bestimmung kommt damit eine Auffangfunktion zu.-

 

§ 17 Abs. 5 UVP-G 2000 ermächtigt die UVP-Behörde nur dann zur Antragsabweisung, wenn aufgrund der Gesamtbewertung aller in Betracht zu ziehenden öffentlichen Interessen schwerwiegende Umweltbelastungen zu erwarten sind, die auch durch Auflagen, Bedingungen, Befristungen, sonstige Vorschreibungen, Ausgleichsmaßnahmen oder Projektmodifikationen (die in Anwendung des § 17 Abs. 4 UVP-G 2000 i.V.m. materiengesetzlichen Vorschriften vorgeschrieben werden) nicht verhindert oder auf ein erträgliches Maß verringert werden können.-

 

Als schwerwiegende Umweltbelastungen kommen nur jene Umweltbelastungen infrage, die aufgrund der Gesamtbewertung als schwerwiegend eingestuft werden müssen und entweder von den Verwaltungsvorschriften und § 17 Abs. 2 UVP-G 2000 nicht erfasst werden oder die von den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften zwar erfasst werden, aber nach diesen keinen Versagungsgrund bilden.-

 

Eine Gesamtbewertung gemäß § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 kann das Ergebnis nach den mit anzuwendenden Verwaltungsvorschriften nur dann anders bewerten, wenn im Verfahren zusätzliche Aspekte bekannt würden, die im Rahmen der Anwendung der materiell-rechtlichen Bestimmungen gemäß § 17 Abs. 1 nicht abgedeckt sind (zu alldem im Detail mwN: Bergthaler/Raschauer/Ennöckl, UVP-G, Rz 86 ff zu § 17).-

 

Eine Abweisung des Genehmigungsantrages gemäß § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 setzt eine höhere Wahrscheinlichkeit des Eintretens schwerwiegender Umweltbelastungen voraus, die durch Auflagen, Bedingungen, Befristungen, sonstige Vorschreibungen, Ausgleichsmaßnahmen oder Projektsmodifikationen nicht verhindert oder auf ein erträgliches Maß vermindert werden können. Die Abweisung des Antrages ist daher dann gerechtfertigt, wenn mit einem entsprechend hohen Kalkül der Eintrittswahrscheinlichkeit die von einer Partei in ihren Einwendungen behaupteten Beeinträchtigungen im Verfahren hervorkommen (VwGH 6.7.2010, 2008/05/0115).

 

Die Behörde ist auf Basis eines - wie vom VwGH herausgestrichen wurde - differenziert dargestellten Verständnisses des Begriffs "Gesamtbewertung" einerseits davon ausgegangen, dass § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 dann Relevanz zukomme, wenn Auswirkungen nicht Gegenstand von gesetzlichen Zulässigkeitsregelungen sind, sei dies, weil solche Regelungen nicht bestehen, sei es, weil sie im konkreten Fall nicht anwendbar sind. § 17 Abs. 5 leg. cit. habe somit eine Auffangfunktion für jene Umweltauswirkungen, die im Rahmen der anzuwendenden Materiengesetze sowie des § 17 Abs. 2 und 3 UVP-G 2000 nicht ausreichend berücksichtigt werden können, wie beispielsweise Wechselwirkungen, Kumulierungen und Verlagerungen. Im Lichte dieses Verständnisses kämen primär Belange der Raumordnung und des Klimaschutzes, Sach- und Kulturgüter sowie allfällige Wechselwirkungen, Verlagerungen und Kumulierungen zwischen den betroffenen Umweltmedien als Aspekte in Betracht, die nicht bereits Gegenstand der Prüfung nach den anzuwendenden Materiengesetzen sowie des § 17 Abs. 2 und 3 UVP-G 2000 waren und deshalb durch § 17 Abs. 5 leg. cit. erfasst werden (S. 469 des Bescheides). Die Behörde prüfte daher, ob im Bereich Raumordnung, Kulturgüter, klimarelevante Aspekte sowie Verlagerungs- und Kumulierungseffekte zwischen den Umweltmedien erhebliche Umweltauswirkungen zu Tage traten, die nicht bereits im Verfahren nach den anzuwendenden Genehmigungstatbeständen geprüft und durch Nebenbestimmungen auf ein erträgliches Maß vermindert werden hätten können. Sie kam zum Schluss, dass dies nicht der Fall sei und insbesondere Verlagerungs- und Kumulierungseffekte zwischen den einzelnen Umweltmedien ebenso wenig hervorgekommen seien wie relevante Wechselwirkungen, sodass in einer Gesamtbetrachtung, also unter Bedachtnahme auf die für und gegen das Vorhaben sprechenden öffentlichen Interessen, schwerwiegende Umweltbelastungen jedenfalls ausgeschlossen werden könnten.

 

Insgesamt verbleibe, so die Behörde, somit für ein Vorgehen nach § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 kein Raum. Dies sei aber auch bei einem anderen Verständnis dieser Norm der Fall, nämlich bei Einbeziehung aller Umweltauswirkungen des Vorhabens, also auch jener, die bereits in den anzuwendenden Materiengesetzen vollumfänglich behandelt werden. Setze man das besondere Gewicht der mit dem Vorhaben verbundenen öffentlichen Interessen dazu, sei in einer Gesamtbewertung nicht von die Zulässigkeitsschranke bildenden "schwerwiegenden Umweltbelastungen" auszugehen. Die für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Interessen wögen höher als die Summe der damit verbundenen nachteiligen Umweltauswirkungen (Verlagerungs-, und Kumulationseffekte sowie Wechselwirkungen wurden ja keine ausgemacht).

 

Im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden die kritischen Umweltbereiche nochmals einer eingehenden Prüfung unterzogen. Dabei wurde festgestellt, dass

 

? keine schwerwiegenden Auswirkungen auf Oberflächenwässer verbleiben, da insbesondere aufgrund der vorgesehenen dynamischen Dotierwassermenge und der Festsetzung einer Mindestwasserführung die Voraussetzungen für den Erhalt des guten ökologischen Zustands mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erfüllt werden und dadurch den Anforderungen von § 13 Abs. 2 der QZV Ökologie OW entsprochen wird (Pkt. II. 1.4 und II. 1.5 dieses Erkenntnisses);

 

? eine ausreichende Kompensation für Verschlechterungen und Verlust von Gewässern vorgesehen und ein hohes Schutzniveau für die Umwelt sichergestellt wird, und zwar u.a. durch zusätzliche Auflagen in den Spruchpunkten A.I.5 und A.I.6 (Pkt. II. 1.13.2 dieses Erkenntnisses);

 

? bleibende Schädigungen des Bodens sowie des Tier- und Pflanzenbestandes aufgrund der im Beschwerdeverfahren vorgeschriebenen Präzisierungen in den Spruchpunkten A.I.1 und A.I.2 und zusätzlich vorgeschriebenen Kompensationsmaßnahmen in Spruchpunkt A.I.4 insgesamt verhindert werden können (Pkt. I. 1.9, I. 1.10, 1.13.1 dieses Erkenntnisses);

 

? geringe Auswirkungen auf Raumordnung und Erholungsnutzung verbleiben (Pkt. I. 1.12 dieses Erkenntnisses);

 

? wesentliche Auswirkungen auf das Landschaftsbild und den Erholungswert der Landschaft verbleiben (Pkt. I. 1.11 dieses Erkenntnisses);

 

? keine rechtlich verpönte Beeinträchtigung unionsrechtlich geschützter Arten oder von Schutzgebieten stattfindet (Pkt. I. 1.9.3 dieses Erkenntnisses);

 

? keine die Sicherheit der Anlage oder ihres Umfeldes gefährdenden Änderungen des Permafrostes, der Geschiebesituation oder der Grundwasserneubildung zu erwarten sind (Pkt. I. 1.6 dieses Erkenntnisses);

 

? das Trinkwasser nicht nachteilig beeinflusst wird (Pkt. I. 1.7 dieses Erkenntnisses);

 

? das Ruhegebiet nur geringfügig von Lärm während der Bauphase betroffen sein wird (Pkt. I. 1.8 dieses Erkenntnisses).

 

Die medienübergreifende Erfassung der Umweltauswirkungen (Verlagerungen, Wechselwirkungen, Kumulationen) wurde im behördlichen Verfahren durch Zuordnung von Beweisthemen/Fragestellungen an mehrere Prüfgutachter mit Bezeichnung der federführenden und unterstützenden Prüfgutachter sowie durch gemeinsame Sachverständigenbesprechungen geleistet. Etwaige Wechselwirkungen und Kumulierungen wurden von den Prüfgutachtern umfassend geprüft, beschrieben und bewertet (S. 294 und 327 des Bescheides). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurden die einschlägigen Sachverständigen für Raumordnung/Erholungsnutzung sowie für Landschaftsbild/Erholungswert gemäß den Beschwerdevorbringen dezidiert mit der Beurteilung kumulierender Effekte einschl. Vorbelastungen durch bestehende Wassereinzüge beauftragt. Sie haben in ihren Gutachten die Kumulationseffekte zwischen Bestehen der bisherigen Wasserfassungen der Altanlage und der neuen Wasserfassungen in Bezug auf die Erholungsnutzung als geringfügig und in Bezug auf das Landschaftsbild und den Erholungswert als - wegen Lage in unterschiedlichen Geländekammern - nicht beurteilbar klassifiziert. Sonstige medienübergreifende Umweltauswirkungen wurden auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von den Sachverständigen nicht identifiziert.

 

Demgegenüber wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aber festgestellt, dass insgesamt ein hohes öffentliches Interesse an der Energienutzung durch das geplante Vorhaben vorliegt und dass das Wasser effizient genutzt wird (Pkt. I. 1.2 dieses Erkenntnisses), sowie dass keine andere wesentlich bessere Umweltoption zur Verfügung steht (Pkt. I. 1.3 dieses Erkenntnisses).

 

Im Ergebnis schließt sich das Bundesverwaltungsgericht daher der von der Behörde vorgenommenen Gesamtbewertung an, dass die für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Interessen höher wiegen als die Summe der damit verbundenen nachteiligen Umweltauswirkungen.

 

2.11. Sonstiges:

 

2.11.1. Die Gemeinde XXXX wendet sich dagegen, dass materiengesetzlich vorgesehene Zustimmungserfordernisse des Grundeigentümers nicht beachtet und von der Behörde "nach Art von privatrechtlichen Einwendungen Dritter unberücksichtigt gelassen" worden seien. Dabei übersieht sie aber, dass § 17 Abs. 1 UVP-G 2000 vorsieht, dass die Zustimmung Dritter insoweit keine Genehmigungsvoraussetzung ist, als für den betreffenden Teil des Vorhabens in einer Verwaltungsvorschrift die Möglichkeit der Einräumung von Zwangsrechten vorgesehen ist. Die Genehmigung ist in diesem Fall jedoch unter dem Vorbehalt des Erwerbs der entsprechenden Rechte zu erteilen.

 

Für das gegenständliche Vorhaben stellen die §§ 62 ff WRG weitreichende Möglichkeiten der Zwangsrechtsbegründung zur Verfügung, die nach Erteilung der Genehmigung bei der Wasserrechtsbehörde zu beantragen sind. Diese Verfahren sind, mit Ausnahme geringfügiger Grundinanspruchnahme gem. § 111 Abs. 4 WRG, nicht Teil des UVP-Verfahrens (vgl. auch die Definition der "Genehmigung" in § 2 Abs. 3 UVP-G 2000: Baumgartner/Petek, UVP-G 2000, 60; Schmelz/Schwarzer, UVP-G, § 17 Rz 75f)

 

2.11.2. Auch das Vorbringen, soweit bauliche Anlagen errichtet werden, sei die "baurechtliche Zuständigkeit eröffnet und das Verfahren wegen eines Widmungswiderspruches im Sinn einer (teil‑)Zurückweisung zu beenden" geht ins Leere. Aus dem Bescheid ergibt sich, dass eine Kantine, ein Wohnlager und ein Informationszentrum errichtet sowie eine Jagdhütte abgebrochen werden sollen. S. 457 des Bescheides enthält eine ausführliche Beschreibung der baurechtlichen Zulässigkeit i.S. der §§ 43 und 46 TirBauO. Die Zuständigkeit der Baubehörde ist für die Genehmigung UVP-pflichtiger Vorhaben ausgeschlossen: Gem. § 3 Abs. 3 UVP-G 2000 sind, wenn ein Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist, die nach den bundes- oder landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften, auch soweit sie im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu vollziehen sind, für die Ausführung des Vorhabens erforderlichen materiellen Genehmigungsbestimmungen von der UVP-Behörde (§ 39) in einem konzentrierten Verfahren mit anzuwenden (konzentriertes Genehmigungsverfahren).

 

Im Übrigen führt die Beschwerde der Gemeinde XXXX nicht aus, welche Widmungsvorschriften sie durch welches Bauwerk auf in ihrem Gemeindegebiet als verletzt ansieht.

 

2.11.3. Der Vorwurf, dem Bescheid könne nicht ohne jeden weiteren Zweifel entnommen werden, auf welchen Antragsgegenstand er sich beziehe und dieser sei daher in seinem Spruch unbestimmt, trifft nicht zu. Zwar ist den dies vorbringenden Beschwerdeführerinnen zuzugestehen, dass sich die Genehmigung auf den Antrag und zahlreiche weitere Eingaben während des Verfahrens bezieht. Der Bescheid enthält jedoch auf knapp 40 Seiten eine aktuelle Vorhabensbeschreibung und bezieht sich auf exakt bezeichnete und vidierte Projektunterlagen. Diese enthalten in Teil B eine mit 12.4.2013 (entspricht der Eingabe vom 10.5.2013, "Revision 3") aktuelle, detaillierte Vorhabensbeschreibung, die wiederum exakte Verweise auf die Detailunterlagen aufweist. Mit Eingabe vom 30.9.2013 erfolgten danach einzelne Konkretisierungen des Vorhabens in Detailfragen bspw. zu Wegführungen, am 25.4.2014 Konkretisierungen zum Unterwasserbecken Silz, am 12.5.2014 wurde eine nicht verwirklichte Alternativdarstellung der Auswirkungen einer Durchführung des Baus ohne Hubschrauberflüge eingereicht. Mit Eingabe vom 21.5.2014 wurde eine als "Revision 4" bezeichnete Modifikation hinsichtlich genau beschriebener Maßnahmen im Bereich "Wilde Grube" eingebracht. Diese Eingabe enthält auch ein aktualisiertes Verzeichnis aller in der KG Neustift betroffenen anlagenbezogenen Flächen (Grundstücke). In der mündlichen Verhandlung wurde eine Projektmodifikation zur unveränderten Überwasserabgabe an der Wehranlage des Kraftwerks Fulpmes (zusätzlich schriftlich am 16.2.2015), zu einem Warnkonzept vor Spülungen an den Wasserfassungen unter Berücksichtigung der dann aktuellen Nutzungs- und Freizeitansprüche sowie zur Restwasserdotation am Fernaubach (siehe auch Bescheid S. 159) eingebracht.

 

Es handelt sich zwar um zahlreiche Modifikationen, doch waren diese für das Gericht in den Vorhabensunterlagen leicht auffindbar und erscheinen klar strukturiert sowie aufeinander aufbauend. Es wäre sicherlich wünschenswert und benutzerfreundlich, würde die Projektwerberin eine vollständig konsolidierte Version sämtlicher Vorhabensbestandteile zur Verfügung stellen. Eine "Denksportaufgabe" stellt es allerdings zweifellos nicht dar, das Genehmigte zu rekonstruieren. Es kann daher keine Unbestimmtheit des Spruchs und schon gar keine Verfassungswidrigkeit erkannt werden.

 

2.11.4. Das Beschwerdevorbringen, die Projektwerberin habe keine Verfügungsgewalt über die Anlage, weil die gesamte Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz über Cross-Border-Leasingverträge an US-amerikanische Investoren veräußert worden sei, geht ins Leere. Zum einen ist auf S. 334 des Bescheides ausführlich dargelegt, dass die Projektwerberin weiterhin die Verfügungsgewalt über die bestehende und die beantragte Anlage hat, zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass nur der Projektwerberin die Genehmigung zur Verwirklichung des gegenständlichen Vorhabens erteilt wird. Aufgrund der dinglichen Wirkung des Bescheides und dieses Erkenntnisses haften die erteilten Berechtigungen und auferlegten Verpflichtungen zudem nicht an der Person der Antragstellerin, sondern an der genehmigten Anlage, sodass bei einer Veräußerung in welcher Form auch immer der neue Eigentümer diese Verpflichtungen übernimmt, ohne dass es eines weiteren behördlichen Aktes bedarf (§ 17 Abs. 9 UVP-G 2000, Schmelz/Schwarzer, UVP-G, § 17 Rz 230ff).

 

2.12. Spruchteil B - Revision:

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil zur einzigen hier entscheidenden und nicht durch Rechtsprechung des Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshofs geklärten Frage, wann eine bleibende Schädigung des Pflanzen- und Tierbestandes i.S. des § 17 Abs. 2 Z 2 lit. b UVP-G 2000 vorliegt, mittlerweile sogar das konkrete Vorhaben betreffende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt (VwGH 22.11.2018, Ro 2017/07/0033).

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