BVwG I413 2199342-1

BVwGI413 2199342-111.2.2021

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §58 Abs5
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:I413.2199342.1.00

 

Spruch:

 

I413 2199342-1/18E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch RA Mag. Dr. Helmut BLUM, LL.M., gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.09.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt III. wie folgt zu lauten hat: „Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 AsylG wird XXXX nicht erteilt.“

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 06.09.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab er zu seinem Fluchtgrund befragt an: „Es herrscht Krieg im Irak, ich habe Angst vor IS-Kämpfern. Das sind alle meine Gründe, warum ich nach Österreich gereist bin. Ich habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung.“ Bei einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

2. Da der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers unbekannt war, wurde das Asylverfahren am 23.10.2017 eingestellt.

3. Am 17.01.2018 wurde der Beschwerdeführer gemäß den Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 aus dem Vereinigten Königreich nach Österreich rücküberstellt.

4. Am 09.04.2018 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) einvernommen. Hierbei gab er - befragt zu seinen Fluchtgründen - zusammengefasst an, sich in ein Mädchen verliebt zu haben und von dessen Familie eines Nachts erwischt worden zu sein. Zwar habe der Beschwerdeführer zunächst unerkannt flüchten können, allerdings habe die Familie des Mädchens dieses so heftig verprügelt, dass sie gestorben sei. Zuvor habe sie jedoch noch den Namen des Beschwerdeführers genannt, weshalb er nun mit dem Tod bedroht sei, da nach den örtlichen Sitten und Gebräuchen für die Wiederherstellung der Ehre die Tötung vorgesehen sei. Auch sein Vater würde ihn bei einer Rückkehr töten, da er strenggläubig sei und dies als seine religiöse Pflicht sehe.

5. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 06.06.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine damalige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 25.06.2018 vollumfänglich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

7. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.09.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I413 neu zugewiesen.

8. Am 14.09.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer in Anwesenheit seines Rechtsvertreters als Partei sowie der Zeuge XXXX einvernommen wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der in Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos, Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und bekennt sich zum sunnitisch-moslemischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.

Er ist gesund und erwerbsfähig.

Der Beschwerdeführer reiste (spätestens) am 06.09.2017 erstmals illegal nach Österreich ein. Seit seiner Rücküberstellung aus dem Vereinigten Königreich am 17.01.2018 hält er sich durchgehend im Bundesgebiet auf.

Er stammt aus der Stadt Qaladeze in der Kurdischen Region im Irak nördlich von Sulaymaniyah nahe der iranischen Grenze. Dort lebte er bis zu seiner Ausreise Mitte des Jahres 2017 und besuchte elf Jahre lang die Schule. Seine Eltern und Geschwister sowie mehrere Onkel und Tanten leben nach wie vor in der Heimatstadt des Beschwerdeführers und steht er zumindest auch mit seiner Mutter und einem Bruder in Kontakt.

In Österreich sowie auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte und er lebt in keiner Beziehung oder Lebensgemeinschaft.

Bis zum 09.06.2020 betritt der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt aus Leistungen der staatlichen Grundversorgung, seither ist er als Betreiber einer Pizzeria selbstständig erwerbstätig und bringt dabei ein monatliches Einkommen zwischen 1.500 Euro und 2.000 Euro ins Verdienen. Er ist somit seit Juni 2020 selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer hat Deutsch auf einfachem Niveau erlernt, bislang jedoch keine Sprachprüfung absolviert. Er hat diverse freundschaftliche Bindungen geknüpft, wobei diesbezüglich keine besonderen Abhängigkeiten vorliegen. Ehrenamtliche Betätigungen oder Mitgliedschaften in Vereinen konnten nicht festgestellt werden. Er weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sozialer und kultureller Hinsicht auf.

1.2. Zu den Fluchtmotiven und einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen ist der Beschwerdeführer im Irak keiner Gefahr einer Verfolgung durch Familienangehörige seiner ehemaligen Freundin ausgesetzt und droht auch keine solche Verfolgung durch seinen eigenen Vater.

Vor seiner Ausreise war der Beschwerdeführer im Herkunftsstaatdiesem keiner aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt.

Er wird im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie auch immer gearteten unmittelbaren persönlichen und konkreten Bedrohung oder Gefährdung oder einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein. Weder wird ihm seine Lebensgrundlage gänzlich entzogen, noch besteht für ihn die reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

 

 

1.3. Feststellungen zur Lage im Irak:

Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen, soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz sind:

1.3.1. Allgemeine Sicherheitslage:

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen, territorialen Sieg über den Islamischen Staat (IS) (Reuters 9.12.2017; vgl. AI 26.2.2019). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem verbessert (FH 4.3.2020). Ende 2018 befanden sich die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) in der nominellen Kontrolle über alle vom IS befreiten Gebiete (USDOS 1.11.2019).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.1.2019).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.1.2019). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (FIS 6.2.2018). Die Zahl der Entführungen gegen Lösegeld zugunsten extremistischer Gruppen wie dem IS oder krimineller Banden ist zwischenzeitlich zurückgegangen (Diyaruna 5.2.2019), aber UNAMI berichtet, dass seit Beginn der Massenproteste vom 1.10.2019 fast täglich Demonstranten in Bagdad und im gesamten Süden des Irak verschwunden sind. Die Entführer werden als „Milizionäre“, „bewaffnete Organisationen“ und „Kriminelle“ bezeichnet (New Arab 12.12.2019).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 2.10.2019a). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungskräfte (PMF) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019b; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019b; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).

Als Reaktion auf die Ermordung des stellvertretenden Leiters der PMF-Kommission, Abu Mahdi Al-Muhandis, sowie des Kommandeurs der Quds-Einheiten des Korps der Islamischen Revolutionsgarden des Iran, Generalmajor Qassem Soleimani, durch einen Drohnenangriff der USA am 3.1.2020 (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020; Joel Wing 15.1.2020) wurden mehrere US-Stützpunkte durch den Iran und PMF-Milizen mit Raketen und Mörsern beschossen (Joel Wing 15.1.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 13.3.2020

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/ , Zugriff 13.3.2020

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019b): Regional Overview – Middle East 2 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/02/regional-overview-middle-east-2-october-2019/ , Zugriff 13.3.2020

- AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf , Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (24.9.2019): Two rockets 'hit' near US embassy in Baghdad's Green Zone, https://www.aljazeera.com/news/2019/09/rockets-hit-embassy-baghdad-green-zone-190924052551906.html , Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (25.8.2019): Iraq paramilitary: Israel behind drone attack near Syria border, https://www.aljazeera.com/news/2019/08/iraq-paramilitary-israel-drone-attack-syria-border-190825184711737.html , Zugriff 13.3.2020

- Al Monitor (23.2.2020): Iran struggles to regain control of post-Soleimani PMU, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/02/iraq-iran-soleimani-pmu.html , Zugriff 13.3.2020

- Diyaruna (5.2.2019): Baghdad sees steep decline in kidnappings, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/02/05/feature-02 , Zugriff 13.3.2020

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020 , Zugriff 13.3.2020

- FIS - Finnish Immigration Service (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving, https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable_but_improving/10061710 , Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (15.1.2020): Pro-Iran Hashd Continue Attacks Upon US Interests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/pro-iran-hashd-continue-attacks-upon-us.html , Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html , Zugriff 13.3.2020

- MEMO - Middle East Monitor (21.1.2020): Iraq’s PMF appoints new deputy head as successor to Al-Muhandis, https://www.middleeastmonitor.com/20200221-iraqs-pmf-appoints-new-deputy-head-as-successor-to-al-muhandis/ , Zugriff 13.3.2020

- New Arab, The (12.12.2019): 'We are not safe': UN urges accountability over spate of kidnappings, assassinations in Iraq, https://www.alaraby.co.uk/english/news/2019/12/11/un-urges-accountability-over-spate-of-iraq-kidnappings-assassinations , Zugriff 13.3.2020

- Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9 , Zugriff 13.3.2020

- Reuters (30.9.2019): Iraqi PM says Israel is responsible for attacks on Iraqi militias: Al Jazeera, https://www.reuters.com/article/us-iraq-security/iraqi-pm-says-israel-is-responsible-for-attacks-on-iraqi-militias-al-jazeera-idUSKBN1WF1E5 , Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2019162.html , Zugriff 13.3.2020

1.3.2. Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen:

Die Zahl der durch Gewalt ums Leben gekommenen ist zwischen 2017 und 2019 erheblich gesunken. Waren 2015 noch etwa 17.500 zivile Gewaltopfer im Irak zu beklagen, so ist diese Zahl im Jahr 2019 auf rund 2.300 Gewaltopfer gesunken. Im Jahr 2020 gab es nach vorläufigen Schätzungen bis einschließlich August 650 zivile Todesopfer im Irak (Statista 21.09.2020), nach den Feststellungen von EASO 462 zivile Todesopfer zwischen Jänner und Juli 2020 (EASO 10.2020).

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden im Lauf des Monats November 2019 für den Gesamtirak 55 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 47 Toten und 98 Verletzten verzeichnet, wobei vier Vorfälle, Raketenbeschuss einer Militärbasis und der „Grünen Zone“ in Bagdad (Anm.: ein geschütztes Areal im Zentrum Bagdads, das irakische Regierungsgebäude und internationale Auslandvertretungen beherbergt), pro-iranischen Volksmobilisierungskräften (PMF) zugeschrieben werden (Joel Wing 2.12.2019). Im Dezember 2019 waren es 120 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 134 Toten und 133 Verletzten, wobei sechs dieser Vorfälle pro-iranischen Gruppen zugeschrieben werden, die gegen US-Militärlager oder gegen die Grüne Zone gerichtet waren (Joel Wing 6.1.2020). Im Jänner 2020 wurden 91 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 53 Toten und 139 Verletzten verzeichnet, wobei zwölf Vorfälle, Raketen- und Mörserbeschuss, pro-iranischen PMF, bzw. dem Iran zugeschrieben werden, während der Islamische Staat (IS) für die übrigen 79 verantwortlich gemacht wird (Joel Wing 3.2.2020). Im Februar 2020 waren es 85 Vorfälle, von denen drei auf pro-iranischen PMF zurückzuführen sind (Joel Wing 5.3.2020).

Der Rückgang an Vorfällen mit IS-Bezug Ende 2019 wird mit den Anti-Regierungsprotesten in Zusammenhang gesehen, da der IS bereits in den vorangegangenen Jahren seine Angriffe während solcher Proteste reduziert hat. Schließlich verstärkte der IS seine Angriffe wieder (Joel Wing 3.2.2020).

Quellen:

- ACCORD (26.2.2020): Irak, 4. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/2025321/2018q4Iraq_de.pdf , Zugriff 13.3.2020

- IBC - Iraq Bodycount (2.2020): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/ , Zugriff 13.3.2020

- EASO Country of Origin Information Report (EASO 10.2020), Iraq: Security Situation, October 2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (5.3.2020): Violence Largely Unchanged In Iraq In February 2020, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/03/violence-largely-unchanged-in-iraq-in.html , Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html , Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html , Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (2.12.2019): Islamic State Waits Out The Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/12/islamic-state-waits-out-protests-in-iraq.html , Zugriff 13.3.2020

- Statista Research Department - deutsches Online-Portal für Statistik (21.09.2020): Anzahl der dokumentierten zivilen Todesopfer im Irakkrieg und in den folgenden Jahren von 2003 bis 2020*, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/163882/umfrage/dokumentierte-zivile-todesopfer-im-irakkrieg-seit-2003/#professional , Zugriff 30.9.2020

1.3.3. Kurdische Region im Irak (KRI) / Autonome Region Kurdistan:

Die Kurdische Region im Irak (KRI) wird in der irakischen Verfassung, in Artikel 121, Absatz 5 anerkannt (Rudaw 20.11.2019). Die KRI besteht aus den Gouvernements Erbil, Dohuk und Sulaymaniyah. sowie aus dem im Jahr 2014 durch Ministerratsbeschluss aus Sulaymaniyah herausgelösten Gouvernement Halabja, wobei dieser Beschluss noch nicht in die Praxis umgesetzt wurde. Verwaltet wird die KRI durch die kurdische Regionalregierung (KRG) (GIZ 1.2020a).

Das Verhältnis der Zentralregierung zur KRI hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der KRI und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil „umstrittener Gebiete“ ab dem 25.9.2017 deutlich verschlechtert. Im Oktober 2017 kam es sogar zu lokal begrenzten militärischen Auseinandersetzungen (AA 12.1.2019). Der langjährige Präsident der KRI, Masoud Barzani, der das Referendum mit Nachdruck umgesetzt hatte, trat als Konsequenz zurück (GIZ 1.2020a).

Der Konflikt zwischen Bagdad und Erbil hat sich im Lauf des Jahres 2018 wieder beruhigt, und es finden seither regelmäßig Gespräche zwischen den beiden Seiten statt. Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind jedoch weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der KRI (AA 12.1.2019).

Die KRI ist seit Jahrzehnten zwischen den beiden größten Parteien geteilt, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP), angeführt von der Familie Barzani, und deren Rivalen, der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), die vom Talabani-Clan angeführt wird (France24 22.2.2020; vgl. KAS 2.5.2018). Die KDP hat ihr Machtzentrum in Erbil, die PUK ihres in Sulaymaniyah. Beide verfügen einerseits über eine bedeutende Anzahl von Sitzen im Irakischen Parlament und gewannen andererseits auch die meisten Sitze bei den Wahlen in der KRI im September 2018 (CRS 3.2.2020). Der Machtkampf zwischen KDP und PUK schwächt einerseits inner-kurdische Reformen und andererseits Erbils Position gegenüber Bagdad (GIZ 1.2020a). Dazu kommen Gorran („Wandel“), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert (KAS 2.5.2018; vgl. WI 8.7.2019), sowie eine Reihe kleinerer islamistischer Parteien (KAS 2.5.2018).

Auch nach dem Rücktritt von Präsident Masoud Barzani teilt sich die Barzani Familie die Macht. Nechirvan Barzani, langjähriger Premierminister unter seinem Onkel Masoud, beerbte ihn im Amt des Präsidenten der KRI. Masrour Barzani, Sohn Masouds, wurde im Juni 2019 zum neuen Premierminister der KRI ernannt (GIZ 1.2020a) und im Juli 2019 durch das kurdische Parlament bestätigt (CRS 3.2.2020).

Proteste in der KRI gehen auf das Jahr 2003 zurück. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind dabei gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau, sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht, Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018). Insbesondere in der nordöstlichen Stadt Sulaymaniyah kommt es zu periodischen Protesten, deren jüngste im Februar 2020 begannen (France24 22.2.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 13.3.2020

- CRS - Congressional Research Service (3.2.2020): Iraq and U.S. Policy, https://fas.org/sgp/crs/mideast/IF10404.pdf , Zugriff 13.3.2020

- France24 (22.2.2020): Iraqi Kurds rally against 'corruption' of ruling elite, https://www.france24.com/en/20200222-iraqi-kurds-rally-against-corruption-of-ruling-elite , Zugriff 13.3.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/ , Zugriff 13.3.2020

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459 , Zugriff 13.3.2020

- LSE - London School of Economics and Political Science (4.6.2018): Iraq and its regions: The Future of the Kurdistan Region of Iraq after the Referendum, http://eprints.lse.ac.uk/88153/1/Sleiman Haidar_Kurdistan_Published_English.pdf , Zugriff 13.3.2020

- Rudaw (20.11.2019): Will the Peshmerga reform – or be integrated into the Iraqi Army?, https://www.rudaw.net/english/analysis/201120191 , Zugriff 13.3.2020

- WI - Washington Institute (8.7.2019): Gorran and the End of Populism in the Kurdistan Region of Iraq , https://www.washingtoninstitute.org/fikraforum/view/gorran-and-the-end-of-populism-in-the-kurdistan-region-of-iraq , Zugriff 13.3.2020

Es ist möglich, ohne Bürgschaft in die Autonome Region Kurdistan einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen Erbil als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in Erbil frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragen. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der Autonomen Region Kurdistan bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

Quellen:

- IOM - International Organization for Migration (17.05.2017): Iraq Mission, http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , Zugriff 17.07.2020

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (12.04.2017): Iraq: Relevant COI for assessments on the availability of an internal flight or relocation alternative (IFA/IRA); Ability of persons ariginating from (previously or currently) ISIS-held or conflict areas to legally access and remain in proposed areas of relocation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf , Zugriff 17.07.2020

1.3.4. Sicherheitslage in der Kurdischen Region im Irak (KRI):

In Erbil bzw. Sulaymaniyah und unmittelbarer Umgebung erscheint die Sicherheitssituation vergleichsweise besser als in anderen Teilen des Irak. Allerdings kommt es immer wieder zu militärischen Zusammenstößen, in die auch kurdische Streitkräfte (Peshmerga) verwickelt sind, weshalb sich die Lage jederzeit ändern kann. Insbesondere Einrichtungen der kurdischen Regionalregierung und politischer Parteien sowie militärische und polizeiliche Einrichtungen können immer wieder Ziele terroristischer Attacken sein (BMEIA 19.2.2020).

Im Juli 2019 führte der IS seine seit langem erste Attacke auf kurdischem Boden durch. Im Gouvernement Sulaymaniyah attackierte er einen Checkpoint an der Grenze zu Diyala, der von Asayish [Anm.: Inlandsgeheimdienst der Kurdischen Region im Irak (KRI)] bemannt war. Bei diesem Angriff wurden fünf Tote und elf Verletzte registriert (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurde in Sulaymaniyah ein Vorfall mit einer IED verzeichnet, wobei es keine Opfer gab (Joel Wing 9.9.2019). Im November 2019 wurde ein weiterer Angriff im Gouvernement Sulaymaniyah verzeichnet. Der Vorfall ereignete sich im südlichen Sulaymaniyah, an der Grenze zu Diyala. Asayesh-Einheiten, die einen Mörserbeschuss untersuchten, wurden von Heckenschützen beschossen. Drei Personen, darunter ein Kommandant, starben, acht Personen, fünf Asayesh und drei Zivilisten wurden verletzt (Joel Wing 2.12.2019; vgl. Ekurd 30.11.2019).

Im Gouvernement Erbil wurde im Jänner 2020 ein sicherheitsrelevanter Vorfall ohne Opfer verzeichnet. Als Vergeltung für die Tötung des iranischen Generalmajors Qassem Soleimani und des stellvertretenden Leiters der Volksmobilisierungskräfte (PMF)-Kommission, Abu Mahdi Al-Muhandis durch die USA feuerte der Iran Raketen auf die US-Militärbasis nahe dem Internationalen Flughafen Erbil ab (Joel Wing 3.2.2020; vgl. Al Monitor 8.1.2020). Im Februar 2020 wurden drei Vorfälle mit sieben Verletzten im südlichen Distrikt Makhmour verzeichnet. Dabei handelte es sich um einen Raketenangriff pro-iranischer PMF auf einen US-Militärstützpunkt (Joel Wing 5.3.2020), um die Detonation zweier IEDs in einem Dorf mit sechs Verletzten (Joel Wing 5.3.2020; vgl. BasNews 26.2.2020) und um einen Angriff des IS auf ein IDP Lager, mit einem verletzten Zivilisten (Joel Wing 5.3.2020; vgl. BasNews 2.2.2020).

Seit dem Abbruch des Friedensprozesses zwischen der Türkei und der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Jahr 2015 kommt es regelmäßig zu türkischen Militäroperationen und Bombardements gegen Stellungen von PKK-Kämpfern in Qandil und in den irakischen Grenzgebieten (Kurdistan24 8.11.2019). Im Kreuzfeuer solcher Angriffe werden immer wieder kurdische Dörfer evakuiert, da manchmal auch Zivilisten und deren Eigentum von den Kämpfen bedroht und bei türkischen Luftangriffen getroffen wurden (ACLED 4.9.2019; vgl. Kurdistan24 8.11.2019).

Am 27.5.2019 initiierte die türkische Armee die „Operation Claw“ gegen Stellungen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Nordirak. Die erste Phase richtete sich gegen Stellungen in der Hakurk/Khakurk-Region im Gouvernement Erbil (Anadolu Agency 13.7.2019; vgl. Rudaw 13.7.2019). Die zweite Phase begann am 12.7.2019 und zielt auf die Zerstörung von Höhlen und anderen Zufluchtsorten der PKK (Anadolu Agency 13.7.2019). Die türkischen Luftangriffe konzentrierten sich auf die Region Amadiya im Gouvernement Dohuk, von wo aus die PKK häufig operiert (ACLED 17.7.2019). Ende August 2019 begann die dritte Phase, die sich wiederum gegen die PKK im Gouvernement Dohuk richtete. Betroffen waren vor allem grenznahe Orte, Regionen und Subdistrikte wie Zab, Sinat-Haftanin, Batifa und Avashin (Kurdistan24 8.11.2019).

Am 10. und 11.7.2019 bombardierte iranische Artillerie mutmaßliche PKK-Ziele im Subdistrikt Sidakan/Bradost im Gouvernement Sulaymaniyah, wobei ein Kind getötet wurde (Al Monitor 12.7.2019). In dem Gebiet gibt es häufige Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und iranisch-kurdischen Aufständischen, die ihren Sitz im Irak haben, wie die “Partei für ein Freies Leben in Kurdistan‘‘ (PJAK), die von Teheran beschuldigt wird, mit der PKK in Verbindungen zu stehen (Reuters 12.7.2019).

Quellen:

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (4.9.2019): Regional Overview – Middle East 4 September 2019, https://www.acleddata.com/2019/09/04/regional-overview-middle-east-4-september-2019/ , Zugriff 13.3.2020

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (17.7.2019): Regional Overview – Middle East 17 July 2019, https://www.acleddata.com/2019/07/17/regional-overview-middle-east-17-july-2019/ Zugriff 13.3.2020

- Al Monitor (8.1.2020): Did Iran missiles carry message for Kurds?, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/01/iraq-iran-us-kurds-erbil-soleimani.html , Zugriff 13.3.2020

- Al Monitor (12.7.2019): Iran shells Iraqi Kurdistan Region, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2019/07/iraq-iran-kurdistan-turkey.html , Zugriff 13.3.2020

- Anadolu Agency (13.7.2019): Turkey launches counter-terror Operation Claw-2 in N.Iraq, https://www.aa.com.tr/en/turkey/turkey-launches-counter-terror-operation-claw-2-in-niraq/1530592 , Zugriff 13.3.2020

- BasNews (26.2.2020): Twin Bomb Blasts Injure Six People near Makhmour, http://www.basnews.com/index.php/en/news/kurdistan/584601 , Zugriff 13.3.2020

- BasNews (2.2.2020): IS Raids Makhmour Refugee Camp, http://www.basnews.com/index.php/en/news/kurdistan/578773 , Zugriff 13.3.2020

- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (6.3.2020): Irak (Republik Irak), Sicherheit und Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/irak/ , Zugriff 13.3.2020

- Ekurd Daily (30.11.2019): Islamic State attack kills three security Asayish members in Iraqi Kurdistan, https://ekurd.net/islamic-state-attack-kills-2019-11-30 , Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (5.3.2020): Violence Largely Unchanged In Iraq In February 2020, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/03/violence-largely-unchanged-in-iraq-in.html , Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html , Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (2.12.2019): Islamic State Waits Out The Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/12/islamic-state-waits-out-protests-in-iraq.html , Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (9.9.2019): Islamic State’s New Game Plan In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/09/islamic-states-new-game-plan-in-iraq.html ,Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (5.8.2019): Islamic State’s Offensive Could Be Winding Down, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/08/islamic-states-offensive-could-be.html , Zugriff 13.3.2020

- Kurdistan24 (8.11.2019): Turkey intensifies operations in Kurdistan, northern Iraq, https://www.kurdistan24.net/en/news/83346a10-2d59-494a-ab13-ed1954960996 , Zugriff 13.3.2020

- Reuters (12.7.2019): Iran strikes opposition positions on border with Iraqi Kurdistan – Tasnim, https://www.reuters.com/article/us-iran-iraq-security/iran-strikes-opposition-positions-on-border-with-iraqi-kurdistan-tasnim-idUSKCN1U71E7 , Zugriff 13.3.2020

- Rudaw (13.7.2019): Turkey reinvigorates Operation Claw in Kurdistan Region against PKK, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/130720191 , Zugriff 13.3.2020

Die Sicherheitslage in Sulaymaniyah wird seit dem Jahr 2003 als „relativ sicher“ beschrieben (EASO 10.2020). Die türkische Luftwaffe hat 2019 und 2020 weiterhin regelmäßige Luftangriffe auf Positionen der kurdischen PKK in den Provinzen Sulaymaniyah, Erbil und Dohuk durchgeführt. Diese Luftangriffe haben landwirtschaftliche Schäden angerichtet und DorfbewohnerInnen dazu gezwungen, ihre Häuser zu evakuieren. Die Angriffe haben in den Provinzen Erbil und Dohuk und in einem geringeren Ausmaß in Sulaymaniyah stattgefunden.

In den letzten drei Jahren hat das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) eine Intensivierung der Luftangriffe und Drohnenangriffe durch türkische Kräfte in der Region Kurdistan verzeichnet. Im Juni 2019 sind bei türkischen Luftangriffen in der Provinz Sulaymaniyah vier Personen getötet und weitere vier verletzt worden. Im März 2020 sind PeschmergakämpferInnen im Zine Asterokan-Gebirge in der Nähe der Orte Warte (Provinz Erbil) und Shawre (Provinz Sulaymaniyah) stationiert worden, was Berichten zufolge im April und Mai 2020 zu Angriffen der türkischen Luftwaffe geführt hat. Im Mai 2020 haben türkische Luftangriffe PKK-Kämpfer im Norden der Provinz Sulaymaniyah ins Visier genommen und bei einem Angriff auf einen Kleinlastwagen im ländlichen Gebiet nördlich der Stadt Sulaymaniyah eine Person getötet und sechs weitere verletzt. Im Juni 2020 dokumentiert die NGO Christian Peacemaker Teams, dass bei einem türkischen Drohnenangriff in Kuna Masi [Provinz Sulaimaniya, Anm. ACCORD] mindestens vier ZivilistInnen verletzt wurden (Anfrage Staatendokumentation 12.11.2020).

Im Zeitraum vom Dezember 2019 bis April 2020 ist es zu Festnahmen von Kämpfern der Gruppe Islamischer Staat (IS) in der Provinz Sulaymaniyah gekommen und mehrere Mitglieder der Asayish (kurdische Sicherheitskräfte) und der Peschmerga sind bei Kämpfen mit IS-Kämpfern getötet worden. Im Juni 2020 sind infolge eines Lockdowns als Maßnahme gegen das Coronavirus in Sulaymaniyah Demonstrationen gegen die schlechte Wirtschaftslage und Mangel an Arbeitsmöglichkeiten ausgebrochen. Bei den Demonstrationen ist es zu Ausschreitungen gekommen und kurdische Sicherheitskräfte haben die Proteste aufgelöst, indem sie mit scharfer Munition in die Luft geschossen haben. (EASO 10.2020).

Das Gouvernement Sulaymaniyah verzeichnete im Jahr 2019 drei sicherheitsrelevante Vorfälle mit drei zivilen Todesfällen und elf Verletzten. Demgegenüber wurden von Jänner bis Juli 2020 zwei sicherheitsrelevante Vorfälle ohne Tote jedoch mit insgesamt sieben Verletzten verzeichnet (EASO 10.2020).

Angesichts dieser Indikatoren ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass willkürliche Gewalt im Gouvernement Sulaymaniyah auf einem so niedrigen Grad vorkommt, dass generell kein reales Risiko für einen Zivilisten besteht, persönlich durch willkürliche Gewalt iSd Art 15 (c) der Status-RL betroffen zu sein, wenn auch persönliche Elemente immer in Erwägung gezogen werden müssen, die eine Person in risikoerhöhende Situationen bringen können (EASO 06.2019).

Quellen:

- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Irak: Sicherheitslage in der Provinz Sulaimaniya, insbesondere Distrikt Pishdar, Stadt Qaladze vom 12.11.2020

- EASO Coutry Guidance: Iraq, June 2019 (EASO 06.2019), S 119

- EASO Country of Origin Report Iraq (EASO 10.2020): Security Situation, October 2020, S 180 ff

1.3.5. Islamischer Staat (IS):

Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) durch den damaligen Premierminister al-Abadi im Dezember 2017 (USCIRF 4.2019; vgl Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019) und kehrte zu Untergrund-Taktiken zurück (USDOS 1.11.2019; vgl. BBC 23.12.2019; FH 4.3.2020). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (Portal 9.10.2019) und einen neuerlichen Machtzuwachs im Norden des Landes (PGN 11.1.2020).

Der IS unterhält ein Netz von Zellen, die sich auf die Gouvernements Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala konzentrieren, während seine Taktik IED-Angriffe auf Sicherheitspersonal, Brandstiftung auf landwirtschaftlichen Flächen und Erpressung von Einheimischen umfasst (Garda 3.3.2020). Der IS führt in vielen Landesteilen weiterhin kleinere bewaffnete Operationen, Attentate und Angriffe mit improvisierten Sprengkörpern (IED) durch (USCIRF 4.2019). Er stellt trotz seines Gebietsverlustes weiterhin eine Bedrohung für Sicherheitskräfte und Zivilisten, einschließlich Kinder, dar (UN General Assembly 30.7.2019). Er ist nach wie vor der Hauptverantwortliche für Übergriffe und Gräueltaten im Irak, insbesondere in den Gouvernements Anbar, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din (USDOS 11.3.2020; vgl. UN General Assembly 30.7.2019). Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 2.10.2019a). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019).

Der IS setzt weiterhin auf Gewaltakte gegen Regierungziele sowie regierungstreue zivile Ziele, wie Polizisten, Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter (ACLED 2.10.2019a; vgl. USDOS 1.11.2019), dies unter Einsatz von improvisierten Sprengkörpern (IEDs) und Schusswaffen sowie mittels gezielten Morden (USDOS 1.11.2019), sowie Brandstiftung. Die Übergriffe sollen Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung untergraben und soziale Spannungen verschärfen (ACLED 2.10.2019a).

Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019). Der IS ist fast vollständig in ländliche und gebirgige Regionen zurückgedrängt, in denen es wenig Regierungspräsenz gibt, und wo er de facto die Kontrolle über einige Gebiete insbesondere im Süden von Kirkuk und im zentralen und nordöstlichen Diyala aufgebaut hat (Joel Wing 3.2.2020).

Im Mai 2019 hat der IS im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern einzuheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salah ad-Din - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und infolge lokaler Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung Al-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Im Jänner 2020 hat der IS eine Büffelherde in Baquba im Distrikt Khanaqin in Diyala abgeschlachtet, um eine Stadt einzuschüchtern (Joel Wing 3.2.2020; vgl. NINA 17.1.2020).

Mit Beginn der Massenproteste im Oktober 2019 stellte der IS seine Operation weitgehend ein, wie er es stets während Demonstrationen getan hat, trat aber mit dem Nachlassen der Proteste wieder in den Konflikt ein (Joel Wing 6.1.2020).

Quellen:

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/ , Zugriff 13.3.2020

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (18.6.2019): Regional Overview – Middle East 18 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/18/regional-overview-middle-east-18-june-2019/ , Zugriff 13.3.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (27.5.2019): Briefing Notes 27. Mai 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes-kw22-2019.pdf , Zugriff 13.3.2020

- BBC News (23.12.2019): Isis in Iraq: Militants 'getting stronger again', https://www.bbc.com/news/world-middle-east-50850325 , Zugriff 13.3.2020

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020 , Zugriff 13.3.2020

- Garda World (3.3.2020): Iraq Country Report, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/iraq , Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html , Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html , Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html , Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (5.6.2019): Islamic State’s Revenge Of The Levant Campaign In Full Swing, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/06/islamic-states-revenge-of-levant.html , Zugriff 13.3.2020

- Military Times (7.7.2019): Iraqi forces begin operation against ISIS along Syrian border, https://www.militarytimes.com/flashpoints/2019/07/07/iraqi-forces-begin-operation-against-isis-along-syrian-border/ , Zugriff 13.3.2020

- NINA - National Iraqi News Agency (17.1.2020): ISIS Elements executed a herd of buffalo by firing bullets northeast of Baquba. http://ninanews.com/Website/News/Details?key=808154 , Zugriff 13.3.2020

- PGN - Political Geography Now (11.1.2020): Iraq Control Map & Timeline - January 2020, https://www.polgeonow.com/2020/01/isis-iraq-control-map-2020.html , Zugriff 13.3.2020

- Portal, The (9.10.2019): Iraq launches a new process of “Will to Victory", http://www.theportal-center.com/2019/10/iraq-launches-a-new-process-of-will-to-victory/ , Zugriff 13.3.2020

- Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9 , Zugriff 13.3.2020

- UN General Assembly (30.7.2019): Children and armed conflict; Report of the Secretary-General [A/73/907–S/2019/509], https://www.ecoi.net/en/file/local/2013574/A_73_907_E.pdf , Zugriff 13.3.2020

- USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2019): United States Commission on International Religious Freedom 2019 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008186/Tier2_IRAQ_2019.pdf , Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html , Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2019162.html , Zugriff 13.3.2020

1.3.6. Protestbewegung:

Seit 2014 gibt es eine Protestbewegung, in der zumeist junge Leute in Scharen auf die Straße strömen, um bessere Lebensbedingungen, Arbeitsplätze, Reformen, einen effektiven Kampf gegen Korruption und die Abkehr vom religiösen Fundamentalismus zu fordern (WZ 9.10.2018).

So kam es bereits 2018 im Südirak zu weitreichenden Protesten in Basra, nahe den Ölfeldern West Qurna und Zubayr. Diese eskalierten, nachdem die Polizei in West Qurna auf Demonstranten schoss (ICG 31.7.2018). Ebenso kam es im Jahr 2019 zu Protesten, wobei pro-iranische Volksmobilisierungskräfte (PMF) beschuldigt wurden, sich an der Unterdrückung der Proteste beteiligt und Demonstranten sowie Menschenrechtsaktivisten angegriffen zu haben (Diyaruna 7.8.2019; vgl. Al Jazeera 25.10.2019).

Seit dem 1.10.2019 kommt es in mehreren Gouvernements (Bagdad, Basra, Maysan, Qadisiya, Dhi Qar, Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala, Najaf, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din) zu teils gewalttätigen Demonstrationen (ISW 22.10.2019, vgl. Joel Wing 3.10.2019). Die Proteste richten sich gegen Korruption, die hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte Strom- und Wasserversorgung (Al Mada 2.10.2019; vgl. BBC 4.10.2019), aber auch gegen den iranischen Einfluss auf den Irak (ISW 22.10.2019). Eine weitere Forderung der Demonstranten ist die Abschaffung des ethnisch-konfessionellen Systems (muhasasa) zur Verteilung der Ämter des Präsidenten, des Premierministers und des Parlamentspräsidenten (AW 4.12.2019).

Im Zusammenhang mit diesen Demonstrationen wurden mehrere Regierungsgebäude sowie Sitze von Milizen und Parteien in Brand gesetzt (Al Mada 2.10.2019). Im Zuge der Proteste kam es in mehreren Gouvernements von Seiten anti-iranischer Demonstranten zu Brandanschlägen auf Stützpunkte pro-iranischer PMF-Fraktionen und Parteien, wie der Asa‘ib Ahl al-Haq, der Badr-Organisation, der Harakat al-Abdal, Da‘wa und Hikma (Carnegie 14.11.2019; vgl. ICG 10.10.2019), sowie zu Angriffen auf die iranischen Konsulate in Kerbala (RFE/RL 4.11.2019) und Najaf (RFE/RL 1.12.2019).

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gingen unter anderem mit scharfer Munition gegen Demonstranten vor. Außerdem gibt es Berichte über nicht identifizierte Scharfschützen, die sowohl Demonstranten als auch Sicherheitskräfte ins Visier genommen haben sollen (ISW 22.10.2019). Premierminister Mahdi kündigte eine Aufklärung der gezielten Tötungen an (Rudaw 13.10.2019). Zeitweilig riefen die Behörden im Oktober und November 2019 Ausgangssperren aus (AI 18.2.2020; vgl. Al Jazeera 5.10.2019; ISW 22.10.2019; Rudaw 13.10.2019) und implementierten zeitweilige Internetblockaden (UNAMI 10.2019; vgl. AI 18.2.2020; USDOS 11.3.2020).

Die irakische Menschenrechtskommission berichtete Ende Dezember 2019, dass seit Beginn der Proteste am 1.10.2019 mindestens 490 Demonstranten getötet wurden (AAA 28.12.2019; vgl. RFE/RL 6.2.2020), darunter 33 Aktivisten, die gezielt getötet wurden. Mehr als 22.000 Menschen wurden verletzt. 56 Demonstranten gelten nach berichteten Entführungen als vermisst, während zwölf weitere wieder freigelassen wurden (AAA 28.12.2019). Mitte Jänner 2020 berichtet Amnesty International von 600 Toten Demonstranten seit Beginn der Proteste (AI 23.1.2020).

Quellen:

- AAA - Asharq Al-Awsat (28.12.2019): Iraq: Human Rights Commission Says 490 Protesters Killed Since October, https://aawsat.com/english/home/article/2056146/iraq-human-rights-commission-says-490-protesters-killed-october , Zugriff 13.3.2020

- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2025831.html , Zugriff 13.3.2020

- AI - Amnesty International (23.1.2020): Iraq: Protest death toll surges as security forces resume brutal repression, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023297.html , Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (25.10.2019): Dozens killed as fierce anti-government protests sweep Iraq, https://www.aljazeera.com/news/2019/10/dozens-killed-fierce-anti-government-demonstrations-sweep-iraq-191025171801458.html , Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (5.10.2019): Iraq PM lifts Baghdad curfew, https://www.aljazeera.com/news/2019/10/iraq-pm-lifts-baghdad-curfew-191005070529047.html , Zugriff 13.3.2020

- Al Mada (2.10.2019): ساحاتالاحتجاجتتحولإلىمناطقحرب („Proteste werden zu Kriegsgebieten“), https://almadapaper.net/view.php?cat=221822 , Zugriff 13.3.2020

- AW - Arab Weekly, The (4.12.2019): Confessional politics ensured Iran’s colonisation of Iraq, https://thearabweekly.com/confessional-politics-ensured-irans-colonisation-iraq , Zugriff 13.3.2020

- BBC News (4.10.2019): Iraq protests: 'No magic solution' to problems, PM says, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-49929280 , Zugriff 13.3.2020

- Carnegie - Carnegie Middle East Center (14.11.2019): How Deep Is Anti-Iranian Sentiment in Iraq?, https://carnegie-mec.org/diwan/80313 , Zugriff 13.3.2020

- Diyaruna (7.8.2019): Iran-backed militias suppress Iraqi protests, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/08/07/feature-01 , Zugriff 13.3.2020

- ICG - International Crisis Group (10.10.2019): Widespread Protests Point to Iraq’s Cycle of Social Crisis, https://www.ecoi.net/de/dokument/2018263.html , Zugriff 13.3.2020

- ICG - International Crisis Group (31.7.2018): How to cope with Iraq’s summer brushfire, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/b61-how-cope-iraqs-summer-brushfire , Zugriff 13.3.2020

- ISW - Institute for the Study of War (22.10.2019): Iraq's Sustained Protests and Political Crisis, https://iswresearch.blogspot.com/2019/10/iraqs-sustained-protests-and-political.html , Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (3.10.2019): Iraq’s October Protests Escalate And Grow, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/iraqs-october-protests-escalate-and-grow.html , Zugriff 13.3.2020

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.2.2020): Iraqi Protesters Clash With Sadr Backers In Deadly Najaf Standoff, https://www.ecoi.net/en/document/2024704.html , Zugriff 13.3.2020

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.12.2019): Iraqi Protesters Torch Iranian Consulate For Second Time Within Week, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022938.html , Zugriff 13.3.2020

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (4.11.2019): Security Forces Shoot At Baghdad Protesters, Several Killed In Karbala, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019395.html , Zugriff 13.3.2020

- Rudaw (13.10.2019): Iraq launches probe into killing of protesters, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/13102019 , Zugriff 13.3.2020

- UNAMI - UN Assistance Mission for Iraq (10.2019): Demonstrations in Iraq; 1-9 October 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019889/UNAMI_Special_Report_on_Demonstrations_in_Iraq_22_October_2019.pdf , Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html , Zugriff 13.3.2020

- WZ - Wiener Zeitung (9.10.2018): Schlüsselland Irak, https://www.wienerzeitung.at/_em_cms/globals/print.php?em_ssc=LCwsLA==&em_cnt=994916&em_loc=69&em_ref=/nachrichten/welt/weltpolitik/&em_ivw=RedCont/Politik/Ausland&em_absatz_bold=0 , Zugriff 13.3.2020

1.3.7. Allgemeine Menschenrechtslage:

Die Verfassung vom 15.10.2005 garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung. Der Irak hat wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt weiterhin nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren. Internationale Beobachter kritisieren, dass Mitglieder der Kommission sich kaum mit der Verletzung individueller Menschenrechte beschäftigen, sondern insbesondere mit den Partikularinteressen ihrer jeweils eigenen ethnisch-konfessionellen Gruppe. Ähnliches gilt für den Menschenrechtsausschuss im irakischen Parlament. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft (AA 12.1.2019).

Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem: Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen durch Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte, insbesondere durch einige Elemente der PMF; Verschwindenlassen; Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der Meinungsfreiheit, einschließlich der Pressefreiheit; Gewalt gegen Journalisten; weit verbreitete Korruption; gesetzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen; Rekrutierung von Kindersoldaten durch Elemente der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Shingal Protection Units (YBS) und PMF-Milizen; Menschenhandel; Kriminalisierung und Gewalt gegen LGBTIQ-Personen. Es gibt auch Einschränkungen bei den Arbeitnehmerrechten, einschließlich Einschränkungen bei der Gründung unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 11.3.2020).

Internationale und lokale NGOs geben an, dass die Regierung das Anti-Terror-Gesetz weiterhin als Vorwand nutzt, um Personen ohne zeitgerechten Zugang zu einem rechtmäßigen Verfahren festzuhalten (USDOS 21.6.2019). Es wird berichtet, dass tausende Männer und Buben, die aus Gebieten unter IS-Herrschaft geflohen sind, von zentral-irakischen und kurdischen Kräften willkürlich verhaftet wurden und nach wie vor als vermisst gelten. Sicherheitskräfte einschließlich PMFs haben Personen mit angeblichen IS-Beziehungen auch in Lagern inhaftiert und gewaltsam verschwinden lassen (AI 26.2.2019).

Die Verfassung und das Gesetz verbieten Enteignungen, außer im öffentlichen Interesse und gegen eine gerechte Entschädigung. In den vergangenen Jahren wurden Häuser und Eigentum von mutmaßlichen IS-Angehörigen, sowie Mitgliedern religiöser und konfessioneller Minderheiten, durch Regierungstruppen und PMF-Milizen konfisziert und besetzt (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung, einschließlich des Büros des Premierministers, untersucht Vorwürfe über Missbräuche und Gräueltaten, bestraft die Verantwortlichen jedoch selten (USDOS 11.3.2020).

Im Zuge der seit dem 1.10.2019 anhaltenden Massenproteste haben Sicherheitskräfte unter anderem scharfe Munition gegen Demonstranten eingesetzt und hunderte Menschen getötet (HRW 31.1.2020).

Der IS begeht weiterhin schwere Gräueltaten, darunter Tötungen durch Selbstmordattentate und improvisierte Sprengsätze (IEDs). Die Behörden untersuchen IS-Handlungen und verfolgen IS-Mitglieder nach dem Anti-Terrorgesetz von 2005 (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 13.3.2020

- AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf , Zugriff 13.3.2020

- HRW - Human Rights Watch (31.1.2020): Iraq: Authorities Violently Remove Protesters, https://www.ecoi.net/en/document/2023934.html , Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html , Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html , Zugriff 13.3.2020

1.3.8. Grundversorgung und Wirtschaft:

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten (AA 12.1.2019). Der irakische humanitäre Reaktionsplan schätzt, dass im Jahr 2019 etwa 6,7 Millionen Menschen dringend Unterstützung benötigten (IOM o.D.; vgl. USAID 30.9.2019). Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. Die grassierende Korruption verstärkt vorhandene Defizite zusätzlich. In vom Islamischen Staat (IS) befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wieder hergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 12.1.2019).

Nach Angaben der UN-Agentur UN-Habitat leben 70% der Iraker in Städten, die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums (AA 12.1.2019). Die Iraker haben eine dramatische Verschlechterung in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Strom, Wasser, Abwasser- und Abfallentsorgung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Verkehr und Sicherheit erlebt. Der Konflikt hat nicht nur in Bezug auf die Armutsraten, sondern auch bei der Erbringung staatlicher Dienste zu stärker ausgeprägten räumlichen Unterschieden geführt. Der Zugang zu diesen Diensten und deren Qualität variiert demnach im gesamten Land erheblich (K4D 18.5.2018). Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig (AA 12.1.2019).

Wirtschaftslage

Der Irak erholt sich nur langsam vom Terror des IS und seinen Folgen. Nicht nur sind ökonomisch wichtige Städte wie Mossul zerstört worden. Dies trifft das Land, nachdem es seit Jahrzehnten durch Krieg, Bürgerkrieg, Sanktionen zerrüttet wurde. Wiederaufbauprogramme laufen bereits, vorsichtig-positive Wirtschaftsprognosen traf die Weltbank im April 2019 (GIZ 1.2020c). Iraks Wirtschaft erholt sich allmählich nach den wirtschaftlichen Herausforderungen und innenpolitischen Spannungen der letzten Jahre. Während das BIP 2016 noch um 11% wuchs, verzeichnete der Irak 2017 ein Minus von 2,1%. 2018 zog die Wirtschaft wieder an und verzeichnete ein Plus von ca. 1,2% aufgrund einer spürbaren Verbesserung der Sicherheitsbedingungen und höherer Ölpreise. Für 2019 wurde ein Wachstum von 4,5% und für die Jahre 2020–23 ebenfalls ein Aufschwung um die 2-3%-Marke erwartet (WKO 18.10.2019). Im zweiten Halbjahr 2019 berichtete die Weltbank über eine „umfassende“ Erholung der irakischen Wirtschaft infolge der steigenden Erdölförderung sowie der Verbesserungen in der Landwirtschaft und bei der Stromversorgung. Dem Bericht zufolge wuchs der Erdölsektor um schätzungsweise 4,4 %, und auch im Dienstleistungssektor waren Fortschritte zu beobachten (EASO 09.2020). Ungeachtet der oben stehenden Beobachtungen der Weltbank für das erste Halbjahr 2019 wies die Sonderbeauftragte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für den Irak im Mai 2020 darauf hin, dass die irakische Wirtschaft voraussichtlich um 9,7 % schrumpfen werde (UNAMI 12.05.2020). Aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Krise und der einbrechenden Erdölpreise wird befürchtet, dass die wirtschaftlichen Gewinne des Vorjahres zunichte gemacht werden (EASO 09.2020).

Das Erdöl stellt immer noch die Haupteinnahmequelle des irakischen Staates dar (GIZ 1.2020c). Rund 90% der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Der Irak besitzt kaum eigene Industrie jenseits des Ölsektors. Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 12.1.2019).

Die Arbeitslosenquote, die vor der IS-Krise rückläufig war, ist über das Niveau von 2012 hinaus auf 9,9% im Jahr 2017/18 gestiegen. Unterbeschäftigung ist besonders hoch bei IDPs. Fast 24% der IDPs sind arbeitslos oder unterbeschäftigt (im Vergleich zu 17% im Landesdurchschnitt). Ein Fünftel der wirtschaftlich aktiven Jugendlichen ist arbeitslos, ein weiters Fünftel weder erwerbstätig noch in Ausbildung (WB 12.2019).

Die Armutsrate im Irak ist aufgrund der Aktivitäten des IS und des Rückgangs der Öleinnahmen gestiegen (OHCHR 11.9.2019). Während sie 2012 bei 18,9% lag, stieg sie während der Krise 2014 auf 22,5% an (WB 19.4.2019). Einer Studie von 2018 zufolge ist die Armutsrate im Irak zwar wieder gesunken, aber nach wie vor auf einem höheren Niveau als vor dem Beginn des IS-Konflikt 2014, wobei sich die Werte, abhängig vom Gouvernement, stark unterscheiden. Die südlichen Gouvernements Muthanna (52%), Diwaniya (48%), Maisan (45%) und Dhi Qar (44%) weisen die höchsten Armutsraten auf, gefolgt von Ninewa (37,7%) und Diyala (22,5%). Die niedrigsten Armutsraten weisen die Gouvernements Dohuk (8,5%), Kirkuk (7,6%), Erbil (6,7%) und Sulaymaniyah (4,5%) auf. Diese regionalen Unterschiede bestehen schon lange und sind einerseits auf die Vernachlässigung des Südens und andererseits auf die hohen Investitionen durch die Regionalregierung Kurdistans in ihre Gebiete zurückzuführen (Joel Wing 18.2.2020). Die Regierung strebt bis Ende 2022 eine Senkung der Armutsrate auf 16% an (Rudaw 16.2.2020).

Grundsätzlich ist der öffentliche Sektor sehr gefragt. Die IS-Krise und die Kürzung des Budgets haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor. Arbeitsmöglichkeiten haben im Allgemeinen abgenommen. Die monatlichen Einkommen im Irak liegen in einer Bandbreite zwischen 200 und 2.500 USD (Anm.: ca. 185-2.312 EUR), je nach Position und Ausbildung. Das Ministerium für Arbeit und Soziales bietet Unterstützung bei der Arbeitssuche und stellt Arbeitsagenturen in den meisten Städten. Die Regierung hat auch ein Programm gestartet, um irakische Arbeitslose und Arbeiter, die weniger als 1 USD (Anm.: ca. 0,9 EUR) pro Tag verdienen, zu unterstützen. Aufgrund der Situation im Land wurde die Hilfe jedoch eingestellt. Weiterbildungsmöglichkeiten werden durch Berufsschulen, Trainingszentren und Agenturen angeboten. Aufgrund der derzeitigen Situation im Land sind derzeit keine dieser Weiterbildungsprogramme, die nur durch spezielle Fonds zugänglich sind, aktiv (IOM 1.4.2019).

In der KRI ist die Wirtschaft vorwiegend durch die Beschäftigung im staatlichen Sektor, das Bauwesen, den Groß- und Einzelhandel sowie die Landwirtschaft geprägt. Zudem gewinnt die Erdölindustrie an Bedeutung. In einem Bericht aus dem Jahr 2016 stellte die Weltbank fest, dass die Wirtschaft der RKI vorwiegend durch die Beschäftigung im staatlichen Sektor, auf den mehr als 50 % der Gesamtbeschäftigung entfiel, und durch eine hohe Abhängigkeit von der Erdölindustrie geprägt war.250 Einem Bericht der Minority Rights Group International aus dem Jahr 2017 zufolge „stammen 90 % der gesamten Einnahmen der Regierung der Region Kurdistan-Irak aus dem Erdöl- und Erdgassektor“ (EASO 09.2020).

Das Gouvernement Erbil ist das Handels- und Verwaltungszentrum der KRI. Es ist reich an natürlichen Ressourcen, insbesondere Erdöl und Erdgas, während die Lebensmittelversorgung von der Einfuhr von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen aus dem Iran und der Türkei abhängig ist. Der IOM zufolge „ist die Stadt Erbil ein Handelszentrum des Irak und eine Drehscheibe für die meisten aus dem Ausland, insbesondere aus der Türkei, importierten Produkte“ (IOM 17.02.2017, S 138). Aufgrund ihrer Attraktivität für Touristen ist Erbil die meistbesuchte Region der RKI: Auf sie entfallen zwei Drittel aller Touristenankünfte. Einer im Jahr 2017 von Mark A. DeWeaver, Ökonom an der American University of Iraq in Sulaimaniyya, durchgeführten Analyse zufolge befand sich die RKI zum damaligen Zeitpunkt im dritten Jahr einer Rezession, die 2014 mit dem Einbruch der Weltölpreise (um mehr als 50 % im zweiten Halbjahr) begonnen hatte. Im Jahr 2014 kam es zwischen der Regierung der Region Kurdistan-Irak und der irakischen Zentralregierung zu Spannungen wegen der Aufteilung der Erdöleinnahmen. Die Beziehungen zwischen Erbil und Bagdad verschlechterten sich weiter, als die KRG im September 2017 ein Unabhängigkeitsreferendum durchführte, bei dem sich eine überwältigende Mehrheit von 93 % der Wähler für die Abspaltung vom Irak aussprach. Bagdad reagierte auf das Referendum, dem die irakische Regierung und die Nachbarstaaten des Irak – die Türkei und der Iran – sowie die westlichen Mächte ablehnend gegenüberstanden, mit militärischen und wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen. Dazu zählten die erzwungene Schließung des internationalen Flughafens Erbil und die Wiedererlangung der Kontrolle über umstrittene Gebiete wie das ölreiche Gebiet um Kirkuk (EASO 09.2020).

Die Weltbank stellte im April 2018 fest, dass die KRG infolge der Strafmaßnahmen der irakischen Regierung „die Hälfte ihrer Erdöleinnahmen verloren hat“ und der „Haushaltsplan der Zentralregierung vorsieht, die Transferzahlungen an die KRG von 12 Billionen IQD [etwa 8,86 Mrd. EUR] im Jahr 2017 auf 6,7 Billionen IQD [etwa 4,95 Mrd. EUR] im Jahr 2018 zu verringern, und von der KRG verlangt, die verbleibenden Erlöse aus der Erdölausfuhr in vollem Umfang an die Zentralregierung zu übertragen“. Die Weltbank wies darauf hin, dass niedrigere Transferzahlungen unter Umständen nicht ausreichen würden, um die Gehälter der Beamten und Militärangehörigen der KRG zu bezahlen, und „die in der RKI bestehende Schutzbedürftigkeit der Bevölkerung weiter verstärken könnten“. In einem Bericht des United States Institute of Peace vom Mai 2018 wurde geschätzt, dass „sich die Schulden der KRG auf mindestens 17 Mrd. USD [etwa 15 Mrd. EUR] belaufen und damit ein nicht tragfähiges Niveau erreicht haben, das wahrscheinlich das BIP der Region übersteigt“ (EASO 09.2020).

The New Arab zufolge wurde die Wirtschaftskrise in der RKI durch den jüngsten Verfall der Ölpreise verschärft. Die Quelle zitierte den Ministerpräsidenten der RKI, der erklärt hatte, dass „die kurdische Wirtschaft seit dem jüngsten Verfall der Ölpreise um mehr als 90 % eingebrochen ist“. Die Krise wirkte sich auf alle Wirtschaftszweige aus, darunter auch auf den Dienstleistungssektor und Privatunternehmen. Darüber hinaus wurden Mitte Mai Pläne für eine Diversifizierung der Wirtschaft und Investitionen in andere Wirtschaftszweige als den Erdölsektor angekündigt, wie etwa in Landwirtschaft, Industrie und Tourismus (EASO 09.2020).

Stromversorgung

Die Stromversorgung des Irak ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht (AA 12.1.2019). Sie deckt nur etwa 60% der Nachfrage ab, wobei etwa 20% der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Der verfügbare Stromvorrat variiert jedoch je nach Gebiet und Jahreszeit (Fanack 17.9.2019). Selbst in Bagdad ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten, wenn bei Temperaturen von über 50 Grad flächendeckend Klimaanlagen eingesetzt werden, häufig unterbrochen. Dann versorgt sich die Bevölkerung aus privaten Generatoren, sofern diese vorhanden sind. Die Versorgung mit Mineralöl bleibt unzureichend und belastet die Haushalte wegen der hohen Kraftstoffpreise unverhältnismäßig. In der Kurdischen Region im Irak (KRI) erfolgt die Stromversorgung durch Betrieb eigener Kraftwerke, unterliegt jedoch wie in den anderen Regionen Iraks erheblichen Schwankungen und erreicht deutlich weniger als 20 Stunden pro Tag. Kraftwerke leiden unter Mangel an Brennstoff und es gibt erhebliche Leitungsverluste (AA 12.1.2019).

Wasserversorgung

Etwa 70% des irakischen Wassers haben ihren Ursprung in Gebieten außerhalb des Landes, vor allem in der Türkei und im Iran. Der Wasserfluss aus diesen Ländern wurde durch Staudammprojekte stark reduziert. Das verbleibende Wasser wird zu einem großen Teil für die Landwirtschaft genutzt und dient somit als Lebensgrundlage für etwa 13 Millionen Menschen (GRI 24.11.2019).

Der Irak befindet sich inmitten einer schweren Wasserkrise, die durch akute Knappheit, schwindende Ressourcen und eine stark sinkende Wasserqualität gekennzeichnet ist (Clingendael 10.7.2018). Insbesondere Dammprojekte der irakischen Nachbarländer, wie in der Türkei, haben großen Einfluss auf die Wassermenge und Qualität von Euphrat und Tigris. Der damit einhergehende Rückgang der Wasserführung in den Flüssen hat ein Vordringen des stark salzhaltigen Wassers des Persischen Golfs ins Landesinnere zur Folge und beeinflusst sowohl die Landwirtschaft als auch die Viehhaltung. Das bringt in den besonders betroffenen südirakischen Gouvernements Ernährungsunsicherheit und sinkenden Einkommensquellen aus der Landwirtschaft mit sich (EPIC 18.07.2017).

Die Wasserversorgung wird zudem von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen. Außerdem fehlt es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser (AA 12.1.2019). Der Zugang zu Wasser hat sich seit 2010 verbessert. Allerdings sind viele Iraker weiterhin auf „informelle Brunnen, Wassertankwagen des Staates oder von NRO sowie unzuverlässige Wasserleitungssysteme“ angewiesen, während sich die Süßwasserreserven des Irak weiter erschöpfen (EPIC 18.07.2017). Berichten zufolge gibt es Engpässe bei der Wasserversorgung (WB 10.2018, S. 6).

Im Südirak und insbesondere Basra führten schlechtes Wassermanagement und eine unzureichende Regulierung von Abwasser und die damit einhergehende Verschmutzung dazu, dass im Jahr 2018 mindestens 118.000 Menschen wegen Magen-Darm Erkrankungen in Krankenhäusern behandelt werden mussten (HRW 22.7.2019; vgl. HRW 14.1.2020; AA 12.1.2019).

Fast alle Einwohner im Gouvernement Erbil hatten Zugang zu sauberem Trinkwasser, wobei 89,7 % der Haushalte ihr Trinkwasser über das öffentliche Netz/Wasserleitungssystem bezogen und 8,9 % Brunnen nutzten. Berichten zufolge könnte es in der RKI aufgrund des rasanten Bevölkerungswachstums und der Wasserverschwendung zu Einschränkungen der Wasserversorgung kommen. Die Qualität des Trinkwassers in Erbil wurde als akzeptabel bewertet.371 Häuser und Wohnungen im Gouvernement Erbil verfügten über sanitäre Anlagen, wie beispielsweise einen Anschluss an das öffentliche Kanalisationsnetz mit abgedecktem Abwasserkanal (25,6 %) oder Klärgruben (71,8 %) (WFP – World Food Programme, Iraq Socio-economic Atlas, 2019, EASO 09.2020)

Nahrungsmittelversorgung

Nach den Angaben im nationalen Entwicklungsplan 2018–2022 des Irak waren 4 095 377 Dunam (etwa 4 095 Quadratkilometer) der landwirtschaftlichen Flächen des Irak von Wüstenbildung bedroht (EASO 09.2020).

Dem Iraq Socio-Economic Atlas 2019 des WFP zufolge war im Jahr 2017 die Existenzgrundlage von schätzungsweise 11 % der irakischen Familien von der Landwirtschaft abhängig, die im Irak die wichtigste Säule der Ernährungssicherung darstellte. Auf die Landwirtschaft entfielen 9 % des BIP, wobei nur 27 % der irakischen Flächen für die Landwirtschaft geeignet waren. Darüber hinaus stellten extreme Wetterveränderungen, Landdegradation sowie die kriegsbedingten Vertreibungen und Infrastrukturschäden eine Gefahr für die Landwirtschaft im Irak dar (EASO 09.2020).

Etwa 1,77 Millionen Menschen im Irak sind von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen, ein Rückgang im Vergleich zu 2,5 Millionen Betroffenen im Jahr 2019 (USAID 30.9.2019; vgl. FAO 31.1.2020). Die meisten davon sind IDPs und Rückkehrer. Besonders betroffen sind jene in den Gouvernements Diyala, Ninewa, Salah al-Din, Anbar und Kirkuk (FAO 31.1.2020). 22,6% der Kinder sind unterernährt (AA 12.1.2019). Was die Anteile der von Ernährungsunsicherheit betroffenen Familien im gesamten Irak betrifft, so beliefen sich laut WFP die Anteile der von Ernährungssicherheit betroffenen Männer in städtischen Gebieten auf 1,8 % und in ländlichen Gebieten auf 4,9 %, während die entsprechenden Anteile der Frauen bei 1,5 % bzw. 7,6 % lagen (EASO 09.2020).

Die Landwirtschaft ist für die irakische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Im Zuge des Krieges gegen den IS waren viele Bauern gezwungen, ihre Betriebe zu verlassen. Ernten wurden zerstört oder beschädigt. Landwirtschaftliche Maschinen, Saatgut, Pflanzen, eingelagerte Ernten und Vieh wurden geplündert. Aufgrund des Konflikts und der Verminung konnten Bauern für die nächste Landwirtschaftssaison nicht pflanzen. Die Nahrungsmittelproduktion und -versorgung wurden unterbrochen, die Nahrungsmittelpreise auf den Märkten stiegen (FAO 8.2.2018). Trotz konfliktbedingter Einschränkungen und Überschwemmungen entlang des Tigris (betroffene Gouvernements: Diyala, Wasit, Missan und Basra), die im März 2019 aufgetreten sind, wird die Getreideernte 2019 wegen günstiger Witterungsbedingungen auf ein Rekordniveau von 6,4 Millionen Tonnen geschätzt (FAO 31.2.2020).

Trotzdem ist das Land von Nahrungsmittelimporten abhängig (FAO 31.1.2020). Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (UNFAO) schätzt, dass der Irak zwischen Juli 2018 und Juni 2019 etwa 5,2 Millionen Tonnen Mehl, Weizen und Reis importiert hat, um den Inlandsbedarf zu decken (USAID 30.9.2019).

Im Südirak und insbesondere Basra führen schlechtes Wassermanagement und eine unzureichende Regulierung von Abwasser und die damit einhergehende Verschmutzung dazu, dass Landwirte ihre Flächen mit verschmutztem und salzhaltigem Wasser bewässern, was zu einer Degradierung der Böden und zum Absterben von Nutzpflanzen und Vieh führt (HRW 22.7.2019; vgl. HRW 14.1.2020; AA 12.1.2019).

Laut einem Bericht des WFP vom 30.04.2020 war im Irak die Tendenz zu beobachten, Lebensmittel für die Zeit der wegen der COVID-19-Pandemie verhängten Ausgangssperre zu horten, was Ende März zu einem Anstieg der Lebensmittelpreise führte. Aufgrund der ergriffenen Preiskontrollmaßnahmen und der Verteilung von Grundnahrungsmitteln im Rahmen des PDS stabilisierten sich die Preise jedoch im April wieder. Allerdings stellte das WFP fest, dass „der Verfall der Weltölpreise erhebliche Einnahmeverluste der vom Erdöl abhängigen Volkswirtschaften wie des Irak“ zur Folge hatte, und warnte davor, dass die Netze der sozialen Sicherheit, wie beispielsweise das PDS, im Falle eines Fortdauerns dieser Situation möglicherweise nur schwer aufrechtzuerhalten wären (WFP 04.2020). Die landesweite durchschnittliche Warenverfügbarkeit lag auf einer Skala von 10 bei 8,5, und die Lieferkettenresilienz der Geschäfte war landesweit sehr gut (WFP 04.2020). Bezüglich der Lebensmittelpreise stellte das WFP fest, dass der Preis für Weizenmehl im Irak im Jahr 2019 um 21 % höher war als im Vorjahr. Der höchste Preisanstieg gegenüber dem Vorjahr war bei Eiern (28 %) zu beobachten, während bei Tomaten und Bohnen im April ein Preisanstieg gegenüber dem Vormonat um 24 % bzw. 15 % verzeichnet wurde (WFP 04.2020, EASO 09.2020).

Das Sozialsystem wird vom sogenannten „Public Distribution System“ (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen (K4D 18.5.2018; vgl. USAID 30.9.2019). Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme, obwohl es von schwerer Ineffizienz gekennzeichnet ist (K4D 18.5.2018). Es sind zwar alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des PDS zu erhalten. Das Programm wird von den Behörden jedoch nur sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Außerdem hat der niedrige Ölpreis die Mittel für das PDS weiter eingeschränkt (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 13.3.2020

- Clingendael - Netherlands Institute of International Relations (10.7.2018): More than infrastructures: water challenges in Iraq, https://www.clingendael.org/sites/default/files/2018-07/PB_PSI_water_challenges_Iraq.pdf , Zugriff 13.3.2020

- EASO – Irak: Zentrale sozioökonomische Indikatoren für Bagdad, Basra und Erbil, September 2020, Zugriff 11.02.2021

- EPIC - Enabling Peace in Iraq Center (18.7.2017): Drought in the land between two rives, https://www.epic-usa.org/iraq-water/ , Zugriff 13.3.2020

- Fanack (17.9.2019): Energy file: Iraq, https://fanack.com/fanack-energy/iraq/ , Zugriff 18.2.2020

- FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (31.1.2020): Country Briefs, Iraq, http://www.fao.org/giews/countrybrief/country.jsp?code=IRQ , Zugriff 13.3.2020

- FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (8.2.2018): Iraq: Recovery and Resilience Programme 2018-2019, http://www.fao.org/3/I8658EN/i8658en.pdf , Zugriff 13.3.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020c): Irak - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/irak/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 13.3.2020

- GRI - Global Risk Insights (24.11.2019): Water Shortage and Unrest in Iraq, https://globalriskinsights.com/2019/11/water-shortage-and-unrest-in-iraq/ , Zugriff 13.3.2020

- HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2022678.html , Zugriff 13.3.2020

- HRW - Human Rights Watch (22.7.2019): Irak: Wasserkrise in Basra, https://www.hrw.org/de/news/2019/07/22/irak-wasserkrise-basra , Zugriff 13.3.2020

- IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_-_Country_Fact_Sheet_2018,_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2 , Zugriff 13.3.2020

- IOM - Internationale Organisation für Migration (o.D.): Iraq 2019, Humanitarian Compendium, https://humanitariancompendium.iom.int/appeals/iraq-2019 , Zugriff 13.3.2020

- IOM – Internationale Organisation für Migration (1.02.2017): Community Stabilization Handbook: An overview of community transition and recovery achievements in Iraq 2015-2016, IOM_Iraq_Community_Stabilization_Handbook_2015-2016.pdf, p. 138, Zugriff 11.02.2021

- Joel Wing, Musings on Iraq (18.2.2020): Poverty Rate In Iraq Down But Still Higher Than Pre-War Level, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/poverty-rate-in-iraq-down-but-still.html , Zugriff 13.3.2020

- K4D - Knowledge for Development Program (18.5.2018): Iraqi state capabilities, https://assets.publishing.service.gov.uk/media/5b18e952e5274a18eb1ee3aa/Iraqi_state_capabilities.pdf , Zugriff 13.3.2020

- OHCHR - Office of the High Commissioner for Human Rights (11.9.2019): Committee on the Rights of Persons with Disabilities discusses the impact of the armed conflict on persons with disabilities in Iraq, https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=24976&LangID=E , Zugriff 13.3.2020

- Rudaw (16.2.2020): ISIS caused massive spike in Iraq’s poverty rate, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/160220201 , Zugriff 13.3.2020

- UNAMI (12.05.2020) - Briefing to the Security Council by Special Representative of the United Nations Secretary-General for Iraq Jeanine Hennis-Plasschaert, 12 May 2020, Zugriff 11.02.2021

- USAID - Unites States Agency for International Development (30.9.2019): Food Assistance Fact Sheet: Iraq, https://www.usaid.gov/iraq/food-assistance , Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html , Zugriff 13.3.2020

- WFP – World Foof Programme (04.2020): Iraq Market Monitor Report, Issue No. 30, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000115738/download/ , Zugriff 11.02.2021

- WB - World Bank, The (10.2018): Iraq Economic Monitor, October 2018, https://openknowledge.worldbank.org/bitstream/handle/10986/30563/130798-WP-P164676-Iraq-EcoMonitor-Fall-2018-10-12-18-web.pdf?sequnce=1&isAllowed=y , Zugriff 11.02.2021

- WB - World Bank, The (12.2019): Unemployment, youth total (% of total labor force ages 15-24) (modeled ILO estimate), Iraq, https://data.worldbank.org/indicator/SL.UEM.1524.ZS?locations=IQ , Zugriff 13.3.2020

- WB - World Bank, The (19.4.2019): Republic of Iraq, http://pubdocs.worldbank.org/en/300251553672479193/Iraq-MEU-April-2019-Eng.pdf , Zugriff 13.3.2020

- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (18.10.2019): Die irakische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-irakische-wirtschaft.html , Zugriff 13.3.2020

1.3.9. COVID-19-Pandemie:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es 410.230 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen, wovon 387.787 Personen wieder genesen und 7.607 verstorben sind; im Irak wurden bislang 617.202 Infektionen bestätigt, davon sind 588.260 Personen bereits wieder genesen, 13.024 Personen sind gestorben (Stand 28.01.2021, 12:30 Uhr). In Relation zur Einwohnerzahl ist die Infektions- sowie die Sterberate im Irak somit prozentual deutlich niedriger als jene in Österreich.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, etc.) auf. Dass einer der Beschwerdeführer derzeit an einer COVID-19-Infektion leiden oder im Hinblick auf eine etwaige Vorerkrankung zu einer vulnerablen Personengruppe gehören würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 zudem mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 39 Jahre ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt unter 1%.

Aufgrund der weiterhin stark steigenden Infektionszahlen hat die irakische Regierung für 30.7. bis 9.8.2020 eine neuerliche komplette Ausgangssperre beschlossen (BMEIA 6.8.2020; vgl. GoI 27.7.2020; UNHCR 4.8.2020). Diese Einschränkungen gelten nicht für die KRI (BMEIA 6.8.2020).

Bereits im Juli 2020 gab das Gesundheitsministerium bekannt, dass die Krankenhäuser fast vollständig ausgelastet sind (IRC 2.7.2020). Es herrschen Engpässen bei der Versorgung mit Sauerstoff und mit Schutzausrüstungen (MEMO 3.8.2020).

Nachdem private Kliniken im Juli temporär geschlossen wurden (GoI 7.7.2020), erlaubt die irakische Regierung deren Wiedereröffnung, sofern sie die vom Gesundheitsministerium und dem irakischen Ärzteverband festgelegten Bedingungen erfüllen (GoI 27.7.2020).

Die Sicherheitskräfte sind angewiesen, die Richtlinien zur Schutzmaskenpflicht, zur sozialen Distanzierung und weitere umzusetzen, einschließlich der Verhängung von Geldstrafen und der Beschlagnahme von Fahrzeugen derjenigen, die gegen die Regeln verstoßen (GoI 27.7.2020; vgl. MEMO 3.8.2020).

Seit dem 23.7.2020 sind die internationalen Flughäfen Bagdad, Najaf und Basra wieder für kommerzielle Linienflüge geöffnet. Sämtliche Flughäfen wurden zuvor am 17.3.2020 geschlossen (Al Jazeera 23.7.2020; vgl. Rudaw 1.8.2020). Passagiere müssen vor dem Boarding einen negativen COVID-19 Test vorweisen (Al Jazeera 23.7.2020). Mit der Wiedereröffnung des Internationalen Flughafens Erbil (KRI) am 1.8. wird es auch wieder eine Luftverbindung zwischen Bagdad und Erbil geben (Rudaw 1.8.2020).

Seit Beginn des COVID-19-Ausbruchs im Irak im März 2020 gehören vertriebene Familien zu den am stärksten betroffenen Personen, auch durch sekundäre Auswirkungen, wie mangelnde Möglichkeiten den Lebensunterhalt zu verdienen und sozioökonomische Folgendavon (UNHCR 4.8.2020).

Es gilt Schutzmaskenpflicht für sämtliche öffentliche Orte, wie Märkte, Restaurants und andere kommerzielle Einrichtungen, wie Firmen. Bei zuwiderhandeln drohen den Inhabern Geldstrafen und temporäre Zwangsschließungen. Auch Beerdigungen, Hochzeitsfeiern und andere gesellschaftliche Veranstaltungen sind unter Androhung von Geldstrafen verboten (Gov.KRD 5.8.2020; vgl. Rudaw 3.8.2020A). Kliniken und Labore bleiben per Verordnung für14 Tage geschlossen (Gov.KRD 5.8.2020). Um den steigenden Infektionszahlen im Gouvernement Erbil entgegenzuwirken wurden mittlerweile vier Krankenhäuser als alleinige COVID -19 Behandlungszentren deklariert (Rudaw 3.8.2020B).

Aktuelle Maßnahmen umfassen weiterhin ein Reiseverbot zwischen den kurdischen Gouvernements Erbil, Sulaymaniyah, Dohuk und Halabja, sowie ein Reiseverbot innerhalb derselben, ausgenommen bei Notfällen und mit Sondergenehmigungen (Gov.KRD 5.8.2020; vgl. Rudaw 3.8.2020A; UNHCR 4.8.2020).

Der Grenzübergang Ibrahim Khalil zur Türkei wurde für den Zeitraum vom 4. bis zum 11.August COVID -19-anlassbezogen für den Personenverkehr geschlossen (Gov.KRD 5.8.2020; vgl. Garda 4.8.2020). Die Grenzübergänge Haji Omaran und Bashmakh zum Iran sind für Bürger der KRI, die heimkehren wollen geöffnet (Gov.KRD 5.8.2020).

Am 1.8.2020 nahmen die internationalen Flughäfen in Erbil und Sulaymaniyah wieder ihren Betrieb auf (Gov.KRD 5.8.2020; vgl. Rudaw 1.8.2020). Personen, die über die Flughäfen einreisen müssen jedoch auf eigene Kosten einen COVID -19-Test machen und sich zur Selbstquarantäne verpflichten, bei deren Verstoß sie mit einem Bußgeld bestraft werden. Personen, die positiv auf COVID -19 getestet wurden und die die Quarantäne missachten müssen alle anfallenden medizinischen Kosten für evtl. infizierte Personen übernehmen und werden strafrechtlich verfolgt (Artikel 368-369 des geänderten Gesetzes 111 von 1969) (Gov.KRD 5.8.2020)

Die Preise für Grundnahrungsmittel haben sich im Irak nicht wesentlich verändert; bei bestimmten Gütern kam es jedoch zu standortspezifischen Preisschwankungen. In einer offiziellen Erklärung erklärte das Handelsministerium, dass der Mangel an finanziellen Zuweisungen die Fähigkeit des Ministeriums in Frage stelle, PDS-Güter (Public Distribution System) konsequent zu beschaffen (WFP 2.6.2020).

Aktuell weist die WHO für den Irak am 11.02.2021, 15:07 Uhr, 2.369 Neuerkrankungen, 636.908 bestätigte Fälle und 13.144 Todesfälle aus (WHO – World Health Organization Dashboeard, https://covid19.who.int/region (emro/country/iq Zugriff 11.02.2021).

Quellen:

- AGES: FAQ Coronavirus, https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/ , Zugriff 29.9.2020

- Al Jazeera (23.7.2020): Iraq resumes commercial flights despite rise in corona virus cases, https://www.aljazeera.com/news/2020/07/iraq-resumes-commercial-flights-rise-coronavirus-cases-200723120054091.html , Zugriff 6.8.2020

- BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten(6.8.2020): Reiseinformation–Irak, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/irak/ , Zugriff 29.9.2020

- BMSGPK: Informationen zum Coronavirus, https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html , Zugriff 29.9.2020

- Coronavirus: COVID-19 Fälle in Österreich, https://coronavirus.datenfakten.at/ , Zugriff 29.9.2020

- Garda (4.8.2020): Iraq: Kurdish Authorities close border with Turkey on August 4 due to COVID-19 /update 46, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/365991/iraq-kurdish-authorities-close-border-with-turkey-on-august-4-due-to-covid-19-update-46 , Zugriff 6.8.2020

- GoI - Government of Iraq (7.7.2020): Covid-19: Higher Committee for Health and National Safety announces new measures, https://gds.gov.iq/covid-19-higher-committee-for-health-and-national-safety-announces-new-measures/ , Zugriff6.8.2020

- GoI - Government of Iraq (27.7.2020): Covid-19: Iraqi government imposes total curfew during Eid Al-Adha, permits reopening of private health clinics, https://gds.gov.iq/covid-19-iraqi-government-imposes-total-curfew-during-eid-al-adha-permits-reopening-of-private-health-clinics/ , Zugriff 6.8.2020

- Gov.KRD - Kurdistan Regional Government (5.8.2020): Situation Update Coronavirus (COVID-19), https://gov.krd/coronavirus-en/situation-update/ , Zugriff 6.8.2020

- IRC - International Rescue Committee (2.7.2020): Iraq: 600% rise in COVID-19 cases through June means urgent action is needed to slow the spread of the disease, https://www.rescue.org/press-release/iraq-600-rise-covid-19-cases-through-june-means-urgent-action-needed-slow-spread , Zugriff 6.8.2020

- MEMO - Middle East Monitor (3.8.2020): 'Total curfew': Coronavirus cases, deaths rise in Iraq, https://www.middleeastmonitor.com/20200803-total-curfew-coronavirus-cases-deaths-rise-in-iraq/ , Zugriff 6.8.2020

- Rudaw (1.8.2020): Commercial flights to and from the Kurdistan Region resume after months long ban, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/01082020 , Zugriff 6.8.2020

- Rudaw (3.8.2020A): Further travel, social restrictions announced in KRG lockdown update, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/030820201 , Zugriff 6.8.2020

- Rudaw (3.8.2020B): Major Erbil hospital to only treat coronavirus patients as cases surge, https://www.rudaw.net/english/lifestyle/03082020 , Zugriff 6.8.2020

- UNHCR (4.8.2020): IRAQ | UNHCR COVID-19 UPDATE, https://reporting.unhcr.org/sites/default/files/UNHCR Iraq - COVID-19 Update - 04-08-20.pdf , Zugriff 6.8.2020

- WFP - World Food Programme (2.6.2020): Iraq COVID-19 Food Security Monitor, Weekly Update – Issue 7, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/COVID Weekly Food Security Monitor Iraq_2June2020_EN_final draft.pdf , Zugriff 5.6.2020

1.3.10. Behandlung nach Rückkehr:

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Kurdischen Region im Irak (KRI) finden regelmäßig statt. In der KRI gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Eine Fortführung dieser Tendenzen wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der KRI kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.1.2019).

Studien zufolge ist die größte Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017).

Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger (IOM 1.4.2019). Die Miete für 250 m² in Bagdad liegt bei ca. 320 USD (Anm.: ca. 296 EUR) (IOM 13.6.2018). Die Wohnungspreise in der KRI sind 2018 um 20% gestiegen, während die Miete um 15% gestiegen ist, wobei noch höhere Preise prognostiziert werden (Ekurd 8.1.2019). In den Städten der KRI liegt die Miete bei 200-600 USD (Anm.: ca. 185-554 EUR) für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 12 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 8-19 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 23-31 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000-60.000 IQD (Anm.: ca. 31-46 EUR) für privaten oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom. Die Rückkehr von IDPs in ihre Heimatorte hat eine leichte Senkung der Mietpreise bewirkt. Generell ist es für alleinstehende Männer schwierig Häuser zu mieten, während es in Hinblick auf Wohnungen einfacher ist (IOM 1.4.2019).

Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser, jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote. In der Zeit nach Saddam Hussen sind die Besitzverhältnisse von Immobilien zuweilen noch ungeklärt. Nicht jeder Vermieter besitzt auch eine ausreichende Legitimation zur Vermietung (GIZ 12.2019).

Im Zuge seines Rückzugs aus der nordwestlichen Region des Irak, 2016 und 2017, hat der Islamische Staat (IS) die landwirtschaftlichen Ressourcen vieler ländlicher Gemeinden ausgelöscht, indem er Brunnen, Obstgärten und Infrastruktur zerstörte. Für viele Bauerngemeinschaften gibt es kaum noch eine Lebensgrundlage (USCIRF 4.2019). Im Rahmen eines Projekts der UN-Agentur UN-Habitat und des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) wurden im Distrikt Sinjar, Gouvernement Ninewa, binnen zweier Jahre 1.064 Häuser saniert, die während der IS-Besatzung stark beschädigt worden waren. 1.501 Wohnzertifikate wurden an jesidische Heimkehrer vergeben (UNDP 28.4.2019).

Es besteht keine öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche für Rückkehrer. Private Immobilienfirmen können jedoch helfen (IOM 1.4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 13.3.2020

- Ekurd Daily (8.1.2019): Property prices increasing in Iraqi Kurdistan after years of stagnation, https://ekurd.net/property-prices-kurdistan-2019-01-08 , Zugriff 13.3.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/ , Zugriff 13.3.2020

- IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_-_Country_Fact_Sheet_2018,_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2 , Zugriff 13.3.2020

- IOM - International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_irak-dl_de.pdf ;jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1_cid294?__blob=publicationFile, Zugriff 13.3.2020

- IOM - International Organization for Migration (2.2018): Iraqi returnees from Europe: A snapshot report on Iraqi Nationals upon return in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/DP.1635 - Iraq_Returnees_Snapshot-Report - V5.pdf , Zugriff 13.3.2020

- REACH (30.6.2017): Iraqi migration to Europe in 2016: Profiles, Drivers and Return, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/reach_irq_grc_report_iraqi_migration_to_europe_in_2016_june_2017 (1).pdf , Zugriff 13.3.2020

- USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2019): United States Commission on International Religious Freedom 2019 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008186/Tier2_IRAQ_2019.pdf , Zugriff 13.3.2020

- UNDP - United Nations Development Programme (28.4.2019): UN-Habitat and UNDP Upscale Support on Housing Rehabilitation and Secure Tenure for the Returnees in Sinjar, https://www.iq.undp.org/content/iraq/en/home/presscenter/pressreleases/2019/04/28/un-habitat-and-undp-upscale-support-on-housing-rehabilitation-an.html , Zugriff 13.3.2020

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in die zitierten Länderberichte zum Irak sowie in die seitens des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen.

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Auskünfte aus dem Strafregister (SA), dem zentralen Melderegister (ZMR), dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger (AJWEB-P), der Grundversorgung (GVS) sowie dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister (IZR) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Überdies wurde Beweis aufgenommen durch die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 14.09.2020 in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung sowie des Zeugen Ailabouni SAEID und hierbei die gegenständliche Beschwerdesache erörtert.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine unbedenklichen, identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt hat, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen, seiner Herkunft, seiner Schulbildung, seinem Gesundheitszustand, seiner Erwerbsfähigkeit, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit sowie zu seiner Konfession ergeben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.

Die Feststellung zur erstmaligen Einreise des Beschwerdeführers in das österreichische Bundesgebiet (spätestens) am 06.09.2017 ergibt sich aus dem Verwaltungsakt in Zusammenschau mit einer eingeholten Auskunft aus dem zentralen Melderegister (ZMR) und einer Auskunft aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister (IZR). Die Einstellung seines Asylverfahrens sowie die Rückführung aus dem Vereinigten Königreich sind durch die entsprechenden Aktenvermerke (AS 41 ff) belegt.

Dass die Eltern und Geschwister sowie mehrere Onkel und Tanten nach wie vor in seiner Heimatstadt leben, folgt den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 14.09.2020. Dabei gab er ausdrücklich an, mit seiner Mutter und seinem älteren Bruder in Kontakt zu stehen (Protokoll, S. 6).

Auch die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über keine verwandtschaftlichen Bindungen in Österreich verfügt und in keiner Beziehung lebt, ergibt sich aus seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung (Protokoll, S. 5 f).

Dass der Beschwerdeführer bis zum 09.06.2020 Leistungen der staatlichen Grundversorgung bezog, ist aus dem eingeholten GVS-Auszug ersichtlich. Die Feststellungen zu seinem nunmehrigen Einkommen, seiner Selbstständigkeit und seiner Selbsterhaltungsfähigkeit ergeben sich aus seinen diesbezüglich plausiblen Angaben in der mündlichen Verhandlung, wonach eine Pizzeria des Zeugen XXXX übernommen hat und nunmehr selbstständig betreibt.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer Deutsch auf sehr einfachem Niveau erlernt hat gründet auf dem persönlichen Eindruck des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung. Der Beschwerdeführer konnte sehr einfache Fragen auf Deutsch beantworten, er brachte jedoch kein Sprachzertifikat in Vorlage. Seine freundschaftlichen Bindungen sind aus den acht vorgelegten Empfehlungsschreiben ableitbar, wobei diesbezüglich besondere Abhängigkeiten nicht behauptet wurden. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich an, sich nicht ehrenamtlich betätigt zu haben und auch kein Mitglied in einem Verein zu sein (Protokoll, S. 11).

Hinweise auf maßgebliche Integrationsmerkmale in sozialer und kultureller Hinsicht haben sich im Verfahren nicht ergeben.

2.3. Zu den Fluchtgründen und einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag auf internationalen Schutz bei seiner Ersteinvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 06.09.2017 damit, dass im Irak Krieg herrsche und er Angst vor den IS-Kämpfern habe. Dies seien alle seine Gründe für eine Asylantragstellung (Einvernahmeprotokoll, S. 5).

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 09.04.2018 ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahingehend, dass er sich in ein Mädchen verliebt habe und von dessen Familie eines Nachts erwischt worden sei. Zwar habe der Beschwerdeführer zunächst unerkannt flüchten können, allerdings habe die Familie des Mädchens dieses so heftig verprügelt, dass es gestorben sei. Zuvor habe sie jedoch noch den Namen des Beschwerdeführers genannt, weshalb er nun mit dem Tod bedroht sei, da nach den örtlichen Sitten und Gebräuchen für die Wiederherstellung der Ehre die Tötung vorgesehen sei. Auch sein Vater würde ihn bei einer Rückkehr töten, da er strenggläubig sei und dies als seine religiöse Pflicht sehe (Niederschrift, S. 7 ff).

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt auf Grundlage der ergänzenden Ermittlungen sowie insbesondere aufgrund des persönlichen und unmittelbaren Eindrucks, welcher vom Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 14.09.2020 gewonnen werden konnte, zu dem Schluss, dass sein Fluchtvorbringen nicht glaubhaft ist. Dies aufgrund folgender Erwägungen:

Eingangs ist festzuhalten, dass das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Fluchtgründe über die bloße Behauptungsebene nicht hinausgeht und durch keinerlei Bescheinigungsmittel untermauert werden konnte.

Darüber hinaus belastet die Steigerung seines Vorbringens, von einer allgemeinen Bedrohung durch den IS und die allgemeine Sicherheitslage im Rahmen seiner Erstbefragung hin zu einer konkreten Verfolgung durch die Familie seiner damaligen Freundin in der Einvernahme durch die belangte Behörde etwa ein Jahr später, die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers massiv. So geht auch der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass ein später, ergänztes oder gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250), insbesondere dann, wenn das nachträglich vorgebrachte Vorbringen - wie im gegenständlichen Fall - entscheidungskausal für eine geplante Ausreise war. Wenngleich das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass die polizeiliche Erstbefragung eines Asylwerbers im Sinne des § 19 AsylG insbesondere der Ermittlung seiner Identität und Reiseroute dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, sind offenkundige Abweichungen im Kern des Fluchtvorbringens nicht zugunsten der Glaubhaftigkeit seiner Angaben auszulegen und diesbezüglich beweiswürdigende Erwägungen auch im Lichte der höchstgerichtlichen Judikatur zulässig (vgl. VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429). Überdies vertritt der Verwaltungsgerichthof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass grundsätzlich den ersten Angaben eines Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden muss (vgl. etwa VwGH 02.01.2017, Ra 2016/18/0323; 05.10.1988, 88/01/0155; 08.04.1987, 85/01/0299).

Insofern der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung den Versuch unternimmt, diese Steigerung durch mangelhafte Dolmetscherleistung zu erklären (Protokoll, S. 11 ff), so ist dem entgegenzuhalten, dass dem Beschwerdeführer sowohl das Protokoll der Erstbefragung als auch jenes der niederschriftlichen Einvernahme rückübersetzt wurde und ihm eine Kopie der jeweiligen Niederschrift ausgehändigt wurde. Der Beschwerdeführer erhob keine Einwendungen gegen die Niederschriften und bejahte auch jeweils explizit die Frage, ob er die Dolmetscher einwandfrei verstanden habe. Zudem bestätigte er mit seiner Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Einvernahmeprotokolle (Protokoll vom 09.09.2017, S. 6 f; Protokoll vom 09.04.2018, S. 12 f).

Zu Beginn der niederschriftlichen Einvernahme am 09.04.2018 gab der Beschwerdeführer zunächst an, bei der Ersteinvernahme nur zu seinen Daten befragt worden zu sein, ein Dolmetscher sei nicht anwesend gewesen. Auf Vorhalt des Einvernahmeleiters der belangten Behörde, dass im Protokoll der Erstbefragung ein Dolmetscher angeführt ist, gab der Beschwerdeführer an: „Es war ein Türke und den habe ich nur wenig verstanden.“ Nach diesem ersten Widerspruch wurde der Beschwerdeführer erneut gefragt, ob er den an diesem Tag anwesenden (gerichtlich beeideten) Dolmetscher verstehe, was der Beschwerdeführer ausdrücklich bejahte (Niederschrift, S. 2 f).

Weder unmittelbar nach der Einvernahme, noch in der Beschwerde selbst wurde eine unzureichende Übersetzung durch den Dolmetscher moniert. Erstmals in der mündlichen Verhandlung am 14.09.2020 machte der Beschwerdeführer geltend, nicht nur den Dolmetscher der Erstbefragung, sondern auch jenen der niederschriftlichen Einvernahme nicht verstanden zu haben. Diesbezüglich gab er an: „Mir haben sie einen Dolmetscher gebracht, der sich mit Zeichensprache sich verständigen konnte. Ich weiß nicht, ob er kurdisch konnte und woher er stammte. Ich habe nur einige Worte von ihm verstanden […]“ (Protokoll, S. 11 f).

Den Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht nur einmal, sondern bei beiden Befragungen nachträglich eine mangelhafte Dolmetscherleistung trotz erfolgter Rückübersetzung und unterschriftlicher Bestätigung der Richtigkeit derselben moniert, wertet der erkennende Richter als untauglichen Versuch, dadurch eine Erklärung für die genannte Steigerung seines Vorbringens und die im Folgenden noch aufzuzeigenden Widersprüche im Fluchtvorbringen abzugeben und belastet bereits diese versuchte Disqualifizierung eines gerichtlichen beeideten Dolmetschers für sich die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers massiv.

Darüber hinaus ergaben sich aus den Ausführungen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren auch zahlreiche erhebliche Divergenzen. Während er in seiner Erstbefragung etwa noch ausdrücklich angab, dass sein Vater den Schlepper organisiert und auch bezahlt habe (Protokoll, S. 5), so behauptete er in der Einvernahme vor dem BFA, dass sein Vater ihm nach dem Leben trachten würde und ein (zunächst nicht namentlich genannter und im weiteren Verlauf der Einvernahme als „Mohammad“ bezeichneter) Freund seine Ausreise organisiert und finanziert habe (Niederschrift, S. 6 ff). Diesbezüglich ist einerseits nicht ersichtlich, warum ein Freund die - sicherlich äußerst kostspielige - Reise des Beschwerdeführers nach Österreich finanzieren sollte und andererseits nicht glaubhaft, dass ein derartig offenkundiger Widerspruch durch mangelhafte Dolmetscherleistung in der Erstbefragung erklärbar ist.

Gleiches gilt für die divergierenden Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich des Grundes, warum die Familie seiner angeblichen Freundin diese an dem behaupteten Abend zuhause gelassen habe. Dazu befragt gab er in der Einvernahme vor dem BFA an: „Bei uns wird meistens das Mädchen zu Hause gelassen, weil die Tochter die Ehre der Familie darstellt“ (Niederschrift, S. 10), demgegenüber er in der mündlichen Verhandlung völlig diametral angab: „Grundsätzlich lässt die Familie ein Mädchen nicht alleine zu Hause, aber sie hat so getan, als ob sie krank wäre und so nicht mit auf Besuch gehen könne“ (Protokoll, S. 12).

Ein weiterer Widerspruch ergibt sich aus den Ausführungen des Beschwerdeführers zu der Frage, ob ihn die Familie seiner angeblichen Freundin beim Verlassen des Hauses gesehen hat. Dazu befragt gab er in der Einvernahme vor der belangten Behörde ausdrücklich an: „Sie haben mich nicht gesehen“ (Niederschrift, S. 7). Hingegen gab er vor dem Bundesverwaltungsgericht an: „Ja, beim raus gehen vom Haus haben sie mich gesehen, aber ich bin schnell gelaufen“ (Protokoll, S. 14). Der Versuch des Beschwerdeführers, diesen Widerspruch erneut mit mangelnder Dolmetscherleistung zu erklären („Genau das ist ein Fehler, der im Protokoll steht. Ich habe die Frage nicht inhaltlich verstanden. Ich habe gemeint, sie wollen wissen, ob mich jemand festgehalten hat“) geht schon aus den obigen Ausführungen zur behaupteten fehlerhaften Übersetzung ins Leere und ist auch aus dem Grund, dass im weiteren Verlauf der Einvernahme vor dem BFA mehrfach darauf Bezug genommen wurde, dass der Beschwerdeführer ja nicht gesehen worden sei (Niederschrift, S. 9 f) völlig unplausibel.

Selbst bei Wahrunterstellung jener Version der Fluchtgeschichte, welche im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde dargetan wurde, mutet es völlig lebensfremd an, dass der Beschwerdeführer offenbar Zeit hatte sich anzuziehen und unerkannt zu flüchten, seine angebliche Freundin dagegen nicht die Zeit gefunden haben soll, sich selbst bloß anzuziehen und so dem Tod durch ihre eigene Familie zu entgehen. Dass ihre Familie die angebliche Freundin des Beschwerdeführers nackt gesehen haben soll, gab der Beschwerdeführer dem widersprechend in der mündlichen Verhandlung nicht mehr an.

Letztlich ergab sich für das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Beschwerdeverhandlung allgemein der Eindruck, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner angeblich ausreisekausalen Gründe wie auswendig gelernt vorgetragen wurde. Seine Schilderungen erwiesen sich als äußerst oberflächlich und ließen alle Realkriterien, wie sie für Erzählungen von selbst wahrgenommenen Ereignissen typisch sind - etwa eigene Gefühle oder auch nur unwesentliche Details oder Nebenumstände - vermissen. So zeichnet sich die Wiedergabe von tatsächlich selbst erlebten Umständen bzw. Ereignissen bei lebensnaher Betrachtung gerade dadurch aus, dass Menschen über persönlich Erlebtes detailreich, oft weitschweifend unter Angabe der eigenen Gefühle bzw. unter spontaner Rückerinnerung, Zeit-Ort-Verknüpfungen und auch oft über unwesentliche Details oder Nebenumstände berichten. Die Schilderungen des Beschwerdeführers erschöpften sich jedoch sowohl vor dem BFA als auch in der Beschwerdeverhandlung in der Darlegung von Eckpfeilern einer allgemein gehaltenen, vagen Rahmengeschichte und begnügte sich der Beschwerdeführer bei Vorhalt eines Widerspruches regelmäßig damit, auf die mangelhaften Übersetzungen zu verweisen, was jedoch - wie umseits ausgeführt - nicht zur Entkräftung der Vorhalte dient.

Ein Asylwerber hat für die Glaubhaftmachung der Angaben die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig zu schildern. Damit ist die Pflicht verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der Voraussetzungen und für eine Asylgewährung spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Der Aussage des Asylwerbers kommt hierbei wesentliche Bedeutung zu bzw. trifft diesen eine erhöhte Mitwirkungspflicht (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 3, E23).

Ein derart unschlüssiges als auch mehrfach nachträglich abgeändertes Konstrukt reicht nicht aus, um glaubhaft zu machen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich im Irak der Gefahr einer wie auch immer gearteten Verfolgung ausgesetzt ist. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung des Fluchtvorbringens für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich ist, weshalb dem Beschwerdeführer im konkreten Fall nicht eine innerstaatliche Relokation zumutbar sei. Er stammt aus der kurdischen Region des Irak und stünde es ihm sohin offen, sich etwa in einer der Großstädte Dohuk oder Sulaymaniya bzw. in der Millionenstadt Erbil niederzulassen. Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und erwerbsfähig, zudem ledig und kinderlos. Sein Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung, in einer dieser Städte schnell ausfindig gemacht zu werden (Protokoll, S. 15) ist vor dem Hintergrund der einschlägigen Länderberichte nicht nachvollziehbar und ist auch nicht davon auszugehen, dass ihn die Angehörigen seiner ehemaligen Freundin in einer dieser einwohnerstarken Städte ohne weiteres ausfindig machen würden. Somit wäre im konkreten Fall auch das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu bejahen. Die genannten Städte sind problemlos über das irakische Straßennetz mit dem Auto erreichbar. Es verkehren auch Busse zwischen diesen Städten, aber auch zwischen anderen Orten und diesen Städten. Zudem verfügen sowohl Erbil als auch Dohuk oder Sulaymaniya über Flughäfen.

Zusammengefasst gelangt das Bundesverwaltungsgericht somit zur Überzeugung, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen gedanklich konstruiert und nicht selbst wahrgenommen hat, wobei der behaupteten Privatverfolgung selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung keine Asylrelevanz zukommen würde. Somit ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine aktuelle, gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen und waren daher die entsprechenden Feststellungen zu treffen. Vielmehr liegt der Schluss nahe, dass er - entsprechend seinem Vorbringen in der Erstbefragung - den Irak aufgrund der im Jahr 2017 unstreitig volatilen Sicherheitslage verlassen hat.

Die belangte Behörde hatte den verfahrensgegenständlichen Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, unter Hinweis darauf, dass für den Beschwerdeführer keine besondere Gefährdungssituation bestehe und im Hinblick auf seine Person auch keine zu berücksichtigenden Vulnerabilitäten gegeben seien. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich auch den tragenden Erwägungen der belangten Behörde hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an, wonach der Beschwerdeführer durchaus in der Lage sein wird können, sich im Irak eine Lebensgrundlage zu schaffen:

Aus einer Zusammenschau der unter Punkt II.1.3.1. bis II.1.3.5. zitierten Quellen ergibt sich eine Sicherheitslage, die es einer Person wie dem Beschwerdeführer erlaubt, in der Kurdischen Region im Irak relativ unbehelligt leben zu können, ohne zwingend damit rechnen zu müssen, Opfer von Verfolgung, willkürlicher Gewalt oder kriegerischer Auseinandersetzungen zu werden.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen gesunden, leistungsfähigen, erwerbsfähigen, moslemisch-sunnitischen Kurden mit Berufserfahrung. Hinsichtlich der vor dem Hintergrund der Sicherheitslage der Vorjahre im Mai 2020 getroffenen Einschätzung von UNHCR, wonach nur in Bagdad alleinstehende, körperlich leistungsfähige arabische Schiiten im arbeitsfähigen Alter und ohne identifizierte besondere Vulnerabilitäten in urbanen Gegenden, in denen die notwendige Infrastruktur und Möglichkeiten zur Existenzsicherung zur Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse vorhanden sind, gegebenenfalls sogar in der Lage sind, ohne Unterstützung durch ihre Familie und/oder ihren Stamm zu bestehen, ist zunächst festzuhalten, dass diese bloß auf Bagdad eingeschränkte Aussage wegen der sich stark verbesserten Sicherheitslage, die sich im Jahr 2019 (welches von der Einschätzung des UNHCR nur hinsichtlich des ersten Quartals, wenn überhaupt, berücksichtigt werden konnte) und im laufenden Jahres 2020 weiter stark verbessert hat, nicht mehr in dieser Einschränkung aufrecht zu erhalten ist. Vielmehr ist im Lichte der jüngsten EASO-Berichte und des Länderinformationsblattes einschließlich der dort zitierten Quellen sowie der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Sicherheitslage in der Provinz Sulaymaniyah, insbesondere Distrikt Pishdar, Stadt Qaladze vom 12.11.2020 davon auszugehen, dass auch in der Provinz Sulaymaniyah alle Voraussetzungen vorliegen, dass ein gesunder, leistungsfähiger, erwerbsfähiger, lediger, kinderloser, moslemisch-sunnitischer Kurde mit Berufserfahrung selbst ohne familiäre Unterstützung bestehen kann.

Im Fall des Beschwerdeführers, für den keine besondere Vulnerabiltät gegeben ist, wird es daher möglich sein, in seiner Heimatstadt Qaladze bei seiner Rückkehr dorthin bestehen zu können. Zudem wird er auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen können, zumal er in der mündlichen Verhandlung selbst angab, mit seiner Mutter und einem Bruder in Kontakt zu stehen (Protokoll, S. 6). Überdies ist auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit den übrigen Mitgliedern seiner Kernfamilie in Kontakt steht, zumal wie umseits ausgeführt dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit zu versagen war und daher kein Grund für die behauptete Abneigung seines Vaters ihm gegenüber mehr besteht.

Aus den Länderfeststellungen geht auch nicht hervor, dass im Irak eine Situation bestünde, die eine in den Irak zurückkehrende Person dem sicheren Verderben bzw. gleichsam dem Tode aussetzen oder diese Person um alle Lebensgrundlagen bringen würde. Nach den Länderfeststellungen sind die Grundlagen für ein Leben in der Provinz Sulaymaniyah, also die Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser, Kleidung, Strom und Medikamenten sowie die medizinische Versorgung gegeben.

Auch ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse in Bezug auf den Beschwerdeführer. Dass er derzeit an einer COVID-19-Infektion leidet oder im Hinblick auf eine etwaige Vorerkrankung zu einer vulnerablen Personengruppe gehören würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 zudem mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 39 Jahre ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt unter 1 % (vgl. Punkt II.1.3.9.). Es fehlt sohin auch vor dem Hintergrund der aktuellen COVID-19-Pandemie an den geforderten außergewöhnlichen Umständen im Sinne des Art 3 EMRK (zur "Schwelle" des Art 3 EMRK vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059).

Sohin war die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Irak keiner ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt sein wird. Eine Rückkehr in den Irak führt somit im Falle des Beschwerdeführers nicht automatisch dazu, dass er in eine unmenschliche Lage bzw. eine Notlage geraten und in seinen durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechten verletzt würde. Auch ist er angesichts der weitgehend stabilen Sicherheitslage in der Kurdischen Region im Irak nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl VwGH 07.06.2000, 99/01/0210).

Dem Beschwerdeführer wurden im Vorfeld der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht Kopien der im Akt enthaltenen Feststellungen und Berichte zur allgemeinen Situation im Irak übermittelt und diese mit ihm im Rahmen der Beschwerdeverhandlung erörtert, wobei den unter Punkt II.1.3. getroffenen Feststellungen hierbei nicht substantiiert entgegengetreten wurde.

Die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Sicherheitslage in der Provinz Sulaymaniya vom 12.11.2020 wurde dem Beschwerdeführer mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 17.11.2020 übermittelt und trat der Beschwerdeführer deren Inhalt in seiner Stellungnahme vom 01.12.2020 nicht entgegen.

Zusammengefasst ist sohin festzuhalten, dass sich die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak zweifelsfrei aus den unter Punkt II.1.3. zitierten Quellen ergeben und weder diesen Quellen noch deren Inhalt im Beschwerdeverfahren substantiiert entgegengetreten wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abs. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art. 1 Abs. A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abs. A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG 2005 erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3. ausführlich dargestellt, konnte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall keine Gründe glaubhaft machen, die für eine asylrelevante Verfolgung sprächen. Seinem Fluchtvorbringen hinsichtlich der Gefahr eine Verfolgung durch Familienangehörige seiner ehemaligen Freundin bzw. durch seinen eigenen Vater war unter Abwägung aller in der Beweiswürdigung dargelegten Gründe die Glaubhaftigkeit zu versagen.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass dem leistungsfähigen, kinderlosen und ledigen Beschwerdeführer, der sich als Kurde zum moslemisch-sunnitischen Glauben bekennt, etwa in der gleichnamigen Hauptstadt seines Heimatbezirkes Sulaymaniyah oder auch in einer der anderen großen Städte der Kurdischen Region im Irak eine ihm zumutbare, erreichbare und ihm auch mögliche innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung gestanden wäre und es ihm dort möglich gewesen wäre, auch ohne familiäre Unterstützung zu leben, weshalb selbst in dem Fall, dass der Beschwerdeführer einen asylrelevanten Fluchtgrund glaubhaft gemacht hätte, sein Asylantrag gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG abzuweisen gewesen wäre.

Es liegen jedoch - entgegen dem Beschwerdevorbringen - keine asylrelevanten Gründe vor. Daher war die Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtet, abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102; 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mwH). Im Sinne einer mit der Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) konformen Auslegung des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist subsidiärer Schutz nur zu gewähren, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Art. 15 der Statusrichtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens (Todesstrafe oder Hinrichtung [lit a], Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat [lit b] und ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts [lit c]) zu erleiden (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mit Verweis auf die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH).

Überdies ist im Rahmen einer Einzelfallprüfung die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer Verletzung von Art. 3 EMRK durch die Abschiebung in seinen Heimatstaat droht, weil der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK angenommen werden kann (vgl. VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 u.a.). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 u.a.).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Dem Beschwerdeführer droht im Irak keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung. Es droht ihm auch keine reale Gefahr, im Falle seiner Rückkehr entgegen Art. 3 EMRK behandelt zu werden. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzungen des Art. 3 EMRK - was im Irak aufgrund der Sicherheitslage grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann - ist hingegen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausreichend. Diese Lebensumstände betreffen sämtliche Personen, die im Irak leben und können daher nicht als Grund für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten herangezogen werden. So liegt hinsichtlich des Beschwerdeführers kein stichhaltiger Grund dafür vor anzunehmen, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat tatsächlich Gefahr liefe, die Todesstrafe oder Hinrichtung, die Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak zu erleiden. Nachdem keine Gründe ersichtlich sind, die auf den Vorwurf einer Straftat, welche zur Verhängung der Todesstrafe, der Folter oder Bestrafung des Antragstellers im Herkunftsstaat hindeuten könnten, ist ein „ernsthafter Schaden“ im Sinne des Art. 15 der Statusrichtlinie auszuschließen. Ein bewaffneter Konflikt besteht im Irak ebenfalls nicht. Zwar ist es so, dass im Irak die Sicherheitslage nicht mit der österreichischen vergleichbar ist, jedoch erreicht die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle im Irak vor dem Hintergrund der einschlägigen Länderberichte nicht ein so hohes Niveau, dass stichhaltige Gründe dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat alleine durch seine Anwesenheit im Staatsgebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.1.3.1. bis 1.3.5.).

Der Beschwerdeführer konnte auch nicht glaubhaft machen, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation im Irak und den hiermit verbundenen Umständen spezifisch von willkürlicher Gewalt betroffen wäre. Daher ist auch diese Voraussetzung für die Gewährung subsidiären Schutzes nicht erfüllt. Eine Gefahr eines ernsthaften Schadens durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Beschwerdeführers im Irak liegt ebenfalls nicht vor. Der Beschwerdeführer gehört weder einer Bevölkerungsgruppe an, die im Irak allgemein einer besonderen Gefahr ausgesetzt wäre, noch liegen individuelle Bedrohungen vor, die dazu führen könnten, dass er bei einer Rückkehr in den Irak einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre. Auch ergeben sich aus den einschlägigen Länderberichten keine Gründe, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe besteht.

Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für den Irak ebenfalls nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr in den Irak mit existentiellen Nöten konfrontiert ist.

Dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall ebenfalls keinen Anhaltspunkt. Er ist jung, gesund und erwerbsfähig und hat zudem keine Sorgepflichten. Überdies verfügt er über eine elfjährige Schulbildung sowie Berufserfahrung als Gastronom und besteht für ihn sohin auch künftig die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt im Irak aus eigenem zu bestreiten. Hinzu kommt, dass er nach wie vor über ein familiäres Netzwerk im Irak verfügt, der Beschwerdeführer zumindest zu Teilen seiner Familie in aufrechtem Kontakt steht und daher nicht davon auszugehen ist, dass er gänzlich ohne familiären Rückhalt im Irak leben wird müssen.

Der Umstand, dass der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers im Irak möglicherweise bescheidener ausfallen mag als er in Österreich sein könnte, rechtfertigt nicht die Annahme, ihm wäre im Falle der Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten.

Auch ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse im Hinblick auf den jungen und gesunden Beschwerdeführer (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.1.3.9.).

Damit erweist sich die Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet, als unbegründet und war dementsprechend gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

3.3.1. Rechtslage

Gemäß § 58 Abs. 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG ("Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz") von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs. 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde unter Zitierung des § 57 AsylG zwar ausgesprochen hat, dass ein „Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, dass sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch unzweifelhaft ergibt, dass die belangte Behörde tatsächlich rechtsrichtig über eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG abgesprochen und eine solche nicht erteilt hat. Der Spruchpunkt war sohin entsprechend zu korrigieren.

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG („Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG. Eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG mit der Maßgabe abzuweisen war, dass dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG zu erteilen war.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

3.4.1. Rechtslage

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG 2005) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall

Zu prüfen ist, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art. 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:

Zwar erreichte das vorliegende Asylverfahren, gerechnet von der Antragstellung am 06.09.2017 bis zum Datum der vorliegenden Entscheidung, eine gewisse Dauer, diese wurde jedoch auch zu einem Teil durch die Weiterreise des Beschwerdeführers in das Vereinigte Königreich verursacht und ist er seit seiner Rückführung am 17.01.2018 nunmehr drei Jahre in Österreich aufhältig. Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058). Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet jedoch noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0289).

Zudem beruhte der seit Anfang 2018 andauernde durchgehende Aufenthalt des Beschwerdeführers auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durften, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann. Spätestens seit der Abweisung seines Asylantrages mit Bescheid der belangten Behörde vom 06.06.2018 - sohin nach weniger als einem halben Jahr des durchgehenden Aufenthaltes - musste sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltes bewusst sein (vgl. VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0205). Dies führt aber nicht dazu, dass seine seither gesetzten integrativen Bemühungen vollkommen außer Acht gelassen werden (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0405).

Der Beschwerdeführer führt nach eigenen Angaben kein Familienleben in Österreich. Hinsichtlich seines Privatlebens ist auszuführen, dass das Bestehen eines solchen schon aufgrund der dreijährigen Aufenthaltsdauer unstrittig ist, allein aus dem zeitlichen Ablauf allerdings noch nicht vom Bestehen einer außergewöhnlichen schützenswerten und dauernden Integration gesprochen werden kann. Daher ist im gegenständlichen Fall im Rahmen einer Gesamtbetrachtung die Integration des Beschwerdeführers zu beurteilen, wobei miteinzufließen hat, ob und inwieweit der Beschwerdeführer die in Österreich verbrachte Zeit genutzt hat um sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. VwGH 05.10.2020, Ra 2020/19/0330).

Wenngleich der Beschwerdeführer durchaus gewisse Integrationsbemühungen - insbesondere in beruflicher Hinsicht - erkennen hat lassen, er gewisse Deutschkenntnisse erworben hat und er auch soziale Kontakte geknüpft hat, so liegen vor dem Hintergrund seiner Aufenthaltsdauer keine Aspekte einer außerordentlichen Integration vor und wird das Gewicht seiner privaten Interessen letztlich dadurch gemindert, dass sie allesamt über einen Zeitraum entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Insbesondere hat er auch keine Schritte zur Erlangung eines Deutschzertifikates gesetzt und bestritt seinen Lebensunterhalt seit seiner Einreise überwiegend über die staatliche Grundversorgung. Auch wenn er ob seiner nunmehrigen, seit kurzem bestehenden selbstständigen Tätigkeit als selbsterhaltungsfähig anzusehen ist und ihm dies auch im Sinne der durchzuführenden Interessenabwägung zu Gute zu halten ist, kann seine weitere Selbsterhaltungsfähigkeit aufgrund der notorisch bekannten wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie - insbesondere auf die Gastronomie - keinesfalls als gesichert angesehen werden. Eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung kann aus all dem nicht geschlossen werden.

Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof erst in drei jüngst ergangenen Entscheidungen, bei deutlich längerer Aufenthaltsdauer wie im Fall des Beschwerdeführers, jedoch gewichtigeren Integrationsschritten wie im vorliegenden Beschwerdefall (Deutschkenntnisse auf Niveau B1, Ausbildung in Sozial- und Pflegeberuf, Lehre zum Bäcker), ausführlich dargelegt, dass es maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste und eine zuvor ergangene Rückkehrentscheidung bestätigt (vgl. VwGH 06.05.2020, Ra 2020/20/0093; 27.02.2020, Ra 2019/01/0471; 28.02.2019, Ro 2019/01/0003). Der darin angeführte Aspekt, es müsse unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht akzeptiert werden, dass ein Fremder mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen, trifft auch auf den vorliegenden Beschwerdefall zu.

Andererseits kann nach wie vor von einem Bestehen von Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat Irak ausgegangen werden, zumal er dort den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht hat, er dort hauptsozialisiert wurde und seine Enkulturation erfahren hat. Er spricht nach wie vor seine Muttersprache und ist mit den regionalen Sitten und Gebräuchen der irakischen Kultur weiterhin vertraut. Zudem verfügt er in Gestalt seiner Kernfamilie über umfangreiche familiäre Anknüpfungspunkte in seinem Herkunftsstaat, wobei ihm diesbezüglich zweifelsfrei möglich sein wird, den Kontakt wiederaufzunehmen. Raum für die Annahme einer völligen Entwurzelung im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat besteht sohin nicht.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privatleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007; vgl. dazu auch VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang erklärt, dass „eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde“).

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht somit das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesem gewichtigen öffentlichen Interesse kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034; 05.11.2019, Ro 2019/01/0008).

Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt somit im Rahmen einer Gesamtschau zuungunsten der privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Ausreise aus. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Ausreise als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann und war die von der belangten Behörde erlassene Rückkehrentscheidung daher nicht zu beanstanden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.

Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG sind ebenfalls erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (z.B. vorübergehend nach Art. 8 EMRK, vgl. § 9 Abs. 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.5. Zum Ausspruch, dass die Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):

3.5.1. Rechtslage

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder deren 6. Bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

3.5.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig wäre.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu zuletzt VwGH 25.09.2019, Ra 2019/19/0399 mwH).

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak erfolgte daher zu Recht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.6. Frist zur freiwilligen Ausreise (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 2 FPG vierzehn Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer nichts vorgebracht, was auf solche „besonderen Umstände“ im Sinne des § 55 Abs. 2 FPG schließen ließe. Weder aus dem Verwaltungsakt noch in der mündlichen Verhandlung sind Umstände hervorgekommen, die als „besondere Umstände“ im Sinne des § 55 Abs. 2 FPG zu werten wären. Daher traf die belangte Behörde zu Recht den Ausspruch, dass die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Entscheidung beträgt.

Die Beschwerde erweist sich daher auch insoweit als unbegründet, als sie sich gegen den Ausspruch über die Frist zur freiwilligen Ausreise, Spruchpunkt IV., wendet und war daher gemäß § 28 Abs 2 VwGVG abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten, nicht als uneinheitlich zu beurteilenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte