Zusatzinformationen | |
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Materie: | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 50 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Zuständigkeit, Feststellungsbescheid, Übergang der Zuständigkeit, Delegierungsbescheid |
Verweise: | VwGH 11.12.1992, 88/17/0104 |
2. Abgaben vom Einkommen
2.1. Einkommensteuer bei unbeschränkter Steuerpflicht
2.1.1. Sachliche Zuständigkeit
Zufolge § 3 Abs. 1 AVOG obliegt die Erhebung der Einkommensteuer den Finanzämtern mit allgemeinem Aufgabenkreis.
2.1.2. Örtliche Zuständigkeit
2.1.2.1. Grundsatzregelung (§ 55 Abs. 1 BAO)
Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 1 Abs. 2 erster Satz EStG 1988). Eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht kann sich weiters aus dem Überschreiten der Sechsmonatsfrist des § 26 Abs. 2 zweiter Satz BAO ergeben.
Für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen natürlicher Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (unbeschränkt Steuerpflichtige), ist grundsätzlich das Wohnsitzfinanzamt zuständig (§ 55 Abs. 1 BAO).
Ausnahmen von dieser Grundregel sind in § 55 Abs. 3, 4 und 5 BAO geregelt. Eine weitere Ausnahme kann sich mittelbar aus der Verordnung betreffend inländische Zweitwohnsitze (BGBl. II Nr. 528/2003) ergeben.
Wohnsitzfinanzamt ist jenes Finanzamt, in dessen Bereich der Abgabepflichtige einen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Bei mehrfachem Wohnsitz im Bereich verschiedener Finanzämter gilt als Wohnsitzfinanzamt jenes, in dessen Bereich sich der Abgabepflichtige vorwiegend aufhält (§ 55 Abs. 2 BAO).
Die Begriffe "Wohnsitz" und "gewöhnlicher Aufenthalt" richten sich nach § 26 Abs. 1 BAO bzw. nach § 26 Abs. 2 erster Satz BAO.
Ein Abgabepflichtiger kann gleichzeitig mehrere Wohnsitze haben (zB VwGH 9.11.2004, 99/15/0008), jedoch nur einen gewöhnlichen Aufenthalt (zB VwGH 19.11.2005, 2002/14/0103).
Für den vorwiegenden Aufenthalt (im Sinn des § 55 Abs. 2 zweiter Satz BAO) ist maßgebend, wo die körperliche Anwesenheit in einem höheren Maße gegeben ist (VwGH 26.5.2004, 2000/14/0207). Bei einem Wochenpendler ist dies die Wohnung, die er während der Arbeitswoche bewohnt (vgl. VwGH 30.11.1993, 90/14/0212).
2.1.2.2. Zuständigkeit bei Fehlen eines Wohnsitzfinanzamtes
Hat der Steuerpflichtige im Inland keinen Wohnsitz und auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt, ist er jedoch wegen Überschreitens der Sechsmonatsfrist des § 26 Abs. 2 zweiter Satz BAO unbeschränkt steuerpflichtig, so richtete sich die örtliche Zuständigkeit nach § 56 BAO bzw. subsidiär nach § 70 Z 3 BAO.
§ 56 BAO gilt für Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und zwar auch dann, wenn sie nicht beschränkt sondern unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind.
Zufolge § 56 BAO (siehe Abschnitt 2.2.2.) ist maßgebend
- die Lage des Vermögens bzw.
- (subsidiär) der Bereich, in dem die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Inland vorwiegend ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist.
Ergibt sich aus § 56 BAO keine Zuständigkeit, so ist § 70 BAO heranzuziehen. Nach § 70 Z 3 BAO kommt der Aufenthalt (im Zeitpunkt der Amtshandlung) bzw. subsidiär der Anlass zum Einschreiten als zuständigkeitsbegründend in Betracht.
2.1.2.3. § 55 Abs. 3 BAO (Einzelunternehmer)
Die Erhebung der Einkommensteuer obliegt nicht dem Wohnsitzfinanzamt, sondern dem im § 54 Abs. 1 BAO (zB Betriebsfinanzamt) genannten Finanzamt, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs. 3 BAO vorliegen.
§ 55 Abs. 3 BAO setzt voraus, dass der Abgabepflichtige als Einzelunternehmer im Bereich der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit unterhält
- nur einen Betrieb oder
- mehrere Betriebe, wenn hiefür nach § 54 BAO dasselbe Finanzamt zuständig wäre.
Bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft ist (§ 54 Abs. 1 lit. a BAO zufolge) örtlich zuständig
- das Lagefinanzamt bzw.
- bei einer Mehrheit von Lagefinanzämtern jenes Finanzamt, in dessen Bereich sich die Leitung des Betriebes befindet.
Lagefinanzamt ist das Finanzamt, in dessen Bereich die wirtschaftliche Einheit gelegen ist (§ 53 Abs. 1 lit. a BAO).
Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb ist (§ 54 Abs. 1 lit. b BAO zufolge) das Betriebsfinanzamt zuständig.
Betriebsfinanzamt ist das Finanzamt, in dessen Bereich sich die Geschäftsführung des Betriebes befindet (§ 53 Abs. 1 lit. b BAO).
Bei Einkünften aus selbständiger Arbeit sind für § 55 Abs. 3 BAO Betriebe lediglich dann bedeutsam, wenn die Berufstätigkeit von einer Betriebsstätte (im Sinn des § 29 BAO) des Unternehmens aus vorwiegend ausgeübt wird.
Ist § 55 Abs. 3 BAO bei solchen Einkünften anwendbar, so ist für die Erhebung der Einkommensteuer das Finanzamt örtlich zuständig, von dessen Bereich aus die Berufstätigkeit vorwiegend ausgeübt wird (§ 54 Abs. 1 lit. c BAO zufolge).
§ 55 Abs. 3 BAO gilt unabhängig davon, ob der Abgabepflichtige neben dem Betrieb (den Betrieben) als Mitunternehmer an einer Personenvereinigung oder an mehreren Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit (zB KG, OG, GesBR) beteiligt ist.
Beispiele:
1. Der Einkommensteuerpflichtige hat seinen einzigen Wohnsitz im Bereich des Finanzamtes A. Die Geschäftsleitung seines einzigen Gewerbebetriebes befindet sich im Bereich des Finanzamtes B. Dem Finanzamt B obliegt die Erhebung der Einkommensteuer.
2. Sachverhalt wie Beispiel 1. Überdies unterhält der Steuerpflichtige einen weiteren Gewerbebetrieb im Bereich des Finanzamtes B. Dies ändert nichts an der Zuständigkeit des Finanzamtes B für die Erhebung der Einkommensteuer.
3. Sachverhalt wie Beispiel 1. Der Steuerpflichtige ist weiters an einer KG mit Geschäftsleitung im Bereich des Finanzamtes C beteiligt. Dies berührt die Zuständigkeit des Finanzamtes B für die Erhebung der Einkommensteuer nicht.
4. Sachverhalt wie Beispiel 1. Überdies unterhält der Steuerpflichtige als Einzelunternehmer weitere Betriebe im Bereich des Finanzamtes B. Er hat weiters einige Beteiligungen als Mitunternehmer im Bereich mehrerer Finanzämter. Die Erhebung der Einkommensteuer obliegt dem Finanzamt B.
5. Der (einzige) Wohnsitz befindet sich im Bereich des Finanzamtes A. Es werden zwei Gewerbebetriebe unterhalten (im Bereich der Finanzämter B und C). § 55 Abs. 3 BAO ist nicht anwendbar, weil die Betriebe nicht im Bereich desselben Finanzamtes ihre Geschäftsleitung haben. Die Erhebung der Einkommensteuer obliegt somit dem Finanzamt A.
6. Im Bereich des Finanzamtes A befindet sich der (einzige) Wohnsitz und der Ort der Geschäftsleitung eines Gewerbebetriebes. Im Bereich des Finanzamtes B liegt ein landwirtschaftlicher Betrieb. § 55 Abs. 3 BAO ist nicht anwendbar. Das Finanzamt A ist daher für die Erhebung der Einkommensteuer zuständig.
Nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebes ist § 55 Abs. 3 BAO nicht mehr anwendbar. Dies gilt auch für Abgabenansprüche, die vor dem Zeitpunkt der Aufgabe oder Veräußerung entstanden sind.
2.1.2.4. § 55 Abs. 4 BAO (Mitunternehmer)
§ 55 Abs. 4 BAO betrifft lediglich Gemeinden, die sich über die Amtsbereiche von mehr als einem Finanzamt mit allgemeinem Aufgabenkreis erstrecken (somit derzeit Wien und Linz).
§ 55 Abs. 4 BAO setzt voraus,
- dass das Wohnsitzfinanzamt des Einkommensteuerpflichtigen sich in Wien (bzw. in Linz) befindet,
- dass der Einkommensteuerpflichtige als Mitunternehmer lediglich an einer Personenvereinigung beteiligt ist und
- dass für die einheitliche und gesonderte Feststellung seiner Einkünfte zufolge § 54 Abs. 1 BAO ein anderes Finanzamt derselben Gemeinde zuständig ist.
Diesfalls obliegt dem für die Feststellung der Einkünfte zuständigen Finanzamt auch die Erhebung der Einkommensteuer.
Zur Zuständigkeit für derartige Feststellungsbescheide siehe Abschnitt 4.1.
§ 55 Abs. 4 BAO ist unanwendbar, wenn sich die Zuständigkeit für die Erhebung der Einkommensteuer nach § 55 Abs. 3 BAO richtet.
§ 55 Abs. 4 BAO gilt nur, solange der Einkommensteuerpflichtige als Mitunternehmer beteiligt ist. Nach Aufgabe der Beteiligung (Veräußerung des Mitunternehmeranteils) ist § 55 Abs. 4 BAO nicht mehr anwendbar.
Beispiele:
1. Der unbeschränkt Einkommensteuerpflichtige hat seinen (einzigen) Wohnsitz im Bereich des Finanzamtes A. Er ist als Mitunternehmer an einer KG, deren Geschäftsleitung sich im Bereich des Finanzamtes B befindet, beteiligt. Beide Finanzämter befinden sich in Wien. Daraus ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des Finanzamtes B für die Erhebung der Einkommensteuer. Der Steuerpflichtige veräußert seinen Mitunternehmeranteil und gibt dies seinem Wohnsitzfinanzamt bekannt. Dadurch verliert das Finanzamt B die Zuständigkeit für die Erhebung der Einkommensteuer.
2. Sachverhalt wie Beispiel 1. (erster Absatz). Das Wohnsitzfinanzamt erlangt jedoch keine Kenntnis von der Veräußerung. Daher bleibt (zufolge § 73 BAO) das Finanzamt B für die Erhebung der Einkommensteuer zuständig. Erlangt das Finanzamt B Kenntnis von der Veräußerung, so hat es das Finanzamt A hievon zu verständigen (zwecks Überganges der Zuständigkeit).
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