VwGH 2011/03/0228

VwGH2011/03/022830.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Beschwerdesache der Stadtgemeinde S, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig und Dr. Christian Puswald, Rechtsanwälte in 9300 St. Veit/Glan, Unterer Platz 11, gegen den Bescheid der Post-Control-Kommission vom 17. Oktober 2011, Zl PF 6/11-11, betreffend Schließung von Post-Geschäftsstellen (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §8;
B-VG Art131;
PostmarktG 2009 §7 Abs5;
PostmarktG 2009 §7 Abs6;
VwGG §33 Abs1;
VwRallg;
AVG §8;
B-VG Art131;
PostmarktG 2009 §7 Abs5;
PostmarktG 2009 §7 Abs6;
VwGG §33 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu stellen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde von der belangten Behörde gemäß § 7 Abs 6 des Postmarktgesetzes, BGBl I Nr 123/2009 idF BGBl I Nr 111/2010 (PMG), festgestellt, dass bei zwölf eigenbetriebenen Post-Geschäftsstellen - ua S - die Voraussetzungen für die Schließung einer eigenbetriebenen Post-Geschäftsstelle gemäß § 7 Abs 3 PMG vorliegen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf flächendeckende Versorgung mit Post-Geschäftsstellen und insbesondere in dem Recht verletzt, dass die Beschwerdeführerin als Gemeinde mit mehr als 10.000 Einwohnern und Einwohnerinnen und als Bezirkshauptstadt Anspruch darauf habe, dass für mehr als 90 % der Einwohner und Einwohnerinnen eine Post-Geschäftsstelle in maximal 2.000 m erreichbar sei.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

4. Die Beschwerde ist nicht zulässig.

4.1. Nach Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG kann - nach Erschöpfung des Instanzenzuges - gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß § 33 Abs 1 VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde, nach dessen Einvernahme die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen. Gemäß § 34 Abs 1 VwGG sind Beschwerden, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist oder wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs nicht zur Behandlung eignen oder denen offenbar die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs 3 VwGG).

4.2. Für die Beurteilung der Beschwerdeberechtigung im Fall einer auf Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG gestützten Beschwerde kommt es (unabhängig von der Parteistellung im Verwaltungsverfahren) lediglich darauf an, ob der Beschwerdeführer nach der Lage des Falles durch den angefochtenen Bescheid unabhängig von der Frage seiner Gesetzmäßigkeit in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt werden kann. Es muss zumindest die Möglichkeit bestehen, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde (vgl dazu sowie zum Folgenden VwGH vom 15. Februar 2011, 2008/05/0075, VwGH vom 30. Juni 2011, 2008/03/0168, und VwGH vom 16. November 2011, 2011/17/0111). Die Beschwerdelegitimation setzt somit voraus, dass die auf Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG gestützte Beschwerde unter Berufung auf eine eigene, gegenüber dem Staat - als Träger hoheitlicher Befugnisse - bestehende Interessenssphäre der beschwerdeführenden Partei erhoben wird. Das als Prozessvoraussetzung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis der beschwerdeführenden Partei besteht bei einer Bescheidbeschwerde iSd Art 131 B-VG im objektiven Interesse an der Beseitigung des angefochtenen, sie belastenden Verwaltungsakts. Das objektive Interesse der beschwerdeführenden Partei an der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle ist ihre "Beschwer". Eine solche liegt vor, wenn das angefochtene Verwaltungshandeln vom Antrag der beschwerdeführenden Partei an die Verwaltungsbehörde zu deren Nachteil abweicht (formelle Beschwer) oder mangels Antrages die Verwaltungsbehörde die beschwerdeführende Partei durch ihren Verwaltungsakt belastet.

Auch aus § 33 Abs 1 VwGG lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof als Prozessvoraussetzung versteht. Führt nämlich die Klaglosstellung einer beschwerdeführenden Partei in jeder Lage des Verfahrens zu dessen Einstellung, so ist anzunehmen, dass eine Beschwerde von vornherein als unzulässig betrachtet werden muss, wenn eine der Klaglosstellung vergleichbare Situation bereits bei Einbringung der Beschwerde vorliegt. Eine derartige Beschwerde ist mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückzuweisen.

4.3. Aus den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Dezember 2012, 2012/03/0038 (ua unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien sowie Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs) und vom selben Tag, 2012/03/0130, ergibt sich, dass der beschwerdeführenden Stadtgemeinde in dem dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Verfahren nach § 7 Abs 6 PMG keine Parteistellung zukam; sie wurde (auch nach der Beschwerde) diesem Verfahren nicht als Partei beigezogen, der angefochtene Bescheid wurde ihr nicht zugestellt.

Insofern gleicht der vorliegende Beschwerdefall in den für seine Erledigung wesentlichen Punkten jenen Fällen, die den genannten Erkenntnissen zugrunde lagen, weshalb gemäß § 43 Abs 2 VwGG auf diese Erkenntnisse verwiesen wird.

Damit erweisen sich die Rügen der Beschwerde, der angefochtene Bescheid sowie das diesem zugrunde liegende Verwaltungsverfahren wiesen wesentliche Verfahrensmängel auf und die belangte Behörde habe eine unrichtige rechtliche Beurteilung getroffen, als nicht zielführend. Entgegen der Beschwerde war die belangte Behörde auch nicht gehalten, der beschwerdeführenden Gemeinde den bekämpften Bescheid zuzustellen (vgl § 44 PMG iVm § 62 Abs 1 bis 3 AVG). Vor diesem Hintergrund vermag die Beschwerde mit ihren Ausführungen mit Blick auf Art 140 B-VG und das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nichts zu gewinnen (vgl dazu insbesondere das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs 2012/03/0038 samt der dort genannten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs).

Schließlich hat die Beschwerde ihren Antrag, beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eine Vorabentscheidung iSd Art 267 AEUV zu beantragen, völlig unsubstantiiert gelassen und nicht einmal ansatzweise dargelegt, welche Bestimmungen des Unionsrechts im vorliegenden Zusammenhang Fragen der Auslegung bzw der Gültigkeit aufwerfen könnten. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag solche Fragen nicht zu erkennen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich somit nicht veranlasst, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.

4.4. Da somit die beschwerdeführende Stadtgemeinde durch den angefochtenen Bescheid in dem von ihr behaupteten Rechten nicht verletzt werden konnte, war die Beschwerde gemäß § 34 Abs 1 und Abs 3 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung in nichtöffentlicher Sitzung in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 1 lit a VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Ebenso war der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH zurückzuweisen, weil ihr ein Rechtsanspruch auf Einholen einer Vorabentscheidung nicht zukommt (vgl etwa VwGH vom 8. September 2011, 2011/03/0111, mwH).

4.5. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 1 VwGG abgesehen werden. Zudem ist der entscheidungswesentliche Sachverhalt im vorliegenden Fall geklärt, in der Beschwerde wurden ferner keine Rechts- und Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Im Sinn des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG stand damit Art 6 Abs 1 EMRK - der in einem Fall wie dem vorliegenden von Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union abgedeckt wird - nicht entgegen (vgl nochmals VwGH vom 21. Dezember 2012, 2012/03/0038).

4.6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG (insbesondere § 51 leg cit) iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 30. Jänner 2013

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