Normen
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 lita impl;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 lita impl;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. Jänner 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 12. April 1995 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 6. April 1993 abgewiesen.
Zur Begründung dieser Entscheidung wurde ausgeführt, das gegen den Beschwerdeführer erlassene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 6. April 1993 - mit dem der Beschwerdeführer wegen unerlaubter Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bestraft worden war - sei dem Beschwerdeführer am 13. April 1993 rechtswirksam zugestellt worden. Mit einem Schreiben vom 14. April 1993 habe die Bauunternehmung K Gesellschaft mbH ein Rechtsmittel eingebracht, welches in "Wir-Form" verfaßt und von R unterfertigt gewesen sei. Dieses Rechtsmittel habe die belangte Behörde mit Bescheid vom 21. März 1995 mangels Parteistellung der genannten Gesellschaft als unzulässig zurückgewiesen. Am 12. April 1995 habe der Beschwerdeführer daraufhin einen Wiedereinsetzungsantrag (verbunden mit einer Berufung) bei der Bezirkshauptmannschaft Mödling eingebracht. Darin habe der Beschwerdeführer als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, daß er einer Angestellten der genannten K Gesellschaft mbH, nämlich Frau R, das Berufungsschreiben diktiert und die Anweisung erteilt habe, ihm dieses Schreiben fristgerecht zur Unterfertigung vorzubereiten. Die genannte Frau R, eine höchst zuverlässige Arbeitskraft, habe das Schreiben in die Unterschriftenmappe gelegt, jedoch als Unterschriftenzeile statt des Beschwerdeführers die genannte Gesellschaft aufscheinen lassen. Dieser folgenschwere Irrtum habe ihm nicht auffallen können, da er an dem Tag, als sich das vorbereitete Schriftstück in seiner Unterschriftenmappe befunden habe, auf Baustellen unterwegs gewesen sei. Frau R habe auf Grund seiner Abwesenheit irrtümlich das Schriftstück eigenmächtig unterfertigt und abgefertigt, womit er keine Kontrolle mehr gehabt habe und nicht mehr feststellen habe können, daß die Berufung mit der genannten Gesellschaft gestempelt gewesen sei. Der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers sei im Sinne der Begründung des Berufungsbescheides der belangten Behörde vom 11. Juli 1995 nicht verspätet, er sei aber von der Bezirkshauptmannschaft Mödling zu Recht als unbegründet abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe es an der nötigen Sorgfalt mangeln lassen. Entgegen seiner Ansicht habe er, da er sich zur Erfüllung seiner persönlichen Belange Mitarbeiter bediene, auch für ein geeignetes Kontrollsystem Sorge zu tragen. Ein entsprechendes Kontrollsystem dahin, wann bzw. ob eine Erledigung seitens der Angestellten erfolge, habe der Beschwerdeführer nicht dargetan. Vielmehr habe er in seiner Berufung vorgebracht, daß ihm die Führung eines Fristenbuches nicht notwendig erscheine, um die tatsächliche Erledigung gegebener Aufträge zu kontrollieren.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Gewährung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist verletzt. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG (in Verbindung mit § 24 VStG) ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Als Ereignis ist jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen. Gehindert wird eine Person durch eine Erkrankung wie durch eine Naturkatastrophe, durch eine eigene menschliche Unzulänglichkeit ebenso wie auch Gewaltanwendungen von außen. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme von zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. November 1994, Zl. 94/09/0218, und vom 7. März 1997, Zlen. 97/19/0349, u.a.).
Im Beschwerdefall gehen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend davon aus, daß der Beschwerdeführer in seinem rechtzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrag einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht hat. Die belangte Behörde wirft dem Beschwerdeführer jedoch vor, daß er es an der nötigen Sorgfalt habe mangeln lassen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung dargelegt, daß ein minderer Grad des Versehens, der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht hindert, nur dann vorliegt, wenn ein Fehler begangen wird, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an Rechtsunkundige oder an bisher noch nie am Verfahren beteiligte Personen. Wenn die Versäumung einer Frist voraussehbar ist und durch ein dem Parteienvertreter zumutbares Verhalten abgewendet hätte werden können, dann ist die Wiedereinsetzung zu verweigern (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. Oktober 1997, Zl. 93/09/0148, und vom 7. März 1997, Zlen. 97/19/0349, u.a.).
Davon ausgehend hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall jedoch an die dem Beschwerdeführer obliegende Sorgfaltspflicht einen zu strengen Maßstab angelegt. Im hier zu entscheidenden Fall ist der Beschwerdeführer nämlich nicht als beruflicher Parteienvertreter (Rechtsanwalt, Notar, Wirtschaftstreuhänder) tätig gewesen, sodaß für ihn bzw. seine Büroorganisation auch nicht die für diese rechtskundigen Vertreter geltenden (strengeren) Sorgfalts- und Überwachungspflichten angenommen werden durften (vgl. insbesoweit etwa den hg. Beschluß vom 24. Februar 1995, Zlen. 94/09/0399, 0400). Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann es nicht als grobes Verschulden des Beschwerdeführers gewertet werden, wenn er im Rahmen der Büroorganisation der von ihm als handelsrechtlicher Geschäftsführer vertretenen Gesellschaft mbH für ihn persönlich betreffende Bescheide (bzw. Straferkenntnisse) keine besondere Vorkehrung - etwa in Form eines eigenen Fristenbuches für gegen ihn persönlich erlassene Straferkenntnisse - getroffen hat (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1998, Zlen. 97/02/0283, 0515).
Nach dem im Wiedereinsetzungsantrag dargelegten (von der belangten Behörde inhaltlich nicht bezweifelten) Vorgang hat es der Beschwerdeführer nicht unterlassen, das für die fristgerechte Erstattung der Berufung erforderliche (im Rahmen des Vorhersehbaren und Zumutbaren) vorzukehren. Daß er darauf vertraute, seine Sekretärin werde ihm die diktierte Berufung (vor der Postaufgabe) zur Unterfertigung vorlegen, dies aber durch ein der sonstigen Verläßlichkeit dieser Mitarbeiterin widersprechendes, weisungswidriges Verhalten unterblieben ist, kann nicht als über einen minderen Grad des Versehens hinausreichend gewertet werden (vgl. auch die hg. Beschlüsse vom 19. Mai 1993, Zl. 93/09/0154, vom 21. Oktober 1993, Zlen. 93/09/0414, 0416,und vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/09/0319). Zu diesen Erwägungen kommt noch, daß selbst die Führung eines Fristenbuches - worauf die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid hinweist - die nur einen Tag nach dem Diktat erfolgte eigenmächtige (weisungswidrige) Abfertigung der Berufung nicht zu hindern vermocht hätte.
Dadurch, daß die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage zu einer negativen Sachentscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag gelangte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. August 1998
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