VwGH 94/09/0399

VwGH94/09/039924.2.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat über 1) den Antrag der J-OEG in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in M, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Arbeitmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle, vom 11. November 1994, Zl. II c/6702B, betreffend Feststellung nach § 2 Abs. 4 Ausländerbeschäftigungsgesetz, sowie 2) die im Wiedereinsetzungsverfahren erstattete (nachgeholte) Beschwerde, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei zur Begründung des am 29. Dezember 1994 eingebrachten Wiedereinsetzungsantrages wurde der angefochtene Bescheid ihrem Steuerberater, der "Firma G", am 15. November 1994 zugestellt. Es sei mit dem Steuerberater vereinbart worden, eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde einzubringen. Die Frist für diese Beschwerde habe am 27. Dezember 1994 geendet. Nachdem mit dem rechtsfreundlichen Vertreter (dem Beschwerdevertreter Dr. T) vereinbart worden sei, daß dieser die Beschwerde unterfertige, sei die Beschwerde in der Steuerberatungskanzlei G bearbeitet worden. Die zuständige Mitarbeiterin, Frau G, habe die Beschwerde fertiggestellt und die Mitarbeiterin Frau S beauftragt, die Beschwerde am 27. Dezember 1994 dem rechtsfreundlichen Vertreter der beschwerdeführenden Partei zu überbringen, damit dieser mitunterfertige und die Beschwerde abgesendet werden könne. Am 27. Dezember 1994 gegen 14.00 Uhr sei die Beschwerde zur Mitfertigung in die Anwaltskanzlei des Rechtsvertreters gebracht worden. Leider sei auf Grund der Weihnachtsfeiertage am Nachmittag weder der Rechtsvertreter noch ein Kanzleikollege anwesend gewesen. Es sei leider auch der Kanzlei nicht mitgeteilt worden, daß bereits am 27. Dezember 1994 die Beschwerde zur Post hätte gegeben werden sollen. Am 28. Dezember 1994 habe der Rechtsvertreter die Beschwerde durchgesehen und bemerkt, daß nicht nur der Originalbescheid fehle, sondern auch die Frist bereits am 27. Dezember 1994 abgelaufen sei. Es sei daher durch ein nicht verschuldetes Versehen die Frist zur rechtzeitigen Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde versäumt worden. Auf Grund der Urlaubssituation zwischen den Weihnachtsfeiertagen sei es "leider nicht zu einer ausreichenden Information gekommen". Da der Rechtsvertreter nicht in der Lage gewesen sei, am 27. Dezember 1994 festzustellen, wann der letzte Tag der Frist sei, sei auch diesem kein Verschulden anzulasten. Es werde auch eine eidesstattliche Erklärung des Rechtsvertreters vorgelegt, aus welcher hervorgehe, daß dieser ohne sein Verschulden nicht in der Lage gewesen sei, die Frist zu wahren. Gleichzeitig werde die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingebracht.

In der mit 29. Dezember 1994 datierten eidesstattlichen Erklärung gibt der Rechtanwalt Dr. T an, daß die an seine Kanzlei am 27. Dezember 1994 "zugestellte" Verwaltungsgerichtshofbeschwerde deshalb nicht habe bearbeitet werden können, weil er am 27. Dezember 1994 ab 13.30 Uhr bis 17.00 Uhr bei einer Besprechung bei einem - namentlich genannten - Klienten gewesen und nach dieser Besprechung nicht mehr in die Kanzlei zurückgekehrt sei. Es sei ihm daher erst am 28. Dezember 1994 möglich gewesen, die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde durchzusehen, wobei festgestellt worden sei, daß die Frist zur Abgabe der Beschwerde bereits am 27. Dezember 1994 geendet habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters (Rechtsanwalt, Notar oder Wirtschaftstreuhänder) einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. beispielsweise die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 1991, 90/16/0197 und vom 14. Jänner 1993, 92/09/0327, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist dabei nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt ist (siehe dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes z.B. den Beschluß vom 28. Juni 1989, 89/16/0105, 0106, mit weiteren Nachweisen).

Nach gefestigter Rechtsprechung hat ein bevollmächtigter Vertreter die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, daß auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozeßhandlungen, etwa die fristgerechte Einbringung von Rechtsmitteln oder von Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtskraft, nach menschlichem Ermessen gesichert ist. So gehört es beispielsweise zu den Organisationserfordernissen, daß in der Kanzlei des Parteienvertreters eine Endkontrolle stattfindet, die gewährleistet, daß fristwahrende Schriftstücke tatsächlich gefertigt und abgesandt werden (vgl. dazu beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 1991, 90/16/0197, 0229, und vom 13. September 1994, 94/09/0126, 0127, mit weiteren Nachweisen).

Mag im vorliegenden Fall auch dem Rechtsvertreter (Rechtsanwalt Dr. T) der beschwerdeführenden Partei nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag und der eidesstattlichen Erklärung kein Verschulden an der Fristversäumnis treffen, ergibt sich aus den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag jedoch in keiner Weise, daß der weitere für die beschwerdeführende Partei eingeschrittene Vertreter (der mit der Erstellung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde beauftragte Steuerberater) seiner auch ihn treffenden fristenwahrenden Überwachungspflicht nachgekommen wäre, ja das Bestehen einer solchen Pflicht überhaupt erkannt hätte. Mit den Ausführungen, es sei "leider" der Kanzlei des Rechtsanwaltes nicht mitgeteilt worden, daß bereits am 27. Dezember 1994 die Beschwerde zur Post hätte gegeben werden sollen, wird eine Endkontrolle in der Kanzlei des Steuerberaters, die sicherstellt, daß fristwahrende Schriftsätze tatsächlich gefertigt und abgesandt werden, nicht dargelegt. Gerade wegen der Weihnachtsfeiertage und der Gefahr der nicht zureichenden Informationsweitergabe oder der nicht ausreichenden Fristprüfung durch eine weitere beauftragte Vertreterkanzlei (die offenbar von vornherein nicht über das Fristende informiert war) hätten entsprechende Kontrollmaßnahmen seitens des Steuerberaters (z.B. Rückfragen zur Sicherstellung der Information zur fristgerechten Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde) vorgesehen werden müssen.

Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag kann damit nicht gesagt werden, daß der Fristversäumnis insgesamt ein nicht bloß minderer Grad des Versehens im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG zugrundelag. Dem Wiedereinsetzungsantrag war somit keine Folge zu geben.

Bei diesem Ergebnis war auch die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

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