Spruch:
Dem Antrag wird gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattgegeben.
Begründung
Nach Abtretung ihrer Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof durch Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1992, B 1003/92-4, war die damalige beschwerdeführende Partei (nunmehr: Antragstellerin) durch die hg. Verfügung vom 15. Jänner 1993, Zl. 93/09/0014-2, gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgefordert worden, verschiedene Mängel der Beschwerde innerhalb von vier Wochen ab Zustellung zu verbessern. Unter anderem enthielt der Verbesserungsauftrag die Verfügung, den ergänzenden Schriftsatz in vierfacher Ausfertigung vorzulegen.
Mit Schriftsatz vom 1. März 1993 nahm die Antragstellerin die aufgetragene Ergänzung vor. Das Deckblatt der Beschwerdeergänzung enthielt u.a. folgende Angabe:
"ERGÄNZUNG ZUR BESCHWERDE
vom 4.8.1992
2-fach
Dr. F/S"
Dementsprechend wurde die ergänzte Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof auch nur zweifach vorgelegt; jede Ausfertigung enthält die persönliche Unterschrift des Beschwerdevertreters.
Hierauf stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 18. März 1993, Zl. 93/09/0014-5, dieses Verfahren gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG ein, weil die Antragstellerin dem Verbesserungsauftrag durch die bloß zweifache Vorlage der ergänzten Beschwerde nicht fristgerecht nachgekommen sei. Es wurde auch näher begründet, weshalb das Erfordernis bestanden habe, die Beschwerdeergänzung vierfach vorzulegen.
In ihrem innerhalb offener Frist zu Zl. 93/09/0148 des Verwaltungsgerichtshofes eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag, dem auch die ergänzte Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde in vierfacher Ausfertigung angeschlossen war, bringt die Antragstellerin nunmehr vor, die Kanzleileiterin ihres rechtsfreundlichen Vertreters habe diesem am 1. März 1993 die Ergänzung der Beschwerde in zweifacher Ausfertigung zur Unterschrift vorgelegt. Ihr Anwalt habe der Kanzleileiterin hierauf den Auftrag erteilt, die Ergänzung dahingehend zu korrigieren, daß sie vierfach ausgefertigt werde. Zu diesem Zwecke sei die verfaßte Beschwerde (Ergänzung) von der Kanzleileiterin auf ihrem Schreibtisch abgelegt worden, wo sie am Nachmittag in Entsprechung des Auftrages ihres Vorgesetzten bearbeitet werden sollte. Durch ein Versehen sei die Ergänzung der Beschwerde von dem Aktenstoß, der zur Bearbeitung am Schreibtisch der Kanzleileiterin vorgesehen gewesen sei, von der zweiten Kanzleikraft Frau M. genommen, kuvertiert und zu den abgehenden Poststücken gegeben worden. Auf Grund des Umstandes, daß die Ergänzung der Beschwerde vom Arbeitstisch der Kanzleileiterin verschwunden gewesen sei, habe diese vergessen, die beauftragte Verbesserung vorzunehmen, sodaß die Ergänzung zur Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung abgeschickt worden sei. Es sei daher durch einen Fehler der äußerst zuverlässigen langjährigen Kanzleikraft ihres Rechtsvertreters, der zuvor noch kein derartiger Fehler unterlaufen sei, sowie durch Verkettung unglücklicher Umstände zu der fehlerhaften Vorlage der Ergänzung der Beschwerde gekommen. Dieser Fehler im Kanzleibetrieb stelle für die Antragstellerin ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, durch welches sie an der ordnungsgemäßen Vorlage der Ergänzung zur Beschwerde gehindert gewesen sei. Dem Antrag ist eine eidesstattliche Erklärung der Kanzleileiterin sowie von Frau M. angeschlossen, in der der oben dargestellte Ablauf der Ereignisse bestätigt wird.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0226). Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen.
Auf dem Boden dieser Rechtslage ist das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Bei Anlegung des bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretung gebotenen strengeren Maßstabes hätte es die dem Vertreter der Antragstellerin obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich von der ordnungsgemäßen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages zu vergewissern. Mit dem bloßen Auftrag an die Kanzleileiterin, die Ergänzung dahingehend zu korrigieren, daß sie vierfach ausgefertigt werde, wurde dieser Sorgfaltspflicht nicht entsprochen. Da sich die von der Kanzleileiterin vorzunehmende Tätigkeit nicht bloß auf den rein technischen Vorgang beim Abfertigen von Schriftstücken beschränkte, hätte sie auch einer verläßlichen Kanzleikraft nicht ohne nähere Beaufsichtigung überlassen werden dürfen (vgl. dazu z.B. die hg. Beschlüsse vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0771, sowie vom 8. Februar 1995, Zl. 95/03/0015). Dazu kommt, daß der Beschwerdevertreter - wie sich aus den vom Verwaltungsgerichtshof unter Zl. 93/09/0014 zugekommenen Ausfertigungen der Beschwerdeergänzung ergibt - offenkundig zunächst die ihm zweifach vorgelegte Beschwerdeergänzung persönlich unterfertigt hat und erst dann - folgt man der Darstellung im Wiedereinsetzungsantrag - der Kanzleileiterin den Auftrag zur Ergänzung gegeben hat, ohne daß der ausdrückliche Vermerk am Deckblatt der Beschwerdeergänzung von ihm korrigiert worden wäre. Dies mußte bei jedem weiteren an diesem Geschehen nicht unmittelbar beteiligten Angestellten der Kanzlei, dem dieser vom Rechtsanwalt unterfertigte Schriftsatz, durch welchen Umstand auch immer in die Hände fiel, zwangsläufig den Eindruck erwecken, es handle sich um ein für die Postabfertigung bestimmtes Schrifstück, bei dem alles in Ordnung sei.
Das Außerachtlassen der im gegebenen Fall erforderlichen zumutbaren Sorgfalt ist als ein den Grad minderen Versehens überschreitendes Verschulden des Vertreters der Antragstellerin zu werten.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.
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