European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00062.24V.1023.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.703,30 EUR (darin enthalten 450,55 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.716,80 EUR (darin enthalten 452,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die 1959 geborene Klägerin litt an beiderseitigen Paragangliomen/Glomustumoren. 2011 wurde sie deshalb im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus, dessen Rechtsträgerin die Erstbeklagte ist, am Hals rechts operiert. Dabei kam es zu einer Nervenschädigung. Nach Vorliegen diverser Sachverständigengutachten übermittelte die Erstbeklagte 2015 an die Klagevertreterin ein Haftungsanerkenntnis für allfällige Folgen und Dauerfolgen der im Jahr 2011 durchgeführten Behandlung „dem Grunde nach“ und leistete Schmerzengeldzahlungen an die Klägerin von insgesamt 123.000 EUR.
[2] Der Klägerin war bewusst, dass nach der Operation rechts ein Resttumor verblieben war und auch links der Glomustumor noch vorhanden war. Wegen des Glomustumors am Hals links blieb die Klägerin in kontinuierlicher medizinischer Überwachung. Dabei wurden im Tumorboard jeweils Verlaufskontrollen empfohlen.
[3] Am 26. 9. 2017 erfolgte im Rahmen eines stationären Aufenthalts eine Operation der Klägerin in einem Krankenhaus, dessen Rechtsträgerin die Zweitbeklagte ist. Bei dieser Operation wurde der linksseitige Glomustumor der Klägerin entfernt. Das richtige Vorgehen damals wäre die weitere regelmäßige Beobachtung und Überwachung der Patientin und des Tumors gewesen. Bei einer Progredienz (Größenzunahme) wäre in der gegebenen Situation (vorbestehende Vaguslähmung der Gegenseite) eine Strahlentherapie indiziert gewesen. Eine operative Behandlung wäre nur bei akut drohenden, tatsächlich bei der Klägerin nicht vorliegenden, schweren Komplikationen zu rechtfertigen gewesen. Aus medizinischer Sicht war die der Operation zugrunde liegende Überlegung, lediglich die prinzipielle Operabilität des Tumors im Zuge einer Operation zu überprüfen, nicht angemessen. Eine Entfernung des Tumors ohne intraoperative Berücksichtigung des Risikos einer Vaguslähmung war nicht angezeigt und nicht zu verantworten. Der Klägerin hätte von einer Operation aus medizinischer Sicht dringend abgeraten werden müssen.
[4] Darüber, dass die Operation medizinisch nicht als Behandlungsmöglichkeit angezeigt war, weil keine akut drohenden schweren Komplikationen (durch Tumorwachstum bedingte Nervenschädigungen, Spontanblutungen, bedrohliche Schwellungen am Hals) gegeben waren, informierte der behandelnde Arzt die Klägerin nicht. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin die Operation gewünscht hätte, wenn ihr erklärt worden wäre, dass von dieser Operation dringend abzuraten sei, diese keine angezeigte Behandlungsmöglichkeit sei, weil keine akut drohenden schweren Komplikationen gegeben seien und umgekehrt das Risiko schwerwiegender möglichen Folgen einer Operation am Hals links (bei einer eventuellen Verwirklichung einer Verletzung von Nerven) bestehe.
[5] Der behandelnde Arzt traf, indem er der Klägerin nicht dringend von der Operation abriet, eine fehlerhafte Entscheidung. In außergewöhnlich hohem Maß gegen die Regeln eines gewissenhaften ärztlichen Verhaltens hat er dabei aus medizinischer Sicht nicht verstoßen. Die Operation wurde lege artis durchgeführt. Der Tumor auf der linken Seite wurde entfernt. Es verwirklichte sich dabei jedoch das Risiko, dass im Rahmen der Versorgung einer Blutung eine Schädigung des Nervus vagus (auch) auf der linken Seite erfolgte. Zusätzlich führte der Eingriff zu einer bis heute fortbestehenden Funktionsstörung des Nervus hypoglossus der linken Seite.
[6] Aufgrund der Operation hatte und hat die Klägerin zeitlich gerafft und komprimiert auf den 24-Stunden-Tag fünf Tage starke Schmerzen, 20 Tage mittelstarke Schmerzen und bis 31. 3. 2023 1.070 Tage leichte Schmerzen zu erleiden. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Klägerin weiterhin komprimiert und auf den 24-Stunden-Tag bezogen etwa 180 Tage leichte Schmerzen pro Lebensjahr erleiden wird.
[7] Diese Schmerzen beziehen sich auf sämtliche Schmerzen, Unbilden und Beeinträchtigungen der Klägerin ab der 2017 durchgeführten Operation. Dies unabhängig davon, inwieweit diese heute bestehenden Beschwerden Folge der Operation im Jahr 2011 oder aber Folge der Operation im Jahr 2017 sind. Es kann nicht festgestellt werden, dass bei der Klägerin die festgestellten Folgen der Operation vom 26. 9. 2017 durch diese Operation lediglich zeitlich vorverlagert wurden.
[8] Die Klägerin begehrt von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von 60.000 EUR an Schmerzengeld und die Feststellung der Haftung der Zweitbeklagten für sämtliche zukünftigen, derzeit nicht bekannten Folgen der Operation vom 26. 9. 2017.
[9] Sowohl die Erstbeklagte als auch die Zweitbeklagte würden für die nunmehr eingetretenen Folgen haften. Die Erstbeklagte habe die Klägerin durch die missglückte Operation im Jahr 2011 überhaupt erst in die nunmehrige Lage gebracht. Der Zweitbeklagten werde vorgeworfen, dass sie gegen den Willen der Klägerin eine hochriskante Operation durchgeführt habe, in die sie niemals eingewilligt habe. Der Klägerin stehe ein weiteres angemessenes Schmerzengeld von zumindest 60.000 EUR zu.
[10] Die Erstbeklagte bestreitet und bringt vor, allfällige Folgeschäden aus der Operation des linken Tumors seien gegenüber der Erstbeklagten durch das vereinbarte Globalschmerzengeld abgegolten. Die Erstbeklagte treffe aber auch deshalb keine Haftung, da es sich um eine eigenständige Behandlung gehandelt habe, die mit der ersten in keinem Kausalzusammenhang stehe. Wenn die Klägerin allerdings explizit über das hohe Komplikationsrisiko der Operation aufgeklärt worden sei und dennoch in den Eingriff eingewilligt habe, hafte die Erstbeklagte nicht, weil die Klägerin den eingetretenen Schaden vergrößert habe und eine Zurechnung der Schadensfolge nicht mehr gerechtfertigt sei. Jedenfalls hafte die Erstbeklagte nur für den von ihr zu verantwortenden Anteil und nicht solidarisch mit der Zweitbeklagten.
[11] Die Zweitbeklagte bestreitet und bringt vor, bei der Klägerin habe sich ein sehr schweres typisches und subjektiv durch die Vorschädigung auch erhöhtes Operationsrisiko verwirklicht. Die Klägerin sei darüber allerdings mehrfach in teils stundenlangen Gesprächen aufgeklärt worden und habe dieses Risiko in Kauf genommen. Von einem eigenmächtig gegen den Willen der Klägerin durchgeführten Eingriff könne keine Rede sein. Die Klägerin hätte sich aber auch (sollte von einer mangelhaften Aufklärung ausgegangen werden) bei einer regelgerechten Aufklärung für den Eingriff entschieden. Zudem seien sämtliche Komplikationen mit der Schmerzengeldleistung der Erstbeklagten zur Gänze abgefunden worden.
[12] Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Klägerin sei insofern unzureichend aufgeklärt worden, als ihr von der Durchführung der zweiten Operation nicht dringend abgeraten worden sei. Die Zweitbeklagte hafte daher dem Grunde nach für alle nachteiligen Folgen aus dieser Operation. Die anerkannt fehlerhafte Behandlung der Erstbeklagten sei ebenfalls kausal. Mit der Schmerzengeldzahlung nach der ersten Operation seien mögliche, aber noch nicht konkret vorhersehbare Spätfolgen aufgrund weiterer Operationen nicht abgegolten. Auch unter Berücksichtigung der gebotenen Aufwertung des bereits geleisteten Schmerzengeldes (auf rund 160.000 EUR) und der Überschneidung mit dem Gutachten zur ersten Operation im Umfang von 480 Tagen an leichten Schmerzen sei der Zuspruch eines weiteren Betrags von 60.000 EUR gerechtfertigt.
[13] Das Berufungsgericht gab den dagegen erhobenen Berufungen der Beklagten nicht Folge. Das Erstgericht habe keine Feststellungen zum Inhalt der von der Zweitbeklagten behaupteten (mehrfach) durchgeführten ärztlichen (Risiko‑)Aufklärung getroffen, weil es davon ausgegangen sei, dass eine unzureichende Aufklärung schon darin liege, dass der Klägerin von der Durchführung der Operation nicht dringend abgeraten worden sei. Vorliegend haftete das Risiko von Komplikationen speziell der durchgeführten Operation an, weil bei der Klägerin einseitig bereits Hirnnerven durch die Erstoperation beschädigt worden seien. Diese Typizität des sich letztlich tatsächlich verwirklichten Risikos begründe eine verschärfte Aufklärungspflicht, sodass die Klägerin fallbezogen nicht bloß über sämtliche Risiken und Erfolgsaussichten aufzuklären gewesen sei, sondern sie zusätzlich in ihrer Entscheidungsfindung mit einer fachärztlichen Empfehlung hätte unterstützt werden müssen. Die Zweitbeklagte haftet daher wegen Verletzung ihrer Aufklärungspflicht für die Folgen der von ihr durchgeführten Operation.
[14] Die Erstbeklagte habe außergerichtlich ein Anerkenntnis der Haftung für Schäden aus der Erstoperation abgegeben. Die Wirkung beider Operationen zusammen sei kausal für den nunmehr vorliegenden Gesundheitszustand. Es liege ein Fall der sogenannten addierten (bzw summierten) Kausalität vor, weil mehrere Ursachen („summierte Einwirkungen“) nicht für sich allein, sondern nur gemeinsam den ganzen Schaden verursacht hätten. Für den gemeinsam verursachten Schaden bestehe Solidarhaftung. Das Fehlverhalten der Zweitbeklagten und deren Folgen für die Klägerin lägen innerhalb des Adäquanzzusammenhangs der schädigenden Handlung der Erstbeklagten. Dass die Klägerin zu einem Spezialisten, einem Arzt der Zweitbeklagten, Vertrauen gefasst und sich zur Vornahme der Operation entschieden habe, könne ihr nicht als eine Verletzung einer Schadensminderungsobliegenheit angelastet werden.
[15] Ein außergerichtlicher Vergleich über Schmerzengeldansprüche beinhalte nicht in jedem Fall eine Globalbemessung der Ansprüche. Aus dem Gutachten, dass der Zahlung der Erstbeklagten zugrunde gelegt worden sei, ergebe sich, dass Spätfolgen in Form der nunmehr eingetretenen damals nicht verlässlich beurteilbar gewesen seien und schon deshalb eine Globalbemessung nicht möglich gewesen sei. Jährlich 480 Tage leichte Schmerzen seien aufgrund des vergrößerten Leidensdrucks angesetzt worden. Die Erst- und die Zweitbeklagte hafteten damit der Klägerin solidarisch für die klagsgegenständlichen Folgen der Zweitoperation. Die Klägerin begehre zwar nunmehr ausdrücklich 60.000 EUR als Teilschmerzengeld. Das Vorliegen der Voraussetzungen einer Globalbemessung führe aber nicht zur Abweisung des Begehrens eines Teilschmerzengeldes. Eine Globalbemessung sei fallbezogen möglich. Von dem sich daraus ergebenden Betrag seien die (nach dem Verbraucherpreisindex aufgewerteten) Teilzahlungen in Abzug zu bringen. Aus den Feststellungen ergäben sich überschneidende Schmerzperioden allein in Bezug auf 480 Tage leichte Schmerzen, welche für den Leidensdruck der Klägerin angenommen wurden. Unklar sei, welche Schmerzen die Klägerin ohnehin zu erdulden gehabt hätte, wenn die 2017 durchgeführte Operation nicht erfolgt wäre. Für die Folgen der Erstoperation hafte die Erstbeklagte bis zur weiteren Schädigung durch die Zweitoperation alleine und für die Folgen der Zweitoperation mit der Zweitbeklagten solidarisch. Die im Zusammenhang damit auftretenden Fragen könnten allerdings dahingestellt bleiben, weil selbst unter Berücksichtigung einer Überschneidung von 60 Tagen pro Jahr an leichten Schmerzen das begehrte Schmerzengeld angemessen sei. Ausgehend von den von der Klägerin bereits aufgrund der Erstoperation zu erduldenden Einschränkungen und den durch die Zweitoperation massiv gesteigerten Beeinträchtigungen sei in Zusammenschau mit den festgestellten Schmerzperioden bei der gebotenen Globalbemessung selbst bei einer zeitlichen Einschränkung bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz bereits ein Schmerzengeld von zumindest 220.000 EUR gerechtfertigt, wovon die von der Erstbeklagten geleisteten und aufgewerteten Teilzahlungen von 160.000 EUR in Abzug zu bringen seien. Den Berufungen der Erst- und der Zweitbeklagten sei daher nicht Folge zu geben.
[16] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage, ob im Rahmen der ärztlichen Aufklärung nur ausreichende Informationen als Grundlage für eine vom Patienten selbstbestimmte Entscheidung nach selbständiger Abwägung des aufgeklärten Nutzens, der Erfolgschancen und der Risiken geschuldet werde oder aber darüber hinausgehend zusätzlich eine ärztliche Empfehlung (im Sinn einer vom Arzt anstelle des Patienten vorweggenommenen Entscheidung aus fachlicher Sicht) zu erteilen sei (solcherart eine Behandlungsalternative zu empfehlen und von einer anderen abzuraten sei), fehle.
[17] Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Beklagten jeweils mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[18] Die Klägerin beantragt in ihren Revisionsbeantwortungen, die Revisionen zurückzuweisen, in eventu ihnen nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[19] Die Revisionen der Beklagten sind – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch – unzulässig.
I. Zur Revision der Zweitbeklagten:
[20] 1. Die Ansprüche gegenüber der Zweitbeklagten werden nicht auf eine Fehlbehandlung, sondern eine Verletzung von Aufklärungspflichten gestützt:
[21] Hat eine ohne Einwilligung oder ohne ausreichende Aufklärung des Patienten vorgenommene eigenmächtige Behandlung des Patienten nachteilige Folgen, haftet der Arzt, wenn der Patient sonst in die Behandlung nicht eingewilligt hätte, für diese Folgen selbst dann, wenn ihm bei der Behandlung kein Kunstfehler unterlaufen ist (RS0026783). Eine Einwilligung kann vom Patienten nur dann wirksam abgegeben werden, wenn er über die Bedeutung des vorgesehenen ärztlichen Eingriffs und seine möglichen Folgen hinreichend aufgeklärt wurde (RS0026499). Die ärztliche Aufklärung soll den Patienten instand setzen, die Tragweite seiner Erklärung, in die Behandlung einzuwilligen, zu überschauen (RS0026413). Aufgabe der ärztlichen Aufklärung ist es, dem Patienten die für seine Entscheidung maßgebenden Kriterien zu liefern (RS0026413 [T3]). Damit die ärztliche Aufklärung ihren Zweck erreichen kann, muss sich deren Umfang nach den persönlichen Verhältnissen des jeweiligen Aufklärungsadressaten richten (RS0026413 [T11]).
[22] 2. Ein Arzt muss zwar nicht auf alle nur denkbaren Folgen einer Behandlung hinweisen (RS0026529; RS0026426 [T3]). Er muss den Patienten aber, um ihm eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen, über mehrere zur Wahl stehende diagnostische oder therapeutische adäquate Verfahren informieren und das Für und Wider mit ihm abwägen, wenn jeweils unterschiedliche Risken entstehen können und der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat (RS0026426 [T1]). Nach dem Zweck der Aufklärungspflicht versteht sich von selbst, dass sie auch die Darstellung der Schwere des Risikos umfasst, was gleichbedeutend ist mit einer Darstellung der Art der Gesundheitsbeeinträchtigung, die aus dem verwirklichten Risiko resultieren kann (RS0026426 [T8]).
[23] 3. Es entspricht der Rechtsprechung, dass im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags der Arzt Diagnostik, Aufklärung und Beratung nach den aktuell anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst schuldet (RS0123136 [T1]). Maßgeblich ist dafür der aktuell anerkannte Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft (RS0123136 [T2]). Ebenso dient nach der Rechtsprechung die ärztliche Aufklärungspflicht nicht bloß dazu, die Einwilligung des Patienten zur Durchführung einer ärztlichen Heilbehandlung zu erreichen, sondern besteht diese auch, um dem Patienten eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen, ob er eine (weitere) ärztliche Behandlung unterlassen kann (RS0026578 [T3]).
[24] 4. In welchem Umfang der Arzt im Einzelfall den Patienten aufklären muss, damit dieser die Tragweite seiner Erklärung, in die Operation einzuwilligen, überschauen kann, also weiß, worin er einwilligt, ist eine stets anhand der zu den konkreten Umständen des Einzelfalls getroffenen Feststellungen zu beurteilende Rechtsfrage (RS0026763 [T2]).
[25] 5. Richtig ist, dass das Erstgericht den Inhalt der konkreten Aufklärungsgespräche nicht festgestellt hat, sondern sich darauf beschränkte festzustellen, dass die Klägerin nicht darüber aufgeklärt wurde, dass die Operation der linken Halsseite medizinisch nicht als Behandlungsmöglichkeit angezeigt war, weil keine akut drohenden schweren Komplikationen gegeben waren. Damit geht es aber unabhängig vom Wortlaut der Feststellung nicht um eine bloße Empfehlung im Hinblick auf Behandlungsalternativen oder eine Entscheidung über die Behandlungsmethode durch den Arzt wie die Revision vermeint. Vielmehr wurde die Klägerin über einen wesentlichen Umstand, nämlich dass in ihrer damaligen Situation eine bestimmte hochriskante Behandlung (Operation) „medizinisch nicht angezeigt war“, nicht aufgeklärt. Selbst wenn daher die Klägerin über sämtliche Risken, die mit den zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen verbunden waren, belehrt worden war, fehlte ihr doch die wesentliche Information, dass aus medizinischer Sicht eine Operation in der konkreten Situation nicht angebracht war. Dass der behandelnde Arzt der Klägerin von der Operation abgeraten hätte, hat die Zweitbeklagte im Verfahren erster Instanz nicht behauptet. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass die Aufklärung daher im konkreten Fall unvollständig war, stellt keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
[26] 6. Die Frage inwieweit eine „Empfehlung“ im Hinblick auf die medizinische Angezeigtheit einer bestimmten Behandlungsmethode in der Situation des konkreten Patienten Teil der ärztlichen Aufklärung ist, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab, generelle Aussagen können dazu nicht getroffen werden. Dafür bietet auch die Revision der Zweitbeklagten keine Grundlage. Diese ist daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.
II. Zur Revision der Erstbeklagten:
[27] 1. Die Erstbeklagte argumentiert zunächst damit, dass ihr mangels Adäquanzzusammenhangs die Folgen der zweiten Operation nicht zugerechnet werden könnten.
[28] 2. Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt auch dann vor, wenn eine weitere Ursache für den entstandenen Schaden dazu getreten ist und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge dieses Hinzutreten als wahrscheinlich zu erwarten ist, jedenfalls aber nicht außerhalb der menschlichen Erwartung liegt. Es kommt nur darauf an, ob nach den allgemeinen Kenntnissen und Erfahrungen das Hinzutreten der weiteren Ursache, wenn auch nicht gerade normal, so doch wenigstens nicht gerade außergewöhnlich ist (RS0022918). Eine weitere Ursache, kann auch in einem Handeln eines Dritten liegen (RS0022918 [T9]). Das Dazwischentreten eines Dritten durchbricht den Kausalzusammenhang, wenn mit einem derartigen Handeln eines Dritten und mit dem dadurch bedingten Geschehensablauf nach der Lebenserfahrung nicht zu rechnen war (RS0022918 [T19]; RS0022621 [T1]).
[29] 3. Ein ärztlicher Kunstfehler bei der Behandlung einer Körperverletzung schließt die Adäquanz des Geschehensablaufs grundsätzlich nicht aus. Mag eine ärztliche Fehlbehandlung auch nicht gerade wahrscheinlich sein, so liegt sie dennoch nicht außerhalb der menschlichen Erfahrung und fällt unter die Haftung dessen, der die Körperverletzung zu verantworten hat (RS0022618). Ein falscher ärztlicher Rat liegt genauso wenig außerhalb der Lebenserfahrung wie ein ärztlicher Kunstfehler. Ein unrichtiger ärztlicher Rat im Gefolge einer von einem Dritten verschuldeten Körperverletzung schließt somit die Adäquanz des Geschehensablaufs nicht aus (RS0022618 [T2]).
[30] 4. Ob im Einzelfall ein Schaden noch als adäquate Folge eines schädigenden Ereignisses anzusehen ist, betrifft im allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, weil dabei die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind (RS0110361). Adäquitätsfragen sind daher nur dann revisibel, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer gravierenden Fehlbeurteilung beruht (RS0110361 [T4]).
[31] 5. Die Erstbeklagte bestreitet diese Grundsätze nicht, sondern stützt sich darauf, dass eine so gröbliche Verletzung von Aufklärungspflichten vorliege, dass der Adäquanzzusammenhang unterbrochen sei.
[32] Wie ausgeführt liegt eine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht nicht außerhalb der menschlichen Erfahrung. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, wurde im konkreten Fall nicht in außergewöhnlich hohem Maß gegen die Regeln eines gewissenhaften ärztlichen Verhaltens verstoßen. Auch wenn die Revision richtig darauf hinweist, dass es sich dabei um eine medizinische und keine rechtliche Beurteilung handelt, ergibt sich daraus, dass die Regeln des medizinischen Berufsstandes nicht gröblich missachtet wurden. Gegen die Bejahung der Adäquanz durch die Vorinstanzen bestehen daher keine Bedenken.
[33] 6. Dass nicht von einer vollumfänglichen Aufklärung der Klägerin auszugehen ist, wurde bereits in Bezug auf die Revision der Zweitbeklagten ausgeführt. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Klägerin ist daher nicht gegeben. Auch in diesem Punkt zeigt die Erstbeklagte keine aufzugreifende Rechtsfrage auf.
[34] 7. Das Schmerzengeld soll grundsätzlich eine einmalige Abfindung für Ungemach sein, das der Verletzte voraussichtlich zu erdulden hat. Es soll den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen, auch so weit es für die Zukunft beurteilt werden kann, erfassen (RS0031307). Das Gericht hat daher das Schmerzengeld im Regelfall global zu bemessen, wenn keine besonderen Gründe für eine zeitliche Einschränkung bestehen (RS0031196; RS0031055). Künftige nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartende körperliche und seelische Schmerzen sind einzubeziehen. Ausgenommen davon sind solche künftigen Verletzungsfolgen und Schmerzen, deren Eintritt noch nicht vorhersehbar ist oder deren Ausmaß auch nicht so weit abgeschätzt werden kann, dass eine Globalbemessung möglich ist (RS0031300 [T1]).
[35] 8. Im vorliegenden Fall erfolgte die Schmerzengeldzahlung im Zusammenhang mit der ersten Operation allerdings auf Grundlage einer außergerichtlichen Vereinbarung. Die Parteien können einvernehmlich, etwa durch Vergleich, auch nur über einen Teil des Schmerzengeldes disponieren. Entscheidend für den Gegenstand der Streitbereinigung ist dabei der übereinstimmend erklärte Parteiwille (RS0017954). Es kommt darauf an, was von der Bereinigungswirkung des Vergleichs erfasst sein soll (2 Ob 218/17y). Fragen der Vertragsauslegung kommt aber in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0112106, zum Vergleich [T7]).
[36] 9. Die Klägerin begehrte nach der ersten Operation Schmerzengeld von 123.000 EUR. Das Berufungsgericht hob hervor, dass sich das Aufforderungsschreiben auf die einvernehmlich eingeholten medizinischen Gutachten bezog. Nach dem relevanten Gutachten seien die Spätfolgen damals nicht verlässlich prognostizierbar gewesen und die zusätzlichen Schmerzperioden wegen des größeren Leidensdrucks angenommen worden. Selbst wenn „Leidensdruck“ nicht im Sinn von seelischen Schmerzen sondern als „körperlicher Leidensdruck“ zu verstehen sein sollte (wie das Gutachten ./D nahelegt), lässt sich daraus nicht schließen, dass damit die Schmerzen verbunden mit sich realisierenden Spätfolgen abgegolten werden sollten. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist daher in diesem Umfang nicht korrekturbedürftig.
[37] 10. Bloßen Ermessensentscheidungen – wie über die Höhe des Schmerzengeldes – kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0042887 [T2]). Geht das Berufungsgericht bei der Prüfung der Berechtigung des begehrten Schmerzengeldes von den nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Umständen aus, so handelt es sich bei dessen Ausmessung selbst um einen Einzelfall (RS0042887 [T9]). Dabei ist zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit ein objektiver Maßstab anzulegen. Es darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt werden (RS0031075). Lediglich im Falle einer eklatanten Fehlbemessung, die völlig aus dem Rahmen der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung fällt, wäre zur Vermeidung einer gravierenden Ungleichbehandlung durch die Rechtsprechung und damit letztlich aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit eine Revision dennoch ausnahmsweise zulässig (RS0042887 [T5, T6]).
[38] 11. Das Berufungsgericht erachtete konkret unter Aufwertung des bereits bezahlten Schmerzengeldes von 123.000 EUR (auf 160.000 EUR) den Zuspruch von weiteren 60.000 EUR für angemessen. Dabei erörterte es auch ausführlich, welche konkreten Umstände bei der Klägerin zu berücksichtigen waren, und legte dar aufgrund welcher Entscheidungen, in denen ähnlich hohe Schmerzengeldbeträge zugesprochen wurden, der zuerkannte Betrag als angemessen erachtet wurde. Es verwies auch auf die bisher höchstzugesprochenen Schmerzengeldbeträge und grenzte diese vom vorliegenden Fall ab.
[39] Demgegenüber nimmt die Revision bei den von ihr zitierten Entscheidungen, mit denen sie dahingehend argumentiert, dass für schwerere Verletzungsbilder keine wesentlich höheren Beträge zugesprochen wurden, keine Inflationsbereinigung vor. Auf die konkreten Beeinträchtigungen der Klägerin geht die Revision überhaupt nicht ein. Auch in diesem Punkt zeigt die Erstbeklagte daher keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung auf.
[40] 12. Insgesamt gelingt es beiden Beklagten nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die Revisionen der Beklagten sind daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
[41] 13. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revisionen hingewiesen. Da sie aber gesonderte Revisionsbeantwortungen zu den jeweiligen Revisionen der Beklagten erstattet hat, steht ihr ein Streitgenossenzuschlag nicht zu. Das Revisionsinteresse gegenüber der Erstbeklagten beträgt nur 60.000 EUR.
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