European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00064.24D.0527.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ließ sich Ansprüche von Mietern einer Wohnung auf Mietzinsrückzahlung wegen einer unwirksamen Wertsicherungsklausel abtreten. Der auf zehn Jahre befristet abgeschlossene Mietvertrag sieht vor, dass der Mietzins nach dem von der Bundesanstalt Statistik Österreich veröffentlichten Verbraucherpreisindex (VPI) 2020 angepasst wird.
[2] Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts, das die Wertsicherungsvereinbarung als wirksam ansah, und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin, die gemäß § 502 Abs 5 Z 3 ZPO ungeachtet des 5.000 EUR nicht übersteigenden Werts des Steitgegenstands zweiter Instanz nicht jedenfalls unzulässig ist, zeigt keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
[4] 1. Die Klägerin stützt sich in dritter Instanz nur mehr darauf, dass die Anpassung des Mietzinses nach dem VPI sachlich nicht gerechtfertigt sei und deshalb gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB verstoße.
[5] 2. Gemäß § 6 Abs 1 Z 5 KSchG (wodurch § 879 Abs 3 ABGB konkretisiert wird) sind für den Verbraucher Vertragsbestimmungen nicht verbindlich, nach denen dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine Leistung ein höheres als das bei der Vertragsschließung bestimmte Entgelt zusteht, es sei denn, der Vertrag sieht bei Vorliegen der vereinbarten Voraussetzungen für eine Entgeltänderung auch eine Entgeltsenkung vor, die für die Entgeltänderung maßgebenden Umstände sind im Vertrag umschrieben und sachlich gerechtfertigt und ihr Eintritt hängt nicht vom Willen des Unternehmers ab. Dies soll den Verbraucher vor überraschenden Preiserhöhungen schützen (RS0124336).
[6] 3. Die Materialien (ErlRV 744 BlgNR 14. GP 23 f) zur Stammfassung des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG (welche die Voraussetzung der "sachlichen Rechtfertigung" noch nicht enthielt) gingen davon aus, dass besonders bei längerfristigen Schuldverhältnissen – vor allem in Zeiten beschleunigter Preissteigerungen – ein anerkennenswertes Bedürfnis nach einer Anpassung von Entgelten an inflationäre Preisentwicklungen bestehen könne. Das Kriterium der „sachlichen Rechtfertigung“ wurde erst durch die KSchG‑Novelle 1997 eingefügt. Nach den Materialien (ErlRV 311 BlgNR 20. GP 19) zu dieser Novelle soll es nicht zulässig sein, die Preisentwicklung an Parameter zu knüpfen, die keinerlei sachlichen Bezug zum konkreten Geschäft, insbesondere zu den Kosten des Unternehmers, haben.
[7] 4. Nach der Judikatur kann sich die sachliche Rechtfertigung einer vereinbarten Entgeltanpassung allgemein aus betriebswirtschaftlichen oder vergleichbaren Gründen ergeben (10 Ob 125/05p). Zu 7 Ob 62/15s wurde eine Klausel, wonach die Versicherungsprämie und die Versicherungssumme eines Rechtsschutzversicherungsvertrags zwingend an die Inflation angepasst würden, zwar als unsachlich angesehen, weil es sich sowohl bei der Versicherungssumme als auch bei der Prämie um Geldleistungen handle, die denselben inflationsbedingten (Wert-)Schwankungen unterlägen, weshalb es durch die Geldentwertung zu keiner Verschiebung der Äquivalenz komme. Daher sei eine verpflichtende Anpassung von Versicherungsprämie und Versicherungssumme unzulässig. Eine Anpassung des Entgelts für eine in ihrem Wert gleichbleibende Leistung könne hingegen sachlich gerechtfertigt sein (ebenso 7 Ob 242/18s).
[8] 5. Dass eine Wertsicherung nach dem VPI vor allem bei längerer Vertragslaufzeit dem legitimen Bedürfnis des Vermieters entspricht, den Mietzins an die Geldentwertung anzupassen, um damit das Äquivalenzverhältnis zu wahren, entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 226/18f; 2 Ob 36/23t; zur Wertsicherung nach dem VPI vgl in jüngerer Zeit auch 8 Ob 6/24a, wo aber nur ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG geprüft wurde).
[9] 6. Diese Judikatur stieß in der Lehre auf weitgehende Zustimmung (etwa Hausmann/Reithofer in Hausmann/Vonkilch4[2017] § 16 MRG Rz 86; Pesek, immolex 2019, 310 [311]; G. Graf, immolex 2019, 306; A. Vonkilch, wobl 2020, 297 [301]; Leitner, wobl 2023, 422 [423 f]; Scharmer, wobl 2023, 291 [299]; Terlitza, NZ 2024, 174 [177 f]). Dass die genannte Rechtsprechung, an der die Revision keine Bedenken weckt, in der Literatur vereinzelt abgelehnt wurde (etwa Rosifka, immolex 2019, 312, sowie VbR 2023, 160 [insb 162 ff]), vermag die Zulässigkeit der Revision für sich allein nicht zu begründen (vgl RS0042985).
[10] 7. Der Vermieter muss seine (Sach-)Leistung auch dann erbringen, wenn die Gegenleistung einer inflationsbedingten (Geld-)Entwertung unterliegt. Dass die gewöhnliche Abnutzung der Wohnung keinen (real) degressiven Mietzins rechtfertigt, legte der Oberste Gerichtshof bereits zu 6 Ob 226/18f dar (ebenso 5 Ob 79/19g). Der Kaufkraftverlust des Geldes durch Inflation berührt den nominellen Mietzins zwar ebensowenig wie die Sachleistung des Vermieters. Relativ gesehen (also gemessen nach der Kaufkraft) verringert sich dadurch jedoch der innere Wert des Mietzinses, wohingegen der Wert der Sachleistung des Vermieters gleich bleibt. Die Geldwertveränderung führt somit – anders als etwa zu 7 Ob 62/15s – zu einer Veränderung der ursprünglichen subjektiven Äquivalenz der Leistungen und zu einem Auseinanderfallen von deren Wertverhältnis. Da der VPI den Maßstab für die allgemeine Preisentwicklung (Entwicklung des inneren Geldwerts) ausdrückt, verhindert eine daran anknüpfende Wertsicherung des Mietzinses gerade eine solche Verschiebung des ursprünglichen Äquivalenzverhältnisses. Die Äquivalenz des inneren Werts beider Leistungen wird dadurch gewahrt, dass der Mieter „an Kaufkraft“ nicht mehr (Deflation) oder weniger (Inflation) bezahlt, als bei Vertragsabschluss vereinbart wurde. Es ändert sich nur der nominelle Geldbetrag, das subjektive (innere) Wertverhältnis bleibt hingegen gleich.
[11] 8. Die Revision vermag keine Bedenken an dieser – im Wesentlichen auch von den Vorinstanzen zugrundegelegten – Begründung der sachlichen Rechtfertigung der vorliegenden Wertsicherungsvereinbarung zu wecken:
[12] 8.1. Dass für eine Wertsicherung des Mietzinses zwingend auf die Wertentwicklung der konkreten Kosten des Vermieters abzustellen wäre, überzeugt nicht. Der Klägerin ist zwar zuzustimmen, dass die Entgeltanpassung einen Bezug zu den konkreten Leistungen oder zur subjektiven Wertäquivalenz aufweisen muss. Letzteres ist bei einer Anpassung des Mietzinses nach dem VPI aber – wie dargelegt – der Fall. Der Vermieter erzielt dadurch auch keinen „Zufallsgewinn“, wie dies etwa bei einer Mietzinserhöhung aufgrund gestiegener Marktpreise der Fall wäre, vielmehr wird sein Gewinn (als Ergebnis der subjektiven Äquivalenz) nur seinem inneren Wert nach gesichert. Dass deshalb nur auf die Kosten des Vermieters abgestellt werden dürfe, weil nur diese für die Preisbildung bei Vertragsabschluss maßgebend gewesen wären, überzeugt nicht, weil sich der Mietzins typischerweise nach den jeweils bestehenden Marktverhältnissen richtet. Die Gesetzesmaterialien zu § 6 Abs 1 Z 5 KSchG nennen die Kosten des Unternehmers außerdem nur als ein Beispiel für ein sachlich gerechtfertigtes Kriterium einer Entgeltänderungsklausel.
[13] 8.2. Aus § 985 ABGB, wonach bei Rückgabe von als Darlehen gegebenen Sachen ein eingetretener Wertverlust nicht auszugleichen sei, ist für die Klägerin schon wegen des dispositiven Charakters dieser Bestimmung nichts zu gewinnen.
[14] 8.3. Dass der Mieter seine Kaution (die kein Teil der vertraglichen Leistungsäquivalenz ist) bei Beendigung des Mietverhältnisses „nur“ verzinst zurückerhält, lässt nicht erkennen, warum eine vertraglich vereinbarte Beibehaltung des ursprünglichen (wertmäßigen) Äquivalenzverhältnisses nach dem VPI sachlich nicht gerechtfertigt wäre.
[15] 8.4. Warum es einen rechtlichen Unterschied machen sollte, dass das zu 6 Ob 226/18f (wo eine Wertsicherung nach dem VPI als sachlich gerechtfertigt angesehen wurde) zu beurteilende Mietverhältnis dem Vollanwendungsbereich des MRG unterlag, wohingegen der vorliegende Mietvertrag (unstrittig) dessen Teilanwendungsbereich unterliegt, legt die Revisionswerberin nicht nachvollziehbar dar. Es ist dies im Hinblick auf das davon unabhängige Interesse der Parteien an einer Wahrung der bei Vertragsabschluss gegebenen subjektiven (Wert-)Äquivalenz während der gesamten Dauer des (hier auf zehn Jahre eingegangenen) Mietverhältnisses auch nicht ersichtlich. Wenn der durch Inflation eintretende Wertverlust des Mietzinses sogar bei eingeschränkter Erhaltungspflicht des Vermieters im Vollanwendungsbereich des MRG durch eine (vereinbarte) Wertsicherung ausgeglichen werden kann, so muss dies umso eher gelten, wenn den Vermieter (im Teilanwendungsbereich) eine umfangreichere (gesetzliche) Erhaltungspflicht trifft. Die Revision lässt auch nicht erkennen, weshalb dem Vermieter deshalb ein geringeres Interesse an einer Wertsicherung des Mietzinses zukäme, weil im Teilanwendungsbereich zulässigerweise vereinbarte Mietzinserhöhungen im Rahmen des § 1486 ABGB rückwirkend geltend gemacht werden könnten, wohingegen § 16 Abs 9 MRG dies für den Vollanwendungsbereich ausschließe. Dass eine Wertsicherung des Mietzinses anhand des VPI sachlich gerechtfertigt ist, zeigt sich auch daran, dass https://rdb.manz.at/document/ris.n.NOR40258239 die Valorisierung des Kategoriemietzinses an Veränderungen des VPI 2000 („oder des an seine Stelle tretenden Index“) knüpft und § 5 Richtwertgesetz eine Wertsicherung nach dem VPI vorsieht.
[16] 9. Da die Entscheidungen der Vorinstanzen mit der von der weit überwiegenden Lehre geteilten Rechtsprechung in Einklang stehen und die Revision an dieser keine Bedenken weckt, ist diese zurückzuweisen.
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