European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00006.24A.0322.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Klauselentscheidungen
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Beklagte verfügt über eine Wohnhausanlage, in der sie über 500 Wohnungen vermietet. Die Klägerin ist ein nach § 29 Abs 1 KSchG klageberechtigter Verband und begehrt von der Beklagten es zu unterlassen, bestimmte Mietvertragsklauseln im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern für den Abschluss von Wohnungsmietverträgen im Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes nach § 1 Abs 4 MRG zu verwenden oder sich darauf zu berufen, sowie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung.
[2] Mit der angefochtenen Entscheidung haben die Vorinstanzen der Klage hinsichtlich der Klauseln 3, 15 und 23 stattgegeben und die Klage hinsichtlich der Klausel 28 abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die außerordentlichen Revisionen der Klägerin und der Beklagten sind mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Zu Klausel 3 und 23:
„Die E‑Geräte (E‑Herd, Dunstabzug, Geschirrspüler, Kühl‑Gefrierkombination) sind daher bei Beendigung des Mietverhältnisses auch in funktionsfähigem Zustand an den Vermieter zu übergeben. Allfällige Reparaturen gehen zu Lasten des Mieters. (…)
Der Mieter nimmt zur Kenntnis, dass eventuell in der Wohnung befindliche Jalousien selbst zu warten und zu reparieren sind. Der Vermieter übernimmt für den Zustand und die Funktionstüchtigkeit der Jalousien keine Haftung.“
[4] Die Vorinstanzen erblickten im Haftungsausschluss für den Zustand und die Funktionstüchtigkeit der Jalousien sowie in der Überwälzung der Erhaltungspflichten auf den Mieter einen Verstoß gegen § 9 Abs 1 KSchG, wonach Gewährleistungsrechte gegenüber Verbrauchern nicht ausgeschlossen werden können. Darüber hinaus qualifizierte das Berufungsgericht die Überwälzung der Erhaltungspflicht als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 2 ABGB.
[5] Die Revision der Beklagten beruft sich auf die Rechtsprechung, wonach eine teilweise Überwälzung von Erhaltungspflichten auf den Mieter zulässig ist, solange nicht der Kernbereich der Erhaltungspflichten des Vermieters betroffen oder die Gesundheit gefährdet ist (RS0020841; RS0021525; 7 Ob 218/00k; 4 Ob 176/14g). Auch hier gilt aber der Grundsatz, dass jedes Abweichen von dispositivem Recht im Rahmen der Prüfung nach § 879 Abs 3 ABGB einer sachlichen Rechtfertigung bedarf (RS0014676; RS0016914). Dementsprechend hat der Oberste Gerichtshof mittlerweile zu 9 Ob 4/23p ausgesprochen, dass auch eine teilweise Überwälzung von Erhaltungspflichten auf den Mieter einer sachlichen Rechtfertigung bedarf, etwa indem ein bestimmter Betrag auf den Mietzins angerechnet wird. Solche Gründe hat die Beklagte nicht behauptet, was schon für sich genommen die Annahme einer gröblichen Benachteiligung rechtfertigt. Auf die von der Beklagten relevierte Frage, ob die Überwälzung der Erhaltungspflicht auch einen Verstoß gegen § 9 Abs 1 KSchG begründet, kommt es damit nicht mehr an.
Zu Klausel 15:
„Es wird die Wertbeständigkeit des unter Punkt 4. vereinbarten Mietzinses sowie der hinterlegten Kaution vereinbart. Die Wertsicherung erfolgt derzeit nach dem von der Bundesanstalt Statistik Österreich monatlich verlautbarten Verbraucherpreisindex 2015 (VPI 2015). Ausgangsbasis für diese Wertsicherung ist die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zuletzt verlautbarte Indexzahl. Indexschwankungen bis einschließlich 3 % bleiben unberücksichtigt. Dieser Spielraum ist bei jedem Überschreiten nach oben oder unten auf eine Dezimalstelle neu zu berechnen, wobei stets die erste außerhalb des jeweiligen Spielraums gelegene Indexzahl die Grundlage sowohl für die Neuberechnung des Mietzinses als auch des neuen Spielraums zu bilden hat.“
[6] Die Vorinstanzen erblicktenin dieser Klausel einen Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG. Dies entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Wertsicherungsklausel, nach welcher der Vermieter innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsabschluss ein höheres als das ursprünglich bestimmte Entgelt beanspruchen kann, gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG verstößt (2 Ob 36/23t; 8 Ob 37/23h). Aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 6 Ob 226/18f, auf die sich die Beklagte beruft, ist nichts Gegenteiliges ableitbar, weil dort keinVerstoß gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG geltend gemacht wurde (Rössl, Die [Un‑]Wirksamkeit von Wertsicherungsklauseln in AGB im Lichte des § 6 KSchG, ÖBA 2023, 650 [654]).
[7] Die Beklagte bestreitet gar nicht, dass die gegenständliche Klausel schon innerhalb der ersten beiden Monate nach Vertragsabschluss zu einer Mieterhöhung führen kann, meint aber, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf Dauerschuldverhältnisse nicht anzuwenden wäre (so auch Kronthaler, Zum [möglichen] Verstoß von Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG, wobl 2023, 414 ff). Dem Wortlaut des Gesetzes ist eine solche Einschränkung nicht zu entnehmen. Die herrschende Lehre geht deshalb seit jeher davon aus, dass diese Vorschrift sowohl für Ziel- als auch für Dauerschuldverhältnisse gilt (Fenyves/Rubin, Vereinbarung von Preisänderungen bei Dauerschuldverhältnissen und KSchG, ÖBA 2004, 347 [362]; Eccher in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang3 § 6 Abs 2 Z 4 ABGB Rz 1; Apathy/Frössel in Schwimann/Kodek 5 § 6 KSchG Rz 78; Kathrein/Schoditsch in KBB7 § 6 KSchG Rz 27). Auch der Oberste Gerichtshof hat § 6 Abs 2 Z 4 KSchG immer wieder auf Dauerschuldverhältnisse angewendet (3 Ob 268/09x [Heimträgervertrag]; 2 Ob 198/10x [Leasing]; 5 Ob 103/21i [Energielieferungsvertrag]).
[8] Nach der Absicht des Gesetzgebers soll § 6 Abs 2 Z 4 KSchG verhindern, dass der Preis im Vertrag zahlenmäßig bestimmt wird, der Unternehmer sich jedoch die Möglichkeit offenhält, für nur kurze Zeit später erbrachte Leistungen ein höheres als dieses zahlenmäßig bestimmte Entgelt zu verlangen (JAB 1223 BlgNR 14. GP 2). Auch der Mieter hat ein berechtigtes Interesse daran, dass der zahlenmäßig vereinbarte Mietzins zumindest für die nächsten Monate verbindlich ist. Der Rechtsstandpunkt der Beklagten, wonach § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nicht auf Dauerschuldverhältnisse anzuwenden wäre, ist daher weder vom Wortlaut noch vom Zweck des Gesetzes gedeckt.
[9] Soweit die Beklagte meint, dass die Wertsicherungsklausel die Hauptleistung festlege und deshalb nicht der Inhaltskontrolle unterliege, ist ihr entgegenzuhalten, dass diese Ausnahme in § 879 Abs 3 ABGB nach ständiger Rechtsprechung möglichst eng zu verstehen und auf die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen beschränkt ist (RS0016908). Bestimmungen, welche die Preisberechnung in allgemeiner Form regeln, unterliegen daher der Inhaltskontrolle (RS0016931). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs insbesondere auch für Preisanpassungsklauseln (10 Ob 125/05p; 5 Ob 138/09v). Die Beklagte nennt keine Gründe, die ein Abgehen von dieser Rechtsprechung rechtfertigen würden.
Zu Klausel 28:
„Der Mieter verzichtet hinsichtlich allfälliger von ihm vorgenommener Investitionen auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gemäß § 1097 iVm § 1037 ABGB. Es steht ihm sohin kein Anspruch auf Ersatz für nützlichen Aufwand zum überwiegenden Vorteil des Vermieters zu, sofern nicht im Einzelfall Anderes zwischen den Vertragspartnern vereinbart wird.“
[10] Die Entscheidung der Vorinstanzen, die einen solchen Verzicht des Mieters auf Ersatzansprüche für nützliche Aufwendungen als zulässig beurteilt haben, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (2 Ob 104/12a; 5 Ob 183/16x; 6 Ob 181/17m; 6 Ob 226/18f). Die unlängst ergangene Entscheidung zu 9 Ob 4/23p hat eine Klausel, die Ersatzansprüche des Mieters ausschloss, nur deshalb als unzulässig beurteilt, weil sie an eine unzulässige Überwälzung von Erhaltungspflichten auf den Mieter anknüpfte, was hier aber nicht der Fall ist. Die Rechtsansicht der Klägerin, dass die Klausel dem für Entgeltvereinbarungen geltenden Bestimmtheitsgebot widersprechen würde, ist nicht nachvollziehbar, weil es sich um einen Verzicht auf klar definierte Ansprüche handelt.
[11] Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wurde mit dem Argument kritisiert, dass eine sachliche Rechtfertigung für die Abweichung von der dispositiven Rechtslage nicht ersichtlich sei (Rosifka, Zur Wirksamkeit eines Vorausverzichts des Bestandnehmers auf Investitionsersatz, wobl 2013, 90 [92]; Vonkilch, Anm zu 10 Ob 52/14s, wobl 2015, 243 [246]; Pesek in Schwimann/Kodek 5 § 1097 ABGB Rz 48). Der Ausschluss von Kostenersatzansprüchen für nützliche Investitionen des Mieters ist aber schon dadurch gerechtfertigt, dass der Vermieter ein berechtigtes Interesse daran hat, sich vor unvorhersehbaren Zahlungspflichten schützen zu können, und der Mieter in einem solchen Fall selbst entscheiden kann, ob er die Investitionen auf seine Kosten vornimmt oder nicht. Soweit die Klägerin meint, dass solche Investitionen erforderlich sein können, um den Bestandgegenstand in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen, so ist sie darauf zu verweisen, dass Aufwendungen zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands der Wohnung nach § 1097 iVm § 1036 ABGB jedenfalls ersatzfähig sind (Lovrek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1097 Rz 19).
[12] Im Ergebnis ist die Entscheidung der Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gedeckt. Der bloße Umstand, dass diese Rechtsprechung von einem Teil der Lehre kritisiert wird, kann die Zulässigkeit einer Revision für sich allein genommen – wenn sich der Oberste Gerichtshof dieser Lehrmeinung nicht anschließt – nicht begründen (RS0042985). Die außerordentlichen Revisionen waren daher zurückzuweisen.
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