European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00055.24Z.0417.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die dem vorliegenden Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Klipp & Klar‑Bedingungen für die Zuhause & Glücklich Wohnungsversicherung, Deckungsvariante „Optimal“ in der Fassung 05/2014 (ZGWO) enthalten betreffend die Privathaftpflichtversicherung auszugsweise folgende Bestimmungen:
„Was gilt als Versicherungsfall? - Artikel 5:
Ein Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem privaten Risikobereich entspringt und aus welchem den versicherten Personen Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen könnten.
[...]
Welche Gefahren sind versichert? - Artikel 7:
Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers und der im Artikel 6 genannten mitversicherten Personen als Privatpersonen aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts, insbesonders
[...]“
Rechtliche Beurteilung
[2] 1. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. In Art 7 der ZGWO wird eine primäre Risikoumschreibung dahin vorgenommen, dass in der Privathaftpflichtversicherung der Risikobereich „Gefahren des täglichen Lebens“ unter Versicherungsschutz gestellt wird (vgl 7 Ob 7/22p).
[3] 2.1. Der versicherungsrechtliche Begriff der „Gefahr des täglichen Lebens“ ist nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, dass davon jene Gefahren, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss, umfasst sind (RS0081099). Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Freilich sind damit nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten abgedeckt (RS0081276). Für das Vorliegen einer Gefahr des täglichen Lebens ist nicht erforderlich, dass sie geradezu täglich auftritt. Vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei Rechtswidrigkeit oder Sorglosigkeit eines Vorhabens den daraus entspringenden Gefahren noch nicht die Qualität als solche des täglichen Lebens nehmen. Voraussetzung für einen aus einer Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadenfall ist nämlich eine Fehlleistung oder eine schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers (RS0081070). Auch ein vernünftiger Durchschnittsmensch kann aus Unvorsichtigkeit eine außergewöhnliche Gefahrensituation schaffen oder sich in einer solchen völlig falsch verhalten oder sich zu einer gefährlichen Tätigkeit, aus der die entsprechenden Folgen erwachsen, hinreißen lassen. Derartigen Fällen liegt eine falsche Einschätzung der jeweiligen Sachlage zu Grunde (RS0081081). Das bewusste und gewollte Schaffen einer Situation, die eine Brandgefahr oder Explosionsgefahr mit sich bringt, aus bloßem Mutwillen gehört bei Erwachsenen nicht zu den Gefahren des täglichen Lebens (RS0081317). Dass deshalb Mutwillen unabdingbare Voraussetzung wäre, ergibt sich aus dieser Rechtsprechung – entgegen den Ausführungen der Revision – nicht.
[4] 2.2. Die Abgrenzung zwischen dem gedeckten Eskalieren einer Alltagssituation und einer nicht gedeckten ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, was in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO begründet (7 Ob 87/23d; 7 Ob 21/24z je mwN).
[5] 3. Der Kläger stellte bei einer Grillfeier einen mit Benzin und Alkohol gefüllten Kochtopf auf eine auf einer Feuerschale befindliche Holztüre in ein brennendes Lagerfeuer. Eine sich in der Folge entwickelnde Stichflamme erfasste eine der Anwesenden. Sie erlitt dadurch Verbrennungen zweiten Grades.
[6] Die Vorinstanzen vertraten unter Anwendung der oben dargestellten Grundsätze der oberstgerichtlichen Rechtsprechung, dass ein Schaffen einer derartigen Gefahrensituation (trotz des Hinzutretens weiterer Handlungen eines anderen Teilnehmers der Feier) keine vom gedeckten Risiko umfasste Gefahr des täglichen Lebens sei, in die ein Durchschnittsmensch im normalen Lebensverlauf üblicherweise gerate. Das ist nicht korrekturbedürftig.
[7] Inwieweit der Vorgang des Flambierens von Speisen in einem Restaurant mit dem vorliegenden Sachverhalt verleichbar sei, und deshalb eine Gefahr des täglichen Lebens gegeben sein sollte, ist nicht nachvollziebar.
[8] 4. Auf die Frage des Vorliegens der ebenfalls geltend gemachten Risikoausschlüsse muss daher nicht näher eingegangen werden.
[9] 5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
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