European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00021.24Z.0306.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Zwischen den Streitteilen besteht ein Haftpflichtversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen und die Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2004 und EHVB 2004) Fassung 01/2015 zugrunde liegen. Die EHVB lauten auszugsweise:
„ Abschnitt B:
Ergänzende Regelungen für spezielle Betriebs‑ und
Nichtbetriebsrisiken
[...]
15. Privathaftpflicht
1. Die Versicherung erstreckt sich nach Maßgabe des Deckungsumfanges der AHVB auf Schadenersatzverpflichtung en des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder der gewerbsmäßigen Tätigkeit, insbesondere
[...]
2. Die Versicherung erstreckt sich auch auf gleichartige Schadenersatzverpflichtungen
2.1. des mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten oder Lebensgefährten;
[...]“
Rechtliche Beurteilung
[2] 1. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. In Abschnitt B Art 15.1 EHVB wird eine primäre Risikoumschreibung dahin vorgenommen, dass in der Privathaftpflichtversicherung der Risikobereich „Gefahren des täglichen Lebens“ unter Versicherungsschutz gestellt wird (vgl 7 Ob 7/22p).
[3] 2. Der versicherungsrechtliche Begriff der „Gefahr des täglichen Lebens“ ist nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, dass davon jene Gefahren, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss, umfasst sind (RS0081099). Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Freilich sind damit nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten abgedeckt (RS0081276). Für das Vorliegen einer Gefahr des täglichen Lebens ist nicht erforderlich, dass sie geradezu täglich auftritt. Vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei Rechtswidrigkeit oder Sorglosigkeit eines Vorhabens den daraus entspringenden Gefahren noch nicht die Qualität als solche des täglichen Lebens nehmen. Voraussetzung für einen aus einer Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadenfall ist nämlich eine Fehlleistung oder eine schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers (RS0081070). Auch ein vernünftiger Durchschnittsmensch kann aus Unvorsichtigkeit eine außergewöhnliche Gefahrensituation schaffen oder sich in einer solchen völlig falsch verhalten oder sich zu einer gefährlichen Tätigkeit, aus der die entsprechenden Folgen erwachsen, hinreißen lassen. Derartigen Fällen liegt eine falsche Einschätzung der jeweiligen Sachlage zu Grunde (RS0081081).
[4] Die Abgrenzung zwischen demgedeckten Eskalieren einer Alltagssituation und einer nicht gedeckten ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, was in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO begründet (7 Ob 87/23d mwN).
[5] 3. Der mitversicherte Lebensgefährte der Klägerin traf beim Besuch eines Sportfests auf den Ex‑Freund der Klägerin. Beide waren alkoholisiert. Der Ex‑Freund meinte zum Lebensgefährten, er solle verschwinden, worauf letzterer vorerst nicht reagierte.
[6] Die Vorinstanzen vertraten – nicht korrekturbedürftig – unter Anwendung der oben dargestellten Grundsätze der oberstgerichtlichen Rechtsprechung, dass selbst unter Berücksichtigung dieser Äußerung, das Verhalten des Lebensgefährten, dem Ex-Freund – bei einer weiteren Begegnung 15 Minuten später – völlig unvermutet mit den Worten „Tschüss du Arschloch“ eine Ohrfeige zu versetzen, wodurch der Ex‑Freund zu Sturz kam und sich einen Oberschenkelhalsbruch zuzog, keine solche vom gedeckten Risiko umfasste Gefahr des täglichen Lebens sei, in die ein Durchschnittsmensch im normalen Lebensverlauf üblicherweise gerate.
[7] 4. Auf die Frage des Vorliegens der ebenfalls geltend gemachten Risikoausschlüsse muss daher nicht näher eingegangen werden.
[8] 5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
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