OGH 4Ob156/23d

OGH4Ob156/23d4.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei * GmbH & Co. KG, *, vertreten durch die BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Gegner der gefährdeten Partei 1. * GmbH, 2. * und 3. *, alle *, alle vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert: 62.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 26. Juli 2023, GZ 4 R 85/23h‑16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00156.23D.0404.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die als „Mitteilung“ bezeichnete weitere Eingabe der gefährdeten Partei vom 18. Oktober 2023 wird samt den damit vorgelegten Urkunden zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die gefährdete Partei (im Folgenden: Antragstellerin) hält – soweit im Verfahren in dritter Instanz noch relevant – eine internationale Marke mit dem Schutzbereich „Produits pharmaceutiques et chimiques pour l‘hygiène“ (Klasse 5), unter anderem in der Europäischen Union (Priorität: 14. 5. 2015). Das EUIPO übersetzte den Schutzbereich mit „Pharmazeutische und chemische Produktefür die Hygiene“. Die deutsche Basismarke wiederum schützt „Pharmazeutische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege“.

[2] Die Antragstellerin vertreibt unter dieser Marke ein (Arznei‑ oder Nahrungsergänzungs‑)Mittel zum Ausgleich eines Magnesiummangels, der Störungen der Muskeltätigkeit verursacht, ua in der Europäischen Union. Sie benutzt dafür auch eine deutsche Website, deren Second‑Level‑Domain dem Wortlaut der Marke entspricht.

[3] Das Rekursgericht wies das auf die internationale Marke und die Benützung der gleichnamigen Second‑Level-Domain gestützte Sicherungsbegehren ab, den Gegnern der gefährdeten Partei (im Folgenden: Antragsgegnern) mit Sitz in Österreich im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union die Benützung desselben Zeichens und ähnlicher Zeichen für Arznei‑ und Nahrungsergänzungsmittel sowie ähnliche Produkte zu verbieten. Es schloss sich dem Einwand der Antragsgegner an, die Klagsmarke sei wegen zumindest fünfjähriger Nichtbenutzung für die Waren, für die sie eingetragen sei, verfallen. Das Warenverzeichnis der Markesei nicht so auszulegen, dass es alle pharmazeutischen und chemischen Produkte umfasse, weil sonst die Einschränkung „pour l‘hygiène“ gegenstandslos wäre. Der französische Begriff „hygiène“ sei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem objektiven Verkehrsverständnis mit dem deutschen Begriff „Hygiene“ gleichzusetzen, also mit dem Reinhalten des Körpers und von Sachen sowie dem Infektionsschutz, zB durch Desinfektion. Dieses Verständnis decke sichmit der Nizza‑Klassifikation und der diesbezüglichen Taxonomie des EUIPO in der deutschen Sprachfassung: „Gesundheitspflege“ entspreche den „services des soins de santé“ und sei nicht mit „Hygiene“ oder „hygiène“ gleichzusetzen. Das Mittel der Antragstellerin (Magnesiumpräparat), für das die Marke benutzt worden sei, sei nicht unter die im Warenverzeichnis enthaltene Bezeichnung zu subsumieren, weil es sich dabei nicht um ein Produkt für die Hygiene handle. Die Klagsmarke sei daher verfallen. Die Verwendung der mit der verfallenen Marke namensgleichen Domain begründe für sich allein keine Ansprüche nach § 9 Abs 1 UWG, weil diese Bestimmung Namens- und Firmenrechte, nicht aber Produktkennzeichen schütze, die nicht als Marke registriert seien. Der Revisionsrekurs sei in Ermangelung erheblicher Rechtsfragen nicht zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[4] 1.1. Die klaren Regelungen des Art 58 Abs 1 lit a UMV und des Art 189 Abs 1, 2 UMV binden den Verfall einer internationalen Marke, in deren Registrierung die Union benannt ist, an die fünfjährige nicht ernsthafte Benützung der Marke in der Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie – und nicht eine andere Marke (wie die Basismarke) – eingetragen ist. Vergleichbare Regelungen sahen Art 51 Abs 1 lit a GMV und Art 151 Abs 1, 2 GMV für die Gemeinschaftsmarke vor. Für die Registrierung internationaler Marken, deren Schutz sich auf die Union erstrecken soll, normiert Art 193 Abs 1 iVm Art 33 Abs 2 UMV nunmehr ebenso deutlich, dass die Waren und Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, so klar und eindeutig anzugeben sind, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage den beantragten Schutzumfang bestimmen können. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wiederum sind die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis verwendeten Bezeichnungen nach demallgemeinen Sprachgebrauch und dem objektiven Verkehrsverständnis auszulegen (RS0116295, insb [T2, T6]; 4 Ob 56/05x; 4 Ob 48/05w). Das gilt auch für die Beurteilung der rechtserhaltenden Benutzung einer Marke (4 Ob 186/21p; 4 Ob 206/22f). Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, der Schutzbereich der internationalen Marke der Antragstellerin in der Union sei allein entsprechend dem Warenverzeichnis der internationalen Marke selbst („Produits pharmaceutiques et chimiques pour l‘hygiène“) zu bestimmen, das dafür nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem objektiven Verkehrsverständnis auszulegen sei, und nicht – wie in der Zulassungsbeschwerde gefordert – entsprechend jenem der Basismarke („Pharmazeutische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege“), bewegt sich in dem durch die zitierten Bestimmungen und die Rechtsprechung abgesteckten Rahmen.

[5] 1.2. Ob Nutzungshandlungenim Zusammenhang mit den – durch Auslegung nach dem dargelegten Grundsatz zu ermittelnden – eingetragenen Waren und Dienstleistungen oder mit anderen Waren und Dienstleistungen erfolgten, ist regelmäßig anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und über diesen hinaus nicht bedeutsam (4 Ob 186/21p). Eine grobe Fehlbeurteilung des Rekursgerichts, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre, liegt entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht vor. Die Zulassungsbeschwerde zeigt keine Gründe dafür auf, warum die Auslegung der Wendung „pour l‘hygiène“ durch das Rekursgericht im Lichte des „Oberbegriffs“ („Produits pharmaceutiques et chimiques“) „denkunmöglich“ sein sollte. Mit den konkreten Argumenten des Rekursgerichts setzt sie sich nicht inhaltlich auseinander; die Verweise auf andere Schriftsätze sind unbeachtlich (vgl RS0043579; RS0043616). Dass die Wendung „pour l‘hygiène“ allenfalls auch anders ausgelegt werden könnte, begründet für sich allein keine erhebliche Rechtsfrage.

[6] 1.3. Sofern die Ausführungen der Antragstellerin darauf hinauslaufen sollten, dass ihre internationale Marke unrichtig registriert worden sei, wäre dies nicht in diesem Verfahren zu prüfen.

[7] 2. Die Antragstellerin weist richtig darauf hin, dass Domain-Namen, die keinen beschreibenden Charakter haben, als Unternehmenskennzeichen im Sinne des § 9 Abs 1 UWG schutzfähig sein können (4 Ob 36/98t; 17 Ob 27/07f). Ob das Rekursgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen ist, kann aber mangels Präjudizialität (vgl RS0088931) offen bleiben: Die Antragstellerin hat keine konkreten Tatsachen bescheinigt, die den Schluss zuließen, sie habe die Domain schon rechtsbegründend benützt, als die Antragsgegner das gleichlautende Zeichen erstmals verwendet haben. Es fehlt daher jedenfalls an der Bescheinigung der Priorität (vgl zB RS0009338; RS0066654; RS0078871). Eine Erörterung, um der Antragstellerin die Ergänzung ihres Vorbringens zu ermöglichen, kommt im Sicherungsverfahren nicht in Betracht (vgl RS0005452 [T11]).

[8] 3. Jeder Partei steht nur eine Rechtsmittelschrift zu (RS0100170; RS0041666). Weitere Rechtsmittelschriften, Nachträge oder Ergänzungen sind unzulässig (RS0041666). Der zusätzliche Schriftsatz zum Revisionsrekurs verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels und ist zurückzuweisen.

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